• Keine Ergebnisse gefunden

Ebene Entzerrung

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 97-101)

5 Methoden der Bauaufnahme

5.3 Photogrammetrische Methoden

5.3.2 Einbildauswertung

5.3.2.1 Ebene Entzerrung

5.3 Photogrammetrische Methoden 97

muss. Eine Lösungsmöglichkeit können in diesen Fällen die so genannten Shift-Objektive bieten, bei denen das Projektionszentrum der Kamera aus der Bildmitte heraus versetzt werden kann, sodass bei horizontaler Ausrichtung der Kamera ein größerer Bereich in der Höhe zu fotografieren ist [DECHAU, 1995]. Doch auch hier kann die Orientierung der Kamera selbst bei größter Sorgfalt nur näherungsweise vorge-nommen werden, sie genügt damit vielleicht optischen, aber nicht messtechnischen Anforderungen.

Eine Umbildung der Zentralperspektive in eine Parallelprojektion kann nur im Rahmen einer anschließen-den Auswertung durch eine so genannte ebene Entzerrung nahezu fehlerfrei vorgenommen weranschließen-den.

Hierbei wird die Methode der projektiven Transformation verwendet, um aus dem verzerrten Bild eine parallel projizierte Darstellung berechnen zu können. Entsprechend der acht Parameter der Gleichungen der projektiven Transformation werden am Objekt vier Passpunkte mit bekannten Koordinaten benötigt

[HEMMLEB, WIEDEMANN, 1997]. Die eigentliche Abbildung kann sowohl auf optischem Wege mit so genannten Entzerrungsgeräten45 [KRAUS, 1990] als auch mit digitalen oder digitalisierten Bildern durch numerische Berechnung der Transformationsparameter und anschließender rechnerischer Umbildung jedes Bildpixel in das entzerrte Bild [HEMMLEB, WIEDEMANN, 1997; MARTEN et al., 1994] ausgeführt werden.

nächster Nachbar:

2 x 2 Nachbarschaft:

4 x 4 Nachbarschaft:

11

g(6, 7, 10, 11) g(1-16)

a) direkte und indirekte Entzerrung b) Grauwertinterpolation

Abb. 5.22: Entzerrungsmethoden und Grauwertinterpolation[nach LUHMANN, 2000]

In der praktischen Realisierung der digitalen Entzerrung wird meist die so genannte indirekte Methode angewendet. Hierbei wird vom Endprodukt, der entzerrten Darstellung ausgegangen, die in Pixel mit einer Größe entsprechend der gewünschten Auflösung eingeteilt wird. Von der Pixelkoordinate des entzerrten Bildes wird mit den inversen Formeln der projektiven Transformation die zugehörige Position im Originalbild gesucht. Da die so berechnete Koordinate im Originalbild nicht genau auf ein Pixel fällt, muss aus den der Koordinate benachbarten Pixeln ein Grauwert ausgewählt werden, um diesen in das entzerrte Bild übertragen zu können (resampling). Hierbei wird entweder das nächste Pixel ausgewählt, oder der gesuchte Grauwert wird aus den benachbarten Pixeln berechnet (Abb. 5.22). Zur Berechnung des Grauwerts aus den umgebenden Pixeln können verschieden große Bereiche (2 x 2 oder 4 x 4 Pixel) und unterschiedliche Berechnungsverfahren gewählt werden. Bei allen Verfahren sollte die Auflösung des Ausgangsbildes mindestens die gleiche wie die des entzerrten Bildes sein, damit durch das Resampling keine Bildverschlechterung auftritt und aus der Entzerrung die selbe inhaltliche Information wie im Originalbild abzuleiten ist.

Zur digitalen Entzerrung werden verschiedene Softwarepakete angeboten [Z.B. EDDI-2D, 2001; ELSP, 2001;

MSR, 1996; PICTRAN, 2001], die speziell für diese Anwendung entwickelt worden sind und deshalb über die ebene Entzerrung hinaus ergänzende Möglichkeiten bieten. Neben der Entzerrung einzelner Bilder kann eine Montage mehrerer Einzelbilder zu einem gesamten maßstäblichen Bildplan (Bildmosaik) vorge-nommen werden. Hierdurch lassen sich auch große Objekte, die nur in mehreren Einzelbildern zu fotografieren sind, in einem entzerrten Bildplan darstellen. In den entzerrten Bildern können ebene Bildkoordinaten, Streckenlängen und Flächengrößen bestimmt werden, sodass neben dem entzerrten Bild auch numerische Ergebnisse abzuleiten sind. Vielfach können die ermittelten Strecken und Flächen, aber auch Bemaßungen in das entzerrte Bild eingeblendet werden. Ist die Entzerrungsebene durch dreidimen-sionale Passpunkte definiert worden, lassen sich auch dreidimendreidimen-sionale Koordinaten im entzerrten Bild messen. Teilweise können eventuell vorhandene Informationen über die innere Orientierung der

verwen-45Von dieser Möglichkeit wird heute nur noch selten Gebrauch gemacht.

deten Kamera in die Auswertung einbezogen werden, um Effekte durch Objektivverzeichnung, Filmdeformationen oder auch Scannen berücksichtigen zu können und eine größere Genauigkeit bei der Entzerrung zu erzielen. Die Parameter der digitalen Entzerrung werden einer Ausgleichung unterzogen, sodass mehr als vier Passpunkte in die Berechnungen eingeführt werden können und hierdurch neben der Genauigkeitssteigerung eine Kontrolle auf Zuverlässigkeit gegeben ist.

a) Messbildoriginal Rollei 6006 b) mit MSR ausgeführte Entzerrung

Abb. 5.23: Digitale projektive Entzerrung (Rom, Palatin, kleine Therme)

Die ebene Entzerrung ist abzugrenzen von der Möglichkeit vieler CAD- oder Bildbearbeitungs-Program-me, Bilddaten geometrisch zu korrigieren. Vielfach werden hier nur eine Affin-Transformation mit sechs Parametern oder eine Ähnlichkeitstransformation mit vier Parametern verwendet. Damit können zwar Verschiebung, Verdrehung und unterschiedliche Maßstäbe in den Koordinatenachsen, wie sie typischer Weise beim Kopieren oder Scannen von Plänen auftreten, berücksichtigt werden, doch eine ebene Entzer-rung wird durch diese Transformationen nicht geleistet. Bei CAD-Programmen ist demnach anhand der verwendeten Transformationsparameter zu recherchieren, ob eine projektive Transformation gerechnet wird, auch wenn der Begriff 'Entzerrung' im Handbuch für diesen Vorgang Verwendung findet.

Die ebene Entzerrung ist wie vorstehend erläutert nur für ebene Objektoberflächen anzuwenden. Soll das Verfahren der Entzerrung eingesetzt werden, ist genau zu prüfen, ob das Objekt tatsächlich durch eine Ebene als Bezugsfläche repräsentiert werden kann. Im Kapitel 4.2.2, 'Abbildungen auf Bezugsflächen' ist der Fehlereinfluss von nicht in der Ebene liegenden Bereichen erläutert worden. Bei vielen Anwendungen werden die von kleinen, oft nur wenige Zentimeter großen Abweichungen verursachten Fehler als vernachlässigbar klein angesehen. Wie aber die Abbildungen 4.8 und 5.24 anschaulich demonstrieren, wird durch z.B. einen nur 2 cm großen Vorsprung (∆l) aus der Objektebene bei einem Aufnahmewinkel von 45° ein Lagefehler (∆r) von 2 cm durch eine Entzerrung hervorgerufen; ein Aufnahmewinkel von 25°

verursacht bei der gleichen Kante einen Lagefehler von 0,9 cm. Wie dieses Zahlenbeispiel belegt, ist der Fehlereinfluss bedingt durch Oberflächenunebenheiten bei geringem Aufnahmewinkel wesentlich kleiner.

Abb. 5.24: Lagefehler der projektiven Entzerrung verursacht durch unebene Oberfläche

Der Aufnahmewinkel (α) wird durch die verwendete Kamerakonstante (c) und den Radialabstand (r') vom Bildhauptpunkt (H') bestimmt (Abb. 5.24). Soweit genug Platz für entsprechende Aufnahmeentfernungen vorhanden ist, sollten daher für Entzerrungen vorwiegend Teleobjektive und keine Weitwinkelobjektive eingesetzt werden. Eine mit langer Brennweite aus großer Distanz (y) angefertigte, senkrecht zur

Projek-5.3 Photogrammetrische Methoden 99

tionsebene ausgerichtete Aufnahme entspricht optisch schon sehr gut einer Parallelprojektion [WIEDEMANN, 1997] (Abb. 5.21c). Da aber Architekturaufnahmen häufig mit Weitwinkelkameras ausgeführt werden, die ein großes Bildformat (6 · 6 cm², 13 · 18 cm²) aufweisen, ist die Entzerrung unter Umständen auf einen kleinen Bereich um den Bildhauptpunkt zu beschränken. Auch wenn in der Literatur immer wieder Grenzwerte für die zulässige Abweichung aus der Ebene angegeben werden [Z.B. JÄNSCH, 1976], so ist doch für jede Anwendung individuell zu prüfen, ob die durch eine nicht ebene Oberfläche resultierenden Fehler toleriert werden können.

Große Abweichungen aus einer Ebene treten z.B. bei Fassaden auf, die eine starke Gliederung senkrecht zur Fassade aufweisen. Die durch die Entzerrung auf nur eine Ebene verursachen Lagefehler im entzerrten Bild entsprechen nicht den Genauigkeitsanforderungen der meisten Anwendungen (vgl. Abb.

5.41). Das Verfahren der projektiven Entzerrung kann hierbei in abgewandelter Form angewendet werden, sofern das Bauaufnahmeobjekt nicht nur aus einer, sondern aus mehreren, parallelen und in der Tiefe gestaffelten Ebenen besteht. In diesen Fällen ist jede der einzelnen Ebenen für sich getrennt zu entzerren und anschließend eine Montage der entzerrten Bilder zu einer Gesamtentzerrung vorzunehmen.

Innerhalb dieses Bildmosaiks treten an den Übergangsstellen zwischen den einzelnen Bildern unterschiedliche Grauwerte auf, die nach Belichtungssituation der benachbarten Bilder größer oder kleiner ausgeprägt sein können. Obwohl hiermit keine Beeinträchtigung der geometrischen Qualität verbunden ist, sind diese unnatürlich aussehenden Grauwertübergänge für den visuellen Eindruck sehr störend. In die photogrammetrischen Entzerrungsprogramme ist neben der bereits genannten Möglichkeit der Bildmontage auch die der Korrektur des Grauwertverlaufs integriert. Gleichwohl können die Bildmontage wie auch die Grauwertkorrektur mit konventionellen Bildverarbeitungsprogrammen wie z.B. Photoshop [PHOTOSHOP, 2001] ausgeführt werden.

Die projektive Transformation zeichnet sich wesentlich dadurch aus, dass zur Entzerrung keine Informationen über die innere und äußere Orientierung der Kamera vorliegen müssen. Diese Eigenschaft wird von zwei weiteren Methoden der Einbildauswertung geteilt, mit denen nicht nur ebene Objekte auf der Grundlage eines Bildes ausgewertet werden können.

Zum einen kann der Zusammenhang zwischen Bild- und Objektkoordinaten durch Polynomfunktionen höheren Grades beschrieben werden, wenn die Oberfläche zwar uneben, aber im mathematischen Sinne stetig strukturiert ist [MARTEN et al., 1994]. Damit durch die Polynomfunktion die Oberfläche ausreichend genau zu repräsentieren ist, muss meist eine große Anzahl von Passpunkten bestimmt werden. Der hiermit verbundene Aufwand und die Gefahr des so genannten Ausschwingens der Funktion erschwert den praktischen Einsatz dieser Methode [HEMMLEB, WIEDEMANN, 1997], sodass Polynomfunktionen zur Oberflächenbeschreibung nur selten eingesetzt werden.

Die zweite Methode bedient sich der projektiven Geometrie, die es ermöglicht, aus nur einem Bild eine dreidimensionale Objektrekonstruktion vorzunehmen [STREILEIN, VANDEN HEUVEL, 1999; VANDEN HEUVEL, 2001]. Auf der Grundlage von parallelen Bauwerkslinien, Rechtwinkelbeziehungen sowie anderen geome-trischen Zusatzinformationen lassen sich die räumlichen Orientierungen von Flächen berechnen. Das dreidimensionale Raummodell kann anschließend durch Verschneidung der einzelnen Flächen gewonnen werden. Zum Einsatz kann diese Methode kommen, wenn nur ein Bild des zu modellierenden Objektes vorliegt oder sehr einfache Bauwerksmodelle schnell und kostengünstig erzeugt werden sollen. Damit erlangt die Geometriemodellierung auf der Grundlage von Perspektivbeziehungen Bedeutung bei der technisch aufwändigen und anspruchsvollen Auswertung von Bildmaterial zerstörter Bauwerke. Hier liegt oft nur noch eine Aufnahme vor, aus der die notwendigen geometrische Informationen zur Rekonstruk-tion des Bauwerks gewonnen werden sollen46. Gleichfalls findet das Verfahren zur einfachen Architektur-präsentation im Internet Anwendung, bei denen nicht die geometrische Genauigkeit im Vordergrund steht. Entsprechende Auswertekomponenten sind z.B. in den Programmsystemen ShapeCapture [GRAI, 2001], 3D Builder [CGA, 2001] und PhotoModeler [PHOTOMODELER, 2001] enthalten.

46vgl. Kap. 5.3.6, 'Photogrammetrie und Kulturgüterschutz'

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 97-101)