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Abbildung auf Bezugsflächen

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 45-48)

4 Grundlagen der Erfassung, Modellierung und Darstellung

4.2 Koordinatensysteme und Bezugsflächen

4.2.2 Abbildung auf Bezugsflächen

a) Landeskoordinatensystem b) parallel zu Bauwerksachsen

Abb. 4.6: Übergeordnete Koordinatensysteme

Als Bezugsfläche für die Höhenmessungen ist generell die amtliche Niveaufläche zu verwenden11. Liegen keine Angaben über amtliche Höhenpunkte vor, sollte ein fester Bezugspunkt für alle Höhenmessungen geschaffen werden, dessen Höhenfestlegung willkürlich erfolgen kann. Damit aber das Höhenniveau nicht vollkommen den tatsächlichen Höhen über der Bezugsfläche widerspricht, können Näherungs-informationen z.B. aus einer topographischen Karte beschafft werden oder einfache Höhenübertragungen durch barometrische Messungen sowie einfache GPS-Messungen ausgeführt werden.

Die rechtwinkligen Koordinatensysteme stellen für die Mehrzahl der Anwendungen der Bauaufnahme die beste Grundlage dar, um ein Objekt in seinen geometrischen Eigenschaften beschreiben zu können. Für spezielle Problemstellungen kann es aber dennoch sinnvoll sein, auf andere Koordinatensysteme zurück-zugreifen. So sollten z.B. bei der Abwicklung von Türmen oder anderen zylindrischen Körpern die Messungen auf ein zylindrisches Koordinatensystem bezogen werden [KARRAS et al., 1997].

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Bezugsflächen unterscheiden. Entweder wird die Bezugsfläche in ihrer Lage im Raum nicht verändert, mit der wesentlichen Konsequenz, dass zur Bezugsfläche nicht parallele Bereiche des Objekts in ihrer Länge verzerrt abgebildet werden (Abb. 4.7a). Diese Methode bildet die Grundlage für die Modellierung eines Bauwerks durch die Abbildung in verschiedenen Horizontal- und Vertikalschnitten. Die Schnitt-ebene oder hierzu parallel angeordnete Ebenen sind gleichzeitig Bezugsfläche und DarstellungsSchnitt-ebene.

a) Abbildung auf Schnittebene b) Abbildung durch Abwicklung

Abb. 4.7: Objektoberfläche – Bezugsfläche – Abbildungsebene

Innerhalb der zweiten Lösungsmöglichkeit für die Abbildung auf eine Ebene werden die zu verwenden-den Bezugsflächen der geometrischen Form und Lage des Objektes im Raum angepasst, wodurch die wahren Längen am Objekt in der Abbildung erhalten bleiben, aber der einfach herzustellende übergeord-nete Bezug durch das Aufgeben einer festen Bezugsebene verloren geht (Abb. 4.7b). Hierbei wird im Allgemeinen von 'Abwicklung' gesprochen.

Erster Schritt bei der Abwicklung ist die Bestimmung der Bezugsfläche, die der geometrischen Form der Oberfläche entsprechen muss. Nicht immer stimmt die Objektoberfläche fehlerfrei mit einem geome-trischen Körper überein, sodass der Körper auszuwählen ist, mit dem die Oberfläche die höchst mögliche Übereinstimmung aufweist12. Neben dieser relativen Anpassung ist auch die absolute Position des Körpers im Raum festzulegen. Zur Bestimmung der relativen Form wie der absoluten Lagerung sind auf der Originaloberfläche ausreichend viele Punkte mit ihren dreidimensionalen Koordinaten zu vermessen, um hinreichend genau die tatsächliche geometrische Form ableiten zu können und somit auf gesicherter geometrischer Grundlage den Übergang von der Originaloberfläche auf die Bezugsfläche vornehmen zu können. Anschließend wird die Abbildung von der Bezugsfläche auf eine oder mehrere getrennt definier-te Darsdefinier-tellungsebenen vorgenommen.

In beiden Abbildungsarten wird wie bei allen Parallelprojektionen üblich die Lage des Objektpunktes auf der Bezugsfläche durch Fällen des senkrecht auf der Bezugsfläche stehenden Lotes gefunden (Abb. 4.7).

Die Abbildung in Schnitten kann bei Einhalten der Abbildungsvorschrift im Prinzip von beliebig geglie-derten Oberflächen sehr einfach vorgenommen werden13. Abwicklungen sind verzerrungsfrei nur für ebene oder einfach gekrümmte Oberflächen auszuführen. Mehrfach gekrümmte Objekte wie z.B. Kugeln oder Ellipsoide können zwar bei entsprechender Wahl der Bezugsfläche mathematisch fehlerfrei in diese übertragen werden. Die abschließende geforderte Abbildung in eine Ebene kann aber nicht mehr ohne Verzerrungen erfolgen. Zur Abbildung derartiger Oberflächen in eine Darstellungsebene sind die unter-schiedlichen Netzentwürfe der Kartographie einzusetzen. Da doppelt gekrümmte Flächen nur für eine Eigenschaft – längentreu, winkeltreu oder flächentreu – im Differentiellen verzerrungsfrei abgebildet werden können, ist eine für die Anwendung geeignete Abbildung zu wählen14. Völlig unregelmäßig aufgebaute, nicht mathematisch zu beschreibende Objekte können durch so genannte digitale Ober-flächenmodelle in ihrer tatsächlichen Geometrie dreidimensional modelliert werden, um hierauf aufbauend Abbildungen in ebenen Darstellungen berechnen zu können15.

12Besonders schwierig ist eine Entscheidung zu treffen zwischen den Bezugskörpern Kugel und Ellipsoid oder Zylinder und Kegel. Zur Anpassung von Punktwolken an Bezugskörper vgl. z.B. [THEODOROPOULOU, 2000].

13vgl. Abb. 5.5, Kap. 5.1.2, 'Verformungsgerechtes Handaufmaß'

14vgl. z.B. [HAKE, GRÜNREICH, 1994; KARRAS et al., 1997] sowie Kap. 5.3.2, 'Einbildauswertung'

15 Diese Möglichkeit besteht prinzipiell auch bei mathematisch beschreibbaren Objekten; vgl. hierzu z.B. [SCHULZ, 2001;

WIEDEMANN, 1997] sowie Kap. 5.3.2.4, 'Differentielle Entzerrung'.

Im Rahmen einer Abbildung vom dreidimensionalen Original zur zweidimensionalen Darstellung können Abweichungen in geometrischer und inhaltlicher Hinsicht auftreten, die aufgrund ihres prinzipiellen Charakters unabhängig vom eingesetzten Messverfahren vorkommen können und deshalb bei allen Vorüberlegungen über die anzuwendende Modellierungsstrategie zu berücksichtigen sind.

Für die geometrische Erfassung des Originals mit anschließender Abbildung in eine Ebene lassen sich zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen einsetzen, die sich in Aufwand und Genauigkeitspotenzial erheblich unterscheiden. Wird über die Methode nach dem Gesichtspunkt der besten geometrischen Genauigkeit entschieden, so sollte die Messung der Geometrie direkt auf dem Bauwerksoriginal mit dem Ergebnis dreidimensionaler Koordinaten erfolgen. Anschließend werden die dreidimensionalen Raum-koordinaten auf die definierte Bezugsfläche abgebildet und dadurch eine Verebnung herbeigeführt. Dieser rein mathematisch terminierte Vorgang kann sowohl direkt während der Messung oder auch im Verlauf der Weiterverarbeitung in einem CAD-Modell ausgeführt werden. Bei ausreichend genauer Überein-stimmung zwischen Bezugsfläche und Original sowie fehlerfreier Messung der dreidimensionalen Koor-dinaten kann die Abbildung vom Original in die Ebene mathematisch korrekt vorgenommen werden.

Wird dagegen zum Vereinfachen des Messvorgangs das Original durch einen mathematisch zu beschreibenden Körper (Ebene, Zylinder, Kugel, Ellipsoid, Paraboloid) ersetzt und die Geometrie-modellierung statt auf der Originaloberfläche auf dieser Körperoberfläche vorgenommen, so ist zu berücksichtigen, dass der als Modell eingesetzte Körper nicht immer der tatsächlichen Beschaffenheit des Originals entspricht16. Durch Fehler in der Bauausführung, raue Objektoberflächen, Bauschäden oder den Regelkörper ergänzende Bauornamente können Teile des Originals außerhalb der Idealform des Baukörpers liegen. Von der angenommenen mathematischen Oberfläche abweichenden Objektbereiche werden im Modell in ihrer Lage verzerrt abgebildet, sofern die eigentliche Messung nicht in direkter Parallelprojektion stattfindet. Dies ist immer dann der Fall, wenn berührungslose photogrammetrische oder geodätische Messverfahren eingesetzt werden. Es treten dabei Effekte auf, wie sie von der Zentral-perspektive fotografischer Abbildungen bekannt sind. Die hierdurch verursachten geometrischen Auswir-kungen sind am einfachsten für den Fall einer Ebene als Bezugsfläche zu verdeutlichen, treten aber auch für alle anderen Oberflächentypen auf:

Abb. 4.8: Lagefehler für außerhalb von Bezugsflächen liegende Objekte

Die im Grundriss dargestellte Gebäudewand soll in ihrer Geometrie vermessen werden (Abb. 4.8). Um den Messvorgang zu vereinfachen, wird die Wand als eine im Raum senkrecht stehende Ebene ange-nommen. Ist die Position dieser Ebene wie die Position des Messgerätes bekannt, können die Koordinaten von Punkten auf der Originalwand durch einfache Schnittberechnungen mit der als Bezugsfläche definier-ten, senkrecht stehenden Wand bestimmt werden. Wie der Grundrissdarstellung leicht zu entnehmen ist, werden Punkte, die um den Betrag ∆l außerhalb der Wand liegen je nach Schnittwinkel um den Betrag ∆r versetzt abgebildet; gleiches gilt für eine Punktverzerrung in der Höhe. Dieser Fehlereinfluss tritt bei den unterschiedlichen Messverfahren auf und muss dort entsprechend berücksichtigt werden.

Werden während der Bauaufnahme die hier beschriebenen vereinfachten Verfahren zur Erfassung einge-setzt, sollte hinreichend beachtet werden, dass durch die Abbildung auf eine neue Bezugsfläche ein Modellierungsvorgang ausgeführt wird, der nach dem in der 'Allgemeinen Modelltheorie' entwickelten Verständnis gegenüber dem Original einen reduzierten Inhalt verursacht. Dies gilt nicht nur für die geometrische Richtigkeit, sondern auch für die inhaltliche Aussage, da durch die Abbildung auf eine ebene Bezugsfläche wesentliche Informationen verloren gehen können. So ist z.B. eine am Original

16Besonders ist dies z.B. bei der photogrammetrischen Entzerrung oder der Abbildung von Gewölben zu beachten; vgl. Kap.

5.3.2, 'Einbildauswertung'.

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recht zur Bezugsebene liegende Öffnung zwar in ihrer Lage auf der Bezugsflächen zu modellieren, es kann aber keine Information über die Tiefe der Öffnung unmittelbar aus dem Modell abgeleitet werden.

Von der abgewickelten Fläche kann nicht mehr vollständig auf die Beschaffenheit der Originaloberfläche geschlossen werden. Die Rücktransformation vom Modell zum Original würde für die Tiefenstaffelung des Objekts nicht mehr durchzuführen sein.

Diese Einschränkung wird bei vielen Messanordnungen bewusst gewählt, um den Vorgang der Objekt-erfassung auf eine Ebene zu beschränken und damit zu vereinfachen. Dies gilt besonders für die Model-lierung ausgedehnter und komplexer Bauwerke, bei der eine vollständig dreidimensionale ModelModel-lierung gar nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand zu leisten ist. Auch wenn mit modernen CAD-Programmen eine dreidimensionale Darstellung prinzipiell möglich ist, so wird dennoch vielfach eine Modellierung in definierten Schnitten vorgenommen17. Eine Beschränkung der Modellierung auf ausgewählte Schnitt-ebenen gestattet die Konzentration auf bauwerkstypische Charakteristika und wesentliche Inhalte, die besser herausgearbeitet und deutlicher aufgezeigt werden können. Für viele Zwecke ist die Erfassung in Schnitten auch deshalb vorteilhaft, weil Objektbereiche nicht immer mit gleicher Relevanz in dreidi-mensionalen Koordinaten modelliert werden müssen. Eine Modellierung im Längs- oder im Querschnitt kann für den Zweck ausreichend sein und ist manchmal die einzige Möglichkeit, um wichtige von unwichtigen Informationen trennen zu können. Der Verlust der dritten Dimension wird zu Gunsten der Betonung einer bestimmten inhaltlichen Aussage aufgegeben.

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