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Realisierung von Koordinatensystemen

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 48-53)

4 Grundlagen der Erfassung, Modellierung und Darstellung

4.2 Koordinatensysteme und Bezugsflächen

4.2.3 Realisierung von Koordinatensystemen

4.2 Koordinatensysteme und Bezugsflächen 47

recht zur Bezugsebene liegende Öffnung zwar in ihrer Lage auf der Bezugsflächen zu modellieren, es kann aber keine Information über die Tiefe der Öffnung unmittelbar aus dem Modell abgeleitet werden.

Von der abgewickelten Fläche kann nicht mehr vollständig auf die Beschaffenheit der Originaloberfläche geschlossen werden. Die Rücktransformation vom Modell zum Original würde für die Tiefenstaffelung des Objekts nicht mehr durchzuführen sein.

Diese Einschränkung wird bei vielen Messanordnungen bewusst gewählt, um den Vorgang der Objekt-erfassung auf eine Ebene zu beschränken und damit zu vereinfachen. Dies gilt besonders für die Model-lierung ausgedehnter und komplexer Bauwerke, bei der eine vollständig dreidimensionale ModelModel-lierung gar nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand zu leisten ist. Auch wenn mit modernen CAD-Programmen eine dreidimensionale Darstellung prinzipiell möglich ist, so wird dennoch vielfach eine Modellierung in definierten Schnitten vorgenommen17. Eine Beschränkung der Modellierung auf ausgewählte Schnitt-ebenen gestattet die Konzentration auf bauwerkstypische Charakteristika und wesentliche Inhalte, die besser herausgearbeitet und deutlicher aufgezeigt werden können. Für viele Zwecke ist die Erfassung in Schnitten auch deshalb vorteilhaft, weil Objektbereiche nicht immer mit gleicher Relevanz in dreidi-mensionalen Koordinaten modelliert werden müssen. Eine Modellierung im Längs- oder im Querschnitt kann für den Zweck ausreichend sein und ist manchmal die einzige Möglichkeit, um wichtige von unwichtigen Informationen trennen zu können. Der Verlust der dritten Dimension wird zu Gunsten der Betonung einer bestimmten inhaltlichen Aussage aufgegeben.

a) rechtwinkliges Schnurgerüst b) schiefwinkliges Schnurgerüst

Abb. 4.9: Schnurgerüste als Koordinatennetze für die Grundrissmessung

Die Schnittpunkte der Schnurgerüste sind zumindest bei langen Schnüren nur mit einer Genauigkeit kaum besser als 1cm festzulegen. Werden auf dieser Grundlage neue Schnüre in das System eingehängt, so werden Fehler durch das gesamte Messnetz fortgeführt. Ein wesentlicher Nachteil ist der nur sehr aufwändig herzustellende Bezug zwischen innerhalb und außerhalb des Gebäudes verlaufenden Schnüren sowie zwischen verschiedenen Geschossen. Schnurgerüste sind als Messnetze nur bei kleinen, einfach aufgebauten Gebäuden sinnvoll und wirtschaftlich einzusetzen.

Sollen Schnitte und Ansichten erfasst werden, so lassen sich unter Einsatz von Lotschnur, Wasserwaage oder Nivellier ohne großen technischen Aufwand sehr einfach zu verwendende Koordinatensysteme realisieren (Abb. 4.10). Durch Aufhängen eines Lotes wird eine vertikale Lotlinie als eine Achse eines zweidimensionalen Bezugssystems festgelegt. Mit der Wasserwaage wird eine horizontale Bezugsgerade als zweite Achse auf eine Höhe einnivelliert. Durch Einsatz eines Rotationslasers können vertikale, horizontale und schief im Raum liegende Ebenen einfach und schnell definiert werden.

Abb. 4.10: Schnurgerüst für Ansichten und Schnitte

Das Einrichten von Messsystemen mit Schnüren und Wasserwaage ist eng abgestimmt auf das zu erzie-lende Ergebnis des Modellierungsprozesses. Als Resultat der Bauaufnahme soll bei vielen Anwendungen ein Plan entstehen, der das Bauwerk oder Teile davon in einer definierten Schnittebene durch Parallelpro-jektion wiedergibt. Somit handelt es sich hierbei um eine Abbildung eines dreidimensionalen Objektes in eine zweidimensionale Bezugsebene. Die Realisierung des Bezugssystems durch sich senkrecht schnei-dende Linien am Bauwerk entspricht der Vorgehensweise während der Zeichnung des Schnittplans. Die Objektgeometrie kann entlang der aufgespannten Schnüre gemessen und direkt in den Plan übertragen werden. Anhand der Schnüre ist anschaulich am Objekt abzulesen, in welcher Schnittebene die Model-lierung erfolgen soll und wie die endgültige Darstellung im verkleinerten Maßstab aussehen wird. Diese Anschaulichkeit macht einen bedeutenden Vorteil der Verwendung von Schnurgerüsten zur Realisierung

4.2 Koordinatensysteme und Bezugsflächen 49

von Bezugssystemen aus. Die mathematische Abbildung des dreidimensionalen Objektes in die Bezugs-ebene wird durch die Arbeitsweise während der Messung vorgenommen, ohne dass ein separater Arbeits-schritt notwendig wird. Die in der Abbildung darzustellenden Längen werden direkt am Objekt gemessen, es müssen keine abgeleiteten Größen berechnet werden. Fehlereinflüsse, die bei anderen Arten der Abbil-dung in eine Bezugsebene auftreten können20, lassen sich durch die direkte Kennzeichnung der Abbildungsebene am Bauwerk und das achsparallele Messen weitgehend vermeiden.

Das Leistungspotenzial von Schnurgerüsten kann bei kleinen Objekten mit überwiegend ebenen Struktu-ren und ohne eine zwingende Notwendigkeit des übergeordneten Koordinatenanschlusses voll ausge-schöpft werden21. Bei größeren Objekten mit hohen Anforderungen an die geometrische Genauigkeit ist aber zwingend das im Folgenden beschriebene geodätische Festpunktfeld als Realisierung eines Bezugs-systems einzusetzen.

4.2.3.2 Geodätische Festpunktfelder

Ein durch geodätische Messungen bestimmtes Grundlagennetz ist für die Erfassung größerer Bauwerke unbedingte Voraussetzung. Hauptsächlicher Vorteil eines geodätischen Festpunktfeldes ist die flexible Wahl der Position der Netzpunkte bei homogener Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Punktkoordinaten.

Werden die Messungen z.B. mit Präzisionstachymetern ausgeführt und anschließend einer Netzausgleich-ung unterzogen, lassen sich Koordinaten mit einer absoluten Genauigkeit besser 5 mm bereitstellen22.

Abb. 4.11: Festpunktfeld

20wie in Abb. 4.8 anschaulich dargelegt

21Für weitere Beispiel zur Anlage von Schnurgerüsten vgl. z.B. [CRAMER, 1993; WANGERIN, 1992; WULF-RHEIDT, WOLF, 1996].

22 Die Anlage und Berechnung von Festpunktfeldern kann der Fachliteratur entnommen werden [z.B. MÖSER et al., 2000;

PELZER, 1980].

Für alle Punkte des Festpunktfeldes sollten dreidimensionale Koordinaten bestimmt werden, damit überall Grundriss- und Höhenkoordinaten zur Verfügung stehen. Eine Trennung in Lagefestpunkte und Höhenfestpunkte, wie bei konventionellen geodätischen Fragestellungen oft üblich, ist nicht sinnvoll.

Werden ausgehend von den Punkten des Festpunktfeldes weitere Detailmessungen ausgeführt, können diese aufgrund des gemeinsamen dreidimensionalen Koordinatenbezugs aufeinander bezogen werden, unabhängig von Punktlagen und Sichtachsen. Damit ist eine größtmögliche Freiheit und Flexibilität während der Messungen sichergestellt, Zwangsbedingungen in der Netzgeometrie, wie bei der Anlage von Schnurgerüsten häufig anzutreffen, bestehen in der Regel nicht. Abbildung 4.11 zeigt ein typisches Festpunktfeld, auf dessen Grundlage ein Objekt in seiner Gesamtheit erfasst werden kann. Die Koordi-naten der Punkte der so genannten 1. Ordnung sind in einer Gesamtausgleichung berechnet worden, sodass ein homogenes, hochgenaues übergeordnetes Festpunktfeld zur Verfügung steht. Idealerweise sollten alle direkt benachbarten Punkte durch Messungen miteinander verbunden werden. Durch ein derartig berechnetes Netz 1. Ordnung kann bei größeren Objekten der Koordinatenbezug nicht in allen Teilbereichen sichergestellt werden. Für eine Verdichtung des Festpunktfeldes sind nachgeordnete Punkte anzulegen, deren Koordinaten durch ergänzende Polygonzugsmessungen oder polar ausgeführte Messun-gen zu bestimmen sind. Meist können diese Punkte mit einer geringfügig reduzierten Genauigkeit als das übergeordnete Netz 1. Ordnung bestimmt werden. Erst durch diese Punkte der so genannten 2. oder 3.

Ordnung kann der übergeordnete Bezug in jedem Bereich des Objekts garantiert werden.

Ein geodätisches Festpunktfeld kann als Grundlage für Schnurgerüstmessungen eingerichtet werden, wobei die vertikalen Achsen des Messnetzes meistens mit dem Theodolit aufgespannt werden. Durch Messung zu den Festpunkten wird die Verbindung zwischen den einzelnen Achsen z.B. von innen nach außen oder über Geschosse hinweg hergestellt.

Abb. 4.12: Verdichtetes Bezugsnetz

4.3 Datenstrukturierung und -darstellung 51

Das Potenzial eines dreidimensionalen Bezugsnetzes wird aber erst durch eine enge Verdichtung des Koordinatennetzes vollständig genutzt. Unter dem Begriff eines Festpunktes wird im Allgemeinen ein sicher vermarkter Punkt verstanden, der Koordinaten im übergeordneten System aufweist und Bezugs-punkt für alle weiteren Messungen ist. Bei allen sonst üblichen geodätischen Fragestellungen sind die Detailmessungen Endergebnis des Messvorganges, aus ihnen wird normalerweise der Plan des Objektes als abschließendes Resultat des Modellierungsprozesses abgeleitet. Diese polar bestimmten Objektpunkte können aber wiederum als Grundlage für weitere verdichtende Messungen genutzt werden. Das Ausdehnen von Koordinatennetzen auch auf den kleinräumigen Bereich der Detailmessungen stellt eine verdichteten Bezugsrahmen für jede ergänzende Objekterfassung bereit. Je nach Anforderung können z.B. im Abstand von einem Meter Punkte durch tachymetrisch ausgeführte Polarpunktmessungen bestimmt werden, von denen unter Einsatz einfacher Messwerkzeuge die eigentliche geometrische Modellierung erfolgen kann.

Die Abbildung 4.12 zeigt ein Beispiel für ein eng verdichtetes Bezugsnetz. Hier wurden Punkte an den wichtigen Objektstrukturen vor Ort markiert, tachymetrisch bestimmt und geplottet. Die bestimmten Koordinaten weisen – abhängig von der Genauigkeit bei der Punktauswahl – eine hohe relative Genauig-keit auf. Die absolute GenauigGenauig-keit ist nur wenig geringer als die des übergeordneten Koordinatennetzes.

Ist diese Arbeitsweise für Grundrissmessungen schon mehrfach erprobt [z.B. WULF-RHEIDT, 2001], so wird bei Schnittmessungen nur selten auf das Verfahren des verdichteten Koordinatennetzes zurückgegriffen23. 4.3 Datenstrukturierung und -darstellung

Während einer Bauaufnahme sind vielfältige Informationen zu erfassen, zu modellieren und darzustellen.

Damit das vom Original abgeleitete Modell für eine spätere Verwendung genutzt werden kann, müssen die geometrischen und inhaltlichen Bauwerksparameter in Bezug auf die Anforderungen der unterschied-lichen Anwendungsgebiete aufbereitet werden. Dabei besteht die Hauptaufgabe der Modellierung darin, eine sinnvolle Strukturierung und angemessene Darstellung zu gewährleisten. Sind die Daten schlecht strukturiert, kann keine übersichtliche Präsentation vorgenommen werden; liegt ein optimal organisiertes Datenmodell vor, das aber nicht anschaulich dargestellt wird, verfehlt die Modellierung ebenfalls ihren Zweck. Die den einzelnen Bauaufnahmemethoden innewohnenden Strukturierungs- und Darstellungs-potenziale legen vielfach eine eingeschränkte Art der Datenverarbeitung und Ergebnisdarstellung nahe, was dazu führen würde, dass bestimmte Vorgehensweisen von vornherein nicht in Betracht zu ziehen wären. Auf die Entscheidung über Form und Art der Datenstrukturierung und -darstellung sollten aber nicht die für die Bauaufnahme einzusetzenden Methoden, sondern die vom Objekt und dem Verwen-dungszweck abzuleitenden Anforderungen Einfluss nehmen. Somit sind die nachfolgenden Überlegungen zwar mit den Bauaufnahmemethoden zum Teil eng verbunden, sie sollten aber trotzdem unabhängig von diesen in einem eigenständigen Entscheidungsvorgang angestellt werden.

In Kapitel 2.1, 'Der allgemeine Modellbegriff', ist eine Unterscheidung in drei verschiedene Arten von Modellen nach deren Präsentationsform vorgenommen worden: grafische, technische und semantische Modelle. Zu den semantischen Modellen können alle Arten von schriftlichen Aufzeichnungen gezählt werden, in die technischen Modelle sind real gebaute Modelle ebenso wie 3D-Computermodelle einzu-ordnen. Für die Bauaufnahme nehmen die grafischen Modelle eine besondere Bedeutung ein, werden doch die meisten Bauaufnahmen in Form von Bildern, Plänen, Zeichnungen und Skizzen präsentiert.

Hierbei sind von der reinen bild- bis zur symbolhaften Darstellung, die nur über eine erklärende Legende zu verstehen ist, alle Abstufungen denkbar. In einer fotografischen Abbildung sind viele der am Original sichtbaren Informationen enthalten, wobei mit Ausnahme des technisch bedingten Informationsverlustes keine Reduktion während dieser Modellierung der Objektoberfläche zu verzeichnen ist. Bei den interpre-tierenden Bauaufnahmemethoden wird dagegen eine Darstellung mit geringerer Informationsdichte erstellt. Für die interpretierende Modellierung werden auch bei Verwendung der grafischen Modelle die derivativen Operationen eingesetzt, wie sie im Rahmen der 'Allgemeinen Modelltheorie' für die semantischen Modelle formuliert worden sind. Hierbei sind in erster Linie die Informationsreduktion, die

23vgl. Kap. 6.2, 'Praktische Umsetzung einer methodenkombinierenden Bauaufnahmestrategie'

Abstraktion oder Generalisierung24 sowie die Interpretation zu nennen. Diese interpretierende Bewertung der Bauwerkseigenschaften kann auch als Strukturierung nach durch den Bauaufnahmezweck bestimmten Kriterien aufgefasst werden. So erfordert die Reduktion der geometrischen Objekteigenschaften in eine punkt- oder linienhafte Darstellung eine inhaltliche Strukturierung, die nach der für den Modellierungs-zweck maßgeblichen Wichtigkeit der Informationen vorgenommen werden muss. Diese einfache Struktu-rierung in Form von Weglassen und Betonen kann nicht für alle Bauwerksattribute eingesetzt werden. Die über die Geometrie hinausgehenden Eigenschaften müssen z.T. in komplexen Datenmodellen gegliedert werden, um sie für eine weitergehende Auswertung mit anschließender Darstellung nutzen zu können. Je höher der Grad an derivativen Operationen im Verlauf der Bauwerksmodellierung ist, desto mehr müssen die erfassten Informationen strukturiert und angemessen präsentiert werden.

Somit sind die Überlegungen zur Datenstruktur und Ergebnisdarstellung entscheidende Faktoren, die Verlauf und Resultat der Bauaufnahme maßgeblich beeinflussen können. Vor dem Hintergrund des Bauaufnahmezwecks ist die Entscheidung über eine geeignete Bauaufnahmemethode nur in Abwägung mit den Anforderungen zur Datenstrukturierung und Ergebnispräsentation zu treffen.

Die Strukturierung und Darstellung kann mit verschiedenen Werkzeugen und Methoden ausgeführt werden, wobei viele der grundsätzlichen Prinzipien unabhängig vom Darstellungsmedium gelten. Begin-nend von analogen grafischen Darstellungen über die CAD basierte Strukturierung mit zwei- bzw. dreidi-mensionaler Darstellung einschließlich der verschiedenen animierten Visualisierungsmöglichkeiten bis zur objektorientierten Modellierung in Informationssystemen werden nachfolgend die wesentlichen Merkmale und Anforderungen der unterschiedlichen Verfahren erarbeitet.

4.3.1 Strukturierung und Darstellung unter Verwendung von Bildern, analogen Plänen und

Im Dokument Ulrich Weferling (Seite 48-53)