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Tabelle 21: Schema zur Bewertung der europäischen Debatte

Identifizierter Schwerpunkt in der Reformdebatte

Relevanz Quantitativ: Präsenz in Positionen

Qualitativ: Bedeutung für DE, Bezug zum eur. Mehrwert Varianz

Bandbreite der Positionen, Häufung, kontroverse Positionen

Konsistenz Stimmigkeit der Argumentation (innere Logik)

Kohärenz Rückwirkung auf andere Aspekte (Reformcluster), Passfähigkeit mit

anderen Programmen Einordnung DE-Position in das Spektrum der Positionen (falls

vorhanden) Umgang mit Unterschieden Bund / Länder

Quelle: DLR Projektträger (2018).

6.2 Unterschiedliche Positionen in der europaweiten Debatte für ausgewählte Reformaspekte

Die Debatte auf europäischer Ebene wird zu einigen Fragen bereits intensiv geführt und wird im nun formal anlaufenden Verhandlungsprozess fortgesetzt werden. Vorrangig betrifft dies das Budget der EU-Strukturpolitik, die Mittelverteilung auf die einzelnen Mitgliedsstaaten und Regio-nen, die Vereinfachung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme sowie die stärkere Verbindung mit Strukturreformen. Die bisherige Auswertung der Positionen lässt sich in zehn Reformpakete gliedern, die jeweils aus einzelnen Reformaspekten bestehen (Systematisierung), die dann ihrer-seits Ausprägungen an Reformforderungen von den Akteuren aufweisen (Differenzierung).

6.2.1 Haushalt

Der Reformaspekt „Haushalt“ weist eine hohe Präsenz in der Gesamtdebatte auf. Er wird vor al-lem von der KOM, auf Ebene der Mitgliedsstaaten und von regionalen Vertretern kontrovers dis-kutiert. Auch für Deutschland ist dies ein sehr relevanter Aspekt, da eine Verringerung des Mit-telanteils der Kohäsionspolitik am Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) direkte nachteilige Auswir-kungen auf die EFRE-Förderung der deutschen Regionen hätte, z.B. hinsichtlich Intensität, räumli-cher Abdeckung und Sichtbarkeit der EU. Die beiden folgenden Abbildungen stellen den EU-Haus-halt für die aktuelle Periode nach Rubriken und Programmen dar.

Abbildung 49: EU-Haushalt, aufgeschlüsselt nach den Rubriken des Finanzrah-mens, 2014 - 2019 (in Mio. Euro)

186

Quelle: Prognos AG (2018) auf Basis von Europäischer Kommission.

186 Die Haushaltsaufwendungen der Rubrik Besondere Instrumente sind in der Abbildung 48 nicht enthalten. Sie belaufen sich im Jahr 2014 auf 456,18 Mio. Euro, im Jahr 2015 auf 515,37 Mio. Euro, im Jahr 2016 auf 524,60 Mio. Euro, im Jahr 2017 auf 533,92 Mio. Euro, im Jahr 2018 auf 566,90 Mio. Euro und sind im Haushaltsentwurf für 2019 mit 577,20 Mio. Euro eingeplant. Des Weiteren sind im Jahr 2014 26,60 Mio. Euro an Ausgleichszahlungen verbucht.

Abbildung 50: Mittelaufteilung nach Programmen, 2014 - 2018 (in Mio. Euro)

Quelle: Prognos AG (2018) auf Basis von Europäische Kommission.

Im Hinblick auf den künftigen Haushalt schlägt die KOM einen jährlichen EU-Haushalt von durch-schnittlich 1,11 % des Bruttonationaleinkommens der Mitgliedstaaten für den MFR 2021-2027 vor187. Der Anteil der Strukturpolitik am MFR soll dabei um etwa 10 %188 gekürzt werden. Wäh-rend der EFRE um 2 % anwächst, werden die Mittel für den ESF um 7 % gekürzt, für den Kohäsi-onsfonds sogar um 45 %189. Die Europäische Kommission (KOM) argumentiert, angesichts der finanziellen Folgen des Brexits sowie aufgrund aktueller Herausforderungen (z.B. Migration, Si-cherheit) sei eine Kürzung bzw. eine Umschichtung der verbleibenden Mittel erforderlich. Zudem plant die KOM, die Mittel für zentral verwaltete Programme für Forschung, Innovation und Digi-tales um 64 % zu erhöhen (Horizont Europa, InvestEU, Euratom, ITER, „DigiDigi-tales Europa“ und

„CEF Digitales“) sowie ein neues Reformhilfeprogramm mit einem Volumen von ca. 25 Mrd. Euro in Ergänzung zu den Strukturfonds einzuführen („Reform Support Programme“). Der Europäische Landwirtschaftsfonds ELER soll aus der Dachverordnung für die ESIF herausgelöst und in die Ge-meinsame Agrarpolitik überführt werden. Der ESF+ soll künftig verstärkt die länderspezifischen Empfehlungen adressieren. Schließlich sieht der Vorschlag den Umbau von INTERREG von den bisher drei Strängen in fünf Komponenten vor, bei einer gleichzeitigen Budgetkürzung um ca. 12

%. Darüber hinaus schlägt die KOM eine Neugestaltung der Flexibilitätsmechanismen (z.B. die Übertragung von Strukturfondsmitteln in zentral verwaltete Programme und die Einführung einer neuen „Unionsreserve“ für unvorhergesehene Ereignisse in Bereichen wie Sicherheit und Migra-tion vor.

187 Europäische Kommission (2018), MFR-Vorschlag 2021-2027.

188 Bei den Haushaltszahlen muss beachtet werden, dass die KOM diese sowohl in 2018er-Preisen als auch in laufenden Preisen mit einer zugrunde gelegten Inflationsrate von 2 % veröffentlicht hat.

189 Europäischer Rechnungshof (2018), The Commission’s proposal for the 2021-2027 Multiannual Financial Framework – Briefing Paper July 2018.

In der Reformdebatte herrscht unter den meisten Akteuren die Meinung vor, dass sowohl das ab-solute Mittelvolumen für die Kohäsionspolitik als auch ihr relativer Anteil am mehrjährigen Fi-nanzrahmen trotz der aktuellen Rahmenbedingungen (sinkende Beiträge durch den Brexit, neue Budgetanforderungen u.a. für Sicherheit und Migration) gleichbleiben (AdR, EP, Visegrad-Länder) oder, wenn unvermeidbar, nur sehr geringfügig sinken soll (Bundesländer, EURADA, ERRIN). Der AdR fordert, dass der Anteil der Kohäsionspolitik am MFR trotz des Brexits gleich hoch bleiben müsse, da sich die Bedürfnisse der Regionen dadurch nicht änderten. Die am stärksten abwei-chende Auffassung vertritt zum einen die Europäische Kommission, die aktuell eine Reduzierung der Mittel für die Kohäsionspolitik im MFR von etwa 6 % vorschlägt. Aber auch einige Mitglieds-staaten sprechen sich für ein Abschmelzen der Kohäsionspolitik am MFR aus (AT, DK, NL, SE).

Höhere Beiträge der Mitgliedsstaaten zum MFR lehnen sie entschieden ab. Am anderen Ende des Spektrums fordern GR, HU, PL und PT als größte Nettoempfänger ein „ambitionierteres“, also hö-heres Budget, gerade auch für die Strukturpolitik. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten, Nettozahler wie –empfänger, spricht allgemein seine Sorge um die Auswirkungen des Brexits auf den Umfang der Kohäsionspolitik nach 2020 aus (CY, EL, FI, HU, LV, SE).

Die deutsche Bundesregierung setzt sich für eine Minimierung der Verluste für Deutschland ein.

Sie sieht es als wichtig an, dass das Gesamtbudget für die Kohäsionspolitik nicht weiter verrin-gert wird, was die vorgeschlagenen Kürzungen noch verschärfen würde. Diese finanziellen As-pekte werden allerdings im Rahmen der Verhandlungen zum künftigen MFR (also BMF-Zuständig-keit) im Rat einstimmig mit Zustimmung des Europäischen Parlaments festgelegt. Die deutschen Bundesländer fordern eine „angemessene“ Finanzzuweisung der Kohäsionspolitik im kom-menden MFR und betonen die Wichtigkeit der Planungssicherheit gerade im Bereich der Kohäsi-onspolitik. Diese müsse auch im Falle einer stärkeren Flexibilisierung des EU-Haushalts gewahrt bleiben. Die Bundesländer bewerten die Schwächung der regionalen Programme und die zuneh-mende Fokussierung auf eine zentralisierte Mittelvergabe (z.B. +64 % für zentral verwaltete FuI-Programme, siehe oben) als äußerst kritisch. Die Fonds müssten sich auch weiterhin auf die regi-onalen Kompetenzen vor Ort berufen, sonst beraube man sich der Fähigkeit, Programme effektiv umzusetzen. Eine (teilweise) Kompensation künftig geringerer Zuwendungen werde eine hohe Ko-ordinierungsleistung erfordern, etwa zwischen Bund und Ländern. Die Strukturfonds müssen den Zusammenhalt der EU weiter stärken; eine Kürzung gefährde zentrale Werte der Union, weshalb der Strukturpolitik mit ihrer dezidiert regionalen Ausrichtung weiterhin eine solide finanzielle Aus-stattung erhalten müsse. Die einzelnen Bundesländer erwarten unterschiedlich stark ausge-prägte finanzielle Mehrbelastungen für die zukünftigen Länderhaushalte. So würden einige fi-nanzschwächere Bundesländer die stärkere Belastung bei einer Verringerung der Zuweisungen durch die EU-Strukturpolitik nicht durch Eigenmittel kompensieren und gegenwärtige strukturpoli-tische Maßnahmen fortführen können (z.B. Bremen, Saarland und Sachsen-Anhalt). Es besteht solidarischer Konsens zwischen westlichen und östlichen Bundesländern, dass „Ost-Bedarfe“ bei der EU-Strukturförderung Berücksichtigung finden sollen.