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Bewertung von Relevanz, Varianz, Konsistenz, Kohärenz:

Der Reformaspekt Haushalt ist ein äußerst kontrovers diskutierter Aspekt bezüglich der Rela-tion der Strukturpolitik zu zentral verwalteten Programmen und der unterschiedlichen Interessen-lagen von Nettozahlern und Nettoempfängern. Betrachtet man im MFR unter der Überschrift „Ko-häsion und Werte“ nur die eigentlichen Strukturfonds EFRE, Ko„Ko-häsionsfonds und ESF+, so be-trägt das für die Förderperiode 2021-2027 vorgeschlagene Budget gut 330 Mrd. Euro (in 2018er-Preisen, 374 Mrd. Euro in laufenden Preisen) im Vergleich zu etwa 352 Mrd. Euro im Zeitraum 2014-2020 (366 Mrd. Euro in laufenden Preisen). Die Verschiebung großer Teile der Mittel aus dem Kohäsionsfonds in das Reform Support Programme (RSP) und der Aufwuchs der zentral ver-walteten Programme für Forschung, Innovation und Digitales um 64 %190 bedeutet eine

190 Europäische Kommission (2018), MFR-Vorschlag 2021-2027.

Verschiebung zu Lasten strukturpolitischer Fördermittel. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Grundbedingungen in den Mitgliedstaaten ist diese politische Schwerpunktsetzung mit gleichzeiti-ger Verkleinerung und Zentralisierung des Budgets schwer vermittelbar und vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise, die die politische Stabilität der EU stark be-lasten, nicht konsistent.

Ein ausgewogener Interessenausgleich wird in den Verhandlungen aufgrund der Notwendigkeit eines einstimmigen MFR-Beschlusses im Rat sowie der Zustimmung des EP unbedingt erfordlich sein. Ein Anwachsen des MFR über 1,1 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) hinaus er-scheint gegenwärtig in der EU politisch nicht durchsetzbar. Bereits bei einem EU-Haushalt von 1

% des BNE müsste Deutschland ab 2021 durchschnittlich bis zu 10 Mrd. Euro pro Jahr mehr leisten191. Die Höhe des Budgets für die Strukturpolitik hat auch direkte Auswirkungen auf die an-deren diskutierten Reformaspekte. Es ist zudem bemerkenswert, dass die Europa 2020 Strate-gie, die den politischen Rahmen für die aus dem Haushalt finanzierten Maßnahmen darstellt, Ende 2020 auslaufen wird und die KOM bisher keine äquivalente Nachfolgestrategie angekün-digt hat. Der aktuelle MFR-Vorschlag definiert so nunmehr selbst die künftigen EU-Ziele, an-statt diese wie bislang lediglich widerzuspiegeln192. Dies könnte sich nachteilig auf die Kohärenz zwischen den verschiedenen Förderbereichen und auch zwischen den Reform-aspekten inner-halb der EU-Strukturpolitik auswirken, die alle in unterschiedlicher Weise auf die Europa 2020 Strategie einzahlen.

Grundsätzlich muss die mit der EU-Strukturpolitik zu erzielende Wirkung immer im Verhältnis zu der Höhe der eingesetzten Mittel gesehen werden. Eine Bestimmung des „absolut“ notwendi-gen Budgets für die EU-Strukturpolitik ist kaum möglich, wenngleich die makroökonomischen Mo-delle (u.a. QUEST und HERMIN) positive kumulative Multiplikatoren in Relation zu den Finanzie-rungsvolumina (%-am BIP) nachweisen193. Gleichzeitig aber zeigt die wissenschaftliche Forschung auch, dass sowohl die Absorptionskapazitäten für „sinnvolle“ Investitionen als auch der wirt-schaftliche Grenznutzen der eingesetzten Fördermittel betrachtet werden muss. Rodriguez-Pose und Garcilazo (2013) zeigen u.a., dass die Investmentrendite signifikant mit der Governance-Qua-lität zusammenhängt und der wirtschaftliche Grenznutzen bei Investitionen in Kohäsion in Eu-ropa bei 120 Euro pro Kopf erreicht ist194. Die regionalökonometrischen Modelle (u.a. Rhomolo) zeigen, dass durch die Strukturfonds in allen EU-Regionen Wachstumsbeiträge erzielt werden, auch bei sehr unterschiedlichen Investitionshöhen in Relation zu den übrigen (öffentlichen) Inves-titionen. Allerdings zeigen einige der ex-post-Analysen zu den Wachstumsbeiträgen der Struk-turfonds auch, dass nicht zwingend immer die wachstumsschwachen Regionen mit proportional höheren Strukturfondsbudgets auch höhere Wirkungsbeiträge aufweisen. Die jeweilige effektive Absorptionskapazität von Strukturmitteln in den Empfängerländern und -regionen ist abhängig von der Leistung der örtlichen Verwaltungsstrukturen.195 Die in Kap. 6.2.1 diskutierten wirt-schafts- und regionalstatistischen Analysen zeigen verschiedenste Herausforderungen und Prob-lemlagen mit sehr unterschiedlicher Verteilung in Deutschland und den Bundesländern. Die Ent-wicklungsunterschiede zwischen den deutschen Regionen sind zum Teil erheblich und drücken sich räumlich differenziert aus. So verlaufen sie nicht mehr nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd, zwischen Teilräumen in strukturstärkeren Gebieten (Stadt-Land-Gefälle) oder sie zeigen sich in Räumen mit besonderem industriellem Strukturwandel (z.B. das Ruhrgebiet). Darüber hinaus ist auch in stärker entwickelten Regionen ein Marktversagen für ein-zelne Entwicklungsdeterminanten zu beobachten (Innovation, Start-up, Infrastruktur), das eine Förderung begründen kann.

191 https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-mehrjaehriger-finanzrahmen/2067002.

192 Bachtler et al. (2018), Proposals for the MFF and Cohesion Policy 2021-27: a preliminary assessment.

193 Europäische Kommission (2017), 7. Kohäsionsbericht, Kapitel 6.

194 Rodriguez-Pose, A. & E. Garcilazo (2013), Quality of Government and Returns of Investment.

195 a.a.O.

Durch die empirischen Erkenntnisse aus den Interviews wird die Annahme gestützt, dass nicht allein das absolute Mittelvolumen entscheidend ist, sondern dass auch die Mechanismen des Mitteleinsatzes wichtigsind (d.h. eingesetzte Instrumente, thematische Konzentration etc.). Die Strukturfonds können in Deutschland und anderen weiter entwickelten Gebieten nicht als ein die Bedarfe „in der Fläche“ deckendes Instrumentarium im Sinne einer auskömmlichen Strukturpoli-tik angesehen werden, sondern müssen vorrangig dort eingesetzt werden, wo sie am produk-tivsten wirken und den höchsten Mehrwert in Ergänzung zu nationalen und anderen europäi-schen Programmen erbringen können. Ein Teil der Interviewpartner spricht sich angesichts der zahlreichen neuen Herausforderungen (z.B. Migration, Energie- und Klimapolitik, Sicherung der Außengrenzen) aber dafür aus, den MFR insgesamt finanziell zu stärken. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Finanzierung von neuen Herausforderungen Kürzungen bei den Strukturfonds erfor-dert, wenn diese Themen seit Jahren im Rahmen der Kohäsionsfonds adressiert werden und zu-gleich andere Bereiche von Erhöhungen profitieren (ERASMUS oder Horizont 2020). Kürzungen in bestimmten Regionen von bis zu 30 % wären schwierig zu verkraften, da in den meisten Bundes-ländern der EFRE für die Kofinanzierung wesentlicher Strukturinvestitionen verantwortlich ist.

So sind Bremen und das Saarland Haushaltsnotlageländer, die nicht über Spielräume in den Haushalten verfügen. Auch in den östlichen Bundesländern und zahlreichen westlichen Bundes-ländern, z.B. Schleswig-Holstein, fehlen die Mittel mögliche Kürzungen zu kompensieren. Unter den Interviewpartnern wird auch vereinzelt die Ansicht vertreten, dass eine Kürzung des Budgets der EU-Strukturpolitik angebracht sei, da der Ausgabenzyklus des Bereichs zu langsam und die Absorptionsfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten zu niedrig seien. Die n+2 bzw. n+3-Regelung würde dies belegen und teilweise unnötige Investitionen mit sich bringen. Hier bleibe es ein Spagat, im EU-Haushalt das richtige Finanzierungsniveau zu finden.

Die KOM will einen noch flexibleren Haushalt schaffen, mit dem die Union rasch und wirksam auf unvorhergesehene Bedarfe reagieren kann. Die KOM plant daher die Erweiterung von Um-fang und Anwendungsbereich des Gesamtspielraums für Mittel für Verpflichtungen zur Bildung einer „Unionsreserve“. Finanziert werden soll dies aus den Margen, die im Rahmen der Obergren-zen für Mittel für Verpflichtungen des vorausgegangenen Haushaltsjahres noch zur Verfügung ste-hen, sowie aus Geldern, die im EU-Haushalt zweckgebunden waren, dann aber nicht für die Pro-grammdurchführung ausgegeben worden sind196. Eine Flexibilitätsreserve im Haushalt wird von den Ländervertretern ambivalent bewertet. Die aktuellen politischen Herausforderungen (z.B. Auf-nahme und Integration von Flüchtlingen) machen es zwar erforderlich, kurzfristig Mittel für neue Herausforderungen bereitzustellen. Es wird jedoch befürchtet, dass eine höhere Flexibilität in den Strukturfonds-Programmen zu einer Verschiebung der Mittel in zentral verwaltete Programme füh-ren könnte. Notwendige Mittel für die Digitalisierung, Energiewende, demographischer Wandel, Globalisierung etc. stünden dann nicht mehr in ausreichendem Maße in den dezentral verwalte-ten Programmen der Strukturfonds zur Verfügung. Können Mittel nicht sicher verplant werden, könnte die Reserve den entgegengesetzten Effekt auslösen und einen Mittelverfall bewirken.

6.2.2 Kriterien der Mittelzuweisung

Durch die frühzeitige Veröffentlichung einer Tabelle zur Mittelzuweisung nach Mitgliedsstaaten hat sich die Reformdebatte noch einmal stärker diesem Aspekt zugewandt, z.B. in den Ratsar-beitsgruppen. Schwerpunkte in der Reformdebatte zur Mittelzuweisung sind die anzulegenden Kriterien der Mittelzuweisung, die Förderfähigkeit der jeweiligen Regionenkategorien und die Beihilfeintensität.

196 Europäische Kommission (2018), MFR-Vorschlag 2021-2027.

Im KOM-Vorschlag kommt es bei der Mittelverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten zu teils deutlichen Mittelverschiebungen, insbesondere von Ost- nach Südeuropa. Laut KOM sollen die maximalen Verluste pro Region aber bei 30% gedeckelt sein197. Die KOM schlägt vor, die drei bis-herigen Kategorien beizubehalten (weniger entwickelte Regionen, Übergangsregionen, stärker entwickelte Regionen). Die Übergangskategorie wird ausgeweitet auf Regionen mit BIP/EW zwi-schen 75 und 100 % des EU-Durchschnitts (bislang 75-90 %). Die Zuweisung von Mitteln für Ko-häsionsstaaten bleibt unverändert (unter 90 % des durchschnittlichen EU-BNE). Städte und Met-ropolregionen werden stärker gefördert, da diesen eine besondere Rolle bei der Bewältigung neuer Herausforderungen wie Migration und Klimawandel zukomme. Im Verteilungsschlüssel der Mittelzuweisung soll auch in Zukunft das BIP pro Kopf das wichtigste Kriterium bleiben. Ergän-zend werden weitere Kriterien berücksichtigt, nämlich Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, CO2--Emissionen und die Integration von Flüchtlingen. Die Beihilfeintensität liegt mit nun max.

70 % für weniger entwickelte Regionen (bisher max. 85%), 55% für Übergangsregionen (bisher 60

%) und 40 % für stärker entwickelte Regionen (bisher 50%) unter dem bisherigen Niveau. Die Ko-finanzierungssätze können auf Programm- und auf Prioritätsebene flexibel festgelegt werden.

Hinsichtlich der Förderfähigkeit von Regionen spricht sich die Mehrzahl der Akteure dafür aus, auch zukünftig alle Regionen im Rahmen der Kohäsionspolitik zu fördern (Rat. EP, BReg, BL, Vise-grad-Länder, ERRIN). Konkret unterstützt der Rat die Beibehaltung der Förderung aller Regionen, mit dem Schwerpunkt auf den weniger entwickelten. Ähnlich äußert sich das EP, wobei es betont, dass der Großteil der Mittel auf die verwundbarsten Gebiete konzentriert werden müsse. Eine Reihe von Mitgliedsstaaten will den Schwerpunkt der Förderung auf die weniger entwickelten Re-gionen legen (PL, IT, PT, RO, SK, SI). Mit Blick auf die Kriterien der Mittelzuweisung will das EP bei der Mittelzuweisung noch andere Indikatoren als das BIP pro Kopf berücksichtigen und zwar solche, die in Zusammenhang mit aktuellen Herausforderungen (z.B. Arbeitslosigkeit, Jugendar-beitslosigkeit) und regionalen Bedürfnissen stehen. Auch gelte es laut EP, Regionen zu identifizie-ren, die sich in der "Falle der mittleren Einkommen" befinden, um diese gezielt zu unterstützen (vgl. Kap. 0). FI und SE sprechen sich dafür aus, die Mittelzuweisung stärker an konkreten Zielen zu orientieren wie Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Innovation oder eine CO2-arme Wirt-schaft.

Starke Kritik an den vorgeschlagenen Mittelkürzungen üben die Visegrad-Staaten sowie die balti-schen Länder. Auch die Anhebung der Schwelle für Übergangsregionen auf 100% des durch-schnittlichen Pro-Kopf-BIP, die Verringerung der EU-Kofinanzierung und der schnellere Mittelver-fall (n+2 anstatt n+3) werden kritisiert (IT, ES, MT, HR). AT, DK, FI und SE sehen hingegen das Er-fordernis, die nationale Kofinanzierung zu erhöhen. Das EP fordert die KOM dazu auf, eine über-arbeitete Systematik zu den Kofinanzierungsraten vorzubringen, dass die letzten Entwicklungen berücksichtigt und den Anteil der EU-Kofinanzierung in solchen Regionen verringert, die bereits Fortschritte erzielt haben. Die deutsche Bundesregierung setzt sich für eine Minimierung der Ver-luste für Deutschland ein. Sie sieht es als wichtig an, dass das Gesamtbudget für die Kohäsions-politik nicht verringert wird. Unterstützt werden sollen v.a. wirtschaftlich schwächere Mitglieds-staaten und Regionen und auch solche, die von besonderen Herausforderungen betroffen sind.

Die Bundesregierung regt an, neue Ansätze der Mittelverteilung zu prüfen. Eine stärkere Berück-sichtigung sollte die Absorptionsfähigkeit der Mitgliedsstaaten bei der Mittelzuweisung finden.

Weniger entwickelte Regionen sollten ihre Mittel stärker zum Aufbau einer leistungsfähigen Ver-waltung einsetzen. Auch sei der Mitteleinsatz effizienter zu gestalten. So solle geprüft werden, ob anstelle der bisherigen drei Gebietskategorien ein neuer Ansatz möglich sei, z.B. ein lineares Mo-dell ohne Sprünge zwischen den Kategorien. Im Hinblick auf die EU-Strukturpolitik in Deutschland enthält der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ein klares Bekenntnis für eine starke

197 Bayer, L., Gray, A. (2018). Oettinger: Criticism of EU budget plan means I’m right.

Strukturpolitik, die auch künftig alle Regionen angemessen berücksichtigt und gleichzeitig not-wendige Strukturreformen in den Mitgliedstaaten besser unterstützt.

Die deutschen Bundesländer sprechen sich dafür aus, den Schwerpunkt der Förderung weiterhin auf die weniger entwickelten Regionen zu legen. Aber auch stärker entwickelte und Übergangsre-gionen stünden vor Herausforderungen, die zu fördern seien; die Weiterführung geförderter Maß-nahmen und die Vermeidung von Abbrüchen solle in jedem Fall erfolgen. Die Bundesländer for-dern die stärkere Berücksichtigung der Rolle von Übergangs- und stärker entwickelten Regionen als Innovations- und Wachstumslokomotiven für die gesamte EU durch eine Erhöhung des Mittel-anteils. Mögliche Absenkungen der EU-Kofinanzierungsraten müssten maßvoll und für die beste-henden Fördersysteme verkraftbar erfolgen. Für Regionen, die durch einen neuen Förderstatus von einer zusätzlichen Absenkung der EU-Kofinanzierung betroffen sind, sollten Auffanglösungen gefunden werden. Geringere Ko-Finanzierungssätze würden neben den Länderhaushalten gerade die in der ESF-Förderung beteiligten Sozialpartner belasten. Vor allem Ostdeutschland ist wie nur wenige andere Regionen in der EU von einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung betroffen (siehe Kapitel 2.1.2 und 2.2.3), der das wirtschaftliche Wachstumspotenzial vermindere. Der rückläufige Anteil der Erwerbsbevölkerung und die damit einhergehende Verringerung des Ar-beitskräftepotenzials werde Innovationsfähigkeit und Produktivität der ostdeutschen Unterneh-men gefährden und hierdurch zunehUnterneh-mend als Wachstums- und Entwicklungsbremse wirken.

Diese demografische Entwicklung stelle einen schweren und dauerhaften Nachteil dar, dem ge-mäß Artikel 174 Abs. 3 AEUV die besondere Aufmerksamkeit der Strukturpolitik gelten müsse.

Dies sollte in der nächsten Förderperiode besser als bisher berücksichtigt werden, z.B. bei den Einsatzmöglichkeiten der Fonds, bei der Kofinanzierung oder aber auch bei ergänzenden Mittel-zuweisungen. Mit der geplanten Abänderung der Ko-Finanzierungsquoten verlieren die struktur-politischen Programme für einige Länder an Attraktivität. Es sei unwahrscheinlich, dass der künf-tig höhere Anteil an Landesmitteln (plus 1/3) durch jeden Landeshaushalt aufzubringen ist. Auch entstehe so eine Diskrepanz zwischen Leistungsanteil der Union und Mitspracherecht der Bun-desländer beim Mitteleinsatz.

Bewertung von Relevanz, Varianz, Konsistenz, Kohärenz:

Die von der KOM vorgeschlagene Beibehaltung der Förderung aller Regionen ist eindeutig vor-teilhaft zu bewerten, da es so möglich bleibt, die europäischen Ziele in allen Regionen Europas umzusetzen. Die Interviews zeigen, dass dies nicht nur von den Verwaltungsbehörden, sondern auch von einigen Vertretern anderer Generaldirektionen als GD Regio so gesehen wird. Die Förde-rung aller Regionen sichert darüber hinaus die Beteiligung aller Regionen an der europäischen Debatte zur Politikmodernisierung (z.B. RIS3) und ist daher positiv zu bewerten.

Die künftigen Herausforderungen für eine ausgewogene sozioökonomische Entwicklung in den Regionen sind – wie Kapitel 2 zeigt - vielfältig. Aufgrund dieser multifaktoriellen Situation ist eine Abgrenzung mittels eines einzigen Indikators (BIP pro Kopf) nicht angemessen. Die Mehrheit der Länder möchte zwar an dem BIP pro Kopf als Hauptindikator festhalten, daneben werden jedoch ergänzende Indikatoren vorgeschlagen. Allerdings sind die Auswirkungen auf die Länder nicht gleich verteilt. Je nach Indikator würden manche Länder mehr, andere weniger oder nicht profitie-ren. Gerade die ostdeutschen Regionen würden vom Faktor Migration nicht profitieprofitie-ren. Auch die Einführung eines demographischen Faktors würde sich trotz der besonderen Betroffenheit nicht zwangsläufig positiv auf die Mittelzuweisung für die ostdeutschen Länder auswirken, da die de-mographischen Problemlagen in einer Reihe von mittel- und osteuropäischen Regionen im Ver-hältnis noch gravierender sind198. Mit Blick auf den KOM-Vorschlag wird der künftig höhere

198 Ifo Institut/GEFRA (2017), Optionen einer Weiterentwicklung der Indikatorik für die von der EU abgegrenzten Regionalfördergebiete nach 2020; für Sachsen vgl. Bauer et al. (2018), Strategien für die Nutzung von Fördermitteln nach 2020.

nationale Kofinanzierungsanteil die deutsche Länderhaushalte stärker strapazieren. Dies wird sehr differenzierte Auswirkungen auf die regionalpolitischen Programme der Länder haben.

Durch den KOM-Vorschlag kommt es bei der Mittelverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten zu teils deutlichen Mittelverschiebungen, insbesondere von Ost- nach Südeuropa (Abbildung 52).

Auch Deutschland ist von vergleichsweise starken Kürzungen betroffen und soll in der künftigen Förderperiode 2021-2027 in aktuellen Preisen (2018) 15,7 Mrd. Euro erhalten (17,7 Mrd. Euro in laufenden Preisen). Dies entspricht einem Mittelrückgang im Vergleich zur laufenden Förderpe-riode von 20,7% (bzw. 8% in laufenden Preisen). Die größten Kürzungen gibt es mit 24 % (12%) bei den baltischen Staaten, Ungarn, Tschechien und Polen (minus 23% bzw. 12%). Die größten Mittelzuwächse erhalten Bulgarien, Rumänien und Griechenland (plus 8 % bzw. 25%) gefolgt von Italien (plus 6% bzw. 22%) und Spanien (plus 5% bzw. 21%).

Durch die Ausweitung der Übergangskategorie auf Regionen mit BIP/EW zwischen 75 und 100% des EU-Durchschnitts (bislang 75-90%) verbleiben die ostdeutschen Länder (bis auf Leipzig) sowie Lüneburg auch künftig in der Übergangskategorie. Zudem wird voraussichtlich die Region Trier, bislang stärker entwickelte Region, in die Kategorie der Übergangsregionen fallen und von vergleichsweise höheren Fördersätzen profitieren. Insgesamt würden durch die Anpas-sung des Schwellenwerts vor allem ehemals stärker entwickelte Regionen in Westeuropa profitie-ren. Folglich stünden dadurch geringere Mittel in weniger entwickelten Regionen zur Verfügung, insbesondere in Ost- und Südosteuropa. Dies hätte auch negative Auswirkungen für Deutschland, da durch die Zunahme an Übergangsregionen mit vergleichsweise hohen Kofinanzierungssätzen absolut betrachtet weniger Mittel für andere Regionen zur Verfügung stehen würden.

Abbildung 51: Vergleich der Förderfähigkeit nach Regionen in den