• Keine Ergebnisse gefunden

Abbildung 52: Änderung der Mittelzuweisungen an die Mitgliedsstaaten als pro- pro-zentualer Anteil an den vorläufigen Zuweisungen für 2014-2020

Quelle: Bachtler et al. (2018), Proposals for the MFF and Cohesion Policy 2021-27, S. 43.

199 CPMR (2018), Initial views on the post-2020 Cohesion Policy package, S.3.

6.2.3 Mehrebenensystem

Laut KOM-Vorschlag sollen die geteilte Mittelverwaltung, das Partnerschaftsprinzip und das Mehrebenensystem (multi-level governance) Grundsätze der zukünftigen Strukturpolitik bleiben (Art.6 Dach-VO). Allerdings werden Teile der strukturpolitischen Mittel in die direkte Mittelverwal-tung überführt, z.B. aus dem Kohäsionsfonds in die Fazilität „Connecting Europe“, die Europäi-sche Stadtinitiative und die interregionalen innovativen Investitionen sowie aus dem ESF+ an die transnationale Zusammenarbeit. Das Fördersystem der Kohäsionspolitik soll sich nach dem Da-fürhalten mehrerer Akteure in der Debatte künftig weiterhin strikt nach den Grundsätzen der Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und geteilten Mittelverwaltung richten (Rat, EP, AdR, Vise-grad-Länder). Für das EP müssen die geteilte Mittelverwaltung, das Partnerschafts- und das Sub-sidiaritätsprinzip weiterhin fester Bestandteil der Strukturpolitik bleiben. Diese würden einen er-heblichen Mehrwert der Strukturpolitik darstellen und die Mitverantwortung („ownership“) für die Umsetzung der Strukturpolitik unter allen Stakeholdern gewährleisten. Das Modell der geteilten Mittelverwaltung biete der EU ein einzigartiges Werkzeug, um innere und äußere Herausforderun-gen anzugehen. Es gebe aber noch Verbesserungsspielraum bei der echten und frühzeitiHerausforderun-gen Ein-beziehung aller Stakeholder, darunter die Zivilgesellschaft. Das Partnerschaftsprinzip sollte noch verbindlicher festgehalten werden, etwa durch die Einführung von Mindestanforderungen bei der Einbeziehung von Akteuren in Formulierung, Abstimmung und Durchführung neuer Maß-nahmen und auch bei der Zusammensetzung von Kontrollinstanzen. Der AdR betrachtet die trila-terale Partnerschaft zwischen der KOM, den Mitgliedsstaaten und regionalen und lokalen Akteu-ren als Rahmen der Strukturpolitik, in dem das Subsidiaritätsprinzip volle Anwendung findet, als unabdingbar. Dies solle künftig in der Verordnung rechtlich bindend in einem code of conduct festgehalten werden. Auch solle die KOM eine aktivere Rolle bei der Programmumsetzung über-nehmen, anstatt nur die VBs zu überwachen. Eine weitere Forderung sind mehr und verbindli-chere Mitspraverbindli-cherechte der lokalen Ebene in der Programmplanung. Nach Ansicht der Visegrad-Gruppe sollten die konkreten Rollen und Kompetenzen der Stakeholder im Mehrebenensystem noch präziser gefasst werden. Auch einige Verbände äußern sich zu dem Reformaspekt. EURADA schlägt eine neue Definition des Partnerschaftsprinzips für ein stärkeres Mehrebenensystem vor, während nach Auffassung von ERRIN Regionen die Möglichkeit gegeben werden sollte, auf Grundlage des Partnerschaftsprinzips gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten und der KOM über die operationellen Programme zu verhandeln (z.B. Festlegung von Zielen und Bestimmung von Indikatoren) in Bezug auf regionalspezifische Herausforderungen.

Nach Auffassung der deutschen Bundesländer sollte die Strukturpolitik dadurch charakterisiert sein, dass sie im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips die Autonomie der kleineren Einheiten res-pektiert. Das derzeitige Ausmaß der Steuerungsinstrumente, die sich daraus ergebenden regula-torischen Erschwernisse und die mangelnde Rechts- und Planungssicherheit in der laufenden Förderperiode hätten zu einer „Überkomplexität“ geführt, die die Vereinbarkeit mit den Prinzi-pien der Subsidiarität und Partnerschaft gefährdet und sich auf das Erreichen der Ziele der Kohä-sionspolitik zunehmend kontraproduktiv auswirke. Die KOM solle die Umsetzung dieser Pro-gramme künftig durch einen rein strategisch-partnerschaftlichen Dialog mit den Regionen be-gleiten. Dieser Dialog solle auch zur Vereinfachung der Programmumsetzung und Berichterstat-tung beitragen.

Bewertung von Relevanz, Varianz, Konsistenz, Kohärenz:

Das der Strukturpolitik konstituierende Mehrebenensystem wird regelmäßig in der Debatte um die Zukunft des Politikbereichs thematisiert. Gerade für Deutschland und seine Bundesländer ha-ben die geteilte Verantwortung und das Partnerschaftsprinzip eine sehr hohe Bedeutung. Die Strukturpolitik ist gemessen am Haushaltanteil aktuell immer noch die größte Politik mit geteilter Verantwortung. Die Programme mit geteilter Verantwortung machen noch immer den größten An-teil am MFR aus. Die Mittel für die zentral verwalteten Programme nehmen allerdings im

Zeitverlauf zu, so dass eine Zentralisierung im MFR festzustellen ist.In der europäischen Debatte zeigt sich eine hohe Einmütigkeit bei den Positionen. Demnach sollen die geteilte Mittelverwal-tung, das Mehrebenensystem, das Partnerschafts- sowie das Subsidiaritätsprinzip feste Grundsätze der EU-Strukturpolitik bleiben. Auffällig ist, dass diese Positionen aber inkongruent sind und nicht mit dem Handeln übereinstimmen: bei KOM und Nettozahlern wird das Kohäsions-ziel zwar als zentral bezeichnet, die Forderungen und Vorschläge gehen aber in die entgegenge-setzte Richtung und befürworten bzw. dulden eine Mittelkürzung und stärkere Zentralisierung.

Mögliche Folgen können z.B. beim EFSI abgelesen werden, für den zwar eine geografische und regional ausgewogene Verteilung angestrebt wird, dessen Mittel jedoch bis 2017 zu über 90% in den EU-15-Staaten gebunden wurden. Diese Zahlen bedeuten zunächst eine Verstärkung der Dis-paritäten in Europa und stehen dem Kohäsionsziel der EU diametral entgegen. Es wurde jedoch auch festgestellt, dass der EFSI, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gerade in denjenigen Län-dern die höchste Hebelwirkung entfaltet, die von der Finanzkrise am stärksten betroffen waren (u.a. Griechenland, Portugal). Diese Befunde zeigen zwar die positive intendierte Wirkung zentral verwalteter Programme, legen aber zugleich die Schwäche territorial „blinder“ Sektorpolitiken offen. Da Finanzprodukte bei InvestEU auch künftig von regionalen Banken angeboten werden können (wenn sie teilnehmen) ist eine sorgfältige Koordination des Angebots auf Programm-ebene notwendig, um eine gegenseitige Verstärkung der Wirkung effektiv zu erreichen (vgl. 5.2).

In der Debatte um die Zukunft des EU-Haushaltes werden die Risiken einer weiteren Zentralisie-rung vielfach ausgeblendet, wohingegen die Vorteile zentralverwalteter Programme wenig reflek-tiert angeführt werden. Die Zurückweisung der Zentralisierungstendenzen des EU-Budgets und die Beibehaltung oder sogar Stärkung des Mehrebenensystems in der Strukturpolitik werden auf größeren Widerstand stoßen. In der KOM besitzt die Strukturpolitik keine ungeteilte Sympa-thie. Die sektoralen Interessen anderer Generaldirektionen sprechen eher für zentral verwaltete Programme.

6.2.4 Vereinfachung

Das Reformpaket Vereinfachung enthält naturgemäß deutliche Querbezüge zu anderen Aspekten und fächert sich auf in eine Reihe von Unteraspekten. Die KOM schlägt ein einziges Regelwerk (single rule book) für sieben EU-Fonds unter geteilter Mittelverwaltung vor (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Kohäsionsfonds, Europäischer Sozialfonds+, Europäischer Meeres- und Fischereifonds, Asyl- und Migrationsfonds, Fonds für die innere Sicherheit und Instrument für Grenzmanagement und Visa). Zur Verringerung des Verwaltungsaufwands systematisiert und er-höht die KOM die Nutzung von vereinfachten Kostenoptionen (simplified cost options). Auch wird es zu Beginn des Programmplanungszeitraums nicht mehr nötig sein, das mitunter

zeitauf-wendige Verfahren zur Designierung der für die Umsetzung der strukturpolitischen Programme zuständigen Behörden zu wiederholen. Die Mitgliedstaaten können das vorhandene System über-nehmen. Für Programme mit einem gut funktionierenden Management- und Kontrollsystem und mit einer guten Bilanz (d. h. bei einer niedrigen Fehlerquote von unter 2% in zwei aufeinanderfol-genden Jahren) schlägt die KOM vor, sich stärker auf die bestehenden nationalen Kontrollver-fahren zu verlassen. Auch der Grundsatz der einzigen Prüfung wird ausgeweitet. Das bedeutet, dass die Begünstigten, etwa kleine Unternehmen und Unternehmer nur einer einzigen Kontrolle unterzogen werden anstatt mehreren, potenziell nicht ausreichend aufeinander abgestimmten Audits. Hinzu kommt die schrittweise Rückkehr von der n+3 zur n+2-Regel bezüglich der Aufhe-bung der Mittelbindung.

Mit Blick auf eine stärkere Harmonisierung zwischen der Strukturpolitik, darunter vor allem dem EFRE, und anderen EU-Förderbereichen können zukünftig etwa unter dem Exzellenzsiegel (Seal of Excellence) solche Projekte Strukturfondsmittel erhalten, die im Rahmen von Horizont Europa positiv bewertet wurden (aus Budgetmangel aber keine Förderung bekamen), ohne erneut einen Auswahlprozess durchlaufen zu müssen. Bei der Kombination von Finanzmitteln aus

verschiedenen Programmen sollen künftig die Regeln des zentral verwalteten Programms, z.B.

InvestEU oder Horizont Europa für das gesamte Projekt zur Anwendung kommen. Zudem werden die Mitgliedsstaaten einen Teil ihrer strukturpolitischen Mittel auf den neuen InvestEU-Fonds oder Horizon Europe übertragen können (max. 5%), in welchem künftig die bestehenden Finanzinstru-mente gebündelt werden sollen, um in effizienterer Weise europaweite Investitionen in strategi-schen Bereiche anzukurbeln. Den Umfang der beabsichtigten Vereinfachung hat die KOM auf ins-gesamt 80 Maßnahmen beziffert200.

Im Hinblick auf die Sicherung der Kohärenz zwischen den Finanzinstrumenten von InvestEU und bei den ESI-Fonds ist darauf zu achten, dass jeweils das für das geplante Vorhaben beste Produkt eingesetzt wird. Dies setzt voraus, dass die Regularien der ESIF-Finanzinstrumente in ähnlich ein-facher Weise funktionieren. Dies wurde von vielen Interviewpartnern bestätigt, v.a. eine starke Verschlankung der Ex-Ante-Begründung. Hilfreich können außerdem der vermehrte Einsatz sog.

„Off-the-shelf-Instrumente“ sein, die (beihilferechtlich) geprüfte und erprobte Finanzinstrumente darstellen, die von den Regionen 1:1 kopiert werden können. Gleiches ließe sich für die Nutzung von EFSI-Finanzinstrumenten übernehmen. Die Gleichbehandlung gleicher Fördertatbestände spielt auch für FuI-Instrumente eine Rolle: für die gleichwertige Umsetzung in Horizont Europa und den ESIF müssten auch FuI-Projekte in den ESIF beihilfebefreit sein.

Die Reformforderungen in der Debatte adressieren sowohl die Begünstigten als auch die Verwal-tungsbehörden und erstrecken sich über Programmplanung, Verwaltung, Überprüfung, Umset-zung etc. Unter den Akteuren herrscht breiter Konsens dazu, insgesamt klarere Regeln zu formu-lieren, überflüssige Vorschriften abzuschaffen und die absolute Zahl der Regeln zu begrenzen.

Die Empfehlungen aus dem Bericht der von der KOM eingesetzten High-Level Group zur Vereinfa-chung („Kallas-Bericht“)201 werden von vielen Akteuren begrüßt und unterstützt. So sprechen sich Kommission, Rat und EP dafür aus, dass sich die Kontrolle der Programme und Projekte stärker auf nationale und regionale Regeln und Systeme stützen soll, sofern deren Effizienz vorab ge-prüft wurde. KOM könne diese vorab bei Designierung bewerten. Nach diesen Vorstellungen sol-len die Anforderungen hinsichtlich Programmplanung, Umsetzung und Kontrolle der

Struk-turfonds künftig dem Grundsatz der Differenzierung folgen, d.h. Kontrolltiefe und –häufigkeit der programmverwaltenden Stellen sollen abhängig sein vom Mittelvolumen des Programms, der Fehlerhäufigkeit und der Höhe der nationalen Kofinanzierung (EP) und dabei auf transparenten und objektiven Kriterien basieren (Rat). Die Kommission schlägt vor, off-the-shelf-Lösungen, z.B.

Flatrates, Einheitskosten oder Pauschalen (lump sums) stärker einzusetzen und einheitliche Re-geln für alle ESIF einzuführen, da diese für mehr Kohärenz bei Investitionen und eine Vereinfa-chung bei Begünstigten sorgen können. Mehrere Akteure setzen sich für die VereinfaVereinfa-chung der Beihilferegelung bzw. deren Harmonisierung mit zentral verwalteten Programmen in bestimmten Zielen wie „ein intelligenteres Europa“ (BReg, BL, AdR; Sympathie hierfür auch im REGI-Aus-schuss des EP) und die Stärkung des single-audit-Prinzips ein (EP, BReg, BL, EURADA). Hinsicht-lich der Anwendung des Beihilferegimes scheint die in der europäischen Debatte spürbare Stim-mung weitreichendere Reformen zur Vereinfachung gegenüber der Vergangenheit zu begünsti-gen. So unterstützen beispielsweise auch einflussreiche Kreise im EP eine pauschale Ausnahme der Forschungs- und Innovationsförderung im EFRE von der Beihilfe. Die Kommission will einen noch größeren Schwerpunkt auf Ergebnisorientierung legen („impact“) und angesichts der Schwierigkeiten in der Vergangenheit einen glatteren Übergang zwischen den Programmperioden durch mehrere Änderungen erreichen, z.B. eine strengere Anwendung der Regeln zur Aufhebung der Mittelbindung, verkürzte Abläufe bei der Abwicklung von Programmen und eine

200 Europäische Kommission (2018), Simplification Handbook.

201 Europäische Kommission (2017), Final conclusions and recommendations of the High-Level Group on Simplification for post 2020.

Beschleunigung der Prozesse zur Benennung von Verwaltungsbehörden. Den Visegrad-Ländern ist hier auch der Aspekt der Proportionalität wichtig, um zu gewährleisten, dass der Verwaltungs-aufwand in einem akzeptablen Verhältnis zum Mittelvolumen bleibt. Proportionalität wird dabei nicht bloß auf die Höhe der Zuwendungen bezogen, sondern auch auf Elemente wie die Verläss-lichkeit der Verwaltungen, die Effizienz der Verwaltungs- und Kontrollsysteme oder die Fehler-quote (ebenso BReg).

Nach Auffassung der deutschen Bundesregierung sollten die Regeln der zukünftigen Strukturpo-litik klar, eindeutig und erschöpfend gefasst werden und rechtzeitig in Kraft treten können. We-gen großer Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsstaaten sei ein differenzierter Ansatz bei An-forderungen an Programmierung, Verwaltung und Kontrolle der Förderung nötig. Die Anforderun-gen sollten für jene MS abgesenkt werden, die bestimmte, nicht-diskriminierende Kriterien erfül-len, z.B. ein hoher nationaler Ko-Finanzierungsanteil, eine langfristig niedrige Fehlerquote oder die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltungen, sofern diese objektiv messbar sei. Ziel sei hier sowohl die angemessene Kontrolle der Mittelverwendung als auch die Überprüfung der Wir-kung der ESIF-Förderung. Die BReg spricht sich zudem für die StärWir-kung des single-audit-Prinzips aus. Eine Vereinfachung müsse auch die Anwendung beihilferechtlicher Vorschriften umfassen.

Hinsichtlich des langsamen Mittelabflusses zu Beginn der Förderperiode solle es keine erneute Designierung in jenen MS erfordern, die sich zu Beginn der aktuellen Förderperiode bereits dem neuen Designierungsverfahren unterzogen haben. Darüber hinaus sei ein ausreichender Vorlauf für die Implementierung der Programme erforderlich: Die BReg forderte die KOM auf, Verord-nungsvorschläge für die Strukturpolitik nach 2020 frühzeitig vorzulegen, um rechtzeitige Verab-schiedung von Rechtsakten zu ermöglichen. Die Rückkehr zur n+2-Regelung werde unterstützt, vorbehaltlich einer deutlichen Vereinfachung von Programmierung und Umsetzung. Außerdem sei die Kongruenz von MFR und Laufzeit der Strukturpolitik beizubehalten. Im Bereich der Harmo-nisierung mit anderen Förderbereichen möchte die Bundesregierung Synergien mit direkten Förderinstrumenten (Horizont Europa, EFSI) stärken und dabei Dopplungen und Überschneidun-gen vermeiden. Wo sinnvoll, solle es eine bessere Abstimmung der Abläufe und AnforderunÜberschneidun-gen an Planung, Verwaltung und Kontrolle (Verfahren, Laufzeiten, Förderkreise, rechtliche Vorgaben) und zwischen Instrumenten, z.B. durch gemeinsame Definitionen, geben. Die BReg unterstützt die Ermöglichung einer einheitlichen beihilferechtlichen Behandlung nach den Regeln der direk-ten Mittelverwaltung bei Projekdirek-ten mit parallelem oder konsekutivem Förderbedarf (v.a. Kombina-tion ESIF/EFSI und ESIF/H2020). Auch solle eine größtmögliche Harmonisierung der ESIF-Rege-lungen ("eine-für-alle-Regel") erfolgen.

Laut den deutschen Bundesländern habe das derzeitige Ausmaß der Steuerungsinstrumente, die sich daraus ergebenden regulatorischen Erschwernisse und die mangelnde Rechts- und Pla-nungssicherheit in der laufenden Förderperiode haben zu einer Überkomplexität geführt, die die Vereinbarkeit mit den Prinzipien der Subsidiarität und Partnerschaft gefährden. Die Umsetzung der ESIF sei mittlerweile stark überregelt. Der „Kallas-Bericht“ sei aber ein positives Zeichen der KOM in punkto Vereinfachung. Die BL fordern ein am Subsidiaritätsprinzip orientiertes Umsteuern für die Programmplanung und -umsetzung, das auch einer stärkeren Ergebnisorientierung ent-spräche. Grundsätzlich solle die verwaltungsmäßige Umsetzung der Programme künftig – mit Ausnahme der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit – nationalem Recht folgen. Auch solle künftig ein konsequenter Single Audit-Ansatz verfolgt werden, um doppelte Kontrollen zu vermei-den, Wertungswidersprüche zwischen den Kontrollorganen auszuschließen und Kontrollkosten zu reduzieren. Die Prüfungen durch die Europäischen Institutionen sollten sich auf Betrugs- und Kor-ruptionsbekämpfung beschränken.

Hinsichtlich des Aspekts einer stärkeren Harmonisierung der Strukturpolitik mit anderen EU-För-derbereichen äußern die BL, dass sich etwa die Zielsetzung von ESIF und EFSI grundlegend un-terscheiden würden. EFSI sei weder regional verankert noch programmatisch gesteuert und stelle

keine Alternative zu ESIF dar. Die KOM sollte hier keine Konkurrenz erzeugen. Eine voreilige Auf-stockung und Verlängerung des EFSI wird abgelehnt. Die Länder sprechen sich entschieden dafür aus, die Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften bei Einsatz der ESIF weiter zu vereinfa-chen. So erhöhe die Ungleichbehandlung von direkt verwalteten EU-Fonds, wie EFSI und Horizont 2020, und den ESIF bei der beihilferechtlichen Regulierung die Verwaltungslast und behindere Synergien zwischen den Fonds.

Bewertung von Relevanz, Varianz, Konsistenz, Kohärenz:

Es herrscht große Übereinkunft unten allen Akteuren, dass erheblicher Reformbedarf bei den Aspekten Vereinfachung und Harmonisierung besteht. Aktuelle Studien untermauern dies, z.B.

vom European Policy Research Centre202 oder vom Europäischen Rechnungshof. Die EuRH-Studie etwa zeigt, dass die Vereinfachungsansätze der laufenden Förderperiode 2014-2020 durch-wachsene Ergebnisse geliefert haben. Zentrale Ansatzpunkte sind demzufolge vor allem (1) eine einfachere EU-Verordnung, (2) die Verschlankung der OP-Managementstrukturen (gegenwärtig kommen 1400 Behörden auf 390 OPs), (3) die Reduzierung administrativer Ineffizienzen bei der Projektauswahl und -umsetzung, (4) die bessere Nutzung von vereinfachten Kostenoptionen (SCOs) sowie (5) effizientere und effektivere Kontrollen203. In der Reformdebatte ist die aktuell bemängelte Effizienz der Verwaltungs- und Kontrollsysteme ein Punkt, der sich nachteilig auf die Wirksamkeit der Strukturpolitik insgesamt auswirkt und auf lokaler und regionaler Ebene auch zu dem Bild beiträgt, dass EU-Politik kompliziert und überreguliert sei.

Hinsichtlich größerer Harmonisierung, Komplementarität und klarerer Abgrenzung zu anderen (zentral verwalteten) EU-Förderbereichen, gibt es für die Akteure immer noch zu viele Unklarhei-ten bei der praktischen Umsetzung, etwa mit Blick auf die Anwendung der Beihilferegelungen für den EFRE. Keinen Konsens gibt es bei der Ausgestaltung konkreter Reformforderungen und bei der Frage, für wen und wie eine Vereinfachung geschehen sollte. Die KOM hat bereits kurz nach der Veröffentlichung der Verordnungsvorschläge begonnen, präzisierende und erklärende Aussagen zum Punkt Vereinfachung zu treffen (etwa im „Simplification Handbook“204). Dies zeigt, dass ein erheblicher Bedarf an Klarheit zur Vereinfachung herrscht.Die Gesprächsergebnisse bestätigen, dass die Strukturpolitik zu aufwändig ist. Allerdings werden von den EFRE-Verwal-tungsbehörden nennenswerte konkrete Vereinfachungen (z.B. single audit, en-bloc-Genehmigung von Finanzinstrumenten oder Genehmigungspflicht ab einem Mindestschwellenvolumen) als un-realistisch eingeschätzt.

Hinsichtlich einer stärkeren Harmonisierung mit anderen EU-Förderbereichen werden in der De-batte Möglichkeiten diskutiert, wie durch die strategische Kombination der verschiedenen Förder-bereiche Synergien entstehen können, wo sinnvoll und zum Vorgehen passend. Dies werde je-doch in der aktuellen Förderperiode selten genutzt und ist nur mit hohem Aufwand verbunden.

Grund dafür sind die als kompliziert und zu unterschiedlich wahrgenommenen Verwaltungs- und Kontrollsysteme in den Strukturfonds, die Beihilferegelung sowie die Unkenntnis auf Programm-planer- und Antragstellerseite. Eine Vereinfachung der Strukturpolitik verbunden mit einer Har-monisierung zu den anderen Programmbereichen wie Horizont 2020 in der nächsten

Pro-grammperiode ist die Voraussetzung zur Nutzung von Synergien zwischen den Förderbereichen.

Im aktuellen Vorschlag zu Horizont Europa wurde eine Reihe von Vorschlägen formuliert, die Sy-nergien erleichtern. Damit die Umsetzung funktioniert, müssen auch die Vorschläge zur EU-Strukturpolitik ab 2021 konkrete Ansatzpunkte komplementär zu jenen in Horizont Europa bieten. So gibt es z.B. den Vorschlag, bis zu 5% des EFRE-Budgets in zentral verwaltete

202 Ferry, Polverari (2018), Research for REGI committee – Control and simplification of procedures within ESIF.

203 Europäischer Rechnungshof (2018), Simplification in post-2020 delivery of Cohesion Policy.

204 EU-KOM (2018), Simplification Handbook.

Programme zu übertragen (zum Beispiel in Horizont Europa). Somit könnten die vereinfachten und von der Beihilferegelung ausgenommenen Horizont-Regeln bspw. bei gemeinsamen Aus-schreibungen angewendet werden. Dies würde auch für gemeinsame AusAus-schreibungen gelten, die bereits in den Verordnungsvorschlägen beider Programmbereiche angelegt sind. Bei der Kom-bination von Fördermitteln aus verschiedenen Programmen werden die Regeln des zentral vwalteten Programms, z.B. InvestEU oder H2020, für das gesamte Projekt gelten. Dies ist eine er-hebliche Vereinfachung im Vergleich zu heute, mit Blick auf eine tendenziell zunehmende Zentra-lisierung der EU-Strukturpolitik (vgl. Reformaspekt „Mehrebensystem“ im Kap.6.2.3) aber auch mit kritischen Effekten verbunden.

Die strategische Kombination von Strukturfonds und dem EFSI könnte den kollektiven und koor-dinierten Bemühungen zur Eindämmung des Rückgangs der Investitionstätigkeit in Europa zu-gutekommen. Der Erwartung nach sollen Strukturfonds und EFSI zusätzliche Investitionen mobili-sieren, indem sie einander ergänzen und die Wirkung der zusätzlichen Investitionen maximieren.

Die Kombination beider Förderbereiche könnte in bestimmten Mitgliedsstaaten oder Sektoren von besonderem Interesse sein, in denen die Strukturfonds einen Großteil der Gesamtinvestitio-nen darstellen und der EFSI dazu beitragen kann, unterentwickelte Wagniskapitalmärkte auszu-bauen. Diesen Erwartungen ist der EFSI jedoch bislang nicht gerecht geworden, denn er

Die Kombination beider Förderbereiche könnte in bestimmten Mitgliedsstaaten oder Sektoren von besonderem Interesse sein, in denen die Strukturfonds einen Großteil der Gesamtinvestitio-nen darstellen und der EFSI dazu beitragen kann, unterentwickelte Wagniskapitalmärkte auszu-bauen. Diesen Erwartungen ist der EFSI jedoch bislang nicht gerecht geworden, denn er