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Systemisches Arbeiten in psychiatrischen Akutaufnahme- Akutaufnahme-Stationen

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 27-31)

Beschreibung der Fallsituation

4. Systemisches Arbeiten in psychiatrischen Akutaufnahme- Akutaufnahme-Stationen

Simone Binder, Manuela Müller

Hintergrund

Die Implementierung von systemischem Arbeiten in psychiatrischen Akut-aufnahmestationen. Der Anlass war eine berufsgruppenübergreifende sys-temische Qualifizierung aller Mitarbeiter. Die Teilnahme an der Weiterbil-dung war für die Mitarbeiter freiwillig. Gefördert durch die Abteilungsebe-ne, Pflegedienstleitung und Chefärztin. Sie waren inspiriert und begeistert durch die Satelitenstation in Wangen im Allgäu. Vorab fanden zwei Informa-tionsveranstaltungen für alle Mitarbeiter dazu statt. Die systemische Wei-terbildung dauerte 2 Jahre. Sie umfasste 6 Blöcke über je 3 Tage. Die Kurse waren mit multiprofessionellen Teilnehmern aller Berufsgruppen von ver-schiedenen Stationen belegt. Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Pflegefach-kräfte und Spezialtherapeuten. Zwischen den Blocks hatten wir die Gele-genheit, das angeeignete Wissen zu üben und zu festigen.

Problemstellung

PatientInnen haben häufig eine andere Vorstellung über die Behandlung in psychiatrischen Aufnahmestationen, als es das Behandlerteam leisten kann.

Sie erwarten eine erfolgreiche Therapie, äußern Wünsche, die schwer oder gar nicht erfüllbar sind. Probleme weshalb PatientInnen zur Therapie kom-men, sind maßgebend und bestimmend. Die Annahme, wir können diese Probleme lösen, ist drängend. Diese Erwartungshaltung der PatientInnen im Gegenzug zu dem was wir leisten können bedarf aus diesem Grund, einer Klärung und einer Einigung. Welchen Behandlungsauftrag können wir an-nehmen, welchen müssen wir ablehnen und welchen können wir neu ver-handeln? Durch die systemische Weiterbildung sind wir nun einheitlich in der Lage, vielseitige Methoden einzusetzen, um Missverständnissen vorzu-beugen, lösungsorientiert und nicht problemorientiert zu arbeiten.

Entwick-lungspotentiale und Ressourcen herauszubilden und uns nicht allzu sehr mit den Defiziten zu befassen.

Ziele

Transparenz hinsichtlich des Versorgungsangebots, Auftrags- und Kontext-klärung, Beziehungsaufbau und Gestaltung auf systemischer Grundlage, Kooperation der Berufsgruppen aus systemischer Sicht.

Vorgehen

Durch die Schulung der multiproffessionellen Teams entstand ein relativ einheitliches Wissen. Methoden, welche für uns praktikabel und umsetzbar sind wurden ausgewählt. Dementsprechend haben wir nun wir eine Selekti-on an Methoden, die wir standardisiert anwenden.

Mitarbeiter, die nicht geschult sind werden in Teambesprechungen durch geschulte Mitarbeiter, über die Vorgehensweise informiert, sie werden begleitet und unterstützt, bis sie im Umgang damit sicherer werden.

Diese angewendeten Methoden kommen bereits im Aufnahmegespräch zum Tragen. Wir kommen einer Auftragsklärung näher, durch die Unter-scheidung zwischen KundInnen, KlägerInnen und BesucherInnen.

KundInnen kommen bereits mit einem Anliegen, sie sehen sich selbst als einen Teil des Problemmusters und beteiligen sich aktiv am Beratungspro-zess und an den Lösungsmöglichkeiten." Ich habe ein Problem, ich brauche Hilfe bei der Lösungsuche.

BesucherInnen fühlen sich nicht verantwortlich im Problemsystem, sie ha-ben eigentlich kein Anliegen. Jemand hat sie geschickt oder ihnen geraten, Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Lösungsvorstellung für das Problem ist meist, dass die ProblemzuschreiberInnen sie in Ruhe lassen. "Andere meinen, ich habe ein Problem, aber das stimmt gar nicht" KlägerInnen be-schweren sich, und fühlen sich einem Problem ausgesetzt. Sie erleben sich häufig in einer Opferposition. In ihrem Verständnis sind immer andere

schuld, Lösungen werden außerhalb ihrer Möglichkeiten definiert. "Die an-deren sind das Problem.“

Durch Anwenden von systemischen Lösungswegen versuchen wir nun, die BesucherInnen und KlägerInnen zu KundInnen zu machen, um an einen klar definierten Auftrag zu kommen.

Hierfür besteht die Möglichkeit, einen Lageplan zu erstellen, der das Famili-ensystem und die unterschiedlichen sozialen Helfersysteme sichtbar macht.

Er ist ein methodisches Hilfsmittel, um die aktuell an die Station gerichteten Aufträge darzustellen, zu analysieren und die Auftragsverhandlungen zu planen. Neben ausdrücklich formulierten Aufträgen oder Anliegen, kann der Lageplan auch verdeckte Aufträge sichtbar machen. Eigenaufträge der Be-handler können sich herauskristallisieren, diese werden modifiziert oder fallengelassen. Das heißt dann für uns, wir gehen in Verhandlung mit uns selbst.

Die Schritte der Auftragsanalyse sind im Weiteren, die Aufträge möglichst prägnant stichwortartig im Imperativ aufzulisten. Wie z.B. Sorgen Sie dafür,

… machen Sie, ... helfen Sie, ... . Im Anschluss prüfen wir die Aufträge auf Widersprüchlichkeit und Machbarkeit, bisherige unklare oder nicht umsetz-bare Aufträge werden neu verhandelt.

Wir nutzen den Lageplan für Fallbesprechungen, zur Verlaufs- und Entlass-planung, und er wird ins Dokumentationssystem integriert und regelmäßig aktualisiert.

Als weiteres Hilfsmittel verwenden wir Genogramme. Ein Genogramm dient uns zur Öffnung des Blickwinkels, es zeigt die Verbindung, der PatientInnen zum Familiensystem. Hier werden die Probleme in einen erweiterten Zu-sammenhang gestellt und die Beziehungsbeschaffenheit, in dem die Patien-tInnen leben werden sichtbar gemacht. Es kann als eine Art Landkarte die-nen, die aus der Sicht der verschiedenen Familienmitglieder untersucht wird. Wichtige Familienereignisse, Glaube, Religion, Kultur, gesellschaftliche und politische Verhältnisse und noch vieles mehr, zeichnen sich ab. Das Genogramm fordert uns zum Bilden von Hypothesen heraus. Die

Perspekti-ve wird erweitert, dadurch bekommen wir mehr Handlungsmöglichkeiten. Je nach Compliance und Verweildauer versuchen wir bei jedem PatientInnen ein Genogramm zu erstellen.

In der Gesprächsführung wenden wir Visualisierungstechniken an, wir bilden Hypothesen, und wir intensivieren durch systemische Fragestellungen die Konversation.

Durch Hypothesenbildung sind wir in der Lage, vielfältige Auslegungen zu entwickeln, und die Problematik sowie die Ressourcen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dabei geht es nicht darum, die eine, richtige Hypothese zu finden, vielmehr geht es im Verlauf der Prozesse darum, die Möglichkeiten an Perspektiven zu erhöhen.

Sich seiner eigenen Hypothesen bewusst zu werden, ist in der systemischen Beratung ein Mittel zur Selbsterkenntnis und ein Mittel zur Fokussierung.

Wir, als Beraterteam, sollten uns aufgrund der Informationen des Erstkon-takts über die Familie eines Klienten, bewusstwerden. Wir sollten also die Fähigkeit haben, die eigenen Problemdefinitionen nur als vorläufige Annah-men zu behandeln, die es im Verlauf der Beratung zu überprüfen gilt.

Die wöchentliche Visite findet anhand eines Reflectingteams statt. Die Pati-entInnen werden vom Multiprofessionellen Team reflektiert, wie sie die Woche über in ihrer Entwicklung wahrgenommen wurden. Im Anschluss wird im Beisein der PatientInnen, durch den behandelnden Therapeuten, die Dokumentation diktiert. Dadurch gewinnt die Behandlungsatmosphäre an Intensität und gewinnt an Transparenz.

Auch im Umgang mit suizidalen Menschen wenden wir methodische Vorge-hensweise an, wie die Mehrgenerationsensperspektive. Die sich an der Ver-gangenheit orientiert. Das Externalisieren, Pacing / Leading bezieht sich auf die Gegenwart. Die Time-Line, der Suizid als Vorletztes, sind zukunftsbezo-gen. Dabei ist ein wichtiger Punkt die Bündnisfähigkeit mit sich selbst, und nicht mit dem Berater. Dies wird im Nonsuizidvertrag festgehalten. Die Bera-ter sind nur Zeuge dieses Abkommens. Aufwendige InBera-terventionen, wie 1:1

Betreuungen, Fixierungen, geschlossene Stationen, ect. können dabei mini-miert werden.

Im Triadischen Prozess werden Angehörige auf Augenhöhe in das Therapie-geschehen miteinbezogen, ein gemeinsames Fallverständnis wird erarbeitet.

Systemische Angehörigenarbeit ist ein Teil des gesamten Behandlungspro-zesses. Nach Möglichkeit werden Aufnahme- und Entlassgespräche mit Angehörigen zusammengeführt. Im Verlauf des Therapieprozesses werden Familiengespräche je nach Wunsch und Bedarf der PatientInnen geführt.

Diese und noch weitere systemischen Elemente verwenden wir nun seit etwa einem Jahr in 3 unterschiedlichen Teams. Wir haben die Methoden evaluiert und bis auf Weiteres verlängert. Wir haben eine Erhebung über das Reflecting- Team gemacht, mit dem Ergebnis, dass sich die PatientInnen durchweg wertgeschätzt und ernst genommen fühlen.

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 27-31)