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Inhalte und Methoden

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 195-200)

Die Psychiatrische Institutsambulanz ist nach §118,1 SGB V [3] gesetzlich verpflichtet, sich derjenigen psychiatrischen PatientInnen anzunehmen, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankungen eine komplexe Be-handlung benötigen, soweit sie diese im Bereich der Versorgung durch Ver-tragsärztInnen und -psychotherapeutInnen nicht ausreichend erhalten kön-nen.

Es ist gesetzlich vorgegeben, über die medizinische Versorgung hinaus, nichtärztliche Angebote vorzuhalten. Dabei orientiert sich die Ambulanz an den S3 Praxisleitlinien „Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen“ [4].

Psychiatrische Behandlung und Pflege richtet sich neben der Symptombe-handlung an den Lebenswelten der Betroffenen. Die PIA orientiert sich an der Recovery-Methode, die in ihrer therapeutischen Grundhaltung Selbstbe-stimmung und Autonomie der Hilfesuchenden ernst nimmt und die Wahl-freiheit der Individuen im Blick hat [5]. Die besondere Aufgabe der Pflege ist es dabei, Ressourcen und bestehende Bindungen, wie soziale Kontakte, Arbeit, Freizeit und andere stabilisierende private und professionelle Syste-me zu aktivieren und erhalten.

In der Behandlung von Menschen nach Flucht und Migration ergeben sich zusätzliche spezielle Problemstellungen in ihrem Alltag. Vielfach werden sie aufgrund ihres Aufenthaltsstatus aus dem gesellschaftlichem Leben ausge-grenzt. Die Unsicherheit darüber, ob sie in Deutschland bleiben können, verhindert zum einen die Entwicklung von Perspektiven zum anderen aber manchmal auch zu gesunden. Darüber hinaus findet man bei den Hilfesu-chenden unterschiedliche Krankheitskonzepte [6].

Die Personengruppe lebt oft in einer persönlichen, sprachlichen und alltags-bezogenen Abhängigkeit, die sie nicht selbstständig verlassen können. Dies ist bei der Behandlung in besonderem Maße zu berücksichtigen. Die Kom-plexität der Abhängigkeiten erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der Psychiatrischen Ambulanz mit dem Auftrag der Behandlung und ver-schiedenen Behörden und Organisationen, um gemeinsam die Begleitung der Geflüchteten zu gestalten.

Das führt zu weiteren Anliegen, wie sozialen und aufenthaltsrechtlichen Fragen, die neben einer ärztlichen, psychologischen und pflegerischen Be-handlung zu bearbeiten sind.

Daraus resultiert die Notwendigkeit in enger Kooperation und stetem Aus-tausch mit anderen in Bielefeld ansässigen Stellen und Organisationen im Sinne dieser Personengruppe zu kooperieren und zusammenzuarbeiten.

Ein besonderes Merkmal der Arbeit der Clearingstelle, ist die Struktur der interdisziplinären Zusammenarbeit, die auf andere Settings übertragbar sein kann. Im Rahmen des pflegerischen Fallmanagements werden ärztliche und psychotherapeutische Expertise individuell je nach Bedarf hinzugezogen.

Bereits in den Vorüberlegungen ist die Pflege konzeptionell als führende und koordinierende Instanz diskutiert worden. Sie stellt den bedarfsgerechten Zugang zu dem Versorgungsangebot der PIA sicher. Darüber hinaus ist sie verantwortlich für die Netzwerkbildung und deren Pflege mit den verschie-denen Stellen und Organisationen im Versorgungssystem der Stadt. Hierzu gehören regelmäßige Kooperationsgespräche mit dem Gesundheitsamt, dem AK-Asyl, dem psychosozialen Zentrum der psychosomatischen Klinik,

der Ausländerbehörde und weiteren freien Trägern der ambulanten psychi-atrischen Versorgung in Bielefeld.

Ein weiteres besonderes Merkmal ist die Anforderung an die pflegerische Fachexpertise. Sie erfordert ein hohes Fachwissen in Bezug auf psychiatri-sche Störungsbilder und Kenntnisse über das ambulante Versorgungsnetz der Stadt. Kompetenzen für einen kultursensiblen Umgang mit den Men-schen und die Bereitschaft, sich in den „Dschungel“ der Gesetzgebung und Strukturen des Asylverfahrens einzuarbeiten und zu verstehen, gehören ebenfalls zu wichtigen Merkmalen dieser Arbeit. Sprachkenntnisse und oder eigene kulturelle Hintergründe sind darüber hinaus ein Vorteil bei der Be-gegnung mit Menschen aus den beschriebenen Herkunftsländern. Diese Merkmale werden zusammengefasst auch als „transkulturelle Kompetenz“

beschrieben [7].

Anhand dieser Falldarstellung der Arbeit in einem medizinisch ärztlich aus-gerichteten Setting wird aufgezeigt, wie „Gute pflegerische Arbeit“ gestaltet und organisiert werden kann. Ein besonderes Merkmal ist die geschaffene Struktur der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Literatur

1. Reibnitz, Christine von (2009): Case Management. Praktisch und effizient. Heidel-berg: Springer. Online verfügbar unter http://haw-ham-burg.ciando.com/shop/book/short/index.cfm/fuseaction/short/bok_id/33778.

2. Lewis-Fernández, Roberto (Hg.) (2016): DSM-5 handbook on the cultural formula-tion interview. First ediformula-tion. Washington, District of Columbia, London, England:

American Psychiatric Publishing. Online verfügbar unter http://search.ebscohost.com/login.aspx?direct=true&scope=site&db=nlebk&AN=

1610192.

3. SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) § 118 Psychiatrische Institutsambulanzen, vom zuletzt ge-ändert durch Art. 4 G.v. 17.08.2017 13214. Online verfügbar unter Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S.

2477), zuletzt geprüft am 13.06.2018.

4. Falkai, Peter (Hg.) (2013): S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie.

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Ber-lin, Heidelberg: Springer. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-30270-1.

5. Burr, Christian; Schulz, Michael; Winter, Andréa; Zuaboni, Gianfranco (2013):

Recovery in der Praxis. Voraussetzungen, Interventionen, Projekte. 1. Aufl. Köln:

Psychiatrie-Verl. Online verfügbar unter http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-88414-556-2.

6. Assion Hans Jörg: Traditionelle Heilvorstellungen bis Heute weit verbreitet. In:

Kerbe 2003 (4), S. 15–17. Online verfügbar unter http://www.kerbe.info/files/Kerbe_ausgaben/Kerbe4_03.pdf, zuletzt geprüft am 13.06.2018.

7. Steinhäuser, Theresa; Martin, Lily; Lersner, Ulrike von; Auckenthaler, Anna (2014): Konzeptionen von "transkultureller Kompetenz" und ihre Relevanz für die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung. Ergebnisse eines disziplinüber-greifenden Literaturreviews. In: Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie 64 (9-10), S. 345–353. DOI: 10.1055/s-0034-1371805.

44. Verwendung von Apps im genesungs- oder therapeuti-schen Prozess – ein Beitrag zu guter Arbeit?

Sabine Rühle Andersson, Christoph Golz, Jonas Büchi, Sabine Hahn

Hintergrund

Das Thema „Digitalisierung“ liegt im Trend und APPs spielen eine immer grössere Rolle im Gesundheitswesen – auch im psychiatrischen Bereich.

Unter dem Sammelbegriff App (engl. Application) lässt sich eine Vielzahl verschiedener Software zuordnen. Das Wort „App“ wird hier synonym für installierbare Anwendungen auf Smartphones (Iphone App und Android App) verwendet. In der Schweiz wird die Digitalisierung im Gesundheitswe-sen nicht zuletzt dank des ab April 2017 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier (EPDG) SR 816.1 einen starken Aufwind bekommen. Mobile Gesundheitsdienste (mHealth) als Teil der Digi-talisierung sind ein Bestandteil von eHealth (elektronische Gesundheits-dienst). mHealth beschreibt medizinische Verfahren sowie Massnahmen der Gesundheitsförderung und Krankheitsvorbeugung, die durch Mobilgeräte wie Mobiltelefone, Patientenüberwachungsgeräte, persönliche digitale Assistenten (PDA) und andere drahtlos angebundene Geräte unterstützt werden [1]. Unklar ist, wie Gesundheits-APPs in der psychiatrischen Versor-gung schon genutzt werden. Eine Suche nach APPs zu psychischen Erkran-kungen in den App-Läden der Anbieter zeigt auf, dass es viele APPs zu die-sem Thema gibt. Doch wie diese verwendet werden ist unklar.

Zielsetzung

Das Projekt Chapp_U (Swiss App User im psychiatrischen Feld) hat zum Ziel, die Bedürfnisse, Vorbehalte und Vorteile hinsichtlich der Nutzung von APPs im genesungs- oder therapeutischen psychiatrischen Prozesses der Service User und der Fachpersonen zu beschreiben. Es sollen Vor- und Nachteile, sowie mögliche Benachteiligungen beschrieben werden.

Folgende Fragestellungen werden bearbeitet:

Wie werden Apps von psychiatrieerfahrenen Menschen im therapeutischen- und Genesungsprozess genutzt?

Welche Erfahrungen machen psychiatrieerfahrene Menschen mit der Nut-zung von Apps im therapeutischen- und Genesungsprozess?

Methode

Zur Erreichung der Forschungsziele wurden eine Literaturanalyse, eine Re-cherche nach vorhandenen APPs in App-Läden und eine elektronische Um-frage bei psychiatrieerfahrenen Personen und Fachpersonen der psychiatri-schen Versorgung durchgeführt.

Im ersten Projektschritt wurde der Stand der Forschung zur Thematik, wie Menschen mit einer psychischen Erkrankung bzw. psychiatrieerfahrene Menschen das Smartphone im Genesungsprozess einsetzen erarbeitet. Die-se Recherche wurde auf der Datenbank PubMed durchgeführt. Die Treffer mit den Suchbegriffen „smarthphone“ und „healthcare“ wurden mit nach-folgenden Einschlusskriterien eingegrenzt: Erwachsene Personen ab 18 Jahren, ohne körperliche Erkrankungen (z.B. Diabetes), ohne Demenz, ohne Suchterkrankung, mit Einsatz von APPs auf Smartphones.

In einem zweiten Projektschritt wurde eine unsystematische Recherche nach frei verfügbaren, deutschsprachigen APPs (iOS und Android), welche den User bei psychischen Erkrankungen unterstützen sollen in App-Läden durchgeführt.

Im dritten Projektschritt wurden zwei Online-Surveys erstellt, welche die Nutzung von APP’s im Genesungsprozess erheben.Unter Genesungsprozess verstehen wir die Unterstützung beim Prozess der Selbstbemächtigung, die Überwindung der gefühlten Machtlosigkeit über das eigene Leben und das Erkennen/Entdecken von Möglichkeiten und Chancen, sowie die aktive Nut-zung der eigenen Kompetenzen. Dies bedeutet die Fähigkeit zu erlangen, selbstständig und selbstbestimmt zu handeln [2]. Unter therapeutischem Prozess wird in diesem Projekt die Zusammenarbeit von psychisch erkrank-ten Personen mit Fachpersonen, wie beispielsweise Psychiater,

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 195-200)