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PfleNA – Pflegerische Nachsorge in der Alterspsychiatrie

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 76-83)

Ergebnisse/Erfahrungen

15. PfleNA – Pflegerische Nachsorge in der Alterspsychiatrie

Achim Göhring, Karin Finsterle, Barbara Boßler

Hintergrund

Ein Aufenthalt in einem Krankenhaus, ist für Menschen mit einer alterspsy-chiatrischen Erkrankung ein großer Einschnitt in deren Alltag. Nicht nur die Genesung einer Erkrankung, sondern auch der abrupte Abbruch aus dem Alltagsleben sind dabei große Herausforderungen. Stellt sich zusätzlich die Frage, ob eine Entlassung nach Hause noch möglich ist, kann dies viele Unsi-cherheiten hervorrufen.

Darum sind das Entlassmanagement nach § 39 Abs. 1a S. 9 SGV V und der Expertenstandard Entlassmanagement des Deutschen Netzwerks für Quali-tät in der Pflege (DNQP) wichtige Instrumente für Krankenhäuser, um Pati-entinnen und Patienten eine nahtlose Versorgung im Anschluss der Kran-kenhausbehandlung zu gewährleisten [1, 2].

Auch die alterspsychiatrische Akutstation in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (KPP) des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg, Region Alb-Neckar stellt sich den Herausforderungen des Entlassmanage-ments.

Das Entlassmanagement wird dort dreijährig überprüft und unter Umstän-den optimiert.

Problemstellung

Bei der Überprüfung der Entlasszahlen der alterspsychiatrischen Akutstation im Jahr 2016 wurden für Patientinnen und Patienten, die aus dem häusli-chen unbetreuten Umfeld aufgenommen wurden folgende Entlasszahlen im Krankenhausinformationssystem festgestellt:

Aufnahmen aus dem häuslichen unbetreuten Umfeld aller Zugänge:

- 2014 61,6%

Davon Entlassungen nach Hause:

- 2014 44,2%

Aufnahmen aus dem häuslichen unbetreuten Umfeld aller Zugänge:

- 2015 59,9%

Davon Entlassungen nach Hause:

- 2015 29,6%

Ungefähr die Hälfte der Aufnahmen aus dem unbetreuten häuslichen Um-feld wurde 2014 und 2015 in eine stationäre Wohnform entlassen. Im Sinne des Entlassmanagement wurde darin ein Optimierungsbedarf abgeleitet und überlegt, wie sich Verbesserungen für diese Patientengruppe gestalten las-sen könnten.

Daraufhin wurde das Projekt „Pflegerische Nachsorge in der Alterspsychiat-rie (PfleNA)“ initiiert. Es sollten Überlegungen stattfinden, um Entlassungen in eine stationäre Wohnform zu minimieren.

Ziele

Verbesserung des Entlassmanagements für Menschen, die unbetreut von zu Hause kommen:

- Poststationäre Versorgungsrisiken definieren und minimieren

- Prozessorientierte Versorgungsstrukturen schaffen, Sicherstellung einer kontinuierlichen bedarfsgerechten Versorgung

Qualitätssteigerung: Erhöhung der Entlassungen nach Hause

Stärkung der Selbst- und Dependenzpflegekompetenzen der betroffenen Personen und deren Angehörigen

Vorgehen

Rahmenbedingungen:

Für das Projekt PfleNA wurde im Juli 2016 eine interdisziplinäre Arbeits-gruppe (AG) gegründet. Teilnehmende der AG sind die pflegerische Stations-leitung als ProjektStations-leitung, die ärztliche AbteilungsStations-leitung, die pflegerische Abteilungsleitung, sowie eine psychiatrische Fachpflegerin und eine

Pflege-expertin. Eine psychiatrische Fachpflegerin und eine Pflegexpertin erarbeite-ten das Konzept und wurden jeweils zu 50% als Mitarbeierarbeite-tende in PfleNA eingesetzt.

Start für die Patientinnen- und Patientenbegleitung war der 01.01.2017.

Zielgruppe sind Patientinnen und Patienten, die aus einer unbetreuten häus-lichen Situation aufgenommen werden. Es sollen Hausbesuche nach Entlas-sung für Patientinnen und Patienten und deren Angehörige angeboten wer-den. Die Hausbesuche sollen innerhalb drei Monate, drei bis vier Mal statt-finden. Kostenträger für das Projekt ist die Klinik.

Entlassmanagement für Menschen, die unbetreut von zu Hause kommen Für die Zielgruppe wurde exemplarisch die Versorgungssituation mittels Fallanalysen herausgearbeitet. Anhand des Selbst- bzw. Depenendenzpfle-gebedarfs, sowie des Zieles der „Gewährleistung und Förderung einer konti-nuierliche Selbst- bzw. Dependenzpflege" wurden poststationäre Versor-gungsrisiken entsprechend des DNQP herausgearbeitet und ein Leistungska-talog für PfleNA erstellt [3, 2].

Poststationäre Versorgungsrisiken

Folgende poststationäre Versorgungsrisiken konnten für die Zielgruppe heraus gearbeitet werden:

- Fehlende Tagesstruktur - Kognitive Einschränkungen:

- Überlastungssituation der Bezugspersonen - Medikamenteneinnahme ist nicht gewährleistet - Vereinsamungsgefahr

- Antriebslosigkeit - Angstattacken

- Verhaltensveränderungen - Wahnhafte Veränderungen - Suchtmittelabhängigkeit

- DrehtürpatientIn (Gefahr der Hospitalisierung)

Die Versorgungsrisiken sind Indizien, dass Versorgungslücken zu Hause vor-liegen und Hilfestellung benötigt wird.

Leistungsangebot

PfleNA stellt sich als Dienstleister für Beratungen und psychosoziale Inter-ventionen vor. Leistungsangebote zielen darum einerseits auf die Sensibili-sierung der Situation. Andererseits können betroffene Personen und deren Angehörige Bewältigungsformen kennenlernen, um besser mit der Erkran-kung oder Situation umzugehen.

PfleNA-Patientinnen und -Patienten

Patientinnen und Patienten, die für eine PfleNA-Versorgung in Frage kom-men, sind folgenden Kriterien zuzuordnen:

- Adhärenz der Patientin / des Patienten - Patientin / Patient möchte wieder nach Hause - Bezugsperson in unmittelbarer Umgebung vorhanden

- kommt im häuslichen Umfeld, trotz diverser Einschränkungen, zurecht.

- Ressourcen sind erkennbar

- Medizinische Versorgung ist gewährleistet bzw. organisierbar (Hausarzt, PIA, niedergelassener Psychiater)

Ergebnisse / Erfahrungen

Nachdem die ersten sechs Monate durchgelaufen waren, wurde das Projekt von der dualen Klinikleitung bis Ende des Jahres 2017verlängert. Zwischen-zeitlich wurde das Projekt noch ein weiteres Mal, bis Ende 2018, verlängert.

Qualitätssteigerung

Nachdem die Zahlen für 2017 überprüft wurden, waren keine signifikanten Verbesserung der Entlassungen nach Hause erkennbar: 60,7 % der Aufnah-men kaAufnah-men aus dem unbetreuten häuslichen Umfeld. 48,3 % wurden

wie-der nach Hause entlassen. Die Zahlen werden weiterhin regelmäßig über-prüft.

Poststationäre Versorgungsrisiken

Die Zuordnung der poststationären Versorgungsrisiken wurde in den ersten sechs Monaten erfasst. Es konnten mehrere Versorgungsrisiken einem Pati-enten oder einer Patientin (n=3o) zugeordnet werden:

- Fehlende Tagesstruktur 20%

- Kognitive Einschränkungen: 14,2%

- Überlastungssituation der Bezugspersonen 12,3%

- Medikamenteneinnahme ist nicht gewährleistet 9,6%

- Vereinsamungsgefahr 9,0%

- Antriebslosigkeit 7,7%

- Angstattacken 7,7%

- Verhaltensveränderungen 7,1%

- Wahnhafte Veränderungen 6,5%

- Suchtmittelabhängigkeit 3,8%

- DrehtürpatientIn (Gefahr der Hospitalisierung) 1,9%

Leistungsangebot

2017 wurden 22,98% der Patientinnen und Patienten der alterspsychiatri-schen Akutstation in das PfleNA-Projekt aufgenommen. Es fanden insgesamt 245 Kontakte in 285 Stunden statt:

PfleNA-Patientinnen und -Patienten

In den ersten sechs Monaten wurden alle Patientinnen und Patienten, die von zuhause aufgenommen wurden (n=63), anhand des Kriterienkatalogs eingestuft. Davon wurden 30 Patientinnen und Patienten (47% der Aufnah-men von zuhause) als mögliche PfleNA-Patientinnen und -Patienten einge-stuft. Davon wurden letztendlich 19 Patientinnen und Patienten von den PfleNA-Mitarbeiterinnen betreut. Es stellte sich heraus, dass es meist

sinn-voller ist, im interdisziplinären Team zu entscheiden, anstelle des Kriterien-katalogs, ob eine Patientin / ein Patient für PfleNA geeignet ist.

Diskussion

Letztendlich können die Zahlen eine Verbesserung des Entlassmanagement nicht bestätigen. Die Tatsache, dass sich die Zahlen nicht signifikant verbes-sert haben, kann jedoch die Sinnhaftigkeit des Projektes nicht verleugnen.

Während des Projektes hat sich gezeigt, dass einerseits die Zielgruppe der Patientinnen und Patienten, deren Entlassungsart nicht gleich bei Aufnahme geklärt werden kann, ambulant nicht ausreichend versorgt werden kann:

das Einzugsgebiet der KPP liegt hauptsächlich im ländlichen Raum. Gerade alterspsychiatrische Strukturen sind nicht ausreichend vorhanden, um diese Zielgruppe optimal ambulant zu betreuen. Andererseits sammelt das inter-disziplinäre Team der alterspsychiatrischen Akutstation als Entscheidungs-gremium, ob eine Patientin oder ein Patient wieder nach Hause entlassen werden kann, noch Erfahrungswerte, um gerade diese Zielgruppe wieder verantwortungsvoll nach Hause zu entlassen. Desweiteren öffnete sich das Projekt für alle Patientinnen und Patienten aus dem ambulanten Setting, da sich die Betreuung nach der Entlassung für betroffene Personen und deren Angehörige als sinnvoll erweist, damit einem Umzug in eine stationäre Wohnform langfristig entgegengewirkt werden kann. Um den Menschen ausreichend Sicherheit in der Bewerkstelligung des alterspsychiatrischen Pflegebedarfs zu vermitteln, zeigte sich zudem recht früh, dass eine Beglei-tung durch PfleNA von drei Monaten mit drei bis vier Hausbesuchen für eine Vermittlung der Pflegekompetenzen sehr knapp bemessen ist.

Schlussfolgerung

Ansprechpartner zu haben, gerade zu Zeiten, in denen der Alltag durch eine Krise stark beeinträchtigt wurde, kann Menschen aus einer ambulanten Wohnsituation Sicherheit geben, sich wieder zu Hause zurecht zu finden.

Fehlende ambulante alterspsychiatrische Strukturen können somit zwar nicht ersetzt werden, bieten jedoch eine Chance die Situation zu

stabilisie-ren. Letztendlich ist die Finanzierung nicht geklärt, Kostenträger sollten das Angebot als Ressource betrachten, um Folgekosten einer alterspsychiatri-schen Erkrankung zu minimieren. Es wäre zudem zu überlegen, das Angebot auf stationäre Wohnformen zu erweitern.

Literatur

1. Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BV Med) 2015: Der neue § 39 Absatz 1a SGB V – Eine Auslegungshilfe. Online unter (02.07.2018):

https://www.bvmed.de/download/positionspapier-entlassmanagement-abgest-ag-170915-auslegungshilfe.pdf.

2. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege: Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege; 1. Aktualisierung 2009

3. Taylor, S.G.; Renpenning, K., Bekel, G. (dt. Hrsg.) (2013): Selbstpflege – Wissen-schaft, Pflegetheorie und evidenzbasierte Praxis. Hans Huber Verlag, Bern.

16. Entwicklung eines nutzer/-innenorientierten Pflege- und

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 76-83)