• Keine Ergebnisse gefunden

Implementierung komplexer Interventionen in die psychi- psychi-atrische Versorgungspraxis – Wie schaffen wir eine

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 128-133)

Diskussion & Schlussfolgerung

26. Implementierung komplexer Interventionen in die psychi- psychi-atrische Versorgungspraxis – Wie schaffen wir eine

nach-haltige Implementierung von Innovationen?

Gitte Herwig

Hintergrund

Die Entwicklung der psychiatrischen Pflege schreitet durch Forschung, Ent-wicklung sowie Integration komplexer Interventionen [2] in die Versor-gungspraxis stetig voran. Die jeweiligen Innovationen werden in der Fach-welt mit viel Aufmerksamkeit bedacht, eine Implementierung in die psychi-atrische Versorgungspraxis wird in vielen Kliniken forciert. Darüber hinaus fordern auch rechtliche Grundlagen (u. a. § 113 Sozialgesetzbuch [SGB] XI, § 3 Krankenpflegegesetz [KrPflG]) eine Implementierung pflegewissenschaftli-cher Erkenntnisse in die Pflegepraxis [14].

Die Art und Weise von Überführung der Interventionen in die Versorgungs-praxis, auch als Theorie-Praxis-Transfer bezeichnet, findet insgesamt jedoch wenig Beachtung im Berufsfeld der Pflege. So können bis zu 20 Jahre verge-hen, bis Innovationen nachhaltig in die Versorgungspraxis intergiert werden [11, 12]. Drake, Gorman und Torrey [4] beschreiben es zudem als paradoxe Situation, dass zur Implementierung evidenzbasierter Verfahren, häufig nicht-evidenzbasierte Methoden angewendet werden. Effektive Interven-tionen bleiben so häufig weit hinter ihrem Potential zurück. Studien zeigen, dass vielversprechende Forschungsergebnisse nur zu ca. 10 – 14% in die Patientenversorgung eingehen und der erreichte Nutzen insgesamt gering ist [1].

Fragestellung

Vor dem theoretischen Hintergrund ergeben sich vielfältige Fragestellungen hinsichtlich einer erfolgreichen und nachhaltigen Überführung theoreti-schen Wissens bzw. komplexer Interventionen in die Versorgungspraxis.

Insbesondere mit dem Ziel eines positiven Nutzens der Interventionen für

die Patienten. Förderliche und hemmende Faktoren gelten als zentrale Pa-rameter im Implementierungsprozess, da sich Planung und Steuerung des Implementierungsgeschehens im Wesentlichen an den Erkenntnissen orien-tieren und den Implementierungserfolg beeinflussen. Die Identifizierung der Faktoren bzw. Barrieren, deren Interaktion sowie die Erkundung der Wir-kungsweise gilt als ein zentrales Teilgebiet der Implementierungsforschung und soll daher im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen.

Methode

Zur Literaturrecherche, in Form einer Schneeballsuche, wurden deutsch- und englischsprachige Fachpublikationen in PubMed und Cochrane Library gesucht. Es wurde eine Handsuche in der Universitätsbibliothek Freiburg und der Caritas Bibliothek Freiburg vorgenommen. Weiterführend fand eine Onlinerecherche in deutsch- und englischsprachigen Pflegezeitschriften sowie im Online-Journal Implementation Science statt. Berücksichtigt wur-den auch graue Literatur und Internetseiten zum Themengebiet der Disse-minations- und Implementierungsforschung.

Ergebnisse

Während im deutschsprachigen Raum im Kontext der psychiatrischen Pflege Implementierungsforschung noch wenig Beachtung findet, erforschen inter-national seit geraumer Zeit verschiedene Disziplinen, wie Innovationen im Gesundheits- und Sozialwesen nachhaltig in die Praxis transferiert werden.

Es werden derzeit mannigfaltige und heterogene Faktoren auf unterschied-lichsten Ebenen beschrieben, die die Implementierung neuer Interventionen beeinflussen [3, 5, 13]. Zusammenfassend scheint die Nachhaltigkeit einer Implementierung von Forschungsergebnissen bzw. komplexer Interventio-nen entscheidend davon abzuhängen, in wie weit Implementierungsstrate-gien, Führung, Kontext und Mitarbeitern selbst Beachtung gegeben werden [7]. Die Implementierungsforschung hat sich des Weiteren auf die Zusam-menstellung jener Faktoren konzentriert, die versuchen, einen Implementie-rungsprozess als ganzheitliches Konstrukt zu betrachten. Rabin et al. [10]

präsentieren auf der interaktiven Web-Seite 87 Modelle bzw. Rahmenwer-ke, die zur Planung und Evaluierung von Implementierung dienen. Vielfach beschrieben ist der PARIHS- (Promoting Action on Research Implementation in Health Service) Bezugsrahmen. Dieser sieht die erfolgreiche Implementie-rung von Forschungskenntnissen in Abhängigkeit der Qualität von Evidenz und Kontext sowie der Art der Begleitung [13].

Diskussion

Die internationale Forschungslage und Diskussion zu Einflussfaktoren in Implementierungsprozesse ist insgesamt unübersichtlich. Implementie-rungsforschung ist eine vergleichsweise junge Disziplin und befindet sich im Begriffs- und Konzeptfindungsprozess, was sich in der großen Vielfalt nur unscharf voneinander getrennter und synonym gebrauchter Begrifflichkei-ten zum Themengebiet widerspiegelt [6]. Die Schlüsselpublikationen zu Implementierungsforschung stammen aus dem angloamerikanischen Sprachraum und beziehen sich auch mehrheitlich auf Studien aus diesem Raum, so dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den deutschsprachi-gen Kontext nicht ohne Einschränkung möglich erscheint [9]. Pflegerische Interventionen im Berufsfeld der Psychiatrie konnten vielfach als komplexe Interventionen identifiziert werden, die ihrerseits in komplexe Kontexte unter komplexen Bedingungen implementiert werden. Die Komplexität von Intervention bedingen diverse Fehlerquellen im Implementierungsprozess, daher ist eine Berücksichtigung vieler Faktoren notwendig, ohne dass vorab immer ausreichend bekannt ist, welche Interventionskomponenten die Wirksamkeit bedingen. Unbestritten ist der Zusammenhang zwischen kom-plexen Interventionen und der Häufung von Fehlerquellen im Implementie-rungsprozess [8].

Fazit

Vielfältige Einflussfaktoren sowie widersprüchliche Interessenslagen zahlrei-cher Akteure machen die Implementierung von Innovationen auch in der psychiatrischen Versorgungspraxis zu einem schwer zu steuernden Prozess.

Publiziertes Wissen, Innovationen und evidenzbasierte Interventionen ver-breiten sich nur begrenzt selbst. Zentral für die Gestaltung von Implementie-rungsprozessen ist die Abkehr des Prinzips: Schulen und Hoffen, hin zur Nut-zung evidenzbasierter und systematischer Implementierungsaktivitäten.

Literatur

1. Arnaud, N. (2015). Transfer und Implementation evidenzbasierter Ansätze. In Hoff,T. & Klein, M. (Hrsg.), Evidenzbasierung in der Suchtprävention. Möglichkei-ten und Grenzen in Praxis und Forschung (S. 139 – 156). Berlin: Springer.

2. Craig, P., Dieppe, P., Macintyre, S., Mitchie, S., Nazareth, I. & Petticrew, M.

(2008). Developing and evaluating complex interventions: the new Medical Re-search Council guidance. Bmj (Hrsg.).

3. Damschroder, L. J., Aron D. C., Keith, R. E., Kirsh, S. R., Alexander, J. A. & Lowery, J. C. (2009). Fostering implementation of health services research findings into practice: a consolidated framework for advancing implementation science. Im-plementation Science, 4 (50), 1-15.

4. Drake, R. E., Gorman, P. & Torrey, W. C. (2002). Research on Core Implementa-tion Components. In Fixsen, L., Naoom, S. L., Blase, K. A., Friedman, R. M. & Wal-lace F. Implementation Research: A Synthesis of the Literature (2005) (S. 35).

Tampa, FL: University of South Florida.

5. Greenhalgh, T., Glenn, R., Macfarlane, F., Bate, P. & Kyriakidou, O. (2004). Diffu-sion of Innovations in Service Organisations: A systematic Review and Recom-mendiations. The Milbank Quarterly, 48 (4), 581-629.

6. Hoben, M. (2016). Einflussfaktoren in Implementierungsprozesse. In Hoben, M., Bär. M. & Wahl, H.-W. (Hrsg.), Implementierungswissenschaft für Pflege und Ge-rontologie. Stuttgart: Kohlhammer.

7. Müller-Isberner, R., Born, P., Eucker, S. & Eusterschulte, B. (2017). Implementa-tion of Evidence-Based Pracitices in Forensic Mental Health Services. In Roesch, R.

& Cook, A. N. (Hrsg.), Handbook of Forensic Mental Health Services (S. 443 – 469). New York: Routledge.

8. Meyer, G., Balzer, K., Wilborn, D., Fleischer, S., Berg, A. & Köpke, S. (2016). Un-wirksamkeit, Schaden und nicht intendierte Folgen der Implementierung von In-terventionen. In Hoben, M., Bär, M. & Wahl, H.-W. (Hrsg.), Implementierungswis-senschaft für Pflege und Gerontologie. Grundlagen, Forschung und Anwendung – Ein Handbuch (S. 186 – 202). Stuttgart: Kohlhammer.

9. Quasdorf, T., Hoben, M., Riesner, C., Dichter, M. N. & Halek, M. (2013). Einfluss-faktoren in Dissemination- und Implementierungsprozessen. Pflege & Gesell-schaft, 18 (3), 235-252.

10.Rabin, B. A., Cameron, W. C., Henton, M., Tabak, R., Mitchell, S. & Brownson, R.

et al. (2018). Dissemination & Implementation Models in Health Research & Prac-tice. Center for Research in Implementation Science and Prevention (CRISP)

(Hrsg.). Verfügbar unter

http://dissemination-implementation.org/viewAll_di.aspx

11.Roes, M., Buscher, I. & Riesner, C. (2015). Implementierungs- und Disseminati-onswissenschaft – Konzeptionelle Analyse von Gaps zwischen Wissenschaft, Poli-tik und Praxis. Pflege & Gesellschaft 18 (3), 213-234.

12.Rogers, E. M. (2003). Diffusion of innovations (5. Aufl.). New York: Free Press.

13.Rycroft-Malone, J. (2009). Implementation von Erkenntnissen aus wissenschaftli-chen Untersuchungen: Evidenz, Kontext und Begleitung – der PARIHS-Bezugsrahmen. In McCormack B., Manley, K. & Garbett R. (Hrsg.), Praxisentwick-lung in der Pflege (S. 105 – 124). Bern: Huber.

14.Schubert, B. & Wrobel, M. (2009). Identifizierung von Hindernissen, die die Im-plementierung von Forschungsergebnissen in die Pflegepraxis hemmen. Printer-net, 11 (6), 343-351.

27. Aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit der

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 128-133)