• Keine Ergebnisse gefunden

Pflegeprozess und Praxisentwicklung: Gute Arbeit für Pati- Pati-enten und Mitarbeitende in der Psychiatrie

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 142-147)

28. (Weiter-)Entwicklung und Diskussion eines heuristischen Rahmenmodells der pflegerischen Expertise in der

30. Pflegeprozess und Praxisentwicklung: Gute Arbeit für Pati- Pati-enten und Mitarbeitende in der Psychiatrie

Therese Hirsbrunner, Katharina Wolf-Grauwiler, Nelly Schori, Mirjam Trummer, Martina Lerch

Hintergrund

Die Psychiatrischen Dienste des Kantons Solothurn gehören zur Solothurner Spitäler AG, einer Spitalgruppe mit drei somatischen und einer psychiatri-schen Klinik. Alle Pflegestationen nutzen die elektronische Pflegedokumen-tation WicareDoc®, die ursprünglich im somatischen Bereich entwickelt wurde.

Problemstellung

Bei der Umstellung auf WicareDoc® wurden die Pflegefachpersonen in den psychiatrischen Diensten mit technischen und fachlichen Anforderungen konfrontiert. Bis dahin wurde der Pflegeprozess in unterschiedlichem Aus-mass auf Papier dokumentiert. Mit dem elektronischen System wurden die Schritte des Pflegeprozesses – und auch die Lücken in der Umsetzung – sichtbar. Für die Pflegefachpersonen wurden die Inhalte des Pflegeassess-ments und die Pflegediagnostik als zu stark von der Somatik geprägt und ungeeignet für die Psychiatrie benannt. Um die Verwendung von Wicare-Doc® in den Psychiatrischen Diensten zu ermöglichen, erarbeitete in einer ersten Phase eine Pflegeexpertin zusammen mit einer Fachgruppe eine Dokumentationsempfehlung für das Pflegeassessment. Bei der nachhaltigen Umsetzung der weiteren Schritte des Pflegeprozesses stiess diese Fachgrup-pe jedoch an Grenzen. Deshalb initiierten die Pflegedienstleitung der Psy-chiatrischen Dienste und die Pflegeentwicklung der Solothurner Spitäler AG das dreijährige Praxisentwicklungsprojekt „Massnahmen in der Pflege steu-ern (MaPs)“.

Ziele

Im Praxisentwicklungsprojet MaPs wurde im Zeitraum 2015-2017 an zwei Zielen gearbeitet:

− Die Pflegefachperson steuert den Pflegeprozess, indem sie bei jedem Patienten verbindliche pflegerische Massnahmen plant, umsetzt und dokumentiert.

− Die Pflegefachperson steuert den interprofessionellen Behandlungs-prozess mit, indem sie pflegerische Massnahmen mündlich und/oder schriftlich kommuniziert.

Vorgehen

Alle 14 Stationen der Erwachsenenpsychiatrie wurden in das Projekt einbe-zogen. In drei Kerngruppen à 8-12 Personen unter der Leitung einer Pflege-expertin bzw. dem Ressortleiter Pflege arbeiteten von jeder Station die Stationsleitung, die Fachexpertin und die Berufsbildnerin mit. Die Kerngrup-pen trafen sich monatlich. Für das erste Ziel wurden zwei Jahre reserviert, für das zweite Ziel das dritte Jahr. Die Grundprinzipien der Praxisentwick-lung, die vom Thema Betroffenen in allen Schritten einzubeziehen („collabo-ration, inclusion and participation“) [1] waren im Projekt zentral. Zum Start des Projekts waren die beiden Ziele sowie ein grobes Konzept für das Vor-gehen geplant, alle weiteren Schritte wurden zusammen mit den Beteiligten laufend konkretisiert und umgesetzt. In den Kerngruppen wurden die The-men jeweils so eingebracht und bearbeitet, dass die Beteiligten die geplan-ten Schritte selbständig in ihren Teams umsetzen und evaluieren konngeplan-ten.

Am Ende jedes Jahres wurde jeweils eine Evaluation zum übergeordneten Ziel durchgeführt.

Im ersten Jahr wurde ein gemeinsames Verständnis des Pflegeprozesses und der Pflegeprozesssteuerung formuliert. Die Diskussion wurde in jeder Kern-gruppe solange geführt, bis sich alle Mitglieder mit den Aussagen einver-standen erklären konnten. Im Anschluss daran befasste sich jede Kerngrup-pe intensiv mit dem Ist- und Soll-Zustand bezüglich Pflegeprozesssteuerung

auf den Ebenen Struktur (z.B. Organisation der Bezugspflege), Aufgabe (z.B.

Rolle der Bezugspflegenden, Arbeitsteilung) und Kultur (z.B. Kontrolle, ge-meinsames Verständnis im Team, Widerstand). Durch die Auseinanderset-zung der Pflegeteams mit dem Thema stellten sich vor allem im Verlauf der ersten beiden Jahre grundsätzliche Fragen zum Pflegeprozess, zur Dokumen-tation, zur Arbeitsteilung oder -organisation. Diese Fragen wurden in die Kerngruppen eingebracht, so dass alle zur Klärung beitragen konnten bezie-hungsweise von der zusätzlichen Klarheit profitieren konnten.

Die Fachexpertinnen führten regelmässige Coachings mit ihren Kolleginnen und Kollegen durch. Dadurch wurde die Rolle der Fachexpertinnen klarer, und in den Kerngruppen und den Pflegeteams wurde die Unterscheidung von Kontrolle (Aufgabe der Stationsleitung) und Coaching (Aufgabe der Fachexpertin) transparent gemacht.

Im zweiten Jahr standen die Pflegediagnostik, die Formulierung von indivi-duellen Pflegemassnahmen und der Einbezug der Patienten im Zentrum. Die Kerngruppen erarbeiteten ausgehend von der Fachliteratur Kriterien, wie die Pflegemassnahmen formuliert sein sollten. Die Möglichkeiten und ver-schiedenen Formen des Einbezugs von Patienten in die Planung und Umset-zung von pflegerischen Interventionen wurden ausführlich diskutiert.

Das dritte Jahr stand unter dem Schwerpunkt der Kommunikation des Pfle-geprozesses im interprofessionellen Behandlungsteam. Die von den Statio-nen gewählten Schwerpunkte waren vielfältig, zum Beispiel Verbesserung der Vorbereitung der interprofessionellen Fallbesprechungen und damit ein klares Auftreten der Pflege oder Einführung und Verbesserung von interpro-fessionellen Standortgesprächen und damit ein verbesserter Einbezug der Patienten in die Behandlungsplanung.

Ergebnisse / Erfahrungen

Am Ende des ersten Jahres wurden die Ergebnisse bezüglich Verständnis der Pflegeprozesssteuerung evaluiert, indem die Stationsleitungen Mitarbeiten-de ihrer Teams (n=97) zu vorgegebenen Fragestellungen interviewten. Die

Resultate zeigten ein differenziertes Verständnis der Pflegeprozesssteue-rung.

Im zweiten Jahr standen die Formulierung von Pflegemassnahmen und der Einbezug der Patienten im Zentrum. Die Dokumentationsanalyse (n=110) Ende Jahr zeigte, dass alle Patienten eine individuelle Pflegeplanung hatten.

Beobachtungen in der Pflegepraxis (n=14) ergaben, dass die Patienten zu einem hohen Grad in die Planung und Umsetzung der Pflegemassnahmen einbezogen wurden.

Das dritte Jahr stand unter dem Schwerpunkt der Kommunikation des Pfle-geprozesses im interprofessionellen Behandlungsteam. Für die Strukturie-rung und DurchfühStrukturie-rung der Evaluation wurde in allen Kerngruppen das

„Good Enough Model“ vorgestellt [2]. Die schrifltichen und mündlichen Befragungen von Pflegefachpersonen, Patienten und Kollegen des interpro-fessionellen Behandlungsteams zeigten eine grosse Zufriedenheit mit den Veränderungen. Als besonders positiv wurden mehr Klarheit und grössere Präsenz der Pflegefachpersonen im interprofessionellen Behandlungsteam genannt, und die befragten Patienten äusserten, dass sie sich besser einbe-zogen und informiert fühlten.

Diskussion

Der Ansatz des Praxisentwicklungsprojekts war erfolgreich für die Imple-mentierung des Pflegeprozesses. Der Einbezug der direkt Betroffenen und das schrittweise Vorgehen trugen dazu bei, den Pflegeprozess zu implemen-tieren, die unterschiedlichen Rollen in den Pflegeteams zu klären und eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen. Die einzelnen Stationen konnten an ihrem aktuellen Umsetzungsstand und in ihrem Tempo arbeiteten. Die Pfle-gediagnostik wird nun mit einem pragmatischen Ansatz umgesetzt, indem sie als Grundgerüst für die individuellen Pflegeplanungen dient, in die die Patienten einbezogen werden. Im Verlauf des Projekts reifte bei allen Betei-ligten die Erkenntnis, dass es akzeptabel ist, wenn der Pflegeprozess nicht in allen Fachbereichen und Stationen mit den gleichen Schwerpunkten und in der gleichen Ausführlichkeit umgesetzt wird.

Anfänglich war der offene Rahmen des Projekts irritierend. Es war für die Beteiligten ungewohnt, in einzelne Projektschritte und Themen mehrere Sitzungen zu investieren. Alle Stationen gleichzeitig im Projekt zu integrie-ren, stellte eine grosse organisatorische Herausforderung dar. Bei personel-len Engpässen oder bei einem Wechsel in der Projektgruppe brauchte es grosse Anstrengungen, um das bisher erarbeitete nicht zu verlieren.

Schlussfolgerungen

Durch das dreijährige Projekt MaPs konnte ein Kulturwandel in Gang gesetzt werden. Die anfänglich kritisierte Pflegedokumentation wird nun in jedem Bereich so eingesetzt, dass für die Arbeit der Pflege und für die Patienten ein Nutzen entsteht. Die Umsetzung des Pflegeprozesses steht jetzt auf einem stabilen Fundament.

Literatur

1. McCormack, B.; Manley, K. & Titchen, A. (2013) Practice Development in Nursing and Healthcare. 2nd edition. Chichester: Wiley-Blackwell.

2. Wilson, V.& McCance, T. (2015) Good Enough Evaluation. International Practice Development Journal 5 (Suppl)[10].

31. Wie kann «gute Zusammen-Arbeit» gelingen? Betroffene,

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 142-147)