• Keine Ergebnisse gefunden

Erfahrungen/Ergebnisse

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 116-119)

Im Ev. Klinikum Bethel wurde mittlerweile mit über 400 Psychiatriepatien-ten/-innen eine Behandlungsvereinbarung abgeschlossen. Vor allem für die allgemeinpsychiatrische Akutbehandlung hat sich die Intervention für die Reflexion und die gemeinsame Behandlungsplanung als hilfreich erwiesen und als Möglichkeit der Krisenvorsorge bewährt. Die Verbesserung der the-rapeutischen Beziehung wird sogar durch externe Evidenz bestätigt [8].

Nicht nur die Behandlungsteams sind von der Intervention überzeugt, auch die Betroffenen beschreiben einen deutlichen Benefit. So wird die Behand-lungsvereinbarung auch vom Bielefelder Verein der Psychiatrieerfahrenen als gemeinsam mit der Klinik entwickelte Intervention befürwortet [9].

Auch andernorts sind Initiativen zu verzeichnen, Behandlungsvereinbarun-gen zu entwickeln und anzubieten, der Verbreitungsgrad in Deutschland scheint jedoch weiterhin sehr gering zu sein [z.B. 10, 11]. Dementsprechend gering ist auch die nationale wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema.

Diskussion

Da die Erfahrungen sowohl der Betroffenen als auch der Klinikmitarbeiter/-innen als durchaus positiv zu bewerten sind, erscheint dieser geringe Ver-breitungsgrad zwar wenig nachvollziehbar, lässt sich aber u.a. mit der man-gelnden eindeutigen Evidenz der Intervention begründen. So gibt es bspw.

Hinweise aus den Niederlanden, dass Zwangseinweisungen durch Behand-lungsvereinbarungen reduziert werden können, was sich in Großbritannien hingegen nicht abzeichnet [8, 12]. Eine Meta-Analyse wiederum zeigt, dass mit Vorausverfügungen (advance statements) im psychiatrischen Kontext Zwangseinweisungen signifikant reduziert werden können [13].

Während es in Deutschland an wissenschaftlicher Literatur mangelt, sind die Ergebnisse der internationalen Studienlage folglich als inkonsistent zu be-werten. Diese Inkonsistenz erschwert die Untermauerung der Intervention mit Evidenz, zumal ein Transfer auf Deutschland aufgrund der stark differie-renden Rechts- und Versorgungssysteme ohnehin nur begrenzt möglich ist.

Schlussfolgerung

Behandlungsvereinbarungen werden sowohl von Betroffenen als auch von Behandlungsteams des Ev. Klinikums Bethel als hilfreiche Möglichkeit der Partizipation und der Krisenvorsorge wahrgenommen und eingesetzt. So-wohl die Verbesserung der therapeutischen Beziehung und die Vertrauens-bildung, als auch die Reduktion von Zwangsmaßnahmen werden als Effekte der Behandlungsvereinbarung aus der Praxis berichtet und auch anhand unterschiedlicher internationaler Studien mit Evidenz belegt.

Bedauerlicherweise hat sich die Intervention in Deutschland noch immer nicht flächendeckend etabliert. Es ist davon auszugehen, dass der Imple-mentierungsprozess auch durch die mangelnde Evidenz für die deutsche Versorgungslandschaft ausgebremst wird. Eine in NRW durchgeführte multi-zentrische RCT (randomisierte kontrollierte Studie), die die Effekte von Be-handlungsvereinbarungen und Krisenpässen bei Patienten/-innen mit Schi-zophrenie oder schizoaffektiver Störung untersucht, wird voraussichtlich 2020 erste Ergebnisse liefern und somit die Evidenzlücke schließen [14, 15].

Literatur

1. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2011). Übereinkommen der Verein-ten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a729-un-konvention.pdf?__blob=publicationFile; Stand 21.03.2018.

2. Prestin, E. (2016). Einflussnahme in derpsychiatrischen Versorgung: Wünsche aus Betroffenen-Perspektive. Psychiatrische Pflege. 1(1): p. 9-12.

3. Henderson, C. et al. (2008). A Typology of Advance Statements in Mental Health Care. Psychiatric Services. 59(1): p. 63-71.

4. Dietz, A. et al. (1998) (Hrsg.). Behandlungsvereinbarungen: Vertrauensbildene Maßnahmen in der Akutpsychiatrie. Bonn: Psychiatrie-Verlag.

5. Ketelsen, R. (1998). Einführung des Krisenpasses in Bielefeld. In: A. Dietz et al.

(1998), Behandlungsvereinbarungen: Vertrauensbildende Maßnahmen in der Akutpsychiatrie, S. 168-179. Bonn: Psychiatrie-Verlag.

6. Hildebrandt, B. et al.(1998). Bielefeld: Offenheit und Neugier waren der Anfang.

In: A. Dietz et al. (1998), Behandlungsvereinbarungen: Vertrauensbildende Maßnahmen in der Akutpsychiatrie, S. 29-44. Bonn: Psychiatrie-Verlag.

7. Dietz, A. et al. (1998). Verhandeln als Leitlinie psychiatrischen Handels. In: A.

Dietz et al.(1998), Behandlungsvereinbarungen: Vertrauensbildende Maßnah-men in der Akutpsychiatrie, S. 9-15. Bonn: Psychiatrie-Verlag.

8. Thornicroft, G. et al. (2013) Clinical outcomes of Joint Crisis Plans to reduce compulsory treatment for people with psychosis: a randomized controlled trial.

Lancet. 381: p. 1634-1641.

9. VPE (Verein Psychiatrie-Erfahrene) (2018). Psychiatriepolitik, Die Behandlungs-vereinbarung.

http://www.vpe-bielefeld.de/b/wb/pages/psychiatriepolitik.php; Stand 08.07.2018.

10. Borbé, R. et al. (2012). Anwendung psychiatrischer Behandlungsvereinbarungen in Deutschland. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung. Nervenarzt. 8:, p.638-643.

11. Grätz. J.et al.. (2012). Einführung und Umsetzung einer Behandlungsvereinba-rung - Eine empirische Studie unter Berücksichtigung von Betroffenen, Ärzten und Sozialarbeitern. Psychiatrische Praxis. 39: p. 388-393.

12. Ruchlewska, A. et al. (2014). Effect of Crisis Plans on Admissions and Emergency Visits: A Randomized Controlled Trial. PLOS ONE, 9(3): e91882.

13. De Jong, M.H. et al. (2016). Interventions to Reduce Compulsory Psychiatric Admissions. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Psychiatry. 73(3): p.

657-664.

14. Deutsches Register klinischer Studien (2018). DRKS00013985.

https://www.drks.de/drks_web/navigate.do?navigationId=trial.HTML&TRIAL_ID

=DRKS00013985; Stand 10.07.2018.

15. EvKB (2018). Studie zur Krisenvorsorge. http://evkb.de/ueber-das-evkb/kliniken-

institute-zentren/nervensystem/psychiatrie-und-psychotherapie/forschung/projekte/projekte/studie-zur-krisenvorsorge.html;

Stand 10.07.2018.

23. Hürden und Fallstricke bei der Umsetzung von Selbstbe-stimmung und Partizipation

Daniela Brandtner, Birgit Hahn, Jacqueline Rixe

Hintergrund und Problemstellung

Der Behandlungsansatz des „Shared Decision-Making“ (SDM), d.h. die zwi-schen professionell Tätigen und Betroffenen gemeinsam verhandelte Ent-scheidung für eine Behandlungsstrategie, ist auch heute keineswegs in der psychiatrischen Behandlung implementiert [1]. Die Umsetzung des SDM impliziert die Bereitschaft zum Verhandeln statt Behandeln. Obwohl die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der BRD seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) mit dem Patientenverfügungs-, sowie dem Patientenrechtegesetz hin zur Erfüllung der menschenrechtlichen An-forderungen ausgestaltet wurden [2], finden ausführliche Aufklärung und Behandlungsplanung gemeinsam mit Patienten oftmals nicht ausreichend statt. Behandlungsvereinbarungen, Behandlungskonferenzen oder der Ein-bezug von Genesungsbegleitern können die Partizipation der Betroffenen und damit deren Selbstbestimmung stärken. Bei Fehlen der breiten und regelhaften Umsetzung dieser partizipativen Angebote ist davon auszuge-hen, dass auf dem Weg zur Partizipation noch einige Hürden zu meistern sind.

Ziele

Es wurde das Ziel verfolgt, die verschiedenartigen Hindernisse und Hürden, die der Umsetzung von Partizipation der Betroffenen in der Akutpsychiatrie entgegenstehen, zu identifizieren und auszuleuchten.

Im Dokument „Gute Arbeit“ (Seite 116-119)