• Keine Ergebnisse gefunden

Struktur und Interaktion von Immunglobulin Domänen

Protein-Domänen sind Untereinheiten von Proteinen, welche eine strukturell und funktionell zusammenhängende Einheit bilden. Domänen der Immunglobulin-Familie wurden nach ihrer ursprünglichen Entdeckung, in Zusammenhang mit der Immunantwort, als Untereinheiten von Antikörpern und B-Zell-Rezeptoren benannt. Jedoch geht ihre Funktion in höheren Eukaryoten weit über das Immunsystem hinaus. Beim Menschen sind die Immunglobulin-Domänen mit 765 Genen die artenreichste Proteinfamilie (Lander et al., 2001). Abseits von diversen Funktionen innerhalb des Immunsystems sind Domänen der Immunglobulin Familie, wie bereits beschrieben, in Prozesse wie Zelladhäsion und Wahrnehmung chemischer Reize auch außerhalb von Nervengewebe involviert. Weitere Beispiele für Proteine, die Immunglobulin-Domänen enthalten sind unter anderem Rezeptor-Tyrosinkinasen, Rezeptoren für Wachstumsfaktoren, sowie rein mechanisch agierende Proteine wie Titin (Barclay, 2003). Letzteres ist das größte bekannte Protein (3MDa) und sorgt für die passive Elastizität in Muskeln (Labeit and Kolmerer, 1995). Das zusammenhängende Merkmal aller Immunglobulin-Domänen ist die Anordnung von Sekundärstrukturelementen. Sieben bis neun größtenteils antiparallele β-Stränge sind dabei in zwei übereinander gestapelte Faltblätter organisiert. Werden die Domänen in Membranrezeptoren eingebaut, oder zum Beispiel als Antikörper sekretiert, enthalten sie oft ein Glycosilierungsmotiv, und werden vor der Sekretion während der posttranslationalen Prozessierung im Golgi-Apparat glycosyliert. Da die Anzahl und die Sequenz der Aminosäuren sowie die Topologie der β-Stränge zwischen Vertretern der Immunglobulin-Familie variieren, werden die einzelnen Vertreter anhand letzterer Merkmale klassifiziert (Bork et al., 1994). Die Namen der Klassen von Immunglobulin-Domänen sind wiederum historisch bedingt, und beziehen sich auf die Ähnlichkeit zu dem variablen Teil (V-Typ), respektive dem konstanten Teil (C-Typ) von Antikörpern (Abb. 1.3).

1.4 Struktur und Interaktion von Immunglobulin Domänen

9

Abbildung 1.3: Schematische Darstellung eines Antikörpers.

Blau: Schwere Kette bestehend aus vier Immunglobulin-Domänen. CH1-3: Konstante Domänen 1 – 3. VH: Variable Domäne mit Antigen-erkennenden Schleifen (CDR).

Grau: Leichte Kette bestehend aus zwei Immunglobulin-Domänen. CL: Konstante Domäne.

VL: Variable Domäne mit Antigen-erkennenden Schleifen (CDR).

Die leichte und die schwere Kette sind über eine Disulfid-Brücke zwischen den Domänen CH1 und CL

verbunden (pink). Des weiteren sind pro Antiköper zwei schwere Ketten über zwei Disulfid-Brücken verbunden, welche zwischen den Domänen CH1 und CH2 lokalisiert sind (pink).

Die Merkmale der Ig-Typen sind:

 V-Typ: Immunglobulin Domänen des V-Typs wurden zuerst an den Antigen-erkennenden Untereinheiten (variablen Domänen) von Antikörpern identifiziert (Abb. 1.3). Domänen dieses Typs bestehen aus neun größtenteils antiparallelen β-Strängen, a bis g, von denen der a-Strang oft in zwei Teile untergliedert ist. Der N-terminale Teil des a-Strangs bildet dabei ein antiparalleles Faltblatt mit Strang b aus, der zweite Teil des a-Strangs bildet das einzige parallele Faltblatt mit Strang g.

Für den Vergleich mit Immunglobulin Domänen der Typen C1, C2 und I, werden drei Stränge mit c, c‘ und c‘‘ bezeichnet. Ein Faltblatt besteht aus den Strängen a, b, d und e, das andere Faltblatt aus den Strängen a, c, c‘, c‘‘, f und g. Wie auch in den C1-, C2- und I-Typen, sind Strang b und f meist durch eine Disulfid-Brücke miteinander verknüpft. In Antikörpern sind Bereiche der variablen Domänen in zwei Teile gegliedert: In drei sequenziell-hypervariable, Antigen-erkennende Schleifen (CDRs, complementarity determining regions), und den sequenziell konservierten restlichen Teil der Domäne (framework region), zu der unter anderem alle β-Stränge zählen. Die drei CDRs befinden sich innerhalb der Schleifen zwischen Strang b und c, zwischen Strang c‘ und c‘‘ und zwischen den Strängen f und g (Abb. 1.4) (Al-Lazikani et al., 1997).

10

Abbildung 1.4: Topologien und Beispiele für Strukturen von verschiedenen Immunglobulin-Domänen-Typen. Bei variablen Domänen (V-Typ) befinden sich zwischen den Strängen b – c, c‘ – c‘‘

und f – g die drei sequenziell hypervariablen Peptide, welche für die Antigen-Erkennung in Antikörpern zuständig sind (CDR), (rot). Die beiden Typen der konstanten Domänen (C1- und C2-Typ) unterscheiden sich in der Anzahl der β-Stränge innerhalb der beiden β-Faltblätter. Der Topologie nach ist der I-Typ eine Mischform zwischen den variablen und konstanten Domänen. Beispiele für Strukturen aus:

V-Typ: pdb: 1IGT, (Harris et al., 1997) I-Typ: pdb: 1EPF, (Kasper et al., 2000) C1-Typ: pdb: 1IGT, (Harris et al., 1997) C2-Typ: pdb: 1CDH, (Ryu et al., 1994)

1.4 Struktur und Interaktion von Immunglobulin Domänen

11

 C1-Typ: Immunglobulin-Domänen der C-Typen sind nach den konstanten Untereinheiten von Antikörpern benannt. Domänen des C1-Typs bestehen aus sieben antiparallelen β-Strängen, a bis g. Ein Faltblatt besteht aus den Strängen a, b, d und e, das andere Faltblatt aus den Strängen c, f und g (Abb. 1.4).

 C2-Typ: Domänen des C2-Typs bestehen wie Domänen des C1-Typs, aus sieben antiparallelen β-Strängen, a bis g, jedoch sind die beiden Faltblätter anders organisiert: Ein Faltblatt besteht aus den Strängen a, b und e, wobei der Strang d fehlt. Das zweite Faltblatt besteht aus den Strängen c, c‘ f und g (Abb. 1.4).

 I-Typ: Domänen des Typs I wurden erst im Jahr 1994 klassifiziert. Sie kommen hauptsächlich in Adhäsionsmolekülen und Rezeptoren vor, und sind nicht in Antikörpern zu finden. Die Klassifizierung zu dem Typ I (Intermediate) ergibt sich aus der Topologie der Sekundärstruktur-Elemente, welche eine Mischform der V- und C-Typen ist (Harpaz and Chothia, 1994). Wie in Domänen des V-Typs kann der Strang a in zwei Teile gegliedert sein, wobei wiederum der N-terminale Teil ein antiparalleles Faltblatt mit Strang b ausbildet, und der zweite Teil ein paralleles Faltblatt mit Strang g ausbildet. Stränge a, b, d und e bilden ein Faltblatt, Stränge a, c, c‘, f und g das andere. Da es sowohl einen Strang c‘ wie auch d gibt, bleibt aufgrund der Molekülgeometrie der Strang c‘ verhältnismäßig kurz und bildet einen ungewöhnlichen Loop zu Strang d aus (Abb. 1.4).

Die Domänen der Immunglobulin Familie enthalten charakteristische Aminosäure-Sequenzen und können anhand dieser, bereits vor Kenntnis der tertiär-Struktur den einzelnen Klassen zugeordnet werden (Smith and Xue, 1997). Jedoch ist diese Zuordnung nicht immer korrekt. Es kann vorkommen, dass eine Immunglobulin-Domäne anhand ihrer Aminosäure-Sequenz zum Beispiel dem V-Typ zugeordnet wird, die Lösung der Struktur jedoch eine Domäne des I-Typs offenbart. Auch kann es vorkommen, dass bei Multidomänen-Rezeptoren die genauen Grenzen der einzelnen Domänen falsch vorhergesagt werden und Versuche, die isolierten Domänen heterolog herzustellen, fehlschlagen (Klock et al., 2008). Eine weitere Schwierigkeit für strukturelle Arbeiten an Immunglobulin-Domänen besteht in der Natur der Proteine. In ihrer natürlichen eukaryotischen Umgebung werden Immunglobulin-Rezeptoren am rauen endoplasmatischen Retikulum synthetisiert, im Golgi-Apparat mithilfe von Faltungshelfern (den sogenannten Chaperonen) gefaltet, von Glycosidasen glycosyliert, und schließlich über Vesikel in die Plasmamembran integriert. Da die Proteine membranverankert sind, besteht außerdem kein Selektionsdruck für Löslichkeit in wässrigen Systemen, da sie in

12

ihrer Möglichkeit zur Diffusion in Lösung stark eingegrenzt sind. Alle diese Faktoren erschweren die molekularbiologischen und biochemischen Arbeiten, die für eine Strukturermittlung von Proteinen notwendig sind. Für die Strukturermittlung werden sowohl aus Kostengründen, als auch der einfachen Möglichkeit der Isotopen-Markierung Prokaryoten (insbesondere Escherichia coli) als biotechnische Produktionsmaschinerie für die zu untersuchenden Proteine verwendet. In prokaryotischen Systemen fehlen jedoch die komplexen Zell-Kompartimente wie endoplasmatisches Retikulum und Golgi-Apparat. Die Faltung und Glycosylierung von Proteinen unterliegt anderen Mechanismen als bei Eukaryoten. Außerdem herrscht innerhalb prokaryotischer Zellen eine reduzierende Umgebung, welche die Ausbildung von Disulfid-Brücken verhindert. Disulfid-Brücken sind jedoch insbesondere für die Stabilität und Faltung von Immunglobulin Domänen von enormer Bedeutung. Zur Bestimmung der räumlichen Struktur von Immunglobulin-Domänen ist es aus diesen Gründen unabdingbar, das prokaryotische Expressions-System, das molekulare Konstrukt und die biochemischen Bedingungen zur Proteinpräparation im Vorfeld sorgfältig auszuarbeiten.