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Interaktionsexperimente mit dem Antikörper N518

3.5 Interaktionsexperimente

3.5.3 Interaktionsexperimente mit dem Antikörper N518

In der Studie von Leppert et al. (1999) wurden domänenspezifische monoklonale Maus-Antikörper eingesetzt, um die Funktion der einzelnen Domänen von Neurolin zu untersuchen.

Dabei konnte gezeigt werden, dass der Antikörper N518, welcher spezifisch für die zweite Neurolin-Domäne ist, die Fähigkeit der Wegfindung bei wachsenden Neuronen stört. Es wird angenommen, dass der Antikörper bei Bindung eine Oberfläche des Proteins verdeckt, welche für die Interaktion mit Wegfindungsmolekülen essenziell ist. Um mögliche Interaktionsstellen der zweiten Neurolin Domäne zu identifizieren, ist es daher von Interesse die Interaktion zwischen dem Antikörper N518 und der Neurolin-Domäne zu charakterisieren. In der vorliegenden Arbeit wurde die Interaktionsstelle mit NMR-Methoden aufgeklärt, und die Dissoziationskonstante wurde mit Thermophorese ermittelt. Zur Bestimmung der Bindestelle wurden zunächst NMR-Experimente durchgeführt, bei welchen die zweite Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch in 15N-markierter Form mit unmarkiertem Antikörper der halben Konzentration gemischt wurde, und mit 1H-15N-TROSY analysiert wurde. Die

1H-15N-TROSY Spektren hatten im Vergleich mit den entsprechenden 1H-15N-HSQC

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Spektren ein besseres Signal zur Rausch Verhältnis, was vor allem in Anbetracht der geringen Konzentration an eingesetztem Protein (40µM NIg2) von Vorteil war. Das Konzentrationsverhältnis wurde aufgrund der zwei Antigen-Bindestellen des Antikörpers gewählt. Bei Bindung des Antikörpers sollte sich die chemische Umgebung an der Bindestelle der Neurolin-Domäne verändern, und daher die Resonanzen derjenigen Amide verschieben, welche in der Nähe der Bindestelle sind. Zwar lieferte das erste Experiment dazu auswertbare Daten (Abb. 3.28A), diese waren jedoch in mehreren Kontrollexperimenten nicht reproduzierbar (Abb. 3.28B). In allen Kontrollexperimenten ergaben sich keine Resonanzverschiebungen in Anwesenheit des Antikörpers. Eine pH-Titration der zweiten Neurolin-Domäne ergab, dass manche pH-empfindlichen Resonanzen (Abb. 3.28C) teilweise den Resonanzverschiebungen des ersten Antikörperbindeexperiments entsprechen (vgl. Abb.

3.28A und Abb. 3.28C). Dies deutet darauf hin, dass die Resonanzverschiebungen aus dem ersten Experiment nicht von der Bindung an den Antikörper stammen, sondern vermutlich durch ungleiche pH-Werte oder andere ungleiche Lösungsbedingungen der beiden Messungen vom Antikörper-Protein-Gemisch beziehungsweise der Negativprobe verursacht sein könnten. Es wird daher angenommen, dass bei den reproduzierbaren Experimenten keine Resonanzverschiebungen auftreten, weil die Interaktion der beiden Proteine wiederum auf einer intermediate exchange Zeitskala stattfindet (siehe Abschnitt 3.5.1, Seite 72). In Anbetracht der bei diesen Vergleichsexperimenten eingesetzten Konzentrationen von 30µM Antikörper und 55µM NIg2 wären keine Resonanzverschiebungen bei Dissoziations-konstanten über ca. 450µM beobachtbar. Eine weitere Erklärung für die nicht reproduzierbaren Resonanzverschiebungen könnte sein, dass die beiden Experimente mit verschiedenen Antikörperpräparationen durchgeführt wurden, und dass bei der zweiten Präparation bei den Antikörper-produzierenden Hybridom-Zellen eine spontane Mutation der CDRs aufgetreten ist. Zwar wurde bei beiden Präparationen mit Western-Blot qualitativ eine Antikörper-Bindung an die Neurolin-Domäne nachgewiesen, jedoch musste bei der zweiten Präparation eine 10-fach höhere Konzentration der Neurolin-Domäne, eine 10-fach höhere Konzentration des N518 Antikörpers und eine 720-fach längere Belichtungszeit während der Blot-Experimente angewendet werden, um vergleichbare Ergebnisse zu der ersten Präparation zu erzielen (Tab. 7, Seite 87). Leider war keine weitere Möglichkeit bekannt, die beiden Antikörperpräparationen bezüglich der CDRs zu vergleichen, da die Aminosäuresequenz des Antikörpers unbekannt ist.

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Abbildung 3.28: Interaktionsstudie zwischen der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch (15 N-markiert) und des Antikörpers N518.

(A) Ausschnitt eines 1H-15N-TROSY-Spektrums einer 15N-markierten Probe der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch in Abwesenheit (schwarz), und in Anwesenheit des Antikörpers N518 (rot). Die Resonanzen, welche sich verschieben und damit eine putative Bindestelle ausmachen, wurden markiert. Die Spektren wurden bei pH=4.5 mit Proteinkonzentrationen von 22.5µM N518 und 40µM NIg2 gemessen.

(B) Kontrollexperiment von (A) mit einer anderen Präparation des Antikörpers N518.

In diesem Fall wurde bei pH=4.6 mit vergleichbaren Proteinkonzentrationen von 30µM N518 und 55µM an NIg2 gemessen.

Die Resonanzverschiebungen aus (A) konnten nicht reproduziert werden.

(C) Ausschnitt der entsprechenden Resonanzen in einem 1H-15N-HSQC-Spektrum der Neurolin Domäne bei pH=4.6 (schwarz), pH=5.5 (rot) und pH=6.5 (blau). Die Resonanzen, welche sich in (A) in Anwesenheit des Antikörpers verändert hatten, reagieren auch sehr sensibel auf pH-Schwankungen. Dies könnte ein Hinweis sein, dass die nicht reproduzierbaren Ergebnisse aus (A) kein Effekt der Antikörperbindung waren, sondern ein Unterschied der Pufferbedingungen der Proteinproben in An- und Abwesenheit des Antikörpers. Zusätzlich sind bei der pH-Titration auch weitere Resonanzen verschoben, welche im Experiment aus (A) nicht verschoben sind. Dies deutet darauf hin, dass vermutlich nicht nur der pH-Wert, sondern auch weitere Pufferbedingungen in (A) eine Rolle gespielt haben könnten. Der Unterschied der Resonanzwerte zwischen den TROSY-Spektren und dem HSQC-Spektrum ergeben sich aus der Multiplett-Selektion im Falle des heteronuklear nicht entkoppelten TROSY-Spektrums.

Da die Experimente mit Resonanzverschiebungen nicht erfolgreich waren, wurde eine weitere Methode zur Bestimmung der Bindestelle durchgeführt, welche eine größere Bandbreite an Assoziations- und Dissoziationsraten zulässt. Dabei wurde der Antikörper mit

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einem paramagnetischen Molekül markiert, welches bei Bindung an die Neurolin-Domäne die Relaxationsraten der Kerne in der Nähe der Bindestelle beschleunigen sollte. Durch die verstärkte Relaxation würden die Signale so breit werden, dass sie im Spektrum nicht mehr sichtbar sind. Als paramagnetisches Molekül kam das 1-Oxyl-2,2,5,5-tetramethylpyrrolin-3-carboxylat zum Einsatz, welches ein ungepaartes Elektron auf dem Nitroxid trägt und als Aktivester vorlag (TEMPYO-NHS). Der Aktivester sollte mit allen oberflächenexponierten Lysin-Seitenketten des Antikörpers unter Ausbildung einer Amid-Bindung reagieren (Abb.

3.29).

Abbildung 3.29: Markierung des Antikörpers mit dem paramagnetischen Molekül TEMPYO-NHS. Die primären Amine der Lysin-Seitenketten des Antikörpers reagieren mit der aktivierten Carbonsäure des Spin-Markers unter Abspaltung von N-Hydroxy-Succinimid (NHS).

Um den Antikörper paramagnetisch zu markieren, wurden sieben Äquivalente des paramagnetischen Moleküls in Relation zu den vorhandenen Lysinen in der Antikörper-Lösung eingesetzt (anhand von Datenbank-Vergleichen mit bekannten IgG2a Sequenzen wurden ca. 80 Lysine pro Antikörper geschätzt). Für die Reaktion wurde die Antikörper-Nitroxid-Mischung für eine Stunde bei 25°C inkubiert. Der Überschuss des paramagnetischen Moleküls wurde anschließend durch Ultrafiltration entfernt. Die Effizienz der Reaktion wurde mit EPR-Messungen abgeschätzt, indem das Doppelintegral des Signals des markierten Antikörpers mit dem des freien Nitroxid-Moleküls einer definierten Konzentration verglichen wurde (Abb. 3.30). Eine Markierungsrate von 44 markierten Lysinen pro Antikörper konnte so abgeschätzt werden. Der markierte Antikörper wurde anschließend mit einer Lösung gemischt, welche die 15N-markierte zweite Neurolin-Domäne enthält. Von der Mischung wurde anschließend ein 1H-15N-TROSY Spektrum gemessen. Die Spektren ergaben, dass die Relaxationen der Amide an zwei verschiedenen Stellen des Moleküls verstärkt, und die entsprechenden Signale daher unsichtbar waren (Abb. 3.30).

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Abbildung 3.30: Interaktionsstudie zwischen der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch mit dem Antikörper N518.

(A) Western-Blot der Neurolin-Domäne und des Antikörpers N518. Die Neurolin-Domäne wurde sowohl in oxidierendem Ladepuffer (Disulfid-Brücke geschlossen), (NIg2 ox.) als auch im reduzierendem Ladepuffer (Disulfid-Brücke offen), (NIg2 red.) auf das SDS-PAGE-Gel aufgeladen. Die Blot-Färbung im Fall der reduzierten Domäne ist sehr viel intensiver, als im Fall der oxidierten Domäne. Dies spricht für einen Sequenz-bindenden Antikörper, bei

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welchem die Bindung schwächer ausfällt, wenn das Protein aufgrund der Disulfid-Brücke partiell gefaltet vorliegt.

(B) Ausschnitt eines 1H-15N-TROSY-Spektrums einer 15N-markierten Neurolin-Domäne in Abwesenheit (blau) und Anwesenheit des paramagnetisch-markierten Antikörpers N518 (rot). In Anwesenheit des Interaktionspartners wird die Relaxation der Amid-Signale verstärkt, welche sich aufgrund der Bindung in der Nähe der Interaktionsstelle mit dem paramagnetisch-markierten Antikörper befinden. Die relaxationsverstärkten Signale wurden markiert und die entsprechenden Aminosäuren auf der Struktur markiert (E).

(C) cw-EPR-Spektrum des paramagnetisch markierten Antikörpers (schwarz) und des freien Nitroxid-Moleküls einer definierten Konzentration (rot). Die Effizienz der Markierung des Antikörpers wurde durch den Vergleich der Doppelintegrale der beiden Spektren ermittelt.

Die Signalform des Antikörper-Spektrums ist aufgrund der verbreiterten Signale und der unterschiedlichen Intensität der Triplett-Komponenten typisch für ein spinmarkiertes Makromolekül. Im Gegensatz dazu, ist das Spektrum des freien Nitroxid-Moleküls typisch für ein kleines Molekül.

(D) Bestimmung der Bindungskonstante der Interaktion zwischen der Neurolin-Domäne und dem Antikörper N518 mittels Thermophorese. In einer Messreihe wurde die Konzentration des fluoreszenzmarkierten Antikörpers bei 20nM konstant gehalten und die Konzentration der Neurolin-Domäne variiert (schwarze Dreiecke, mit schwarzer Fitting-Kurve), in der anderen Messreihe wurde die Konzentration der fluoreszenzmarkierten Neurolin-Domäne bei 20nM konstant gehalten und die Konzentration des Antikörpers variiert (rote Quadrate mit roter Fitting-Kurve). Der Thermophorese-Effekt ist bei der letzteren Messreihe viel intensiver ausgeprägt, da der hydrodynamische Radius der beobachteten fluoreszenzmarkierten Neurolin-Domäne (12.2kDa) bei Bindung des Antikörpers (150kDa) sehr viel stärker zunimmt, als wenn der beobachtete fluoreszenzmarkierte Antikörper die Neurolin-Domäne bindet. Die Fitting-Kurven ergeben Dissoziationskonstanten von 174 ± 11nM beziehungsweise 178 ± 8nM.

(E) Modell der Interaktion zwischen der Neurolin-Domäne (blau) und des Antikörpers (grau). Am Antikörper wurden die CDRs (gelb) und die Oberflächen-zugänglichen Lysine (rot) markiert.

Letztere sind ungleichmäßig über das Molekül verteilt und in relativ geringer Anzahl vorhanden, so dass die paramagnetische Markierung, welche an entsprechenden Stellen stattfindet, die Relaxation des Interaktionspartners nicht homogen über die Bindestelle verstärken kann. Die relaxationsverstärkten Teile der Neurolin-Domäne (siehe (C)) wurden violett markiert, und befinden sich in der Nähe der paramagnetischen Zentren beim Antikörper. Die orange markierten Teile des Moleküls müssten auch relaxationsverstärkt sein. Die Resonanzen zu diesen Teilen des Moleküls sind jedoch nicht zugeordnet, da es sich entweder um Proline handelt, oder die entsprechenden Aminosäuren keine Resonanzen in den Spektren aufwiesen. Es ergibt sich eine Bindestelle am N-Terminus der Neurolin-Domäne (grün).

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Die Beobachtung, dass die Relaxation der Amide an zwei verschiedenen Stellen des Moleküls verstärkt war, war zunächst verwunderlich, da man erwarten würde, dass nur eine Seite des Moleküls an der Bindung mit dem Antikörper beteiligt ist. Um nachzuvollziehen warum die Relaxation an zwei verschiedenen Stellen des Moleküls verstärkt war, wurden Strukturen von monoklonalen Maus-Antikörpern (pdb: 1IGT) (Harris et al., 1997) der Unterklasse IgG2a (zu welcher N518 gehört) und entsprechender Antigen bindender Fragmente (pdbs: 1YED, 1IET, 4ETQ) (Charbonnier et al., 1997; Falzone et al., 1996; Matho et al., 2012) bezüglich der Verteilung der Lysin-Seitenketten in der Nähe der CDRs analysiert. Es fiel auf, dass die Lysine in der Framework-Region größtenteils konserviert sind, so dass anzunehmen war, dass die Lysine bei dem Antikörper N518 auch an entsprechender Stelle des Moleküls lokalisiert sind. Basierend auf der Lokalisation der Lysine an der Oberfläche des Antikörpers wurde ein Modell des Antikörper-Neurolin-Domäne-Komplexes erstellt. Aus dem Modell geht hervor, dass die Relaxationsverstärkung an zwei entgegengesetzten Stellen der Neurolin Domäne während der Bindung an den Antikörper an der Verteilung der paramagnetisch markierten Lysine liegt. Diese sind am Antikörper in der Nähe der CDRs auch an zwei entgegengesetzten Seiten lokalisiert, und führen daher nicht zu einer homogen verteilten Relaxationsverstärkung an der Bindestelle der Neurolin-Domäne, sondern an den Seiten des Moleküls, welche sich in der Nähe der paramagnetischen Zentren des Interaktionspartners befinden (Abb. 3.30). Die inhomogen verteilte Relaxationsverstärkung hat die exakte Lokalisation einer Bindestelle erschwert. Anhand der Lage der relaxationsverstärkten Resonanzen konnte nur grob eine Seite des Proteins als Bindestelle in Frage kommen. Diese befindet sich an der Seite des Proteins, auf welcher der N- und C-terminale β-Strang übereinandergestapelt vorliegen. Anhand dieser Daten konnte als Bindestelle sowohl der N- als auch der C-terminale β-Strang in Frage kommen, sowie eine Oberfläche zwischen den beiden Strängen, die nicht aus einem kontinuierlichen Peptid bestehen muss. Durch Western-Blot-Experimente konnte letzteres ausgeschlossen werden, da unter den Blot-Bedingugen das Protein entfaltet vorliegt. Die Bindung des Antikörpers an dieses entfaltete Protein im Western-Blot spricht für ein kontinuierliches Peptid-Epitop, welches von N518 erkannt wird. Auch konnte der C-terminale Strang ausgeschlossen werden, da dieser Teil des Proteins in den Studien von Drees et al. (2008) fehlte (vgl. Abschnitt 3.1 bzw. 3.2.1), jedoch trotzdem eine Antikörper-Bindung mit Dot-Blot-Experimenten nachgewiesen werden konnte. Da der N-terminale Strang sowohl bei der vorliegenden-, als auch bei der Studie von Drees et al. (2008) vorhanden war, kommt nur dieser als Bindestelle des Antikörpers in Frage.

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Zusätzlich zu den hier aufgeführten Experimenten wurde von Tobias Lange im Rahmen seiner Bachelorarbeit eine weitere Methode erprobt die Bindestelle zu lokalisieren. Bei dieser Methode wurde der Antikörper N518 über die Lysin-Seitenketten kovalent an eine Aktivester-Matrix immobilisiert. Nachdem der Antikörper immobilisiert vorlag, wurde auf die Matrix die Neurolin-Domäne appliziert, welche an den Antikörper binden sollte.

Daraufhin sollte die Lösung, in welcher sich die Matrix befindet von einem H2O-haltigen Puffer auf einen D2O-haltigen Puffer getauscht werden. Dies hätte zur Folge, dass alle oberflächenexponierten Amid-Protonen, welche sich nicht an der Bindestelle befinden, durch Deuterium ausgetauscht werden. Die Protonen an der Bindestelle würden deutlich langsamer ausgetauscht, da durch die Bindung an den Antikörper eine geringere Zugänglichkeit zu dem deuterierten Lösungsmittel besteht. Die noch protonierten Oberflächen-Protonen würden dann im 1H-15N-HSQC die Bindestelle anzeigen, die deuterierten Amide würden kein Signal aufweisen. Leider stellte sich heraus, dass bei diesem experimentellen Ansatz nicht genügend Neurolin auf die Antikörper-Matrix geladen und wieder eluiert werden konnte, wie für eine Auswertung nötig gewesen wäre (Lange, 2013).

Um die Dissoziationskonstante der Antikörper-Neurolin-Domäne-Bindung zu bestimmen, wurden Thermophorese-Experimente durchgeführt. Dazu wurden zwei Messreihen ausgewertet. Bei einer Messreihe war die Konzentration des fluoreszenzmarkierten Antikörpers N518 konstant bei 20nM und die Konzentration der Neurolin-Domäne wurde von 0.61nM bis 5µM variiert. Bei der anderen Messreihe war die Konzentration der fluoreszenzmarkierten Neurolin-Domäne konstant bei 20nM und die Konzentration des Antikörpers wurde von 0.03nM bis 1µM variiert (Abb. 3.30D). Nach Auswertung der Messreihen ergaben sich Dissoziationskonstanten von 174 ± 11nM, beziehungsweise 178 ± 8nM. Die Werte sind sehr genau und von ähnlichem Wert, was für eine hinreichend genaue Bestimmung der Dissoziationskonstante spricht. Die Größenordnung der Dissoziationskonstante ist typisch für eine Antikörper-Antigen-Interaktion. Auffällig ist jedoch, dass die bestimmte Dissoziationskonstante um drei Größenordnungen von dem oben abgeschätzten Wert (ca. 450µM) für die NMR-Resonanzverschiebungen abweicht. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass die Thermophorese-Experimente und die NMR-Experimente aus Abb. 3.28A bei welchen Resonanzverschiebungen beobachtet werden konnten mit der gleichen Antikörperpräparation durchgeführt wurden. Im Gegensatz dazu wurden die NMR-Experimente aus Abb. 3.28B, bei welchen keine Resonanzverschiebungen aufgetreten sind, und die Experimente mit der paramagnetischen Relaxationsverstärkung aus

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Abb. 3.30 mit einer anderen Antikörperpräparation durchgeführt. Die Unterschiede der Antikörpereigenschaften bei den verschiedenen Präparationen sind in Tab. 7 zusammengefasst. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Antikörper aus beiden Präparationen zwar die Neurolin-Domäne gebunden hatten, jedoch mit unterschiedlichen Affinitäten. Eine mögliche Ursache für diese Beobachtung könnte eine spontane Mutation innerhalb der CDRs zwischen den beiden Antikörperpräparationen sein.

Tabelle 7: Zusammenfassung der Unterschiede der beiden Antikörperpräparationen

Erste Antikörperpräparation Zweite Antikörperpräparation

Interaktionen der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch mit der ersten ROBO-Domäne aus dem Zebrafisch, mit Proteinen der S100 Familie aus dem Menschen, mit Goldfisch-Gehirn-Homogenaten und mit dem Antikörper N518 wurden qualitativ mit NMR-Methoden untersucht. Unter den gegebenen experimentellen Bedingungen konnte keine Bindung der zweiten Neurolin-Domäne mit der ersten ROBO-Domäne beobachtet werden.

Eine denkbare Ursache ist, dass die Dissoziationskonstante der Interaktion einen hohen Wert um 1mM aufweist und die Wechselwirkung der beiden Proteine auf einer intermediate exchange Zeitskala stattfindet. Bei den eingesetzten Konzentrationen wäre unter diesen Umständen ein nur sehr geringer Anteil an Protein in gebundenem Zustand (≤10%), und wäre

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nicht mit NMR-Resonanzverschiebungen beobachtbar. Ein anderer Grund könnte sein, dass die zwei Proteine nicht interagieren können da sie aus zwei verschiedenen Organismen stammen. Ein anderer möglicher Grund ist, dass die beiden Rezeptoren Neurolin und ROBO mehr als nur die einzelnen, isolierten Domänen für eine Interaktion benötigen. Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die beiden Proteine keine Interaktion eingehen. Im Zuge der Experimente konnte eine Interaktion mit dem humanen S100A6 nachgewiesen werden. Diese ist jedoch sehr wahrscheinlich von unspezifischer Natur, da Zebrafische, und damit wahrscheinlich auch Goldfische, selbst keine Gene für S100A6 Proteine aufweisen. Bei den Experimenten zur Interaktion mit Homogenaten aus Goldfisch-Gehirnen konnten von Tobias Lange zwei lösliche Liganden nachgewiesen-, jedoch aufgrund fehlender genetischer Daten zum Goldfisch nicht weiter identifiziert werden. Fraglich bleibt, ob die Interaktion mit den nachgewiesenen Liganden spezifisch oder unspezifisch ist. Eine unspezifische Interaktion mit der Sepharose-Matrix könnte durch die Verwendung anderer Immobilisierungs-Matrices ausgeschlossen werden. Da die identifizierten Liganden aus der löslichen Fraktion der Goldfisch-Gehirne stammten, bleibt fraglich, ob dies die einzigen Liganden sind, oder ob es weitere membrangebundenen Liganden gibt. Die in den Experimenten abgetrennten Membranproteine könnten beispielsweise durch Solubilisierung mittels Detergenzien für eine Ligandsuche zugänglich gemacht werden.

Bei der spezifischen Interaktion der Neurolin-Domäne mit dem Antikörper N518 wurde außer der Bindestelle zusätzlich die Dissoziationskonstante mittels Thermophorese bestimmt.

Diese hat einen für eine Protein-Antikörper-Interaktion typischen Wert von 174 ± 11nM, beziehungsweise 178 ± 8nM, je nach dem, von welchem Interaktionspartner die Konzentration bei den Messreihen variiert wurde. Trotz dieser relativ starken Interaktion konnte die Bindestelle auf der Seite der Neurolin-Domäne nicht mit dafür typischen NMR-Methoden reproduzierbar bestimmt werden, bei welchen es zu einer Resonanzverschiebung oder zumindest -verbreiterung bei Ligand-Bindung kommt. Auch war es Tobias Lange nicht möglich, annähernd äquimolare Mengen der Neurolin-Domäne an dem immobilisierten Antikörper zu binden und zu eluieren, so wie es für eine starke Bindung zu erwarten wäre.

Die Bindestelle wurde aufgeklärt, indem der Antikörper mit einem Nitroxid-Derivat markiert wurde, und die paramagnetische Relaxationsverstärkung an der Neurolin-Domäne beobachtet wurde. Diese Methode kommt üblicherweise zum Einsatz, wenn die Interaktionen sehr schwach sind, mit Dissoziationskonstanten im µM-mM-Bereich. Daher ist es durchaus möglich, dass die aus den Thermophorese-Studien ermittelte Dissoziationskonstante ungenau

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ist. Eine weitere Erklärung für das unerwartete Verhalten bei den Interaktionsstudien könnten Unterschiede bei den Antikörper-Proben sein. Die Dissoziationskonstante wurde mit einer anderen Antikörper-Präparation gemessen, als die nachträglichen NMR-Interaktionsstudien.

Gleiches gilt für die Interaktionsstudien von Tobias Lange. Es ist durchaus möglich, dass bei den Antikörper-produzierenden Hybridom-Zellen zwischen den beiden Präparationen eine zufällige Mutation aufgetreten ist. Zwar wurde bei beiden Präparationen mittels Western-Blot qualitativ eine Antikörper-Bindung an die Neurolin-Domäne nachgewiesen, jedoch musste bei der zweiten Präparation eine 10-fach höhere Konzentration der Neurolin-Domäne, eine 10-fach höhere Konzentration des N518 Antikörpers und eine 720-fach längere Belichtungszeit während der Blot-Experimente angewendet werden, um vergleichbare Ergebnisse zu der ersten Präparation zu erzielen. Dies spricht dafür, dass der Antikörper

Gleiches gilt für die Interaktionsstudien von Tobias Lange. Es ist durchaus möglich, dass bei den Antikörper-produzierenden Hybridom-Zellen zwischen den beiden Präparationen eine zufällige Mutation aufgetreten ist. Zwar wurde bei beiden Präparationen mittels Western-Blot qualitativ eine Antikörper-Bindung an die Neurolin-Domäne nachgewiesen, jedoch musste bei der zweiten Präparation eine 10-fach höhere Konzentration der Neurolin-Domäne, eine 10-fach höhere Konzentration des N518 Antikörpers und eine 720-fach längere Belichtungszeit während der Blot-Experimente angewendet werden, um vergleichbare Ergebnisse zu der ersten Präparation zu erzielen. Dies spricht dafür, dass der Antikörper