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Interaktionsexperimente mit potenziellen Interaktionspartnern

3.5 Interaktionsexperimente

3.5.1 Interaktionsexperimente mit potenziellen Interaktionspartnern

Als ein potenzieller Ligand wurde der ROBO-Rezeptor angenommen. In Experimenten zur Wegfindung von Ganglienzellen in der Retina wurde dem ROBO-Rezeptor eine vergleichbare Aufgabe wie Neurolin nachgewiesen, da bei ROBO-knock-out Experimenten mit Mäusen ebenfalls Wegfindungsfehler der Ganglienzellen in Retinae beobachtet werden konnten (Thompson et al., 2009). Für den ROBO-Rezeptor ist bereits ein löslicher Ligand namens Slit bekannt. Die Slit-ROBO-Interaktion wurde bereits strukturell untersucht (Morlot et al., 2007b). Für die vorliegende Arbeit wurde eine Promiskuität des ROBO-Rezeptors hinsichtlich seiner Liganden angenommen, und damit eine Möglichkeit der Interaktion mit der zweiten Neurolin-Domäne. Für die Experimente wurde die erste ROBO-Domäne (welche auch mit dem löslichen Slit interagiert) anhand des Protokolls aus Abschnitt 3.3.3 in

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15N-markierter Form präpariert, um es für Interaktionsexperimente einzusetzen. Für das Interaktionsexperiment wurden 100µM der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch und 100µM der ersten ROBO-Domäne aus dem Zebrafisch gemischt. Anschließend wurde ein

1H-15N-HSQC-Spektrum der Mischung gemessen, um Interaktionen der beiden Domänen anhand von möglichen Resonanzverschiebungen zu verfolgen (Abb. 3.25). Es konnten jedoch keine Veränderungen der chemischen Verschiebungen und auch keine deutlichen Änderungen der Signalintensitäten einzelner Resonanzen beobachtet werden. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Interaktion der beiden Proteine auf einer intermediate exchange Zeitskala stattfindet, und der Konzentrationsanteil an Protein-Ligand-Komplex deutlich unter dem des freien Zustandes ist (c(Protein-Ligand-Komplex) ≤ 0.1 • c(Protein)).

Bei in dem Experiment eingesetzten Konzentrationen der Neurolin- und ROBO-Domäne von jeweils 100µM, müssten ca. 90µM frei und ca. 10µM gebunden vorliegen um diese Bedingung zu erfüllen. In diesem Fall würde das für eine Dissoziationskonstante Kd von ca.

810µM oder höher für die Bindung der beiden Proteine sprechen. Unter diesen Bedingungen wäre eine Bindung mit der eingesetzten Methode nicht detektierbar. Um dies zu überprüfen und die Bindungskonstante zu bestimmen wären Experimente wie die Thermophorese denkbar. Es ist jedoch viel wahrscheinlicher, dass die beiden Proteine nicht miteinander interagieren, da rekombinant hergestellte Proteine zweier verschiedener Organismen eingesetzt wurden. Jedoch war dies aufgrund von gegebenen experimentellen Einschränkungen die einzige Möglichkeit, eine mögliche Interaktion in kurzer Zeit zu prüfen.

Es konnten leider nicht zwei Proteine des gleichen Organismus, also Goldfisch-Neurolin und Goldfisch-ROBO beziehungsweise Zebrafisch-Neurolin und Zebrafisch-ROBO eingesetzt werden, da im Falle des Goldfisches die ROBO-Sequenz unbekannt ist, und im Falle des Zebrafisches die zweite Neurolin Domäne nicht in löslicher Form präpariert werden konnte (siehe Abschnitt 3.3.2, Seite 48). Eine mögliche Interaktion der beiden Proteine ist daher generell nicht auszuschließen, jedoch konnte sie mit den durchgeführten Experimenten nicht nachgewiesen werden.

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Abbildung 3.25: Interaktionsstudie zwischen der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch und der ersten ROBO-Domäne aus dem Zebrafisch. Ein 1H-15N-HSQC-Spektrum einer Mischung zu je 100µM beider Proteine mit 15N-Markierung (schwarz) im Vergleich mit Spektren der Neurolin-Domäne allein in Lösung (rot) und der ROBO-Neurolin-Domäne allein in Lösung (blau). Das schwarze Spektrum wurde zur besseren Übersicht manuell um 0.03ppm tieffeldverschoben. Die Lage der Signale der Proteinmischung ist identisch mit jenen der einzelnen potenziellen Interaktionspartnern. Dies bedeutet, dass die beiden Proteine entweder nicht interagieren, oder dass die Interaktion auf einer intermediate exchange Zeitskala stattfindet und der Anteil an gebundenem Zustand weit unter dem des freien Zustandes liegt. In letzterem Fall könnte eine mögliche Interaktion nicht mit der vorliegenden Methode verfolgt werden.

Als weitere potenzielle Liganden kamen die S100-Proteine in Frage. Diese Überlegung ergab sich aus der strukturellen Homologie der zweiten Neurolin-Domäne und der zweiten Domäne (siehe Abschnitt 3.4.5, Seite 65). Da die S100-Proteine Liganden des RAGE-Rezeptors sind (Ostendorp et al., 2007), wurde auch eine Interaktion zwischen der Neurolin-Domäne und Vertretern der S100-Proteine vermutet. Aufgrund fehlender Sequenzinformationen beim Goldfisch, wurden für die Interaktionsexperimente rekombinant hergestellte S100-Proteine der menschlichen Sequenzen verwendet, welche bereits fertig präpariert von PD Dr. Günter Fritz (Universitätsklinikum Freiburg) zur Verfügung gestellt wurden. Es wurden verschiedene Vertreter der S100-Proteine in Isotopen-unmarkierter Form mit jeweils einer 15N-markierten Form der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch gemischt, und es wurde beobachtet, ob sich aufgrund einer Interaktion Veränderungen der

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chemischen Verschiebungen der Neurolin-Domäne in einem 1H-15N-HSQC-Spektrum ergeben. Die Konzentration der Proteine war bei diesen Experimenten jeweils 200µM. Eine Lösung der Neurolin-Domäne wurde dazu mit Lösungen folgender Proteine gemischt: S100B, S100A6, S100A9, S100A8/A9 (nicht kovalentes Heterodimer), S100A12 und eine Negativprobe ohne die S100-Proteine. Auch bei diesen Experimenten ergaben sich keinerlei Verschiebungen der Neurolin-Resonanzen. Lediglich bei der Probe mit S100A6 wurden ein paar zusätzliche, jedoch sehr schwache Resonanzen im Spektrum sichtbar (Abb. 3.26A).

Abbildung 3.26: Interaktionsstudie zwischen der zweiten Neurolin-Domäne aus dem Goldfisch und S100A6 aus dem Menschen.

(A) Ein 1H-15N-HSQC-Spektrum einer Mischung beider Proteine zu je 200µM, wobei die Neurolin-Domäne 15N-markiert vorlag und S100A6 nicht (schwarz). Im Vergleich, das Spektrum der Neurolin-Domäne ohne S100A6 (rot). In dem Spektrum der Proteinmischung sind vier zusätzliche, schwache Signale zwischen 7.5 und 8.5ppm zu erkennen. Diese ergeben sich

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vermutlich von einem geringen Anteil an Interaktionsproteinkomplex oder einer Aggregation der Neurolin-Domäne unter Einfluss von S100A6.

(B) Analytische Größenausschlusschromatogramme der Proteinproben aus (A). Die Mischung der beiden Proteine zu je 200µM (schwarz) weist drei Elutionsmaxima auf. Das Chromatogramm von 200µM der Neurolin-Domäne allein (rot) weist nur ein Elutionsmaximum auf. Trotz gleicher Konzentration der Neurolin-Domäne bei beiden Proben ist die Elutionsmenge im Falle der Proteinmischung um ca. die Hälfte geringer. Dies spricht dafür, dass ein Teil der Neurolin-Domäne mit S100A6 interagiert und eine größere molekulare Einheit bildet, welche bei früheren Volumina eluiert. Die signifikante Menge an Protein im Ausschlussvolumen spricht jedoch auch dafür, dass die Interaktion der beiden Proteine von unspezifischer Natur ist und sich größere Proteinaggregate bilden.

(C) SDS-PAGE der Elutionsvolumina aus (B). Die Probe der Neurolin-Domäne allein weist bei ca.

18kDa eine scharfe Bande auf. Die Elutionsfraktionen der Proteinmischung enthalten in allen Fällen sowohl eine Bande für die Neurolin-Domäne, als auch eine Bande für S100A6 bei ca.

13kDa. Der Intensität nach sind die Verhältnisse der beiden Proteine nicht in allen Fraktionen gleich. Dies spricht entweder für eine unspezifische Interaktion mit gemischten stöchiometrischen Verhältnissen, oder für eine sehr schwache Interaktion, bei welcher nur eine geringe Menge der beiden Proteine im Komplex vorliegen.

Die zusätzlichen Resonanzen zwischen 7.5 – 8.5ppm bei der Mischung der zweiten Neurolin-Domäne mit S100A6 könnten als ein Indiz für eine Interaktion der beiden Proteine betrachtet werden. Die Resonanzlage der zusätzlichen Signale bei Werten zwischen 7.5 – 8.5ppm könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass die Neurolin-Domäne unter Einfluss von S100A6 entfaltet oder aggregiert. Um eine mögliche Interaktion oder Aggregation zu prüfen, wurde die Mischung aus S100A6 und der zweiten Neurolin-Domäne mittels analytischer Größenausschlusschromatographie untersucht. In dem Chromatogramm waren drei Elutionsfraktionen besonders auffällig. Neben einer stark ausgeprägten Protein-Fraktion im Ausschluss-Volumen gab es noch zwei weitere Fraktionen, wovon eine zu der monomeren Form von Neurolin gehört (Abb. 3.26B). Letztere weist jedoch eine geringere Intensität auf, als in der Negativprobe gleicher Konzentration, jedoch ohne S100A6. Dies spricht dafür, dass die Neurolin-Domäne entweder S100A6-vermittelt aggregiert und im Ausschluss-Volumen eluiert, oder mit S100A6 eine nicht kovalente Interaktion eingeht, welche bei einem früheren Volumen eluiert. Um dies zu prüfen, wurden die einzelnen Fraktionen per SDS-PAGE analysiert. Dabei ist im Ausschluss-Volumen sehr wenig von der Neurolin-Domäne zu sehen, wobei bei der Elutionsfraktion für höhere Molekulargewichte sowohl eine Bande für S100A6 als auch für die Neurolin-Domäne zu sehen ist (Abb. 3.26C). Dies spricht für eine Interaktion der beiden Proteine. Da sich bei diesem Experiment im 1H-15N-HSQC-Spektrum keine

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Resonanzen der Neurolin Domäne verändert haben, konnte eine Interaktionsstelle jedoch nicht festgelegt werden. Die nicht beobachtbaren Resonanzverschiebungen könnten wie im Fall der oben beschriebenen möglichen Interaktion mit der ROBO-Domäne bedeuten, dass die Interaktion der Neurolin-Domäne mit S100A6 ebenfalls auf einer intermediate exchange Zeitskala stattfindet, mit einer möglichen Bindungskonstante Kd von über 1.62mM.

Außerdem kann eine unspezifische Interaktion der beiden Proteine nicht ausgeschlossen werden, da sie aus verschiedenen Organismen stammen. Um diesen Fragestellungen nachzugehen, wären Experimente denkbar, bei welchen eine 15N-markerte S100A6-Lösung mit unmarkierter Neurolin-Domäne titriert wird, oder Thermophorese-Experimente zur Detektion und Quantifizierung einer möglichen Interaktion der beiden Proteine durchgeführt werden. Diesen Experimenten konnte jedoch aus Zeitgründen nicht nachgegangen werden.