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 Ephrine und Eph-Rezeptoren sind membranverankerte Moleküle, die bei gegenseitiger Interaktion in der Zell-Zell vermittelten Wegfindung von Neuronen eine Rolle spielen. Dabei sind wiederum sowohl anziehende als auch abstoßende Wirkungen bekannt (Egea and Klein, 2007).

 Cadherine sind Calcium-abhängige, membranverankerte Zell-Adhäsionsmoleküle.

Ein mit Cadherinen ausgestatteter Wachstumskegel erkennt Pionier-Neuronen und wächst entlang der gleichen Bahn (Hansen et al., 2008).

 Zahlreiche Zell-Adhäsionsmoleküle der Immunglobulin Familie sind mit neuronalem Wachstum assoziiert, wie zum Beispiel L1, Axonin und NCAM (Neural Cell Adhesion Molecule). Die membranverankerten Rezeptoren bestehen aus mehreren Immunglobulin (Ig) Domänen und können zusätzlich Fibronectin (Fn) Domänen enthalten. Der Membrananker besteht aus Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol oder einer transmembranen α-Helix mit anschließender intrazellulärer Domäne zur Signalweiterleitung. Analog zu den Cadherinen, leiten die Rezeptoren der Ig Familie wachsende Neuronen adhäsionsvermittelt entlang bereits gewachsener Nervenbahnen. Dabei können die Proteine sowohl mit Proteinen derselben Spezies interagieren (homophile Interaktion), als auch mit artverschiedenen Ig-Rezeptoren (heterophile Interaktion). Auch kann eine Interaktion innerhalb derselben Zelle auftreten (cis-Interaktion) oder mit Proteinen benachbarter Zellen (trans-Interaktion). Zusätzlich ist auch eine Interaktion mit der extrazellulären Matrix bekannt (Brümmendorf and Rathjen, 1996).

Teile dieses Abschnitts wurden sinngemäß aus folgenden Artikeln übernommen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklungsneurobiologie (Stand: 09/2014) http://en.wikipedia.org/wiki/Axon_guidance (Stand: 09/2014)

1.3 Das Protein Neurolin

Neurolin ist ein Membranrezeptor aus dem Goldfisch (Carassius auratus) und Zebrafisch (Danio rerio). Das Protein gehört zu der Familie der Ig-Rezeptoren und besteht aus fünf extrazellulären Immunglobulin Domänen, welche anhand ihrer Sequenz zu den Typen V-V-C2-C2-C2 zugeordnet wurden. An den extrazellulären Teil schließt sich eine Transmembranhelix von 24 Aminosäuren Länge an, gefolgt von einer 30 Aminosäuren langen C-terminalen intrazellulären Domäne (Laessing et al., 1994). Neurolin aus dem Goldfisch umfasst 532 Aminosäuren und hat eine molekulare Masse von ca. 72-90 kDa, wobei 58.1 kDa

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auf die Aminosäure-Sequenz entfallen. Das restliche Molekulargewicht wird von mikroheterogenen Kohlenhydrat-Resten beigetragen. Domäne eins, zwei und vier enthalten dabei jeweils ein Glycosilierungsmotiv, Domäne fünf zwei Glycosilierungsmotive (Denzinger et al., 1999). Das Protein gehört zu dem CD166 Cluster, welcher abhängig vom Organismus verschieden bezeichnet wird. Alle bislang gefundenen Vertreter des CD166 Clusters wurden mit neuronaler Wegfindung in Verbindung gebracht:

 DM-GRASP (Dorsal funiculus and ventral Midline – immunoGlobulin-like Restricted Axonal Surface Protein) wurde als CD166 Rezeptor in der Retina des Haushuhns (Gallus gallus) identifiziert. Während der frühen Phase der neuronalen Entwicklung im Embryo leitet DM-GRASP Ganglienzellen in der Retina in Richtung des Sehnervs. Während der axonalen Wegfindung wurde sowohl eine homophile, als auch eine heterophile Interaktion mit dem Neuroglia Zelladhäsionsmolekül (NgCAM) nachgewiesen (Avci et al., 2004). Insgesamt wurden 11 verschiedene neuronale Membranproteine gefunden, welche in der Lage sind mit DM-GRASP zu interagieren. Es ist jedoch unbekannt, ob alle Vertreter an der neuronalen Wegfindung beteiligt sind (DeBernardo and Chang, 1996).

 BEN/SC1 (Bursal Epithelium and Neurons) ist der Name des CD166 Rezeptors bei Mäusen (Mus musculus). Zusätzlich zu der Leitung und Bündelung von retinalen Ganglienzellen, wurde bei Mäusen auch eine BEN-vermittelte Leitung und Bündelung von Motoneuronen nachgewiesen (Weiner et al., 2004).

 Da die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) keine Retina-Augen hat, wurde der CD166 homologe Rezeptor IrreC-rst über Gen-Knock-out Experimente als wichtigster Faktor für die korrekte Kreuzung der optischen Nerven im Chiasma Opticum identifiziert (Ramos et al., 1993).

 ALCAM (Activated Leukocyte Cell Adhesion Molecule) beim Menschen ist der am intensivsten untersuchte Vertreter der CD166 Familie. Ursprünglich wurde ALCAM als Rezeptor für die T-Zell Aktivierung entdeckt (Bowen et al., 1995).

Die Erforschung von ALCAM in Bezug zum neuronalen Wachstum erfolgte aus verständlichen Gründen jedoch nur mit in vitro Methoden. In diesem Sinne wurde an der PC12 Zelllinie ein durch ALCAM verstärktes axonales Wachstum nachgewiesen, das vom Nervenwachstumsfaktor NGF induziert wird (Wade et al., 2012). Daneben ist ALCAM auch in zahlreiche andere physiologische Prozesse involviert. Dazu zählt die Regulation der Hämatopoese (Chitteti et al., 2013) und

1.3 Das Protein Neurolin

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lymphatischer Netzwerke (Iolyeva et al., 2013), die HIV-Infektion von Nervengewebe (Williams et al., 2013), sowie die Migration von neutrophilen Granulozyten bei Entzündungsreaktionen. Zusätzlich wurde eine Überexpression von ALCAM auf verschiedenen Krebsgeweben festgestellt (Weidle et al., 2010).

Auf molekularer Ebene wurde eine sowohl homophile Interaktion (KD = 29-48 µM) als auch eine höher affine heterophile Interaktion (KD = 0,4-1,0 µM) mit dem CD6 Rezeptor nachgewiesen (Hassan et al., 2004). Letztere erfolgt über die erste N-terminale Ig-Domäne von ALCAM (Bowen et al., 1997).

Neurolin nimmt eine Sonderstellung unter den CD166 Rezeptoren ein. Das Protein ist bei Fischen nicht nur während der embryonalen Entwicklung für die axonale Wegfindung retinaler Ganglienzellen zuständig, sondern wird auch bei Verletzungen von Nerven vermehrt produziert (Paschke et al., 1992). Das hohe Auftreten von Neurolin während Nervenverletzungen, sowie die Abwesenheit in reifen, unverletzten Nervenbahnen beweisen die Beteiligung von Neurolin an der spontanen Regeneration des visuellen Nervensystems von Fischen (Paschke et al., 1992). Zusätzlich zu der Wegfindung wachsender Axone ist Neurolin auch für die Bündelung von Nervenzellen verantwortlich (Ott et al., 1998). Auf molekularer Ebene wurden den verschiedenen Ig-Domänen unterschiedliche Aufgaben zugewiesen. Zu diesem Zweck wurden wiederholt monoklonale Maus-Antikörper gegen die einzelnen Ig-Domänen in die Augen wachsender Goldfische appliziert. Bei Applikation von Antikörpern gegen die Domänen eins und drei, mit den jeweiligen Bezeichnungen N850 und N100, wurde eine verringerte Ausbildung von Nervenbündeln in der Retina festgestellt. Bei Applikation von Antikörpern der Bezeichnung N518 gegen Domäne zwei wurde die Wegfindung wachsender Axone in der Retina gestört, so dass sie nicht in Richtung Sehnerv gewachsen sind, sondern ihre Bahn verlassen haben, und teilweise im Kreis gewachsen sind (Abb. 1.1) (Leppert et al., 1999). Wie bereits für ALCAM gezeigt (van Kempen et al., 2001), wird angenommen dass die Antikörper Teile der Oberfläche von Neurolin bedecken, die für die Interaktion mit Wegfindungsmolekülen zuständig sind. Unklar ist jedoch, welche und wie viele verschiedene Liganden für Neurolin in Frage kommen, da einzelne Domänen für verschiedene Aufgaben zuständig sind. Auch der molekulare Mechanismus der Signalweiterleitung von einem extrazellulären chemischen Reiz in die Zelle hinein ist, wie bei allen Vertretern der CD166 Familie, unklar. Für die Erforschung des neuronalen Wachstums und der neuronalen Regeneration ist die Rolle der zweiten Neurolin-Domäne während der axonalen Wegfindung am interessantesten. In diesem Zusammenhang konnten Drees et al.

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(2008) zeigen, dass eine rekombinant hergestellte zweite Neurolin-Domäne nicht-kovalent dimerisieren kann. Daher wird eine homophile Interaktion zwischen zwei Neurolin Molekülen über die zweite Ig-Domäne angenommen. Es ist jedoch unklar, ob diese Dimerisierung eine Adhäsionsfunktionalität über eine trans-Interaktion mit benachbarten Nervenzellen darstellt, oder eine cis-Interaktion zweier Neurolin-Moleküle auf der gleichen Zelle die intrazelluläre Domäne dimerisieren lässt, und damit eine intrazelluläre Signalkaskade auslöst. Auch bleibt unklar, ob die Dimerisierung die einzige Interaktion der zweiten Neurolin-Domäne darstellt, oder ob noch weitere membrangebundene Liganden, wie bei den Homologen DM-GRASP und ALCAM, in Frage kommen. Auch eine Interaktion mit der extrazellulären Matrix oder löslichen Liganden, wie im Fall des ROBO- oder DCC-Rezeptors, wäre denkbar (Abb. 1.2).

Abbildung 1.1: Präparationen von Goldfisch-Retinae, welche zuvor mit Antikörpern gegen die einzelnen Neurolin Domänen behandelt worden waren. Balken in (B): 300µm, Balken in (C) – (F):

100µm.

(A) Gesamte Retina eines Goldfisches, welcher mit dem Antikörper N100 gegen die dritte Neurolin Domäne behandelt wurde. Die Ausschnitte B und D sind in groß gezeigt.

(B) Ausschnitt aus A. rm steht für retinale Peripherie (retinal margin) und od steht für den Ausgang zum Sehnerv (optic disc).

(C) Retina-Präparation eines Goldfisches, welcher mit dem Antikörper N850 gegen die erste Neurolin Domäne behandelt wurde. Die Nervenzellen wachsen nicht mehr gebündelt, sondern fächern auf.

(D) Ausschnitt aus A. Auch bei Behandlung mit dem Antikörper N100 gegen Domäne 3 wachsen die Nervenzellen nicht mehr gebündelt, sondern fächern auf.

(E) Retina-Präparation eines Goldfisches, welcher mit dem Antikörper N518 gegen die zweite Neurolin Domäne behandelt wurde. Die Nervenzellen wachsen nicht mehr zielgerichtet. Es entstehen Wegfindungsfehler (Pfeil).

(F) Retina-Präparation eines Goldfisches welcher unbehandelt war. In der Kontroll-Präparation wurde gebündeltes und zielgerichtetes Wachstum der Nervenzellen beobachtet.

Mit Erlaubnis übernommen aus (Leppert et al., 1999).

1.3 Das Protein Neurolin

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© 1999 Rockefeller University Press. Originally published in Journal of Cell Biology. 144: 339 – 349. Doi: 10.1083/jcb.144.2.339

Abbildung 1.2: Mögliche Interaktionen der zweiten Neurolin Domäne.

(A) Homophile trans-Interaktion zweier Neurolin Moleküle zwischen zwei verschiedenen Zellen.

Diese Art von Interaktion würde zu einer Adhäsionsvermittelten Wegfindung führen.

(B) Homophile cis-Interaktion auf derselben Zelle, welche auch Ligand induziert denkbar wäre (rotes Sechseck). Eine cis-Interaktion kann intrazellulär eine Signalkaskade induzieren, indem die zwei intrazellulären Domänen bei räumlicher Nähe ein Signalmolekül aktivieren.

(C) Heterophile cis-Interaktion auf derselben Zelle, welche auch Ligand induziert denkbar wäre (rotes Sechseck). In diesem Fall würde die zweite Domäne mit einer Domäne eines anderen Membranrezeptors (z.B. NCAM) interagieren, und intrazellulär eine Signalkaskade auslösen.

(D) Heterophile trans-Interaktion zwischen zwei Zellen. Analog zu (A) würde diese Art von Interaktion zu einer adhäsionsvermittelten Wegfindung führen.

(E) Ein Konzentrationsgradient eines löslichen Liganden könnte die Nervenbahnen leiten. Dieser Mechanismus ist auch für die homophile cis-Interaktion (siehe B) denkbar.

(F) Mögliche Interaktion der zweiten Neurolin-Domäne mit der Extrazellulären Matrix. Analog zu (A) würde auch diese Art von Interaktion zu einer Adhäsionsvermittelten Wegfindung führen.

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