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5 Neue sterisch anspruchsvolle CpPN-Liganden 5.1 CpPN-Liganden mit Tetrahydropentalen-Einheit

5.2 CpPN-Liganden mit tert-butylsubstituierter Cp-Einheit

5.2.1 STAUDINGER -Reaktionen mit DipN 3 und AdN 3

Die Cyclopentadienylphosphine C5H4tBuPR2 mit R = Ph oder Me wurden zur Ligandsynthese zunächst mit dem reaktiveren DipN3 umgesetzt.[65] Die Reaktionsführung unter Standardbedingungen mit THF als Lösungsmittel führte in beiden Fällen in hoher Selektivität zur Darstellung der gewünschten Ligandensysteme.

Schema 16: Darstellung von CptBuPR2NHDip mit R = Ph (L5-H) oder Me (L6-H).

Die Aufreinigung gelang nach der Standardprozedur[47] durch Waschen des Rohproduktes mit Hexan. Bei der Aufarbeitung von L6-H (CptBuPMe2NHDip) sollten im Sinne einer Ausbeutemaximierung minimale Mengen Hexan verwendet werden, da die Substanz mäßig löslich in aliphatischen Lösungsmitteln ist. Für L5-H wurde analog zur Verbindung C5Me4PPh2NHDip (Schema 7) eine reversible Tautomerie zwischen der P-Amino-cyclopentadienyliden-phosphoran- und der P-Cyclopentadienyl-iminophosphoran-Struktur beobachtet (Schema 17), wobei erstere mit einem Integralanteil von 72% bei einer charakteristischen Verschiebung von 26.0 ppm im 31P-NMR-Spektrum dominiert.

Schema 17: Isomere der Verbindung CptBuPPh2NHDip (L5-H) in CDCl3-Lösung.

Bei P = -10.3, -10.7 und -11.3 ppm finden sich die Signale dreier Isomere mit P-Cyclopentadienyl-iminophosphoran-Strukturmotiv, was anhand des Verschiebungsbereiches im 31P-NMR-Spektrum klar ersichtlich ist. Aufgrund der geringen Intensität und partieller Überlagerung der Signale konnten den einzelnen Isomeren keine eindeutigen Strukturen

zugeordnet werden. Ausgehend von den Isomerenverhältnissen in dem zugehörigen Cyclopentadienylphosphin wäre die in Schema 17 dargestellte Verteilung sinnvoll. Da die Verschiebungen alle sehr dicht zusammenliegen ist davon auszugehen, dass es sich bei keinem der Isomere um eine Struktur handelt, bei der das Phosphorfragment an ein allylisches Kohlenstoffatom gebunden ist. L6-H (CptBuPMe2NHDip) wurde als Reinisomer mit P-Amino-cyclopentadienyliden-phosphoran-Struktur charakterisiert. Dies wird durch die chemische Verschiebung im 31P-NMR-Spektrum von P = 25.7 ppm eindeutig verifiziert.

Die Umsetzungen der Cyclopentadienylphosphine C5H4tBuPR2 mit R = Ph oder Me (Schema 18) mit AdN3 verliefen in THF deutlich langsamer, allerdings auch deutlich weniger selektiv als die analogen Umsetzungen mit DipN3.

Schema 18: Darstellung von CptBuPPh2NHAd (L9-H).

In Tabelle 5 findet sich die prozentuale Zusammensetzung der Reaktionsmischung zu verschiedenen Zeitpunkten. Aufgeführt sind die Signale für den jeweilig herzustellenden Liganden, das entsprechende intermediär gebildete Phosphazid, das Cyclopentadienyl-phosphin sowie die Summe der Nebenproduktpeaks.

Klar zu erkennen ist zunächst der langsame Reaktionsumsatz bei RT, der begleitet ist von der erkennbaren Bildung eines Zwischenproduktes (p = 22.9 ppm) sowie von Nebenprodukten.

Beim Zwischenprodukt sollte es sich um das intermediär gebildete Phosphazid handeln, was auch bezüglich der zu erwartenden chemischen Verschiebung von Phosphazid-Verbindungen sehr gut übereinstimmt.[95]

Tabelle 5: Reaktionsverlauf der Umsetzung von C5H4tBuPPh2 mit AdN3. Reaktionsfortschritt nach

10 h bei RT 10 h bei RT

+ 6 h bei 60°C 10 h bei RT + 14 h bei 60°C

L9-H (CptBuPPh2NHAd) 11% 39% 46%

Phosphazid 18% 11% 11%

C5H4tBuPPh2 59% 20% 5%

Nebenprodukte 12% 30% 38%

Chemische Verschiebungen der Substanzen im 31P-NMR-Spektrum (THF): L9-H (CptBuPPh2NHAd): 18.4 ppm, Phosphazid: 22.9 ppm, C5H4tBuPPh2: -8.7, -17.3 und -18.3 ppm.

Im folgenden Reaktionsverlauf wurde die Reaktionsmischung bei 60°C für 10 h erhitzt.

Erwartungsgemäß ging dabei die Konzentration an Edukt und Phosphazid zurück, während die Signale für den gewünschten Liganden sowie das Integral über alle Nebenproduktsignale signifikant anstieg. Der gleiche Trend wurde auch nach insgesamt 24-stündigem Erhitzen in THF beobachtet. Erwähnenswert sind hier der nur geringfügige Anstieg der Ligandkonzentration sowie der konstante Integralanteil des Phosphazids. Letzteres ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Bildung sowie der Zerfall des STAUDINGER-Addukts in etwa mit der gleichen Geschwindigkeit ablaufen. Der Ligand konnte aus der Reaktionsmischung in THF bei -22°C selektiv auskristallisiert und durch anschließende Filtration separiert und isoliert werden. Die Gesamtausbeute über 2 Stufen lag mit etwa 30%

erwartungsgemäß niedrig.

Die analoge Umsetzung von C5H4tBuPMe2 mit AdN3 schien aussichtsreicher, da ein elektronenreicheres und sterisch weniger behindertes Phosphin zu einem schnelleren Reaktionsablauf führen sollte. Die Zusammensetzungen der Reaktionsmischungen zu verschiedenen Zeitpunkten der Reaktionsführung sind in Tabelle 6 gelistet. Der erwartete Trend eines schnelleren Reaktionsablaufes bestätigt sich. Bereits nach 10-stündigem Rühren bei RT hatte sich das Edukt komplett umgesetzt. Nach weiterem 6-stündigem Erhitzen war auch das intermediär gebildete Phosphazid (P = 23.1 ppm) nicht mehr nachweisbar.

Erwähnenswert ist der hohe prozentuale Anteil der gebildeten Nebenprodukte und insbesondere des „Hauptnebenproduktes“, welches bereits nach 10 h bei RT einen Integralanteil von 16% einnahm und mit zunehmendem Reaktionsverlauf nicht mehr anstieg, sondern sogar abnahm.

Tabelle 6: Reaktionsverlauf der Umsetzung von C5H4tBuPMe2 mit AdN3. Reaktionsfortschritt nach

10 h bei RT 10 h bei RT

+ 6 h bei 60°C 10 h bei RT + 14 h bei 60°C L10-H

(CptBuPMe2NHAd) 37% 41% 41%

„Hauptnebenprodukt“ 16% 16% 13%

Phosphazid 8% - -

Summe restlicher

Nebenprodukte 39% 43% 46%

Chemische Verschiebungen der Substanzen im 31P-NMR-Spektrum (THF): L10-H (CptBuPMe2NHAd):

18.5 ppm, Phosphazid: 23.4 ppm, „Hauptnebenprodukt“: 23.1 ppm.

Beide Umsetzungen der tert-butylsubstituierten Cyclopentadienylphosphine mit 1-Adamantylazid zeichnen sich durch eine breitePalette an Nebenprodukten aus. Obwohl die verwendeten tert-butylsubstituierten Cyclopentadienylphosphine bei RT keine DIELS-ALDER -Dimere bilden, kann diese Nebenreaktion bei erhöhten Temperaturen und vor allem nach erfolgter partieller Bildung des STAUDINGER-Addukts nicht ausgeschlossen werden. Da bei

beiden Umsetzungen mit AdN3 gemäß 31P-NMR-spektroskopischer Reaktionskontrolle intermediär signifikante Mengen Phosphazid gebildet wurden, liegt eine DIELS-ALDER -Reaktion dieses aktivierten Substrats mit noch im -Reaktionsgemisch vorhandenen Cyclopentadienylphosphin als relevante Nebenreaktion nahe.

Aufgrund der sehr guten Löslichkeit des Liganden L10-H, sowohl in Hexan und Pentan als auch in THF konnte in diesem Fall das gewünschte Produkt nicht in Reinform isoliert und deswegen auch nicht charakterisiert werden. Allerdings war es möglich durch Waschen des Reaktionsrückstandes mit Et2O und Toluol, sowohl die Nebenprodukte als auch den gewünschten Liganden vom „Hauptnebenprodukt“ abzutrennen. Der ether- und toluolunlösliche Anteil wurde im Feinvakuum getrocknet und NMR-spektroskopisch als Reinstoff charakterisiert. Als „Hauptnebenprodukt“ konnte das primäre P-NH2 -Aminophosphoran CptBuPMe2NH2 (Lig4-H2) identifiziert werden, was auch die schlechte Löslichkeit in unpolaren Lösungsmitteln wie Et2O und Toluol hinreichend erklärt (Schema 19).

Schema 19: Umsetzung von C5H4tBuPMe2 mit AdN3 unter Bildung des unerwarteten Produktes Lig4-H2.

Die stickstoffgebundenen Protonen der Verbindung Lig4-H2* wurden im 1H-NMR-Spektrum bei 2.21 ppm detektiert, während im IR-Spektrum bei 3303 und 3223 cm-1 zwei charakteristische Banden für die unsymmetrische und die symmetrische NH-Valenzschwingung[96] der primären Aminophosphoran-Struktur gefunden wurden. Für das P-NH2-Aminophosphoran wurde im EI-MS ein Molekülionenpeak erhalten.

Es wurden keine experimentellen Versuche unternommen den Bildungsmechanismus zu dieser Verbindung aufzuklären. Dennoch soll im Folgenden ein plausibler Mechanismus vorgeschlagen werden. Sehr wahrscheinlich ist zunächst die Bildung des gewöhnlichen

STAUDINGER-Addukts XI. Die Konzentrationsverhältnisse bei der Reaktionsführung (Tabelle 6) belegen, dass in diesem Fall die N2-Abspaltung aus dem STAUDINGER-Addukt der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist. Wie bei der Darstellung der Liganden mit Tetrahydropentalen-Einheit, ist auch hier der Zerfall des STAUDINGER-Addukts unerwarteterweise[91] für N-Adamantyl-Derivate deutlich langsamer als für N-Dip-substituierte. Dies wird als ein indirekter Hinweis auf die Tautomerisierung des regulären Cp-Phosphazids gewertet. Die chemischen Verschiebungswerte im 31P-NMR-Spektrum (> 20 ppm) würden, unter dieser Annahme, für die Wanderung eines Cp-Protons an das

-Stickstoffatom des Phosphazids sprechen, wobei die Verbindung XII gebildet wird. Gemäß DFT-Rechnungen von GRÜTZMACHER und Mitarbeitern ist das -N-Atom in Phosphaziden

*Lig4 = CptBuPMe2NH2, L3‘ = CpTMPPh2NAd, L10 = CptBuPMe2NHAd.

i. d. R. der Ort höchster Elektronendichte innerhalb der PNNN-Einheit.[97] Im Vergleich zur Spezies X (Schema 15), die als Zwischenstufe bei der Bildung von L3‘-H auftritt, ist hier die

-Position durch die Methylsubstituenten am Phosphoratom elektronenreicher und sterisch weniger belastet. Durch die Protonierung des -N-Atoms wäre dann der klassische Reaktionspfad über einen nukleophilen Angriff des -N-Atoms an dem Phosphoratom inhibiert. Dass dennoch > 40% des Liganden L10-H bei dieser Reaktion entstehen, deutet auf eine reversible Protonierung hin. Denkbar wäre als Folgeschritt die Spaltung der relativ labilen -N--N-Bindung, nach der im Anschluss ein Adamantylkation und N2 eliminiert sowie die Spezies XIIIb gebildet wird. Der Cp-Ring profitiert dabei durch eine stärkere aromatische Stabilisierung, was durch die Grenzstruktur XIIIa veranschaulicht wird. Das hyperkonjugativ stabilisierte Adamantylkation[98] ist gemäß der BREDTSCHEN-Regel nicht in der Lage ein Proton zu eliminieren.[99] Obwohl Ausnahmen zu dieser Regel existieren[100]

kann dies für das Adamantylkation nahezu ausgeschlossen werden, da die dabei entstehenden Adamantene zu den gespanntesten Olefinen überhaupt gehören.[101] Ein typisches Reaktionsmuster eines Adamantylkations sind Hydridabstraktionen.[102] Z. B. reagiert ein Adamantylkation mit Isopentan unter Bildung von Adamantan und einem tert-Amylkation.[103] Als Hydriddonor könnte in diesem Fall THF fungieren, dessen H-Atome in

-Stellung zum Sauerstoffatom für eine Hydridabstraktion, durch die „lone-pair“-Stabilisierung des daraus resultierenden Kations, aktiviert sind. Eine solche Hydridabstraktion stellt z. B. den Initialisierungsschritt zur Polymerisation von THF mittels Ph3C+ dar.[104] Eine THF-Polymerisation könnte auch bei der hier beobachteten Reaktionskaskade eine Rolle spielen und hätte sich aufgrund der guten Löslichkeit von polymerisiertem THF in etherischen Lösungsmitteln nicht durch die Bildung eines Niederschlags zu erkennen gegeben.[105]

Schema 20: Vorgeschlagener Mechanismus für die Bildung von Lig4-H2.

Aufgrund der hohen Basizität der im Reaktionsgemisch vorhandenen Spezies XIIIa/b und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das gebildete THF-Kation über eine beträchtliche CH-Acidität in -Position verfügt, wäre die direkte Bildung von Lig4-H2 unter Freisetzung von Dihydrofuran die naheliegendere Option.

Abschließend sei erwähnt, dass die Darstellung des gewünschten Liganden L10-H dennoch über einen alternativen Syntheseweg gelungen ist. Für die Beschreibung der Synthese sei an dieser Stelle allerdings auf den Abschnitt phosphoniumverbrückte Cp-Heteroallylsysteme (Kapitel 2.4) verwiesen.