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4 CpPN-Komplexe über Alkaneliminierung

5 Kationische CpPN-Alkyle

5.1 Umsetzungen mit BCF

5.1.1 Reaktionen von CpPN-Neosilyl-Komplexen mit BCF

ppm 60 50 40 30 20 10 0 -10

25.1

ppm 10 0 -10 -20 -30

-15.1

Abbildung 15:links: 31P-NMR- (202.3 MHz, CD2Cl2) und rechts: 11B-NMR-Spektrum (161.9 MHz, CD2Cl2) der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3].

Beide Spektren indizieren einen hochselektiven Umsatz der phosphor- und borhaltigen Komponenten, wobei die CpPN-Spezies gegenüber dem eingesetzten Edukt ([L4Zr(CH2SiMe3)3])* um über 15 ppm zu tieferem Feld und die gebildete Perfluorborverbindung über 70 ppm zu höherem Feld verschoben wurde (vgl. B = 61.3 ppm für BCF in C6D6).[188] Während der Hochfeldshift des CpPN-Komplexes eine mögliche Kationisierung nahelegt, ist die chemische Verschiebung im 11B-NMR-Spektrum charakteristisch für die Bildung eines tetrakoordinierten anionischen Borats.[189] Genauere Informationen über die Molekülstruktur der gebildeten Spezies werden aus den 1H-NMR- (Abbildung 16) und 13C-NMR-Spektren (Abbildung 17) erhalten, die in Kombination mit 2D-Methoden, klar aufzeigen, dass die in Abbildung 16 (links, unten) dargestellte Verbindung als das Reaktionsprodukt der Umsetzung deklariert werden kann. Bei der Umsetzung von Verbindungen des Typs [CpM(CH2SiMe3)3] (M = Ti, Zr) mit BCF findet üblicherweise ein Neosilyl-Gruppentransfer auf das Borzentrum statt, wobei entweder ein inner-sphere- oder ein outer-sphere-Ionenpaar[190] gebildet werden kann. Dabei ist die Tendenz zur Bildung von outer-sphere-Ionenpaaren, aufgrund des hohen sterischen Anspruchs der Neosilyl-Gruppen, i. d. R. deutlich stärker ausgeprägt als z. B. bei analog aufgebauten Methyl-Derivaten.[191] In den 1H- und 13C-NMR-Spektren werden für die Me3SiCH2B(C6F5)3--Gruppe häufig Resonanzen im Bereich von H ~ 0.9-1.65 ppm gefunden.[192] Borgebundene CH2- bzw. CH3 -Gruppen zeigen im 1H-NMR-Spektrum, aufgrund der skalaren Wechselwirkung mit den

10B/11B-Quadrupolkernen, immer ein sehr breites Signal und im 13C-NMR-Spektrum können die betreffenden Kohlenstoffatome oft sogar überhaupt nicht direkt detektiert werden.[193] Die genannten Kriterien indizieren eindeutig das breite Signal bei H = 0.48 ppm als borgebundene Einheit. Das Signal für das betreffende Kohlenstoffatom wird im 13 C-NMR-Spektrum nicht gefunden, aber im HMQC ist ein Kreuzsignal mit der 1H-NMR-Resonanz (H = 0.48 ppm) bei 11.7 ppm zu erkennen. Die Verschiebungswerte im 1H- und 13 C-NMR-Spektrum sowie das Integral mit einem Wert von drei (im 1H-NMR-Spektrum) geben starke Hinweise auf eine borgebundene Methylgruppe (vgl. H = 0.48 ppm für freies MeB(C6F5)3).[194]

*L4 = C5H4PMe2NDip.

ppm 2.50 2.00 1.50 1.00 0.50 0.00

2.72 2.70 2.68 2.66 2.63 2.10 2.06 1.40 1.36 1.30 1.27 1.24 1.23 1.22 1.21 0.92 0.89 0.48 0.10 0.09 0.07 0.01 -0.27

2.09 3.172.06 2.176.17 1.26 7.03 6.12 6.329.17 9.10

4 1

1 2 2

3A3B

3A/B

16 5A/6A 8A/8B 9 6B

5B

7 10

9 5B

6B

ppm1.4501.4001.3501.3001.2501.200

1.27 7.04 6.13

8A/8B

ppm0.150 0.100 0.050 0.000

6.32 9.17 9.10

ppm7.350 7.300 7.250 7.200 7.150 7.100 7.050

7.36 7.34 7.31 7.27 7.25 7.22 7.081.871.961.911.03

11/12 13/14

15 16

Abbildung 16: links oben: Aromatischer Bereich des 1H-NMR-Spektrums der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3];* rechts: aliphatischer Bereich des 1H-NMR-Spektrums der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]; (500.1 MHz, CD2Cl2).

In der Literatur ist darüber berichtet worden, dass Metallocen-Derivate [Cp2Zr(CH2SiMe3)2] mit BCF ein Kontaktionenpaar bilden können bei der kein Alkyl-Gruppentransfer stattgefunden hat, sondern nur eine schwache µ-verbrückende Wechselwirkung zwischen einer siliciumgebundenen Methylgruppe und dem Boratom stattfindet ([Cp2Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2)µ-Me-B(C6F5)3]).[195] Dies zeigt sich in diesem Fall eindrucksvoll darin, dass die beiden zirkoniumgebundenen Methylengruppen im 1H-NMR- und 13C-NMR-Spektrum isochron sind und für die siliciumgebundenen Methylgruppen der Neosilyleinheiten das Integralverhältnis 9:6:3 gefunden wird, wobei die Resonanz mit dem Integral 3 aufgrund der Wechselwirkung mit dem Boratom stark verbreitert ist. Im 1 H-NMR-Spektrum des Komplexes [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] werden für die siliciumgebundenen Methylgruppen zwischen 0.01-0.10 ppm insgesamt vier Signale gefunden (die Signale bei 0.09 und 0.10 ppm sind überlappt), die im Integralverhältnis 9:9:3:3 stehen. Auch für die Methylengruppen werden vier Signale detektiert, die in einem Integralverhältnis von 2:2:1:1 stehen: bei -0.27 ppm als Singulett mit dem Integral 2, bei 0.90 ppm als Dublett mit einer 2JHH-Kopplung von 10.7 Hz und einem Integral von 2, bei 1.28 ppm ein überlagertes Signal mit dem Integral 1 und schließlich bei 1.50 ppm ein Dublett mit einer 2JHH-Kopplung von 11.1 Hz und dem Integral 1. Im COSY-Spektrum zeigen sich dabei Kreuzsignale zwischen 0.90 ↔ 1.28 ppm und 0.90 ↔ 1.50 ppm. Die Resonanzpaare bei 0.9/1.28 ppm und 0.9/1.50 ppm können im 13C-NMR-Spektrum (Abbildung 17) via HMQC-Analyse den Signalen bei 80.6 und 81.9 ppm zugeordnet werden und sind damit eindeutig zwei zirkoniumgebundenen Methylengruppen mit diasterotopen Wasserstoffatomen zuzuordnen. Dem Singulett mit dem Integral 2 bei -0.27 ppm wird über das HMQC-Spektrum die 13C-NMR-Resonanz bei C = 7.0 ppm zugeordnet, womit es für eine zirkoniumgebundene Methylengruppe deutlich zu weit hochfeldverschoben wäre. Zudem wären für eine zirkoniumgebundene Methylengruppe zwei diasterotope Protonen zu erwarten.

*L4 = C5H4PMe2NDip.

ppm 83 67 50 33 17 0

86.7 85.3 81.9 80.6 28.9 26.5 26.4 25.0 14.3 13.5 7.0 3.4 3.2 2.3 1.4

TMS 1 2

3A 3B 7 4 9 8A

8B 10 LM

5 6

15

Abbildung 17: 13C-NMR-Spektrum (125.8 MHz, CD2Cl2) der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3) (CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]; links: der aromatische Bereich des 13C-NMR-Spektrums; rechts: der aliphatische Bereich des 13C-NMR-Spektrums.

Von HESSEN und Mitarbeitern[196] wurde bei der Umsetzung von

[(C5Me4(CH2)3O)Ti(CH2SiMe3)2] 18 (Schema 10) mit BCF darüber berichtet, dass am Siliciumatom LEWIS-säure-vermittelt eine nukleophile Substitution einer siliciumgebundenen Methylgruppe durch die Alkoxo-Funktion unter Bildung eines Tetrazyklus 19 stattgefunden hat.

Schema 10: Von HESSEN und Mitarbeitern beobachtete Produkte bei der Umsetzung eines Titan-Komplexes mit BCF.[196]

Der dabei gebildete Tetrazyklus 19 wird in THF durch intramolekularen nukleophilen Angriff der CH2SiMe3-Gruppe geöffnet, wobei eine CH2SiMe2CH2SiMe3-Einheit ausgebildet wird.

Die titangebundene CH2SiMe2CH2SiMe3-Gruppe zeigt in den 1H-NMR- und 13 C-NMR-Spektren charakteristische Aufspaltungen und Verschiebungen, die auch für das Reaktionsprodukt der Umsetzung von BCF mit [L4Zr(CH2SiMe3)3] gefunden werden (z. .

SiCH2Si: H = -0.44 ppm; C = 5.73 ppm für 19; vgl. H = -0.27 ppm; C = 7.00 ppm für [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]).[196] Die Rolle der Alkoxo-Gruppe könnte im Falle der CpPN-Komplexe die Phosphazeneinheit übernehmen. Dagegen sprechen allerdings drei Faktoren: 1) die kleinere Ladungsdichte am Stickstoffatom, 2) der hohe sterische Anspruch des stickstoffgebundenen Substituenten und 3) die deutlich höhere Oxophilie des Siliciums.[197]

Eine, zu der in Schema 10 dargestellten, vergleichbare Reaktion, wurde bei der Umsetzung eines -Diketiminato-Scandiumdineosilyls mit BCF beobachtet, nur dass in diesem Fall die Reaktion vermutlich durch die zweite Neosilylgruppe initiiert wurde.[198] Eine analoge Reaktion wäre für CpPN-Neosilyl-Komplexe ebenfalls denkbar (Schema 11). Für einen

ppm150.0 145.0 140.0 135.0 130.0 125.0 120.0 115.0

145.5 145.5 145.4 145.4 132.0 131.9 128.9 128.8 126.5 126.5 126.5 119.1 119.0 118.9 118.7 117.9 117.8 117.7 117.5

o-BCF' m/p-BCF'

16A/16B

17A/17B

19

18 11-14

ppm119.50119.00118.50118.00117.50117.00

o-BCF' m/p-BCF'

16A/16B

17A/17B

19

18 11-14

solchen Mechanismus spricht die dicht besetzte Koordinationssphäre um das Zirkoniumatom, die zum Einen eine Annäherung der BCF-Gruppe an das Methylen-Kohlenstoffatom erschwert und zum Anderen intramolekulare Reaktionen zwischen den Neosilylgruppen aufgrund der räumlichen Nähe begünstigt.[174]

Schema 11: Umsetzung von BCF mit [L4Zr(CH2SiMe3)3] und unerwartete Bildung von [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]; eine SN1-artige Reaktion ist aufgrund der intrinsischen Instabilität von Siliceniumionen auszuschließen;[199] üblicherweise werden für Silicium SN2-artige Reaktionen unter Bildung einer pentavalenten Zwischenstufe postuliert.[200]

Unter der Annahme, dass die Molekülstruktur der gebildeten Verbindung durch [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]* repräsentiert wird, lassen sich neben der Aufspaltung und den Integralen der siliciumgebundenen Methylengruppen auch die der Methylgruppen verstehen. In [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] sind die zwei SiMe3-Gruppen, 1 und 2, (siehe Abbildung 17) zueinander heterotop, während die zwei Methylgruppen 3A und 3B zueinander diastereotop sind, was die Aufspaltung in zwei Signale, sowohl im 1H-NMR- (H = 0.09/0.10 ppm) als auch im 13C-NMR-Spektrum (C = 3.2/3.4 ppm) erklärt. Die Diasterotopie ist dabei auf das chirale Zirkoniumzentrum zurückzuführen. Daraus resultierend werden auch fünf Signale für die CCp-Kohlenstoffatome im 13C-NMR-Spektrum erhalten. Die Isochronie der beiden Wasserstoffatome der zwischen den Siliciumatomen befindlichen Methylen-Einheit lässt sich plausibel damit erklären, dass die Anisochronie diastereotoper Protonen in der Regel eine Funktion des Abstandes zum chiralen Element ist.[201]

Das Strukturelement der CH2SiMe2CH2SiMe3-Gruppe kann letztlich durch das HMBC-Experiment evaluiert werden (Abbildung 18). Darin zeigt sich, dass die 13C-NMR-Resonanz für das Kohlenstoffatom der Methylengruppe 4, die zwischen den beiden Siliciumatomen angenommen wird, Kreuzsignale zu den 1H-NMR-Resonanzen der SiMe3-Gruppe 1 und zu den beiden diastereotopen Methylgruppen 3A und 3B aufweist. Zusätzlich wird ein Kreuzsignal für die 13C-NMR-Resonanz des zirkoniumgebundenen Methylenkohlenstoff-atoms 5 (an dem die Protonen 5A und 5B gebunden sind) zu den Protonen der Methylengruppe 4 gefunden, was eindeutig das Vorliegen einer Zr-CH2SiMe2CH2SiMe3 -Einheit anzeigt. Da im NOESY-Spektrum (Abbildung 19, links) zusätzlich ein Kreuzsignal zwischen den Resonanzen für die Protonen der beiden unterschiedlichen zirkoniumgebundenen Methylengruppen gefunden wird, kann die Konnektivität für den kationischen Teil der postulierten Molekülstruktur von [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] als verifiziert betrachtet werden.

*L4 = C5H4PMe2NDip.

ppm 2.50 2.00 1.50 1.00 0.50 0.00

0

25

50

75 ppm

4/3A 4/1

5/4 4/3B

7/15

9/8B9/8A

N

P Zr

SiMe3

Si

MeB(C6F5)3

SiMe3

+

16 1 2

3B 3A 5A/B 4 7 6A/B

8A 9 8B

9 11-14 15

10 17A

18 17B 16A

16B 19

Abbildung 18: HMBC-Spektrum der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] (das Kreuzsignal für die BMe-Gruppe wird erst bei einer stärkeren Vergrößerung sichtbar); die Kreuzsignale werden als 13C/1H-NMR-Resonanzpaare angegeben.

Von hoher Relevanz für potentielle katalytische Anwendungen ist aber vor allem die Kation-Anion-Wechselwirkung. Für kationische Komplexe der 4. Gruppe wird in Abwesenheit von koordinierenden Lösungsmitteln oder Reagenzien mit [MeB(C6F5)3]- als Gegenion in der Regel ein inner-sphere-Ionenpaar ausgebildet,[202] es sind aber auch Beispiele bekannt, in denen outer-sphere- [203] oder solvensgetrennte Ionenpaare[204] gefunden wurden. Bei einem Vergleich der chemischen Verschiebung der borgebundenen Methylgruppe mit derjenigen, die in der Literatur für das freie [MeB(C6F5)3]--Anion gefunden wird, zeigt sich ein hoher Grad an Übereinstimmung (Literatur:[205]H = 0.40 ppm, C = 9.58 ppm; gefunden:

H = 0.48 ppm, C = 10.3 ppm). Hinzu kommt, dass im NOESY-Spektrum für die borgebundene Methylgruppe kein Kreuzsignal detektiert werden kann (Abbildung 19, links).

Maßgebend ist allerdings die Auswertung des 19F-NMR-Spektrums (Abbildung 19, rechts).

Es ist allgemein anerkannt, dass für Anionen des Typs [RB(C6F5)3]- (mit R = Me, CH2Ph) die Differenz der Resonanzen für die meta- und para-Fluoratome im 19F-NMR-Spektrum als entscheidende Größe für Ionenpaar-Interaktionen zu einem metallorganischen Kation dienen kann.[206] Eine zunehmende Elektronendichte am Boratom resultiert in einem Hochfeldshift der Resonanz für das p-Fluoratom, so dass für Differenzen m-,p-F) < 3 ppm das Vorliegen eines outer-sphere-Ionenpaars angenommen werden kann.[207] Das 19F-NMR-Spektrum der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]* ist in Abbildung 19 dargestellt. Die Differenz der chemischen Verschiebungen der Resonanzen beträgt

m-,p-F) = 2.6 ppm, womit ein eindeutiger Nachweis für ein getrenntes Ionenpaar vorliegt.

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip.

ppm -120 -130 -140 -150 -160 -170 -180

-132.9 -133.0 -165.0 -165.0 -165.1 -167.6 -167.6 -167.7

o-F

p-F m-F

Abbildung 19: links: Ausschnitt aus dem NOESY-Spektrum der Verbindung

[L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]; rechts: Ausschnitt aus dem 19F-NMR-Spektrum (282.4 MHz, CD2Cl2) der Verbindung [L4Zr(CH2SiMe3) (CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3].

Da die bisherige Diskussion auf die Strukturaufklärung von [L4Zr(CH2SiMe3) (CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] hinsichtlich Konnektivität und Anion-Kation-Separierung fokussiert war, wurde ein anderer Aspekt bis hierhin zurückgestellt, der das Kopplungsmuster der iso-Propyl-Gruppen des Dip-Restes tangiert. Durch die C1 -symmetrische Molekülstruktur sollten für die Methylgruppen der iso-Propyl-Einheiten im Dip-Fragment zwei Signale erhalten werden, entsprechend zweier Paare diastereotoper Methylgruppen. De facto werden aber drei Dubletts im Integralverhältnis 3:3:6 (8A:8B:9) erhalten (H = 1.21 (8A), 1.22 (8B), 1.28 (9) ppm, siehe Abbildung 16). Ebenso werden im

13C-NMR-Spektrum drei Signale gefunden (C = 25.1 (9), 26.4 (8A), 26.5 (8B) ppm, siehe Abbildung 17, rechts). Im HMBC-Spektrum (Abbildung 18) sind Kreuzsignale für 9/8B und 9/8A zu detektieren, die zeigen, dass die beiden isochronen Methylgruppen nicht an einem Kohlenstoffatom gebunden sind, sondern auf verschiedenen Seiten des aromatischen Rings positioniert sein müssen. Dies bedeutet, dass die beiden Methylgruppen in den zwei iso-Propyleinheiten untereinander chemisch nicht äquivalent sind, was aufgrund ihrer diastereotopen Beziehung so zu erwarten war. Die zusätzliche beobachtete Signalaufspaltung in die Resonanzen 8A und 8B kann auf die gehinderte Rotation um die N-CAr-Bindung des Dip-Restes zurückgeführt werden. Ein Befund, der in zahlreichen Publikationen[208] und auch für CpPN-Komplexe der Seltenerdmetalle und des Aluminiums gefunden wurde.[117,118]

Bei den Umsetzungen von [L1Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] mit BCF wurden als Reaktionsprodukte ebenfalls Verbindungen des gleichen Typs gefunden (Abbildung 20). Dies geht eindeutig aus den NMR-spektroskopischen Daten hervor (Tabelle 13). Für die Verbindungen [L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3] wird abweichend von dem spektroskopischen Befund für den Komplex [L4Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3] [MeB(C6F5)3] bereits bei RT für die Me3SiCHAHBSiMe2-Protonen anisochrones Verhalten beobachtet (H = -0.22/-0.16 ppm für [L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]) und H = -0.27/-0.20 ppm für [L2Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3])). Für die diasterotopen Methylen-Protonen an den zirkoniumgebundenen Kohlenstoffatomen werden vier Signale gefunden (H = 1.05/1.55 und 1.01/1.50 ppm ([L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3]) sowie H = 0.44/0.65 und

ppm1.50 1.40 1.30 1.20 1.10 1.00 0.90 0.80 1.00

1.50

ppm

[Zr] SiMe3 SiMe2CH2SiMe3

0.36/0.55 ppm ([L2Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)][MeB(C6F5)3])). Die Verschiebungswerte für die Methylgruppe am Boratom sind in allen drei Komplexen nahezu gleich (H = 0.47-0.48 ppm/C = 10.3-10.5 ppm), was zusammen mit den kleinen (m-,p-F)-Werten von 2.5-2.6 ppm in allen Fällen eindeutig für das Vorliegen von outer-sphere-Ionenpaaren spricht.

Abbildung 20: Reaktionsprodukte der Umsetzungen der CpPN-Neosilyl-Komplexe mit BCF.

Tabelle 13: 31P-NMR-(121.5 MHz), 11B-NMR-(128.4 MHz), 19F-NMR-(282.4 MHz), 1H-NMR-(500.1 MHz) und 13C-NMR-Verschiebungen (125.8 MHz) der Komplexe [LXZr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)]

[MeB(C6F5)3])* mit X = 1, 4, 2 in ppm (LM: CD2Cl2).

X = 1 4 2

31P-NMR 27.4 27.4 21.4

11B-NMR -17.6 -15.1 -15.1

19F-NMR -133.2/-165.5/-168.0 -133.0/-165.0/-167.6 -132.9/-165.1/-167.7

(m-,p-F) 2.5 2.6 2.6

1H-NMR

Me3SiCHHSiMe2 -0.22/-0.16 -0.27 -0.27/0.20

CH2Si(MeMe)CH2SiMe3 0.17/0.18 0.09/0.10 0.09/0.12

CHHSiMe2CH2SiMe3 1.05/1.55 1.04/1.50 0.44/0.65

CHHSiMe3 1.01/1.50 1.28/1.50 0.36/0.55

Me2CH 0.01/1.1425 1.21/1.22/1.28 /

MeB 0.47 0.48 0.48

PMe2 2.08 2.21

HCp 7.11/7.26 7.08/7.22

13C-NMR

CH2Si(MeMe)CH2SiMe3 3.2/3.3 3.3/3.4 3.7/3.8

Me3SiCH2SiMe2 7.0 7.0 7.7

MeB 10.5 10.3 10.3

PMeMe 13.8 21.5/21.6

CH2SiMe3 78.7 80.6 69.2

CH2SiMe2CH2SiMe3 79.2 81.9 69.4

ipso-CCp 87.9 86.0 76.1

CCp 119.5/119.8/

120.1/121.1

117.6/117.8/

118.8/119.1

128.5/128.6/

129.6/129.7

25= Lage des Resonanzen bei -80°C; bei RT waren die betreffenden Signale zu stark verbreitert, um genau lokalisiert zu werden.

* L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip.

Interessanterweise wurde für den Komplex [L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)]

[MeB(C6F5)3] im NOESY-Spektrum ein Kreuzsignal für die BMe-Gruppe mit dem p-Dip-Proton gefunden, was deutliche Hinweise dafür liefert, dass kein solvensgetrenntes Ionenpaar vorliegt.

Beim Vergleich der kationischen zu den entsprechenden neutralen CpPN-Neosilyl-Komplexen fällt im 1H-NMR-Spektrum auf, dass die PMe2-Protonen (Komplexe mit L4:

0.98 ppm  2.08 ppm; Komplexe mit L2: 1.29 ppm  2.21 ppm) und die HCp-Protonen (Komplexe mit L4: 6.42/6.66 ppm  7.11/7.26 ppm; Komplexe mit L2: 6.41/6.67 ppm  7.08/7.22 ppm) signifikant zu tieferem Feld verschoben sind, während im 13 C-NMR-Spektrum dieser Effekt für die zirkoniumgebundenen Methylen- (Komplexe mit L1: 66.6  78.7 ppm; Komplexe mit L4: 61.5 ppm  80.6 ppm; Komplexe mit L2: 60.9  69.2 ppm und die CCp-Kohlenstoffatome (Komplexe mit L1: 114.7/115.5 ppm  119.5-121.1 ppm;

Komplexe mit L4: 100.0/118.7 ppm  117.6-119.1 ppm; Komplexe mit L2: 121.8/126.4  128.5-129.7 ppm) besonders ausgeprägt ist. Die Kationisierung hat also erwartungsgemäß in den 1H- und 13C-NMR-Spektren den größten Einfluss auf die Verschiebungen der Haftatome bzw. der an den Haftatomen gebundenen Protonen sowie der Substituenten am Phosphoratom. Letzteres ist eine Folge der hohen positiven Partialladung am Phosphoratom.

Bereits bei den DFT-Rechnungen von BOURISSOU und Mitarbeitern wurden in monokationischen CpPN-Komplexen am Phosphoratom höhere positive NBO-Ladungen gefunden als am Zirkoniumatom.[111] Dass die positive Partialladung am Phosphoratom insbesondere zu einem signifikanten Tieffeldshift der -gebundenen Protonen führt, zeigt den Stellenwert der hyperkonjugativen Stabilisierung.[209]

Im 1H-NMR-Spektrum der Verbindung [L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)]

[MeB(C6F5)3]) wurden sehr stark verbreiterte Resonanzen ohne erkennbare Feinstruktur für die MeAMeBCH-Protonen bei H = 0.29 und 1.00 ppm gefunden. Eine Kuriosität zeigt sich für die Verschiebungsdifferenz der beiden Resonanzen der MeAMeBCH-Protonen, die bei RT mit

 = 0.85 ppm extrem groß ist. Ähnliche Verschiebungsdifferenzen bei gleichzeitiger starker Signalverbreiterung wurden von PETROV für den Komplex [L1Sc(CH2SiMe3)2] gefunden.[117b]

In der Literatur wurde für die Verbindung P(Dip)3 bei RT ebenfalls von einer sehr großen Verschiebungsdifferenz ( = 0.46 ppm) berichtet.[208b] Dieses Phänomen wird von BOERÉ

und BOND als sogenannter „Paraphan-Effekt“ bezeichnet und ist auf die anisotrope Abschirmung von Protonen zurückzuführen, die Kontakt zur Oberfläche eines aromatischen Ringstroms haben. Bereits in der Kristallstruktur der neutralen Neosilyl-Spezies [L1Zr(CH2SiMe3)3] wurden relativ starke intramolekulare „edge-to-face“-CH, -Wechselwirkungen zwischen den beiden Phenyl-Ringen und jeweils einer Methylgruppe auf verschiedenen Seiten des Dip-Restes gefunden (Kapitel 4.1.3). Im NOESY-Spektrum wird im Einklang mit solchen fixierten Wechselwirkungen nur ein Kreuzsignal für die hochfeldverschobene 1H-NMR-Resonanz bei 1.00 ppm mit den o-Phenyl-Protonen gefunden.

Dies untermauert das Bild von jeweils zwei Phenylringen die sich senkrecht oberhalb je einer iso-Propyl-Gruppe befinden und mit jeweils einer Methylgruppe MeDip in „edge-to-face“-CH,-Anordnung derart stark wechselwirken, dass die Rotationen um die beiden CiPr-CAr -Bindungen gehemmt sind. Auf der NMR-Zeitskala eingeschränkte Rotationen um C(sp2 )-C(sp3)-Bindungen sind eher selten[210] und auf Verbindungen mit sehr hohem sterischen

Anspruch beschränkt.[211] Besonders häufig werden solche gehinderten Rotationsprozesse für ortho-disubstituierte Arylverbindungen gefunden, wobei in der Literatur auch einige Beispiele von Verbindungen aufgeführt sind, in denen Dip-Gruppen eine gehinderte Rotation um die CiPr-CAr-Bindung aufweisen.[212] Der Komplex [L1Zr(CH2SiMe3)(CH2SiMe2CH2SiMe3)]

[MeB(C6F5)3] besitzt mit einem monokationischen Zentrum wahrscheinlich über eine relativ kurze N-Zr-Bindung. Zusammen mit dem erhöhten sterischen Anspruch in der Peripherie des Zentralmetalls, der vor allem durch die CH2SiMe2CH2SiMe3-Gruppe induziert wird und der zusätzlichen „edge-to-face“-Wechselwirkungen zwischen den Phenyl-Ringen und den Methylgruppe des Dip-Restes, wären formale Bedingungen für eine erhöhte Rotationsbarriere um die CiPr-CAr-Bindungsachse erfüllt.

5.1.2 Reaktionen von CpPN-Neosilyl-Komplexen mit