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8 Moleküldynamik in Lösung

8.1 Koordinations-Dissoziationsgleichgewichte

353 K 373 K

313 K 293 K 253 K

273 K

193 K 233 K

183 K

ppm12.5 10.0 7.5 5.0 2.5 0.0 -2.5 -5.0 -7.5 -10.0 -12.5

Temperatur deutlich breiter und zum Anderen verändert sich die chemische Verschiebung der Resonanz mit sinkender Temperatur signifikant zu tieferen Feld.

Abbildung 31: 31P-NMR-Spektren der Verbindung [L5Zr(CH2SiMe3)3] bei verschiedenen Temperaturen (d8-Toluol, 202.3 MHz).

Der Komplex [L5Zr(CH2SiMe3)3] zeigt bei niedrigen Temperaturen im 31P-NMR-Spektrum im Vergleich zu den anderen Komplexen den größten Verbreiterungseffekt (zu Abbildung 31 analoge Darstellungen der 31P-NMR-Spektren bei verschiedenen Temperaturen für die Komplexe [L1Zr(CH2SiMe3)3] und [L4Zr(CH2SiMe3)3] finden sich in der eigenen Diplomarbeit). Für [L1Zr(CH2SiMe3)3] wird ebenfalls eine signifikante Signalverbreiterung beobachtet, während die Verbreiterung der Signale für die Komplexe mit Methylgruppen am Phosphoratom marginal ist. In Tabelle 19 finden sich die individuell angepassten Temperaturbereiche für die VT-Messungen der verschiedenen CpPN-Zirkonium-Alkyle (abhängig von der Löslichkeit und Stabilität des jeweiligen Komplexes), die Verschiebungen bei der höchsten Temperatur (max) und der niedrigsten Temperatur (min) sowie die zugehörigen Verschiebungsdifferenzen (max-min). Wie aus der Tabelle 19 hervorgeht, zeigen alle untersuchten Komplexe eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung im 31P-NMR-Spektrum, die von  (T) = 14.0 bis 30.6 ppm reicht.

Tabelle 19: Chemische Verschiebungen der verschiedenen Komplexe bei Tmax und Tmin sowie maximale Verschiebungsdifferenz (max-min).*

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

Komplex Temperaturbereich / K max / ppm min / ppm (max-min) / ppm

[L1Zr(CH2SiMe3)3] 193-323 -13.5 11.4 24.9

[L4Zr(CH2SiMe3)3] 190-340 -0.8 17.7 18.5

[L2Zr(CH2SiMe3)3] 190-345 -3.8 10.2 14.0

[L7Zr(CH2SiMe3)3] 183-373 -6.6 10.2 16.8

[L5Zr(CH2SiMe3)3] 183-373 -13.7 12.6 26.3

[L6Zr(CH2SiMe3)3] 183-373 -12.4 18.2 30.6

180 200 220 240 260 280 300 320 340 360 -16

-14 -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

/ ppm

T / K

[L2Zr(NMe2)3 [L1Zr(CH2SiMe3)3 [L2Zr(CH2SiMe3)3 [L4Zr(CH2SiMe3)3 [L1Zr(NMe2)3 [L4Zr(NMe2)3

160 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360 380 -16

-14 -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

T / K

/ ppm

[L1Zr(CH2SiMe3)3 [L2Zr(CH2SiMe3)3 [L4Zr(CH2SiMe3)3 [L5Zr(CH2SiMe3)3 [L6Zr(CH2SiMe3)3 [L7Zr(CH2SiMe3)3

Dabei werden alle Resonanzen mit sinkender Temperatur signifikant tieffeldverschoben. In Abbildung 32 (links) sind die chemischen Verschiebungen der Resonanzen im 31 P-NMR-Spektrum in Abhängigkeit von der Temperatur und dem betreffenden Komplex graphisch aufgetragen.

Abbildung 32: links: Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung der Neosilyl-Spezies im 31 P-NMR-Spektrum (d8-Toluol, 202.3 MHz); rechts: Vergleich der Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung der Neosilyl-CpPN-Komplexe der Liganden L1, L2 und L4 mit den jeweiligen CpPN-Amido-Komplexen.

Die Kurvenverläufe sind alle näherungsweise sigmoidal, wobei die durchlaufenen Verschiebungsdifferenzen über den jeweils gemessenen Temperaturbereich für die Komplexe mit Phenylgruppen am Phosphoratom deutlicher ausgeprägter sind als für die methylsubstituierten Derivate. Der Temperaturkoeffizent d/dT ist im mittleren Temperaturbereich am größten. Bei niedrigen und hohen Temperaturen wird der Temperaturkoeffizient deutlich kleiner und die Kurven scheinen asymptotisch gegen einen Grenzwert zu laufen, der bei hohen Temperaturen bei einer chemischen Verschiebung von

< 10 ppm und bei niedrigen Temperaturen bei einem Grenzwert > 10 ppm zu liegen scheint.

Diese Grenzwerte liegen für niedrige Temperaturen, in dem Bereich, der für chelatartig koordinierte, nichtparamagnetische CpPN-Seltenerdmetall-Komplexe gefunden wird ( ≈  ppm).[108] Hingegen liegen die Grenzwerte bei hohen Temperaturen im Verschiebungsbereich von freien Iminophosphoranen.[258] Die großen Verschiebungs-Inkremente in Abhängigkeit von der Temperatur lassen sich durch die Annahme eines dynamischen Isomerengleichgewichts, welches schnell auf der NMR-Zeitskala ist, plausibel deuten. Mit den CpPN-Amido-Spezies, die in Abhängigkeit vom Liganden entweder chelatartig koordiniert sind ([1:1-L2Zr(NMe2)3]),* oder als offene Halbsandwich-Komplexe vorliegen ([5-LXZr(NMe2)3] mit X = 1, 4) stehen auch Referenzverbindungen auf Zirkoniumbasis zur Verfügung. Die genannten Koordinationsmodi für die Amido-Spezies wurden sowohl im Festkörper als auch in Lösung nachgewiesen (siehe Kapitel 6). Um zu überprüfen, ob die Amido-Spezies auch in einem breiten Temperaturbereich ihren Koordinationsmodus beibehalten und somit gute Vergleichswerte für die CpPN-Alkyl-Spezies zu erhalten, wurden VT-31P-NMR-Spektren der CpPN-Amido-Spezies [LXZr(NMe2)3] mit X = 1, 2 und 4 im Temperaturbereich zwischen 195-350 K aufgenommen. Die Ergebnisse sind in Abbildung 32 (rechts) zusammen mit den Messwerten

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

180 200 220 240 260 280 300 320 340 -16

-14 -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24

[L2Zr(NMe2)3] [L2(Zr(CH2SiMe3)3] [L2ZrCl3]

[L2(Zr(CH2SiMe3)3]/BCF

/ ppm

T / K

160 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360

-12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

[L4Zr(CH2Ph)3 [L4Zr(CH2SiMe3)2Cl]

[L4Zr(CH2SiMe3)3]

/ ppm

T / K

der betreffenden Alkyl-Spezies mit den Liganden L1, L2 und L4 (rot) graphisch aufgetragen.

Die Einträge der Amido-Komplexe mit den Liganden L1 und L2 zeigen eine geringe Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung der 31P-NMR-Resonanzen:

 = 2.9 ppm ([L1Zr(NMe2)3]) und 1.8 ppm in ([L2Zr(NMe2)3]). Nur die Verschiebungs-differenz für die Amido-Spezies mit dem Liganden L4 ist etwas größer als es für normale temperaturabhängige Shifts im 31P-NMR-Spektrum üblicherweise erwartet wird:

 = 6.7 ppm ([L4Zr(NMe2)3]).[259] Dieser experimentelle Befund könnte ebenfalls auf eine dynamische Isomerisierung unter Veränderung des Koordinationsmodus des CpPN-Liganden hindeuten. Auch eine ausgeprägte, temperaturabhängige Veränderung der Konformeren-populationen um die formale P=N-Bindung könnte einen kleinen Beitrag zur Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung beisteuern.[260] Wie aus der Abbildung 32 (rechts) hervorgeht liegt das Verschiebungsintervall der CpPN-Alkyl-Derivate genau zwischen den Grenzwerten, die bei niedrigen Temperaturen durch die Einträge des geschlossenen 1:1-Amido-Komplexes (L2, grün) und bei hohen Temperaturen durch die Einträge für die nicht-chelatisierten Amido-Komplexe L1 und L4 begrenzt werden (blau).

Um auch Vergleichswerte für CpPN-Komplexe zu haben, in denen der CpPN-Ligand 5:1 an das Metallzentrum gebunden ist, wurden zudem VT-31P-NMR-Messungen in einem Temperaturbereich zwischen ca. 190-310 K (in CD2Cl2) für die Komplexe [L2ZrCl3] (blau) und [L2Zr(CH2SiMe3)3]/BCF (cyan) durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 33 (links) graphisch aufgetragen und den Einträgen der neutralen Alkyl- (rot) und Amido-Spezies (schwarz) mit dem Liganden L2 gegenübergestellt. Der Chlorido-Komplex und die kationische Spezies zeigen erwartungsgemäß nur eine geringe Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung ( = 1.6 ppm für den Chlorido-Komplexes und 0ppm für diekationische Spezies). Dabei handelt es sich um gängige temperaturabhängige Shifts.[259]

Im Kontrast dazu steht die bereits erwähnte Veränderung der chemischen Verschiebung der Alkyl-Spezies mit dem Liganden L2* ( = 14.0 ppm).

Abbildung 33: links: Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung P der Signale der Alkyl-, Amido-, Chlorido- und kationischen Spezies mit dem Liganden L2 (d8-Toluol für Amido- und Alkylspezies, CD2Cl2 für Chlorido- und kationische Spezies, 202.3 MHz); rechts: Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung

P der Signale der Benzyl-, Neosilyl- und Monochlorido(bis)neosilyl-Spezies mit dem Liganden L4 (d8-Toluol, 202.3 MHz).

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

Um die Reihe zu komplettieren und den Grenzbereich für die Verschiebungswerte von geschlossenen CpPN-Alkyl-Spezies noch besser eingrenzen zu können, wurden auch Benzyl- und Monochloridodineosilyl-Spezies VT-31P-NMR-spektroskopisch untersucht. Da das Zirkoniumzentrum in diesen Komplexen ebenfalls von recht sperrigen Substituenten mit recht guten -Donoreigenschaften flankiert ist, war es interessant der Frage nachzugehen, ob diese Komplexe selbst an dynamischen Prozessen unter Veränderung der Koordinationsmodi beteiligt sind. Da die Benzyl-Spezies mit dem Liganden L2 synthetisch nicht zugänglich war, wurde hier der Vergleich anhand von Verbindungen mit dem Liganden L4 durchgeführt (Abbildung 33, rechts). Die graphische Auftragung der aus den temperaturabhängigen

31P-NMR-Messungen erhaltenen chemischen Verschiebungen im Temperaturbereich zwischen ca. 190-350 K zeigt, dass die Benzyl- (schwarze Einträge) und Monochlorido-dineosilyl-Spezies (rote Einträge) keine vergleichbare Dynamik wie die Trineosilyle zeigen ( = 1.7 ppm für die Benzylspezies und 0 ppm für die Monochlorido(bis)neosilyl-Spezies).

Beide Komplexe scheinen somit über ein ausreichend LEWIS-acides Metallzentrum zu verfügen, um die Öffnung der Zr-N-Bindung zu unterbinden. Im Falle der Monochloridodineosilyle ist dies eine klare Folge des relativ kleinen und elektronegativen Chloratoms, wohingegen die Tribenzyle davon profitieren, dass der Benzyl- im Vergleich zum Neosilyl-Substituenten sterisch weniger anspruchsvoll ist und eine höhere Gruppenelektronegativität besitzt.

Als Resultat der VT-31P-NMR-Messungen lässt sich festhalten, dass nur die CpPN-Zirkonium-Derivate mit drei Neosilyl-Substituenten eine starke Temperaturabhängigkeit der chemischen Verschiebung zeigen. Paramagnetische Eigenschaften der vermessenen Zirkonium-Komplexe konnten bereits in der eigenen Diplomarbeit als Ursache für die starke Temperaturabhängigkeit der 31P-NMR-Resonanzen ausgeschlossen werden, da bei magnetischen Suszeptibilitätmessungen nur ein äußerst geringer Paramagnetismus, vergleichbar mit der von gängigen diamagnetischen Lösungsmitteln, gefunden wurde.[118]

Diese großen Verschiebungs-Inkremente in Abhängigkeit von der Temperatur lassen sich gut durch die Annahme eines auf der NMR-Zeitskala schnellen Koordinations-Dissoziationsgleichgewichtes des verlinkten Phosphazen-Donors verstehen. Der temperaturabhängige Shift im 31P-NMR-Spektrum basiert demnach darauf, dass die Koaleszenztemperatur für das Gleichgewicht der offenen (KZ = 6 für das Zirkoniumatom) mit der geschlossenen Form (KZ = 7 für das Zirkoniumatom) unterhalb des Messbereichs (< 183 K) liegt. Aus diesem Grund werden nur gemittelte Signale erhalten, welche in Abhängigkeit von der Lage des chemischen Gleichgewichts, ihre chemische Verschiebung verändern. Der teilweise S-förmige Kurvenverlauf ergibt sich dadurch, dass bei bestimmten Temperaturen das Gleichgewicht fast ausschließlich auf einer Seite liegt und sich dadurch der Graph einem Grenzwert der Verschiebung annähert. Während intermolekulare Reaktionen[261]

und bestimmte Konformerengleichgewichte[262] bei RT auf der NMR-Zeitskala oft gut aufgelöst werden können, wäre es möglich, dass der intramolekulare Charakter des Gleichgewichts eine schnelle Gleichgewichtseinstellung bewirkt und die niedrige Koaleszenztemperatur begründet. Ähnliche Kurvenverläufe werden bei der dynamischen E/Z-Isomerisierung von Aminoiminophosphinen erhalten.[263] Ein starker temperaturabhängiger NMR-Shift im 31P-NMR-Spektrum sowie die Abweichung von linearen Kurvenverläufen werden hier als Indikatoren für ein dynamisches Isomerengleichgewicht aufgeführt. In

Abbildung 34 sind die Resultate nochmals zusammenfassend in anschaulicher Form dargestellt.

Abbildung 34: Zusammenfassende graphische Darstellung der Verschiebungsbereiche der verschiedenen Klassen von CpPN-Komplexen sowie der einzelnen CpPN-Alkyle bei RT; grau unterlegt ist der dynamische Bereich, in dem je nach Gleichgewichtslage verschiedene Anteile der offenen Halbsandwich- oder CGC-Alkyl- Spezies vorliegen; der Komplex [L10Zr(CH2SiMe3)3] wurde nicht VT-31P-NMR-spektroskopisch untersucht, da die Verbindung nicht hochrein erhalten werden konnte.

Die CpPN-Zirkonium-Alkyle zeigen bei RT chemische Verschiebungen im Bereich zwischen ca. -13 bis +11 ppm und werden zu hohem Feld durch die Halbsandwich-Komplexe ohne Koordination der Phosphazen-Einheit sowie bei tiefem Feld durch CpPN-CGCs (Benzyl- und Monochloridodineosily-Komplexe sowie der 1:1-koordinierten Amido-Spezies mit dem Liganden L2*) eingegrenzt. Sie zeigen eine stark temperaturabhängige chemische Verschiebung, die je nach Ligand im Bereich zwischen -13 und +18 ppm variiert. Bei der Annäherung an die Grenzbereiche der P-Werte für Halbsandwich-Komplexe bzw. CGCs ist davon auszugehen, dass die Gleichgewichtslage sehr stark auf der jeweiligen Seite liegt, was durch das Abknicken der sigmoidalen Kurven in Abbildung 32 (links) bestätigt wird. Aus Abbildung 34 wird klar ersichtlich, dass die chemischen Verschiebungswerte im 31 P-NMR-Spektrum ein gut geeignetes Kriterium darstellen, um Aussagen über die Koordination der Phosphazen-Donoreinheit von CpPN-Liganden zu machen.

* L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

1

H S

RT R

close open

H S

RT R

e e

e e

 

  

 

Auf Basis der in Schema 22 dargestellten Gleichgewichtsreaktion ist es möglich bei Kenntnis der mittleren chemischen Verschiebung bei gegebener Temperatur und der Verschiebungsgrenzwerte für die offene (5-koordinierte) bzw. geschlossene (5:1 -koordinierte) Spezies, welche durch Extrapolation der sigmoidalen Kurvenverläufe (p = F(T)) angenähert werden können, die Standardreaktionsenthalpie und -Entropie für diesen dynamischen Isomerisierungsprozess zu berechnen.[264]

( = chemische Verschiebung bei der Temperatur T, R = universelle Gaskonstante, open = chemische Verschiebung der offenen Spezies, close = chemische Verschiebung der geschlossenen Spezies).

Es wurde eine nichtlineare Regressionsanalyse[265] durchgeführt, bei der die chemischen Verschiebungen in Abhängigkeit von der Temperatur als Datensatz und die physikalischen Größen open, close, H und S als „Fitparameter“ verwendet wurden. In Abbildung 35 sind zwei Beispiele für die nichtlineare Regressionsanalyse dargestellt (links: Ausgleichsfunktion für den Datensatz von [L4Zr(CH2SiMe3)3];* rechts: Ausgleichsfunktion für den Datensatz von [L7Zr(CH2SiMe3)3]).

Abbildung 35 : links: nichtlineare Regressionsanalyse für [L4Zr(CH2SiMe3)3]; rechts: nichtlineare Regressionsanalyse für [L7Zr(CH2SiMe3)3].

Die erhaltenen Ergebnisse für die berechneten thermodynamischen Parameter sind der Tabelle 20 zu entnehmen. Für alle untersuchten CpPN-Neosilyl-Komplexe ist der geschlossene CGC enthalpisch begünstigt (H = 15.8 bis 29.2 kJ/mol), während der Halbsandwich-Komplex ohne Koordination des verlinkten Phosphazen-Donors entropisch bevorzugt ist. Die Werte für die freien Enthalpien G = -5.9 bis 4.4 kJ/mol zeigen, dass die Präferenz für oder wider einer Koordination des Phosphazens nur gering ausgeprägt ist und stehen im Einklang mit einer zu niedrigen Aktivierungsbarriere, um diesen Prozess auf der NMR-Zeitskala aufzulösen.

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

150 200 250 300 350 400

-8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12

/ ppm

T / K 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360

0 5 10 15 20

/ ppm

T / K

Tabelle 20: Thermodynamische Parameter des dynamischen Koordinations-Dissoziationsgleichgewichtes des verlinkten Phosphazen-Donors (von der geschlossenen zur offenen Konfiguration).

Verbindung open close H / kJ/mol S / J/molK G / kJ/mola

[L1Zr(CH2SiMe3)3] -15.4 ± 1.7 11.2 ± 0.9 29.2 ± 8.8 116.1 ± 35.5 -5.4 ± 19.4 [L4Zr(CH2SiMe3)3] -17.2 ± 1.8 10.3 ± 0.1 17.4 ± 0.8 50.9 ± 8.3 2.2 ± 3.3 [L2Zr(CH2SiMe3)3] -8.9 ± 5.2 17.3 ± 0.5 28.1 ± 7.9 89.6 ± 28.5 1.4 ± 16.3 [L7Zr(CH2SiMe3)3] -21.2 ± 3.6 10.2± 0.1 18.2 ± 1.4 50.0 ± 5.8 3.3 ± 3.1 [L5Zr(CH2SiMe3)3] -14.4 ± 0.2 17.9 ± 0.8 15.8 ± 0.8 72.3 ± 3.2 -5.9 ± 1.8 [L6Zr(CH2SiMe3)3] -15.8 ± 0.2 18.4 ± 0.1 21.2 ± 0.4 74.9 ± 1.5 -1.1 ± 0.9 Als Fehler sind die Standardabweichungen der nichtlinearen Regressionsanalyse bzw. die daraus durch Fehlerfortpflanzung berechneten Werte angegeben. G wurde aus H und S bei 298 K berechnet.

Tendenziell ergibt sich in Abhängigkeit vom Ligandenregime die folgende Reihenfolge in Richtung bevorzugter Bildung des entsprechenden CGCs:

Abbildung 36: Abhängigkeit des Koordinations-Dissoziationsgleichgewichtes vom Ligandenregime (angegeben sind die G-Werte für das Gleichgewicht in Schema 22; Berechnung siehe Tabelle 20).

Für die Komplexe [L1Zr(CH2SiMe3)3],* [L5Zr(CH2SiMe3)3] und [L6Zr(CH2SiMe3)3] ist der offene Halbsandwich-Komplex bei RT geringfügig bevorzugt, hingegen für die Komplexe [L2Zr(CH2SiMe3)3], [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L7Zr(CH2SiMe3)3] der entsprechende CGC.

Es zeigt sich demnach, dass die Substituenten am Phosphoratom eine wesentliche Rolle bei der Bevorzugung eines der beiden Strukturmotive spielen, wobei mit zunehmendem Elektronendonorvermögen in der Reihe Ph < Me die Bildung von CGCs begünstigt wird. Die beiden Komplexe mit Phenylgruppen am Phosphoratom ([L1Zr(CH2SiMe3)3] und [L5Zr(CH2SiMe3)3]) zeigen mit Abstand die größte Präferenz für die offene Halbsandwich-Form. Die im Vergleich zu den anderen Komplexen erhaltenen relativ hohen Aktivierungsbarrieren erklären auch, warum bei den Komplexen [L1Zr(CH2SiMe3)3] und [L5Zr(CH2SiMe3)3], im Gegensatz zu den anderen Komplexen, bereits eine signifikante Bandenverbreiterung der Resonanzen bei niedrigen Temperaturen zu beobachten war.

Werden nur die Komplexe mit Dip-Substituenten am Stickstoffatom verglichen, dann lässt sich der deutliche Trend erkennen, dass die Bildung des CGCs in der Reihe [L5Zr(CH2SiMe3)3] < [L1Zr(CH2SiMe3)3] < [L6Zr(CH2SiMe3)3] < [L4Zr(CH2SiMe3)3] mit abnehmendem Donorvermögen des Cp-Rings CptBu < C5H4 zunimmt. Je geringer das

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

Donorvermögen des Cp-Rings ist, desto LEWIS-acider ist das entsprechende Zirkoniumzentrum, was in einer höheren Affinität zum Phosphazen-Stickstoffatom resultiert.

Für die Komplexe [L2Zr(CH2SiMe3)3]* und [L7Zr(CH2SiMe3)3] wird dennoch bevorzugt der CGC gebildet, da die Ad- bzw. tBu-Substituenten am Stickstoffatom dessen Elektronendonorvermögen deutlich erhöhen.

Neben VT-31P-NMR-Messungen wurden für die Komplexe [L1Zr(CH2SiMe3)3], [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] auch VT-1H-NMR-Messungen im Bereich zwischen 195-350 K durchgeführt.[118] Erwartungsgemäß wurde in den 1H-NMR-Spektren weder eine Signal-Dekoaleszenz erreicht noch wurden bandenverbreiternde Effekte beobachtet. Da der Verschiebungsbereich bei der 1H-NMR-Spektroskopie im Vergleich zur

31P-NMR-Spektroskopie viel kleiner ist, wurden auch keine signifikanten Shifts der Resonanzen beobachtet. Unter der Prämisse, dass für nichtacide Protonen temperaturabhängige Verschiebungen im 1H-NMR-Spektrum bis zu etwa 0.2 ppm/100°C als üblich zu bezeichnen sind,[266] wurden nur für die PMe2-Gruppen der Komplexe [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] signifikante Verschiebungs-differenzen gefunden (0.81 ppm für [L4Zr(CH2SiMe3)3] (Temperaturintervall von 200-340 K) und 0.57 ppm für [L2Zr(CH2SiMe3)3] (Temperaturintervall von 210-350 K). Um diese Shifts besser einordnen und vergleichen zu können, wurden zudem VT-1H-NMR-Messungen mit den zu [L1Zr(CH2SiMe3)3], [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] analog aufgebauten Amido-Spezies durchgeführt.[118] Auch bei diesen Komplexen war der temperaturabhängige Shift der Resonanzen für die PMe2-Protonen am stärksten ausgeprägt, wobei dieser im Falle von [L4Zr(NMe2)3] 0.55 ppm (195-345 K) und für [L2Zr(NMe2)3] 0.46 ppm (200-340 K) betrug. Die -Werte für die PMe2-Resonanzen sind somit vergleichbar zu denjenigen, welche bei den Alkyl-Spezies gefunden wurden, was ein starkes Indiz dafür ist, dass dynamische Prozesse nicht ursächlich für diesen temperaturabhängigen Shift der Resonanz sind.

KRUT`KO[267] et al. fanden bei Untersuchungen mit (2-Diphenylphosphinoethyl)-cyclopentadienyl-Komplexen 32, dass diese in THF ebenfalls einem dynamischem Gleichgewicht unterliegen, bei dem der mit dem Cp-Ring verbrückte Phosphin-Ligand gegen ein THF-Molekül ausgetauscht wird. Dieser Prozess ist bei -30°C langsam auf der NMR-Zeitskala. Für die geschlossene bzw. offene Form werden Verschiebungsdifferenzen von

P = 20.7 ppm erhalten. Dieses bei einem CGC mit verlängerter ansa-Funktion beobachtete Gleichgewicht zeigt, dass das Lösungsmittel Einfluss auf solche Koordinations-Dissoziations-Prozesse nehmen kann.

Abbildung 37: Beeinflussung des Koordinations-Dissoziations-Gleichgewichts durch ein koordinierendes Lösungsmittel.[267]

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

180 200 220 240 260 280 300 320 340 360 380 -15

-10 -5 0 5 10 15

[L1Zr(CH2SiMe3)3] in Toluol in THF in Pyridin

/ ppm

T / K

Um zu überprüfen, ob ein koordinierendes Lösungsmittel auch Einfluss auf das Koordinations-Dissoziations-Gleichgewicht im Falle der CpPN-Alkyl-Spezies nimmt, wurden die Komplexe [L1Zr(CH2SiMe3)3], [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] zunächst bei RT in Pyridin, Et2O und THF vermessen (Tabelle 21). Hierbei zeigte sich, dass Et2O und Pyridin so gut wie keinen Einfluss auf den Verschiebungswert besitzen ((Et2O) = 0.2-2.3 ppm, (Py) = 0 ppm;  (C6D6)-(LM) ), wohingegen in THF deutlich größere Verschiebungsdifferenzen gefunden werden ((THF) = 2.1-7.4 ppm).

Tabelle 21: Einfluss koordinierender Lösungsmittel auf die 31P-NMR-Verschiebung (in ppm) der Komplexe [L1Zr(CH2SiMe3)3], [L4Zr(CH2SiMe3)3] und [L2Zr(CH2SiMe3)3] bei RT.

[L1Zr(CH2SiMe3)3]* [L4Zr(CH2SiMe3)3] [L2Zr(CH2SiMe3)3]

C6D6 -10.9 10.2 2.1

Et2O -9.0 12.5 1.9

d8-THF -8.8 17.6 7.7

d5-Pyridin -10.9 10.2 2.1

Allerdings wäre bei einer Beeinflussung des Koordinations-Dissoziations-Gleichgewichtes durch das koordinierende Lösungsmittel ein Shift zu höherem Feld zu erwarten gewesen, einhergehend mit einem größeren relativen Anteil des offenen Isomers. Dass genau das Gegenteil gefunden wurde, ist ein Indiz dafür, dass es sich hier um einen normalen Solvenseffekt handelt und keine signifikante Beeinflussung des Gleichgewichts stattfindet.

Um zu belegen, dass es sich um einen reinen Solvenseffekt handelt, wurden repräsentativ für den Komplex [L1Zr(CH2SiMe3)3] jeweils in d8-THF (193-313 K) und d5-Py (230-373 K)

VT-31P-NMR-Messungen vorgenommen. Die dabei erhaltenen Ergebnisse sind in Abbildung 38 (links) graphisch dargestellt.

Abbildung 38: links: Ergebnisse der VT-31P-NMR-Spektroskopie für den Komplex [L1Zr(CH2SiMe3)3] in verschiedenen Lösungsmitteln; rechts: Möglicher Einfluss eines koordinierenden Lösungsmittels auf das Koordinations-Dissoziations-Gleichgewicht.

*L1 = C5H4PPh2NDip, L2 = C5Me4PMe2NAd, L4 = C5H4PMe2NDip, L5 = CptBuPPh2NDip, L6 = CptBuPMe2NDip, L7 = C5Me4PMe2NtBu.

Aus der graphischen Auftragung der chemischen Verschiebung in Abhängigkeit von Temperatur und Lösungsmittel ist deutlich zu erkennen, dass die untersuchten Lösungsmittel THF und Pyridin keinen signifikanten Einfluss auf das Koordinations-Dissoziations-Gleichgewicht der Zr-N-Bindung ausüben. Die Messwerte zeigen oberhalb von 260 K so gut wie keine Abweichung und für THF setzt sich dieser Trend auch bis 200 K weiter fort. Die erhaltenen Verschiebungswerte in der pyridinischen Lösung im Bereich von 230-260 K zeigen eine geringe Divergenz zu den Einträgen für Toluol und THF als Lösungsmittel.

Allerdings ist unter Berücksichtigung des gesamten Kurvenverlaufs eher anzunehmen, dass die Viskositätserhöhung des Pyridins in diesem Temperaturbereich Einfluss nehmen könnte.[268] Dies zeigt sich in einer zunehmenden Verbreiterung der Resonanz bei Annäherung an den Schmelzpunkt des Pyridins (Smp. = 231 K).[269]