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Stadttechnik und Stadtmobiliar

Gestaltung und Design

 Damit Menschen Räume nicht bloß durchqueren, sondern sich auch in ihnen aufhalten, flanieren, Feste feiern und sich treffen, müssen diese gut gestaltet sein. Dazu gehören breite Gehwege, genügend Sitzgelegenheiten, Freizeitangebote und schattige Plätze, Kunst, gepflegte Grünanlagen, Wasserbecken, eine ausreichende Anzahl Toiletten und eine gute Versorgungs- und Verkehrsinfrastruktur. Gut gestaltete Stadtmöbel und Ausstattungselemente machen öffentliche Räume lebenswert und geben ihnen Charakter. Das ist ein wirtschaftlicher Standortfaktor, der Einzelhandel,

Nutzungsdruck durch ruhenden Logistikverkehr

46 % der befragten Kommunen sehen hohe Belastungen durch abgestellte Lkw und Kleintransporter. K20

Baukulturbericht 2020/21 – Die Fokusthemen

Gastronomie und Tourismus Impulse geben kann. Die demografische Entwick-lung zwingt dazu, diese Ausstattung noch besser auf Kinder, Jugendliche und Ältere abzustimmen. Barrierefreiheit, Orientierung, Sicherheit und die Anpassung an den Klimawandel sind weitere Ziele, an denen die Gestaltung ausgerichtet sein sollte. Die Gestaltung öffentlicher Räume ist ausschlaggebend für den sozialen Austausch. Plätze sollten daher so angelegt sein, dass sich Menschen gern dort aufhalten und miteinander in Kontakt kommen. Sitzgelegenheiten etwa erhöhen die Aufenthaltsdauer um zehn bis 15 Minuten. Das zeigt eine Studie des New Yorker Landschaftsplanungsbüros SWA. Wenn die Sitzmöbel beweglich sind, werden sie fast immer ein Stück verschoben und etwa in die Sonne oder näher ans Geschehen gerückt. Allgemein wird bevorzugt, wenn das Mobiliar unterschiedliche Haltungen zulässt, also zum Beispiel durch unter-schiedliche Höhen und Tiefen zum Sitzen, Liegen oder Anlehnen einlädt. Wenn Menschen auf Plätzen zusammenkommen, tun sie das besonders gern um Stadt-mobiliar herum. Selbst ein Mülleimer kann als Treffpunkt dienen. Ein Zeichen unzureichend gestalteter Einbauten in öffentliche Räume sind am oder im Weg stehende Schaltkästen. Nachträgliches Graffiti oder die Nutzung als Werbeträ-ger sind nur hilflose Versuche des Umgangs mit scheinbar unvermeidbarer Stadttechnik. Die Bundesstiftung hat 2016 einen Baukultursalon zum Thema Schaltkästen durchgeführt. Die Erkenntnis: Der beste Schaltkasten ist der, der gar nicht erst separat gebaut, sondern in die Randbebauung oder den Untergrund integriert wird. Das Privileg der Leitungsträger, Schaltkästen im öffentlichen Raum aufzustellen, sollte insofern restriktiver gehandhabt werden.

Um Sicherheit und Wohlbefinden zu verbessern, genügt es mancherorts schon, die öffentlichen Räume aufzuräumen, überflüssig gewordenes Mobiliar zu entsorgen und beschädigte Elemente zu reparieren oder zu erneuern. Das reduziert die visuellen Reize und verbessert Einsehbarkeit und Orientierung.

Alte und zu viele Werbe- und Verkaufsschilder, Litfaßsäulen, Verkehrsschilder, wild durcheinander abgestellte Fahrräder, ein überholtes Wegeleitsystem, zer-störte Wartehäuschen oder Bänke, vertrocknete Pflanztröge, aber auch unge-pflegte Container und stehengebliebene Baustellenabsperrungen geben nicht nur ein trauriges Bild ab. Sie behindern die Nutzbarkeit des öffentlichen Raums – speziell für Personen, deren Mobilität eingeschränkt ist. Die Aufenthaltsqua-lität sinkt und die Klarheit, die nötig ist, um einen öffentlichen Raum komfortabel zu nutzen, geht verloren. Ein sogenannter Clutter-Check kann helfen. Gemeint ist damit eine Prüfung, welche Funktion Elemente im öffentlichen Raum haben und auf welche verzichtet werden kann. Das trifft auch auf Straßenschilder zu, die nicht benötigt werden. Besonders bei innerstädtischen Ortsdurchfahrten führen Großtafeln, Kragarme oder Schilderbrücken, die den Straßenverkehr lenken sollen, zu massiven, nachbarschafts- und raumbeeinträchtigenden Ein-bauten. Sie sind ein Ärgernis für Bewohner und werden doch im Alltag resignie-rend hingenommen. Die Anpassung von Geschwindigkeiten unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer birgt das Potenzial, diese Einbauten auf Notwendigkeit zu überprüfen. Nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an Schildern erhöht die Effek-tivität der Aussagen und verändert die Wahrnehmung von Stadtraum. Vorbild für dieses Vorgehen ist Großbritannien. Das britische Verkehrsministerium hat bereits 2013 die Broschüre Reducing Sign Clutter herausgegeben. Sie gibt Hinweise, wie man eine unnötige Häufung, Überdimensionierung und hohe Kosten für die Instandhaltung von Schildern vermeidet.

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Immer mehr Kommunen verstehen, wie wichtig es ist, Stadttechnik, Ausstattung und Mobiliar ihrer öffentlichen Räume anzupassen und gut zu gestalten. Design für alle ist ein gestalterisches Konzept, das den gesellschaftlichen und demo-grafischen Veränderungen Rechnung trägt und hilft, die Forderung nach Barri-erefreiheit in Bauen und Mobilität zu erfüllen. 10 % der Menschen in Deutschland sind auf Barrierefreiheit angewiesen, 40 % brauchen sie als Unterstützung im Alltag. Prinzip des barrierefreien Bauens ist es, Dinge so zu gestalten, dass sie allen zugutekommen – eben auch Menschen mit Behinderung. Nicht nur Wohnungen und Arbeitsplätze sollten grundsätzlich so barrierefrei wie möglich gebaut werden, auch die öffentlichen Räume und Wege müssen in einer demo-kratischen Gesellschaft so gestaltet sein, dass sie Teilhabe ermöglichen. Zugäng-lichkeit sollte als Grundsatz Eingang in den Entwurfsprozess finden – und nicht nur als gesetzliche Auflage gesehen werden. Dann kann die vermeintliche Ein-schränkung sogar inspirierend sein. Im Jahr 2013 wurde der Augsburger Königs-platz, der zentrale Umsteigeknoten im öffentlichen Nahverkehr der Stadt, zu einer vollständig barrierefreien Mobilitätsdrehscheibe umgebaut. Mobilitäts-eingeschränkte Personen können sie ohne Hilfsmittel nutzen. Dafür sorgen angemessene Randsteinhöhen an den Wageneinstiegen, Rillensteine und starke Kontraste für Blinde und Sehbehinderte oder die Möglichkeit, sich alle Verkehrs-anzeigen auf Tastendruck vorlesen zu lassen. Der neue Platz wirkt aufgeräumter und übersichtlicher und ist – mit viel Bewegungsraum und gutem Wetterschutz an den Bahnsteigen – eine Verbesserung für alle Augsburger. In der Mitte des Platzes steht ein gläserner Pavillon. Die Kante seines Dachs ist beleuchtet; auch das transparente Gebäude selbst erleichtert die Orientierung.

Städte und Gemeinden veröffentlichen vermehrt Leitfäden, um Einheimischen und Besuchern mit Beeinträchtigungen barrierefreie Wege durch den öffentlichen Raum zu weisen. In Regensburg leben 24.000 Menschen mit Geh- oder Hörbe-hinderung. Für sie hat die Stadt im Rahmen der Initiative „Regensburg inklusiv“

eine Broschüre herausgegeben. Barrierefrei durch Regensburg liegt mittlerweile in dritter Auflage vor. Die Broschüre listet Einrichtungen und Angebote in den Bereichen Gesundheit, Verkehr und Wohnen, Einkaufen und Erholung auf. Ein Pflasterplan markiert durch ein Ampelsystem, welche Straßen sich für Rollstuhl, Rollator oder kleinrädrigen Kinderwagen gut oder eingeschränkt eignen. Regel-werke und Handbücher zur Gestaltung und Beschaffung von Stadtmobiliar, Bodenbelägen oder Leuchten bringen die Baukultur voran. In fast zwei Drittel der Kommunen, die die Bundesstiftung Baukultur befragt hat, gibt es bereits solche Gestaltungshandbücher für den öffentlichen Raum. Sie werden immer differenzierter und behandeln längst nicht mehr nur den öffentlichen Raum an sich. Es gibt Vertiefungen zu konkreten Stadtumbauprojekten, Lichtkonzepten, Sitzmöbeln oder räumlichen Leitbildern. Die Stadt Köln gibt in ihrem Handbuch zur Via Culturalis Hinweise zur Gestaltung von Sitzbänken, Leucht stelen, Bänken, Fahrradständern und Abfallbehältern. Die Gestaltungsgrundsätze, die auch für Begrünungselemente, Leitsysteme und Werbung gelten, sollen zu mehr Aufent-haltsqualität und einem einheitlichen Erscheinungsbild führen.

Auch für Verkehrsbauten wie Straßenbahntrassen oder Autobahnen werden immer häufiger Gestaltungsleitfäden erarbeitet. Sie sind im öffentlichen Raum besonders präsent. Bei ihrer Planung und Gestaltung gilt es deshalb, neben Funktion und Wirtschaftlichkeit auch ästhetische und emotionale Aspekte zu berücksichtigen. In vielen deutschen Städten prägen Straßenbahnen den Verkehr.

Baukulturbericht 2020/21 – Die Fokusthemen