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Öffentliche Räume der Kölner Innenstadt

In seinem 1748 veröffentlichten Plan von Rom stellte Giambattista Nolli auch Innenräume von Kirchen und wichtigen Palazzi als öffentliche Räume dar. Die Anwendung seines Prinzips auf die Kölner Innenstadt zeigt, wie bedeutend öffentliche Räume – in Blau dargestellt – für unsere Städte sind.

Quelle: Bundesstiftung Baukultur 2019;

Kartengrundlage Köln: Land NRW 2019

Hauptbahnhof

Kölner Dom

Museum Ludwig

Art Mental-Map der damaligen Stadt, die die für alle frei zugänglichen Räume zeigt. Die Plätze der Stadt werden im Nolli-Plan nicht isoliert betrachtet, sondern als zusammenhängendes Gesamtsystem öffentlicher Räume begreifbar. Das entspricht der Perspektive der Nutzer in ihrem alltäglichen Gebrauch. Unabhän-gig vom Eigentumsverhältnis wurden so auch Potenziale von Flächen in privater Hand sichtbar. Brachflächen etwa erscheinen damit als nutzbarer Teil der Stadt.

Sind diese nicht abgesperrt, können sie Kinder zum Beispiel zum Spielen nutzen.

Betrachtet man heute das Umfeld des Kölner Hauptbahnhofs durch Nollis Brille, erkennt man eine Vielzahl von Räumen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Auch sie haben unterschiedliche Eigentümer und Besitzer, die unter-schiedliche Ansprüche an das Verhalten der Nutzer stellen. Den Kölner Dom dürfen zwar alle betreten, allerdings nur in angemessener Kleidung. Das schreibt das Erzbistum Köln in der Hausordnung vor. Die Bahnhofspassagen und der -vorplatz unterliegen dem Hausrecht der Deutschen Bahn; zuständig für Sicher-heit und Ordnung ist die Bundespolizei. Sie hat hier weitreichendere Eingriffs-rechte als die Kölner Polizei im Rest der Stadt. Das städtische Museum Ludwig ist im öffentlichen Eigentum und Betrieb und steht damit allen gegen Eintritt offen. Der private Sicherheitsdienst des benachbarten Einkaufszentrums kann gegenüber unerwünschten Personengruppen ein schärferes Hausrecht durch-setzen. Für die meisten von uns sind diese Rechts- und Eigentumsverhältnisse im Alltag nicht sehr bedeutsam. Alle auf Bodenniveau zugänglichen öffentlichen und privaten Flächen wirken als öffentlicher Raum lebensweltlich zusammen und müssen deshalb auch baukulturell gemeinsam betrachtet werden.

Die Phase Zehn

 Für öffentliche Räume hat die sogenannte Phase Zehn ent-scheidende Bedeutung. Gemeint ist die Betriebsphase, die sich an alle neun Leistungsphasen der Planung und Errichtung von Bauwerken anschließt. Oft ändern sich Nutzungen oder es treten Beanspruchungen auf, mit denen nicht zu rechnen war. Öffentliche Räume sind immer im Wandel. In der Phase Zehn muss mit baulichen Anpassungen, regelmäßiger Instandhaltung und einem Management der Nutzungen und Nutzergruppen kontinuierlich auf wechselnde Gegebenheiten reagiert werden. Auch Private können, ob als Projektentwickler oder Bauherr, eine wichtige Rolle für die Herstellung und Instandhaltung öffent-licher Räume, ihre Planung und Finanzierung, aber auch ihre Pflege und ihren Betrieb spielen. Kommunen machen dabei oft die Erfahrung, dass es einfacher ist, von Dritten Geld für den Bau einzuwerben, als die dauerhafte Pflege zu finanzieren. Forscher der RWTH Aachen kamen im Rahmen des Forschungs-projekts STARS – Stadträume in Spannungsfeldern zu dem Schluss: Hybride Räume sind keineswegs schlechter gepflegt – im Gegenteil. Häufig scheint die privat getragene Pflege sogar sorgfältiger und leistungsfähiger. Das liegt indes kaum an einer mangelnden Kompetenz der Fachämter, sondern an ihrer finan-ziellen und personellen Ausstattung. Knappe Ressourcen sind in vielen Fällen der Grund, weshalb Kommunen sich öffentlich-privaten Partnerschaften und loseren Kooperationen mit privaten Akteuren öffnen. Gerade bei den Pflege-budgets und dem Personal der Grünflächenämter ist in den letzten Jahren vieles dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Als entscheidendes Kriterium dafür, ob ein Raum öffentlich oder privat ist, gelten gemeinhin die Eigentumsrechte. Für die Menschen ist das Gewirr aus Zuständigkeiten, Verfügungs- und Nutzungsrechten im Alltag aber kaum

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nachzuvollziehen. Woran erkennen Nutzer, wo welche Regeln gelten? Woher wissen sie, wie sie sich in einem bestimmten öffentlichen Raum verhalten sollen?

Ge- und Verbotsschilder der Eigentümer liefern oft die einzige Orientierung.

Manche Kommunen sind deshalb mittlerweile dazu übergegangen, die Pflichten zur Haftung und Pflege vor Ort kenntlich zu machen. Wer wissen möchte, was in einem öffentlichen Raum erlaubt ist und was nicht, findet gute Anhaltspunkte in der kostenlosen Freiraum-Fibel des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Sie beschreibt alle rechtlichen Verhältnisse im Stadt-raum und hilft, Aktionen und Projekte sicher zu organisieren.

Um öffentliche Rechte in privat geschaffenen Räumen zu sichern, greifen Kommunen meist auf Bebauungspläne und städtebauliche Verträge zurück.

Sind solche Regelungen erst einmal gemeindlich beschlossen, lassen sie sich nur mit einigem Aufwand anpassen. Deshalb kommt oft als Ergänzung das flexi-blere Instrument des Grundstücksvertrags zum Einsatz. Mit ihm lassen sich Rechte und Verantwortlichkeiten zwischen Kommunen und Privaten detailliert regeln. Öffentliche Widmungen wie Geh-, Fahr- und Leitungsrechte können als Baulast planungsrechtlich gesichert und zudem ins Grundbuch eingetragen werden. Das ist sinnvoll, um öffentliche Nutzungen auch dann zu sichern, wenn das Eigentum auf andere übergeht. Vor allem an Standorten, an denen private Eigentümer häufig wechseln, lassen sich damit rechtssichere Verhältnisse schaf-fen. Für die Kommunen selbst gewinnt diese Rechtssicherheit erst im Konflikt- oder Schadensfall Bedeutung. Die angespannte Haushaltslage erlaubt es vielen Kommunen nicht, neue Freiflächen anzulegen und dauerhaft zu unterhalten.

Sobald Flächenerwerb erforderlich ist, vergrößern sich diese Probleme. Die Stadt Leipzig hat Ende der 1990er-Jahre für den Stadtumbau das Instrument der Gestattungsvereinbarung entwickelt: Dabei stellt der Eigentümer eines freien Grundstücks dieses für mindestens zehn Jahre der Stadt zur Verfügung.

Dafür erlässt ihm diese für die Dauer der öffentlichen Nutzung die Grundsteuer und verwendet Mittel der Städtebauförderung, um die Fläche zu gestalten.

Bestehendes Baurecht bleibt erhalten. Bis heute hat die Stadt bereits in 300 Fällen solche Vereinbarungen getroffen. Viele Brachflächen und Baulücken wurden instandgesetzt und bespielt und haben einen Mehrwert für die Gesell-schaft geschaffen. Einmal instandgesetzt ergänzen sie den öffentlichen Raum und können in das ganze Stadtquartier ausstrahlen.

Gesundheit

Stadt und Gesundheit

 Sechs von zehn Deutschen leben in Groß- oder Mittel-städten. Bei Kindern unter sechs Jahren liegt der Prozentsatz sogar etwas höher. Städte prägen im hohen Maße die Entwicklung der Gesellschaft. Ihr Einfluss auf unsere Gesundheit gerät immer mehr in den Fokus der Forschung.

Denn Städte wirken auch auf Körper und Geist. Hohe Dichten und Lärm-, Luft-, Licht- und Hitzebelastungen begünstigen Krankheiten. Das Risiko, an Depres-sionen zu erkranken, ist in Städten 40 % höher; bei Angststörungen sind es 20 %, bei Schizophrenie 50 % und, wenn die Person in der Stadt auch geboren und aufgewachsen ist, sogar 75 %. Chronischer sozialer Stress ist ein städtisches Phänomen. Er entsteht aus sozialer Isolation trotz sozialer Dichte. In Berlin untersucht eine Arbeitsgruppe der Charité, der Technischen Universität und der

Private Dienstleister für öffentliche Räume

Öffentliche Dienstleistungen wie Schnee-räumung oder Müllentsorgung an Private auszulagern, bewerten nur 17 % der befragten Kommunen als negativ. K26

Baukulturbericht 2020/21 – Die Ausgangslage