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Durch Freiraum zur strategischen Stadtentwicklung

GPS-gesteuerten Baggern automatisiert geformt wurde.

Auf dem südlichen Teilbereich waren thematische Garten-kabinette erlebbar. Die übrigen Grünflächen werden, ebenso wie die Seen, über die BUGA hinaus erhalten bleiben. Dazu gehören das Neckarufer, das nach der Verlegung einer Bun-desstraße in das Gewerbegebiet am Ostufer begrünt werden konnte, sowie der Hafenpark, der vom aktiven Industriebe-trieb am dahinter gelegenen Neckarkanal durch einen Wall aus dem nicht kontaminierten Abraum der Bodensanierung abgeschirmt wird.

Mit den 23 Gebäuden der Stadtausstellung wird erstmals eine BUGA zur Bauausstellung. Die Grundstücksvergabe erfolgte 2015 nach dem Konzeptverfahren zum gutachterlich bestimmten Festpreis, wobei sich Investoren auf beliebig viele Felder bewerben konnten. Jedoch durfte jedes Archi-tekturbüro maximal zwei Häuser planen, die zudem nicht nebeneinander liegen konnten. Über die Projektauswahl entschied eine Jury, die im weiteren Verlauf als Baukommis-sion verstetigt wurde und die Bauberatung mit übernahm.

Als sich die Stadt Heilbronn 2007 zur Ausrichtung der Bun-desgartenschau (BUGA) 2019 entschloss, war bereits klar, dass man mehr als eine einmalige Großveranstaltung für Gartenfreunde wollte. Vielmehr sollte im innenstadtnahen Neckarbogen auf aufgegebenen Flächen des Binnenhafens ein neues Stück Stadt mit Bezug zum Fluss und zu neuen Grünräumen entstehen. Dazu hatte die Stadt schon das Fruchtschuppenareal auf der Rückseite des Hauptbahnhofs von der Bahn erworben. 2009 folgten ein städtebaulicher Wettbewerb, den Steidle Architekten gewannen und auf dessen Basis 2011 ein Realisierungswettbewerb mit den Büros SINAI und Machleidt als Sieger folgte.

Zwei in den 1930er-Jahren zugeschüttete Hafenbecken wurden als „Karlssee“ und „Floßhafen“ nachempfunden.

Um den Floßhafen herum sind drei bandartige Areale für die Bebauung vorgesehen, von denen das östliche als bewohnte „Stadtausstellung“ bereits Teil der BUGA war. Der westliche Streifen erhielt für die Zeit der BUGA ein Meer aus Rasenwellen, das vom Büro Loma digital modelliert und von

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Im Blick hatte man dabei nicht nur die Architektur der Einzel-bauten, sondern auch bauliche Innovationen (Konstruktions-weise, Materialien, Energiekonzept) sowie einen funktionie-renden Nutzungsmix für ein städtisches Quartier mit 800 Bewohnern. Bis zur Baugenehmigung erfolgte kein Verkauf, sondern nur eine Anhandvergabe.

Entstanden sind nicht nur Deutschlands höchstes Holzhaus, sondern auch zwei Baugruppenhäuser, ein städtisches Kinderhaus mit Kita und Wohnungen für Alleinerziehende, betreutes Wohnen, ein Inklusionsprojekt, Studentenappar-tements und ein Boarding House, aber auch Eigentums-wohnungen. Mietwohnungen machen insgesamt etwa die Hälfte aus, wobei 30 Prozent gefördert sind. Hinzu kommen ein Waschsalon, Gastronomie, ein Gemeinschaftsraum und Gewerberäume im Erdgeschoss, die während der BUGA als Ausstellungsflächen genutzt wurden.

Dass ein ganzer Stadtteil nur drei Jahre nach der Ausschrei-bung fertiggestellt werden konnte, ist nur zum Teil mit dem Termindruck durch das Großereignis zu erklären. Für struk-turierte, kurze Entscheidungswege sorgte vor allem die Projektsteuerung durch die BUGA-Gesellschaft, die Archi-tekten, Investoren und Verwaltung bei Planungsrunden stets an einen Tisch brachte. Ihre Rolle als Leiterin, Moderatorin und Konfliktlöserin behielt sie bis zur Leistungsphase 8 bei.

Weitgehend reibungslos konnte die Umsetzung außerdem erfolgen, weil seit 2009 die sogenannte Leistungsphase Null betrieben wurde: So war die Idee der BUGA mit Ideenwett-bewerben, Geländeführungen, Vorträgen, Broschüren und einer Infobox bereits weit in die Bevölkerung hineingetragen worden. Für Heilbronn hat die BUGA nicht nur mediale Auf-merksamkeit und einen Prestigegewinn gebracht, sondern als Motor der Stadtentwicklung neue Kräfte freigesetzt. Die zwei weiteren Baufelder sollen schon bald nach dem bewähr-ten Modell vergeben werden.

Planung und Bau: 2003–2018 Bauherrin: Stadt Heilbronn Planer: steidle architekten, München;

SINAI, Berlin; diverse Architekturbüros mit Einzelgebäuden

Fläche: 32 ha Kosten: 189,5 Mio. Euro

Mehr Informationen im Projektsteckbrief im Anhang auf S. 140

Fakten

BAUKULTUR AUF EINEN BLICK

• einmalige Großveranstaltung als Startpunkt für Stadterweiterung

• frühe Bürgerbeteiligung und umfangreiche Phase Null

• schnelle bauliche Umsetzung durch konsequente Planungskultur

• Investoren, Planer und Verwaltung an einem Tisch

• Stadtausstellung mit urbaner Nutzungsmischung

• Grundstücksvergabe nach Konzeptverfahren

• Mut zu Innovationen in Architektur, Stadt- und Freiraumplanung

• hoher Anteil an Sozialwohnungen Baukulturbericht 2020/21 – Die Fokusthemen

und zivilgesellschaftliche Akteure mit am Tisch sitzen. Die projektbezogene Zusammenarbeit regt oft einen produktiven Austausch unter den Beteiligten an und schafft Verständnis für die Perspektiven der anderen. Sie braucht in der jeweiligen Sondereinheit aber auch eine entscheidungskompetente Leitung.

Sichtbare Zeichen für eine gelungene Zusammenarbeit im öffentlichen Raum sind zum Beispiel Seilleuchten für die öffentliche Beleuchtung. Sie beeinträch-tigen den Straßen- und Platzraum nicht durch Masten und leuchten ihn angenehm aus (siehe S. 90, Bahnhofsvorplatz Erfurt). Voraussetzung ist aber eine enge Kooperation mit den Anliegern, die die Seilverankerung an ihren Gebäuden dulden müssen.

Wichtige Impulse für integrierte Verfahren und Maßnahmen gehen von der Städtebauförderung des Bundes aus. Untersuchungen des BBSR zeigen, dass Programme wie „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“

oder „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ die kommunalen Verwaltungsstrukturen nachhaltig verändert haben. In vielen Kommunen sind im Zuge dieser Förder-programme akteursübergreifende Arbeitskreise entstanden, die die Planungs-kultur erneuert haben und zur etablierten Praxis geworden sind. In Esslingen sind für den Umbau der Bahnhofsstraße zur Fußgängerzone gleich eine Reihe solcher Arbeitskreise entstanden. Hauseigentümer und Geschäftsleute stellten freiwillige Anliegerbeiträge von insgesamt 100.000 Euro bereit. Auch heute, nach Projektende, stehen sie im regelmäßigen Austausch mit der Stadtverwal-tung. Wenn sich Gelegenheit ergibt, ist es wichtig, beherzt zu handeln. Das ist eine Erkenntnis aus den Baukulturwerkstätten. Wenn politische Mehrheiten oder gewählte Entscheidungsträger ein Projekt der Verwaltung stützen, gilt es, die Chance zu dessen Realisierung zu nutzen. Die Bedeutung von Akteuren aus Politik oder Verwaltung, die sich – oft mit großem Tatendrang – persönlich einer Sache annehmen, ist kaum zu überschätzen. Das unterstreicht die Studie Die Innenstadt und ihre öffentlichen Räume, in der das BBSR in zwölf Klein- und Mittelstädten Planungsprozesse öffentlicher Räume untersucht hat. Allerdings ist in den komplexer werdenden Verfahren und Prozessen nicht nur politisches Gespür gefragt, sondern auch eine hohe fachliche Qualifikation.

Bauherrenkompetenz stärken

 Qualitätsvolle öffentliche Räume zu planen gelingt nur mit qualifiziertem Personal. Wenn die öffentliche Hand in den Ver-waltungen Stellen einspart, am Ende aber durch mangelhafte Planung und unzureichende Kontrolle enorme Kostensteigerungen und Nachträge hinnehmen muss, ist niemandem geholfen. Zu diesem Ergebnis kommen die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder. Öffentliche Bauherren tragen als Projektleitung die Gesamtverantwortung. Koordination, Dokumentation, Vertragsmanagement und einige andere Aufgaben aus dem Bereich der Projektsteuerung lassen sich an Dritte übertragen. Bestimmte Pflichten können dagegen nicht delegiert wer-den: Der öffentliche Bauherr muss selbst die Ziele vorgeben, das Bauprogramm definieren, die Projektorganisation verantworten, geeignete Vertragspartner auswählen und sich um die Qualitätssicherung und Kontrolle der Auftragnehmer kümmern. Darauf hat die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hingewiesen. Wesentliche Voraus-setzung dafür, so die Konferenz, ist baufachlicher Sachverstand auf Seiten des Bauherren und eine professionelle Projektleitung, die dem öffentlichen Interesse verpflichtet ist. Der Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz hat 2018 in

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seinem Kommunalbericht gefordert, die Bauherrenkompetenz der Verwaltungen zu stärken. Bei vielen Bauprüfungen hatte er unklare Führungsverantwortung und ineffiziente Projektorganisation bemängelt. Vor allem seien Teilplanungen nicht fachgerecht aufeinander abgestimmt und die Beteiligten nur unzureichend koordiniert worden. Hauptgrund dafür sei ein Mangel an Fachkenntnissen. Eine Umfrage des Rechnungshofs unter 107 Gemeinden ergab, dass fast in jeder dritten Kommune kein Ingenieur der Fachrichtung Hochbau beschäftigt ist.

Selbst wo es solche Fachleute gebe, fehle ihnen häufig eine Ausbildung für den gehobenen oder höheren technischen Verwaltungsdienst.

Verwaltungen qualifizieren

 In Zeiten, in denen schon die florierende Bau-wirtschaft ihren Personalbedarf kaum decken kann, muss die öffentliche Hand stärkere Anreize schaffen, um Fachpersonal zu gewinnen. Die Verwaltungen leiden immer stärker unter dem Fachkräftemangel. Das belegte 2019 eine Umfrage des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) unter 463 Kom-munen. Die Bewerberlage habe sich seit 2012 dramatisch verschlechtert. In den nächsten zehn Jahren wird ein Drittel der Angestellten von Landkreisen, Städten und Gemeinden in den Ruhestand gehen. Konkurrenzfähigere Gehälter sind dabei nicht alles: Faktoren wie Eigenverantwortung, ganzheitliche und vielseitige Aufgaben, Personalentwicklung und Weiterbildung, ein kooperativer Führungsstil, flexible Arbeitszeiten und ein auch architektonisch attraktives Arbeitsumfeld können motivieren und die Bindung an den Arbeitgeber stärken. Gerade hier kommt die Verwaltung traditionell ihren Mitarbeitern entgegen – und kann das gegenüber der Privatwirtschaft als Stärke ausspielen, sagt eine Studie im Auf-trag der Robert Bosch Stiftung.

Personalgewinnung muss heute Menschen in allen Lebensphasen anspre-chen. Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens McKinsey wer-den Bund, Ländern und Kommunen im Jahr 2030 730.000 Beschäftigte fehlen.

Bereits heute seien 185.000 Stellen in öffentlichen Verwaltungen unbesetzt.

Hamburg plant seinen Personalbedarf deshalb seit langem systematisch mit einem Zeithorizont von acht Jahren. Die zu erwartende demografische Entwick-lung, veränderte Aufgaben und Faktoren wie der Fachkräftemangel fließen unmittelbar in die Personalbedarfsplanung ein. So wird deutlich, welche Quali-fikationen künftig vermehrt benötigt werden. Konkret wurde in Hamburg sichtbar, dass bei Architekten, Bauingenieuren und sonstigen Ingenieuren ein Engpass drohte. Die Bauverwaltung konnte darauf reagieren und rechtzeitig mehr Nach-wuchskräfte anwerben. Stringent organisierte Projekte, bei denen Mitarbeiter in flachen Hierarchien Aufgaben eigenständig wahrnehmen, stärken die Effizi-enz einer Bauverwaltung. Auch mit anderen Kommunen zusammEffizi-enzuarbeiten, kann helfen, Personallücken zu schließen. Darauf weist unter anderem die Kom-munale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement hin. Sie hat viele gelungene Beispiele in einer Datenbank zusammengetragen: Der gemeinsame Bauhof macht sich für die Städte Böblingen und Sindelfingen Jahr für Jahr mit 650.000 Euro Einsparungen bezahlt. Gerade kleinere Gemeinden abseits der Ballungszentren können ihre personellen Ressourcen durch Kooperation effi-zienter einsetzen. Deshalb fördern Bund und Länder ab 2020 über die neu ausgerichtete Städtebauförderung verstärkt die überörtliche Zusammenarbeit.

Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag, interkommunale Netzwerke aufzu-bauen und zu stärken.

Haushaltsmittel werden häufig nicht abgerufen

60 % der befragten Kommunen geben an, dass bei der Umsetzung von Infrastruktur-investitionen regelmäßig Haushaltsreste verbleiben. K24

Es mangelt an Personal und Abstimmung

Die Städte und Gemeinden begründen dies mit fehlenden Ressourcen (75 %) und zu komplizierten Abstimmungsprozessen (64 %). K25

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