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Hans Georg Majer

2. Staat und Recht

R echtlich gleich standen sich die Völkerschaften im Osmanischen Reich nicht. Für den Staat existierten, a u f der Basis der Scheria, nur religiös

de-3D eutlich w ird das beispielsweise in: W .D . Hütteroth und K. Abdulfattah, H istorical Geography o f Palestine, Transjordan and South Syria in the Late 16th Century, Erlan- gen, 1977; N. Gôyünç, X V I. Yüzyilda M ardin Sancagi, Istanbul, 1969, S.56-88; H.

islam o§lu-inan, Agrarian Power Relations and Regional Economic Development in Ottoman Anatolia D uring the Sixteenth Century, Leiden/ New Y o rk/ K öln, 1994, S.27- 35.

4Sehr interessant in diesem Zusammenhang: U.W . Haarmann, Ideology and A lte rity:

The Arab Image o f the Turk From the Abbasids to Modem Egypt, in: Journal o f M iddle East Studies 20, 1988, S. 175-196.

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fin ie rte Gruppen: M uslim e als vollberechtigte Menschen, Juden und C hris- ten als in vielen Bereichen halbberechtigte. Frauen standen rechtlich jew eils unter den Männern. Sklaven fielen unabhängig von ih re r R eligion in eine eigene Kategorie, galten als Person w ie als Sache m it einigen Rechten.5 Basis des Staates w ar also kein gleichberechtigtes Nebeneinander oder gar M iteinander, sondern ein geregeltes

Untere

inander. So durften die N ich t- m uslim e ihre R eligion pflegen, soweit sie M uslim e nicht provozierten. V o r G ericht zählten sie nu r halb, als Zeugen, w ie als Bestrafte. Sie durften kei- nen W ehrdienst leisten und hatten dafür eine Kopfsteuer zu zahlen. Es w ar jedoch kla r, welche Rechte sie hatten und welche nicht. Blieben sie im Rahmen der ihnen zustehenden Rechte, konnten sie recht ungestört leben, hatten Chancen zu Verdienst und W ohlstand.

N un läßt sich aber aus den V orschriften der Scheria allein die Lebens- Wirklichkeit des Osmanischen Reiches nicht erfassen. A lle Chancen wahr- nehmen, die das Reich bot, konnte nur der, der M uslim w ar oder wurde.

Dabei spielte die H erkunft keine Rolle: ausschlaggebend w ar, daß einer M uslim w ar, sich türkisch verständigen konnte und tü ch tig w ar. Das galt selbst fü r Ausländer, w ie den M AESTR O JACOPO aus Gaaeta, einen jüdischen A rzt, der Yakub Pascha wurde und M E H M E D ’ s des ERO BE- R E R ’ s L e ib a rzt,6 oder CO M TE A LE X A N D R E de B O N N E V A L, einen Angehörigen des französischen Hochadels, der als Hum baraa Ahmed Pascha die osmanische M örsertruppe schuf und auch zu einem außenpoliti- sehen Berater der Hohen Pforte wurde.7 Bessere Chancen durch K onversi- on erwarben sich aber in erster L in ie einheimische N ichtm uslim e, aus unterschiedlichsten M otiven, einzeln, in Gruppen oder ganzai

Bevölke-A

rungsteilen, w ie vor allem bei Bosniern und Albanern. Einzelne Neumus־

lim e (nevm üslim ) wurden nicht selten dem D ivan-i hümayun vorgestellt, wurden beglückwünscht und erhielten Geschenke.9

In einem beschränkten Rahmen machte sich der Staat aber auch gezielt an Konversionen: er hob durch die Knabenlese (devçirm e) Christenjungen Gesellschaftliche und religiöse Auswirkungen der Osmanenzeit 119

5U ber die Grundlagen des islamischen Rechtes unterrichtet: J. Schacht, An Introduction to Islam ic Law, O xford, 1964, m it zahlreichen Nachdrucken.

6F. Babinger, Ja’ qub-Pascha, ein Leibarzt Mehmed’ s П. Leben und Schicksale des Maestro Jacopo aus Gaeta, in: Revista degli Studi O rientali 26, 1951, S.87-113, nach- gedruckt in: F. Babinger, Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante, Bd.2, München, 1966, S.240-262.

7H. Benedikt, Der Pascha-Graf Alexander von Bonneval 1675-1747, Graz/ K öln, 1959.

, S.M. D2aja, Konfessionalität und N ationalität Bosniens und der Herzegowina. V or- emanzipatorische Phase 1463-1804, München, 1984, S.43-101; O. Çetin, S icille re Gö- re Bursa’ da.

9 Beispiele finden sich unter anderem in einer Liste von Geschenken Sultan Bayezids П.

von 1503/04: Õ .L. Barkan, Istanbul Saraylan A it Muhasebe D efterleri, in: Beigeier IX /13, 1979, S.297, S.347.

gruppe der Janitscharen und das oberste Führungspersonal des Osmani-sehen Reiches, von der zweiten H älfte des 15. Jahrhunderts, bis tie f hinein ins 17. Jahrhundert. F ür die betroffenen Familien w ar natürlich die Kna-beniese ein gräßlicher G ewaltakt, wurden die Knaben do d i den A rm e! der E ltern entrissen und weggeführt. Zunächst konnte die bäuerliche Bevölke-rung nicht wissen, was m it den Knaben geschehen würde und ahnte Fürch-terliches. Doch so blieb es nicht, denn die Kontakte der Ausgehobenen zur Heim at wurden, je höher einer dann im Staatsdienst aufstieg, desto greifbare r.11 Stiftungen der Erfolggreifbareichen schmückten die Heimatorte, gaben Im -pulse, beeinflußten die Lebens Verhältnisse oder setzten zumindest ein Zeichen. 12 D ie Zahlen der Ausgehobenen waren nicht s d ir hoch, waren daher auch nicht der gewaltige Aderlaß, den zurückblickender N ationalis- mus o ft hineininterprétiért hat. Diese Männer sprachen neben dem T ü rki- sehen auch ihre slawische, griechische oder armenische Muttersprache, bildeten eine Klam m er zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen Daß bald auch die unterworfene Bevölkerung, wie die Janitscharen selbst und sogar m uslim ische Türken, Chancen fü r ihre Söhne - die der Bauer ja nicht im m er alle leicht ernähren konnte - im devçirme erkannte, machen die m uslim ischen Bosnier deutlich, die, nach einer allerdings späteren T ra d iti- on, den Sultan ausdrücklich gebeten haben sollen, sie nicht von der Kna- beniese auszunehmen, obwohl sie M uslim e geworden waren. Tatsächlich finden sich dann auch solche bosnischen Knaben (potur o ^u lla ri) am Sul- tanshof.13

D er osmanische Staat w ar in erster Linie an den Bereichen Ruhe, Ord- nung, Steuern und Soldaten interessiert. Um die dam it verbundenen Aufga- ben zu bewältigen, zog er nicht nur M uslim e heran, sondern g r iff auch auf

lù V .L . Ménage, Devshirme, in: The Encyclopaedia o f Islam, New E dition, Bd.2, Leiden/

London, 1965, S.210-213.

״ A u f eine recht intensive Verbindung der dev$irmelis zu ihrer Verwandtschaft, speziell in Bosnien, w eist ein Beleg von 1624, in dem ihre R olle bei der Islam isienm g der christlichen Verwandtschaft beklagt w ird: ״D i questa gioventù m olti riescono V iz iri, Passe, Sangiacchi, Ciausci et Spahiolani, i quali poi tirano a se il parentado con fa rli T urchi“ , Masarechi, z itie rt bei D2aja, Konfessionalität, S.65.

12 Das bedeutendste Beispiel ist Sokollu Mehmed Pascha, der seinen Geburtsort m it Bauten schmückte und dessen m uslim ische und christliche Verwandtschaft teilw eise in hohe Ä m ter aufstieg. Aber es gibt auch viele andere, so Gazi D eli Hasan Pascha aus der Gegend von Bileca, wo er Stiftungsbauten errichten ließ (H. Hasandelić, M usli- manska Baština и Istočnoj Hercegovim, Sarajevo, 1990, S. 167-171) oder Osman Pascha aus Kasanci (Hasandelić, a.a.O., S.201-204; F. Babinger, Das A rchiv des Bos- niaken Osman Pascha, B e rlin, 1931).

13D2aja, Konfessionalität, S. 65-69.

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die N ichtm uslim e (zim m i) zurück, die fu r ihre Leistungen dann m eist durch a lle rle i P rivilegien, in der Regel steuerlicher A rt, belohnt w urden.14

Obwohl der Kriegsdienst eigentlich den M u slim a ! Vorbehalten w ar, gab es, neben den christlichen Sipahis in der F rühzeit,15 weitere Ausnahmen.

D ie w ichtigste waren die M artolosen, eine gemischte, m uslim isch- christliche Truppe, eingesetzt als Festungsbesatzungen oder im P olizei- dienst in Südosteuropa.

Im Wesentlichen erlebten die Reaya, das w ar die m uslim ische und nicht- m uslim ische Landbevölkerung, den Staat in Form von M ilitä rs oder als . • » Steuereinnehmer. Erlaubten sich diese Ü bergriffe, so konnte der Untertan sich an den Kadi oder auch direkt an den Sultan und den Divan-1 hümayun wenden. Von diesen M öglichkeiten der Klage machte die Bevölkerung re- g a i Gebrauch, die Archive belegen das durch die Jahrhunderte tausend- fa ch .17

D ie Regulierungssucht des osmanischen Staates h ie lt sich - im Gegensatz zu vielen modernen Staaten - in Grenzen. N u r wo seine unm ittelbaren In- teressen berührt wurden, g r iff er von sich aus ein. So ließ er Freiräume, die er nu r betrat, wenn er gerufen wurde. N atürlich, die unm ittelbaren Folgen einer Eroberung waren fu r die Unterworfenen einschneidend. Dann aber mußten die neuen Gebiete eingegliedert werden und sollten E rtrag abwer- fa i. Ruhe und kontinuierlichen Steuerfluß erreichte man aber nur, wenn die Veränderung nicht radikal war. Die Osmanen neigten daher dazu, die Le- bensverhältnisse und die W irtschaftstätigkeit der bäuerlichen Bevölkerung m öglichst wenig zu erschüttern. Vorgefundene Regelungen im Agrarbe- reich, vor allem Organisations- und Abgaberegelungen wurden daher o ft übernommen. D ie osmanische Gesetzgebung a u f diesem Gebiet zeigt sich daher nicht als einfarbig reichseinheitlich, sondern als buntes M osaik aus Einzel regel ungen : in Ägypten und S yria ! übernahm man V orschriften der Gesetze des mamlukischen Sultans Kaytbay (1468-1495), in M esopotam i- en den Kan un Uzun Hasans (1466-1478), des Herrschers des Turkmenen-Gesellschaftliche und religiöse Auswirkungen der Osmanenzeit 121

14 So etwa fu r Tätigkeiten als Paßwächter (derbendci), als Pferdezüchter (voynuk), als Falkner (dogana) oder als Lieferaten bestimmter, genau festgelegter Güter fu r d o i Be- d a rf von Staat und Dynastie.

13 H. inalcik, Tim ariotes Chrétiens en Albanie au Xve siècle d’ après un registre de Tim ars Ottoman, in: M itteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4, 1952, S. 118-138;

ders., Fatih D evri Űzerinde T e tkikle r ve Vesikalar I., Ankara, 1954, S. 137-184; I.M . K unt, Transformation o f Z im m i into Askeri, in: Christians and Jews in the Ottoman Empire. The Functioning o f a Plural Society, hg. von B. Braude und В. Lew is, Bd. 1, N ew Y o rk/ London, S.55-67.

16 M . V asii, D ie Martolosen im Osmanischen Reich, in: Z e itsch rift fsr Balkanologie 2, 1964, S. 172-189.

17 R G . M ajer, Das osmanische Registerbuch der Beschwerden (Çikâyet D e fle ri) vom Jahre 1675, Bd. !,W ie n , 1984.

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reiches vom Weißen Hammel (A kkoyunlular), oder in Südostanatolien den Kanun der Z ulkadirogullart19 (1335-1522). Aber auch in ehemals christlichen G ebiete! scheinen zunächst alte Gesetze und Regelungen in K ra ft geblieben zu sein, allerdings nur vorübergehend. Besonders wo Ein- nahmen w inkten, es aber an eigener Kompetenz mangelte, etwa im Berg- bau, übernahm man Vorgefundene Regelungen aber auch a u f längere Sicht und sogar von nichtmuslimischen Vorgängerstaaten: so wurde das serbi- sehe und bosnische Bergbaugesetz ins Osmanische übernommen. Es ging seinerseits a u f das sächsische zurück,20 so daß sich sogar Fachausdrücke des deutschen Bergbaus in osmanischen Gesetzestexten wiederfinden. W ie elastisch der osmanische Staat reagieren konnte, macht ein scheriatrechtli- ches Problem feld deutlich: selbst W ein und Schwein, dem M uslim verbo-ten, blieben dem Chrisverbo-ten, staatlich geregelt zum Steuergewinn.О 1

N ichtm uslim e lebten von allem Anfang an im osmanischen Staat. Sie wa- ren in diesem Staat sogar willkom m en, wenn sie in großer Zahl von außen zuwanderten, w ie die am Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien vertriebe- nen Juden, denen der Großherr in seinem Reich Z uflucht gewährte. N icht- m uslim e brachten Steuern, und gerade die Juden belebten die W irtschaft, das hatte man schon unter M E H M E D П. erfahren22 und viele waren w ohl- habend und einflußreich geworden, was nicht ohne Sogwirkung geblieben w ar. A llerdings waren die benötigten Ungläubigen nicht immer dort, wo man sie brauchte. Dann g r iff man zum M itte l des sürgün, der Umsiedlung.

Diese U m siedlungspolitik betraf aber auch M uslim e, besonders unruhige m uslim ische Gruppen, die man in frem der Umgebung zu neutralisieren versuchte. Bedürfnisse des osmanischen Staates trieben so die Bevölke- rungs- und Religionenmischung noch voran. Das eindrucksvollste Beispiel is t die W iederbesiedlung Konstantinopels nach der Eroberung durch M E H M E D П. im Jahre 1453.23 Solche Zwangsmaßnahme! warfen die Betroffenen zunächst ins Ungewisse. Für ihre Lebensverhältnisse mußte die Veränderung a u f Dauer allerdings keineswegs nachteilig sein. Konstan- tinopel blühte wieder auf, dasselbe g ilt fü r viele andere Orte und Regionen.

W ohlstand und Arm ut verteilten sich durchaus religionsunabhängig,

11U. Heyd, Studies in O ld Ottoman C rim inal Law, hg. von V .L. Ménage, Oxford, 1973, S.38-39.

19U. Heyd, Studies, a.a.O., S.44-50, S. 132*147.

20 N. Beldiceanu, Les actes des premiers Sultans conservés dans les manuscrits Turcs de la B ibliothèque Nationale à Paris, Paris La Haye, 1964, S. 53-66.

21 Siehe etwa die Stichworte resm -i hinzir und hamr in d a i Indices von A. Akgündüz, Osmanli Kanunâmeleri, bisher 8 Bde., Istanbul, 1990.

22 M . A. Epstein, The Ottoman Jewish Com m unities and Their Role in the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Freiburg/Br., 1980.

23 H. inalcik, The P olicy o f Mehmed П. Toward the Greek Population o f Istanbul and the Byzantine Buildings o f the C ity, in: Dubarton Oaks Papers 23/24, 1969/70, S.231-249.

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schwankten nach Z eit und O rt, allerdings nur, wenn man die Staatsdiener n icht berücksichtigt, denn sie hatten im m er den ersten Z u g riff.

Seit Osmanen im 16. Jahrhundert sch riftlich über ihren Staat nachzuden- ken begannen, w ird faßbar, daß man sich durchaus kla r darüber w ar, daß der Staat nur blühen konnte, wenn es auch der Bevölkerung gut ging. A ls w ichtigste Basis fu r die W ohlfahrt von Staat und V o lk erscheinen Gerech- tig k e it und soziale S tabilität. ״Jedermann“ , so meint H A S A N A L -K A F I, ein Provinzkadi und Denker vom Ende des 16. Jahrhunderts, ״müsse, dam it kein Elend entstehe, einer von vie r Klassen angehören, dam it kein Elend entstehe, der der Feder, der der Bauern oder der der Handwerker und K aufleute... A u d i solle man nicht eine Klasse zur A rbeit der anderen

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zwingen .

D er ״alte Brauch“ w ar ein Angelpunkt osmanischen Denkens und Han- delns. E r w ar die Basis, a u f der Privilegierungen Einzelner und ganzer Gruppen jahrhundertelang im m er wieder erneuert wurden. D er ״alte Brauch“ drückt die konservative G rundhaltung der Osmanen aus, die etwa

״ Reform “ nicht als Herstellung neuer Verhältnisse, sondern stets als W ie- derherstellung der guten, alten Verhältnisse verstand (seit dem 19. Jahr- hundert g ilt das so aber nicht mehr). Doch die Vorstellung, daß jeder in dem ihm zugewiesenen sozialen und rechtlichen Rahmen zu leben habe, w ar verbreitet und Lebensw irklichkeit. M an kannte seinen Platz im Leben, ob man M uslim , C hrist, Jude oder Sklave war. Die offenste Tendenz zur Statusänderung, individuell erwünscht und rechtlich m öglich, hatten noch die Sklaven, ob sie bei ihrem alten Glauben geblieben waren oder zum Neumuslim geworden waren. Ihre Freilassung galt dem M uslim als religiös verdienstlich und geschah häufig.

T rotz religiöser Unterschiede lebten soziale Gruppen bzw. B erufsgrupp«!

über die religiösen Grenzen hinweg o ft in einer Schicksalsgemeinschaft als Bauern, Handwerker, Händler usw. Ihnen stand der staatliche M achtappa- rat gegenüber, der muslimisch w ar, aber über lange Z eit sich in ehemaligen Nichtm uslim en, den devçirm elis, repräsentierte. A u f diese indirekte W eise leisteten auch die Zim m is ihren B eitrag zur Herrschaft, hatten A nteil an ih r.

Darüber hinaus blieben nichtm uslim ische Ärzte, Dolmetscher, Finanzleute und natürlich auch die Kirchen ni d it ohne Gewicht.

Zu Zusammenstößen zwischen dem osmanischen Staat und den einheim i- sehen Nichtm uslim en kam es im Wesentlichen nur, wenn in grenz- oder meemahen Gebieten von außerhalb aufgewiegelt wurde, wenn beispielswei- se christliche Bevölkerungsteile sich christlichen Invasoren anschlossen.

V iele abendländische Türkenkriegspläne setzten eine große Unzufriedenheit der Christen im Osmanischen Reich voraus und rechneten m it einem mas-Gesellschaftliche und religiöse Auswirkungen der Osmanenzeit 123

24Z itie rt bei H.G. M ajer, W ie stellten sich die Osmanen zur W ohlfahrt ihrer Länder?, in:

D ie Türkei in Europa, hg. v. K.-D . Grothusen, Göttingen, 1979, S.67.

senhaften Z ulauf. Der blieb in W irklich ke it weitgehend aus, denn die ein- heimischen, m eist orthodoxen Christen hielten sich zurück, w eil sie der Turban weniger schreckte als die Tiara.

In den vergangenen Jahrzehnten sind im Osmanischen Reich viele söge- nannte Volksaufstände entdeckt worden. Schaut man genauer hin, so wa- ren es m eist Bauern, die sich gegen einen Steuereinnehmer oder sonstigen am tlichen Bedrücker zusammenrotteten oder Räuber, die durchaus nicht

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im m er verkleidete Freiheitskäm pfer waren. D ie meisten w irklichen A u f- stände oder Revolten kamen aus der muslimischen Bevölkerung, hatten eine sozial-religiöse Basis, oder kamen aus dem unzufriedenen M ilitä r.26 Anders wurde es, als der Gedanke des Nationalism us in die K öpfe eindrang und die Vorstellungen und Handlungen zu beherrschen begann.

Unterdrückerische, ausbeuterische Funktionsträger des Staates gab es, zunehmend in Zeiten w irtschaftlicher und staatlicher Krisen. Diese machten aber kaum Unterschiede zwischen M uslim , C hrist oder Jude, w ich tig w ar vo r allem , wo etwas zu holen w ar. Z u r Abwehr standen allen Gepeinigten dieselben Wege offen, und die o ft pauschal geschmähten, angeblich so kor- rupten und w illfa rig e n Kadis etwa des 17. Jahrhunderts erweisen sich im L ic h t neuerer Forschung als o ft durchaus rechtlich und widerstandsfähig.

Wagen der Bevölkerung wurden von Kadi und Sultan ernst genommen und mancher Bedrücker wurde plötzlich O bjekt einer staatlichen Nachlaßregi- strierung.

Jeder Stand, jeder Rang unterschied sich nach Turban und Kaftan.

Trachtenbücher halfen den ausländischen Diplom aten seit dem 16. Jahr- hundert, Fehler zu vermeiden. Selbst die Grabsteine schmückt der Am ts- turban, in Stein gehauen. V ie lfä ltig gegliedert waren die offiziellen Anredeformen. V o r diesem H intergrund schloßen die Kleidungsvorschriften na türlich auch die Nichtm uslim e ein, die a u f bestimmte Farben und Formen festgelegt, erkennbar waren, und w ie jeder in seinem Rang und Stand ö f- fen tlich überwachbar.

25Siehe dazu etwa: A. M atkovski, T urski izvo ri za Ajdustvoto vo M aķedonija, B d .l;

S.1620-1650, Bd.2, S.1650-1700, und die Interpretaionen, die er in einer Reihe von Aufsätzen dazu gibt.

26 W .J. G risw old, The Great Anatolian Rebellion 1000-1020/1591-1611, B e rlin, 1983; R.

A bou-el-H aj, The 1703 Rebellion and the Structure o f Ottoman P o litics, Istanbul, 1984.

27 H. Gerber, Economy and Society in an Ottoman C ity: Bursa. 1600-1700, Jerusalem, 1988, S. 187-211.

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