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Die Rumänische Orthodoxe Kirche im Wandel der Zeiten1

Im vorigen Jahr, 1995, feierte die Rumänische Orthodoxe K irche d a i 110.

Jahrestag der Erlangung ihrer Autokephalie und den 75. Jahrestag ihrer Erhöhung zum Patriarchat, zwei bedeutungsvolle Ereignisse in ihrer ge- s chi ä ltlich e n Entw icklung, die eine starke W ürdigung erfahren haben.2 Es w ar das größte Ereignis im Leben unserer K irche nach der Revolution.

Denn Rumänien ist das letzte Land Osteuropas, das sich von dem to ta lità - ren kommunistischen Regime befreite, welches alle rumänischen In stitu tio - n o i, den Glauben und die traditionellen W erte entwertet hat. Bekannt durch seine ökonomische U nfähigkeit, durch seinen Mangel hinsichtlich der Be- wahrung der Menschenrechte, durch seinen m aterialistischen Atheismus und durch seine P o litik des kalten Krieges, brachte dieses Regime das gan- ze Land in eine tiefe K rise, sowohl a u f ökonomischer, a u f politischer, ku l- tu re lle r als auch spiritueller Ebene. Deswegen sollten alle Gebiete des Le- bens der Menschen in Rumänien neu organisiert und wieder a u f w irklich e W erte gegründet werden.3

Seit der Revolution von 1989 bis heute hat man S chritt fü r S chritt einen freieren Entwicklungsweg betreten, der allerdings immer n o d i Verbesse-

rnngen bedarf.

1 Prof. Dr. Leb legte seinem Vortrag ein umfangreiches M anuskript über Vergangenheit und Gegenwart der Rumänischen Orthodoxen Kirche zugrunde. M it seiner Zust im - mung w ird hier auf den Abdruck des vollständigen Textes verzichtet. D ie Redaktion entschied sich, nicht jedes Kapitel zu kürzen - in der Hoffnung, daß sich eine M öglich- ke it zum Abdruck des gesamten Textes bietet - hier lediglich die aussagekräftigen Schlußkapitel über die Zeit unter dem Kommunismus und nach dessen Überwindung ungekürzt wiederzugeben. Für einen Gesamtüberblick sei dem deutschen Leser emp- fohlen. M IR C EA PACURARIU: Geschichte der Rumänischen Orthodoxen K irche, Er- langen, 1994, 622 S., (־ O IK O N O M IA 33).

2Vgl. Almanah Bisericesc, 1996, Sfänta Aihiepiscopie a Bucureçtilor, 1996, S.5-56;

Centenarul B ise ricii Ortodoxé Romane. T iparitä cu binecuvantarea Prea F e ricitu lu i Pärinte Teoctist, Patriarhul B ise ricii Ortodoxé Romane, Editura In s titu tu lu i B ib lie $i de M isiune al B O R. , 1987, S.6-327.

3Prof. Ion B ria, Survoll sur la situation actuelle de l'Église Orthodoxe en Roumanie, R egard sur !,Orthodoxie“ , Conseil Oecuménique des Églises, Genève, 1993, S.43.

1. Die Rumänische Orthodoxe Kirche unter dem Kommunismus 1947-1989

Nach der M achtergreifung begannen die Kommunisten ihre P o litik durch- Zufuhren. W ie PROF. A LE X A N D R U DU1TJ treffend beurteilte,4 stellen die fünfundvierzig Jahre Kommunismus keine einheitliche Epoche in der Geschichte Rumäniens dar. Denn: Von 1948 bis 1963 dauerte der Sow jeti- sierungsprozeß Rumäniens. Von 1963 bis 1978 bzw. 1982 folgte ein Au- tochtonism us, der zur H erausbildung eines M ischlings führte: dem nationa- len Kommunismus. B is Dezember 1989 entwickelte sich dann der F ührerkult als eine A rt rum änischer Stalinismus.

W ährend der zuerst genannten Phase, der Sowjetisierung des Landes, er- gab sich eine politische Unterdrückung der K irche, die zweite Phase engte ihre soziale T ä tig ke it ein. Z ie l der letzten Phase w ar die Ausschaltung der K irche aus dem intellektuellen Leben Rumäniens und ihre physische Zer-

Störung.

D ie Sow jetisierung in der

ersten

Phase w irkte sich so aus, daß n icht nu r von rum änischer Seite (G H EO R G H IU -D EJ, A N A P A U K E R ), sondern auch von Seiten des Moskauer Patriarchats D ruck a u f das rum äni- sehe P atriarchat ausgeübt wurde, um einerseits dieses zu zwingen, fü r das

״vom bürgerlich-gutsherrschaftlichen Regime geplünderte“ Bessarabien Kirchenbücher in Kirchenslaw isch zu drucken, obwohl die Rumänen aus Bessarabien diese Sprache nicht verstanden, und um andererseits die aus Bessarabien geflohenen K le rike r zur Rückkehr zu nötigen.5 D ie Organisa- tionen der K irche wurden dann unter strengste staatliche K ontrolle gestellt und die Unterjochung der K irche unternommen. Es erfolgten

״ Säuberungen“ , in deren V e rla u f die Kirchenführer und die ״Rebellen“ und

״ reaktionären K le rik e r“ in Gefängnisse oder zum Schweigen gebracht w ur- den.

Arn^ 22. Juli 1947 w urde der M oldauer M etrop olit IR IN E U M IH A L C E S C U zum R ü c k tritt gezwungen. Im selben Jahr wurden zwei neue Gesetze erlassen, die die K irche betrafen: das erste bestimmte die Pensionierung der Priester, die über 70 Jahre a lt waren. Das zweite legte fest, daß künftige W ahlversammlungen nur aus den Deputierten, nicht aber aus den von G läubigen gewählten M itgliedern gebildet werden sollten. A lle diejenigen, die irgendw ie gegen die Regierung handelten, wurden scharf bestraft. So wurden z.B. der M e tro p o lit N IF O N C R IV E A N U von Oltenien, LU C LAN T R IT E A N U von Roman, CO SM A P E TR O V IC I von Dunärea de Jos und G H E R O N I Ш von Constanta, G R I GO REE LE U von Hu$i, V E

-4 Alexandru Du(u, K irche und Staat im heutigen Rumänien, in: Johannes Chr. Papalekas (H g.), Institutionen und in stitu tio n e lle r W andel in Südosteuropa, Südosteuropa- Jahrbuch, Bd. 25, M ünchen, 1994, S. 123-130.

, Ibidem , S. 125. V gl.: Lum inatom i, Kischinew, 1993, 3; Romania libéra, 1992, 8, Au- gust, S. 6.

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N IAM EY N IS TO R von Caransebeç, PARTENLE CIOPRON, der Armee- bischof, u.a. pensioniert und zum Schweigen gebracht. Etwas später, im Jahre 1950, wurde auch der B ischof N IC O LA E POPO V IC I von Oradea gezwungen, sein Bistum zu verlassen und in dem K loster Cheia Z uflucht zu finden.

Am 28. Februar 1948 starb unter rätselhaften Gegebenheiten der alte Patriarch N IC O D IM , ebenso der M etropolit IR IN E U M IH Ã LC E S U und der B ischof GRIGORE LE U .4 A u f diese W eise wurde der W eg dafür ge- bahnt, daß a u f den Patriarchenstuhl eine Person gewählt werden könne, die den ״neuen Zeitgeist“ versteht. Und dieser Mann w ar JU S T IN IA N M A R I- N A , der zunächst zum M etropoliten von Ia§i (1947) und am 24. M ai 1948 schließlich zum Patriarchen gewählt wurde.7

F ür d a i neuen Patriarchen w ar klar, daß er einen W eg finden mußte, um zu retten, was n o d i zu retten war. Die Erfahrungen der russischen orthodo- xen K irche m it dem Bolschewismus waren ihm bereits geläufig. Auch die W orte des Generalsekretärs der Rumänischen Arbeiterpartei GHEOR- G H IU -D EJ waren ihm immer frisch im K opf. DEJ sagte schon im Novem- ber 1946 a u f einer Versammlung des Bukarester Klerus. ״Unsere H altung der K irche gegenüber geht von der R ealität aus, denn sie (die K irche) stellt im Leben des Volkes eine geistige K ra ft dar, die unterstützt werden muß, dam it sie ihren hohen Zweck erfüllen kann... Es wäre eine Unwahrheit zu behaupten, daß die kommunistische Partei ihrer m aterialistischen Konzep- tio n vom Leben eine Absage e rte ilt hätte. Doch diese (Konzeption) hindert uns nicht, uns an den konkreten Realitäten zu orientieren und ihnen Rech- nung zu tragen... In demselben Sinn äußerte sich auch der damalige M inisterpräsident PETRU G RO ZA, der schon früher dem Patriarchen N I- C O D IM sagte: ״Die K irche is t eine E inrichtung von dauerhaftem Nutzen fü r das Leben des Volkes. Sie is t ein T eil des Staates und als solche be- strebt, m it dem Zeitgeist S chritt zu halten. D ie Orthodoxe K irche, die dies stets ric h tig verstanden hat, w ird sicherlich auch je tz t begreifen,

worum es geht19

Zw ar hörte der T error nicht auf, sondern verschärfte sich. Aber in fü r den verlogenen Kommunismus typischer Weise wurden neue Gesetze erlassen, die einerseits eine Scheinfreiheit gewährten, und die andererseits der

Regie-6 Alexandru Du(u, K irche und Staat im heutigen R um änien..., S. 123-130; Sergiu Grossu, Calvarul României creatine, Edit. C onvorbiri Literare, 1992, S.211; E. Chr. Suttner, Beiträge zur Kirchengeschichte der Rumänen, W ien/ München, 1978, S.43-47.

7Iorgu D. Ivan, Organizarea $i administrarea B ise ricii Ortodoxé Romane ín u h im ii 50 de ani, (1925-1975), in: BOR, Х С Ш (1975), Nr.11-12, S.1406-1420; E. Chr. Suttner, Beiträge... , S.43-47.

, D.Ghermani K irche und Glauben im kommunistischen Rumänien, in: Christentum in Osteuropa. I. Rumänien Kirche in N ot/ O stpriesterhilfe, Eichstätt, 1991, S. 42; E.Chr.

Suttner, Beiträge... , S.54.

, D.Ghermani, A rt. c it., S.42.

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gen. D ie getroffenen Maßnahmen wurden nach kom m unistischer A rt in Gesetzen verankert, die sich aus der Verfassung ableiteten, wodurch sie den von der Regierung gewünschten legalen A nstrich erhielten. D ie scheinbare Übereinstim m ung m it gängigen demokratischen Prinzipien und m it den Menschenrechten wurde a u f zweierlei Weise unterhöhlt: zum einen g r iff auch der rumänische Gesetzgeber in sowjetischer M anier a u f die verklau- sierte Semantik des dialektischen M aterialism us zurück, zum anderen leg- ten die Ausführungsorgane der Exekutive und der Judikative die einschlä- gigen (G um m i־ ) Paragraphen im Sinne der Machthaber w illk ü rlic h aus. D ie K irchen Rumäniens waren in der Z e it zwischen der Verabschiedung der ersten Nachkriegsverfassung am 13. A p ril 1948 und Anfang Januar 1990, als die rumänischen Aufständischen und ihre provisorischen Organe die gegen die R eligion gerichteten Normen außer K ra ft setzten, der agressiv- atheistischen P o litik der rumänischen KP-Führung ausgeliefert.

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Ä hnlich w ie alle anderen Verfassungen der kommunistischen Länder täuschte auch die rumänische durch sprachliche W inkelzüge demokratische A usrichtung und rechtsstaatliche Gesinnung vor. Das Grundgesetz sah bei- spielsweise vor:

Art. 16. Alle Bürger der Volksrepublik Rumänien sind gleich vor dem Gesetz, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Nationalität, Rasse, Re- ligion und ihrem Bildungsgrad. Art. 18. Alle Bürger... sind berechtigt, zu wählen und in alle Staatsorgane gewählt zu werden... Art.27. Der Staat garantiert die Gewissensfreiheit und die Freiheit der religiösen Betäti- gung. Religiöse Kulte sind frei, sich selber zu organisieren, und können fre i funktionieren, vorausgesetzt, daß ihre Riten und Betätigungen nicht im Widerspruch zur Verfassung, zur öffentlichen Sicherheit oder Moral stehen. Kein religiöser Kult, keine religiöse Kongregation oder Gemein- schaft hat das Recht, Institutionen fü r die Bildung der Allgemeinheit zu gründen oder zu unterhalten, sie dürfen lediglich Sonderschulen fu r die Ausbildung des erforderlichen Personals, fü r die Pflege des Kultes unter staatlicher Kontrolle betreiben... Die Form der Organisation und Funkti- on der Kulte wird per Gesetz festgelegt. Art. 28. Die individuelle Freiheit der Bürger wird gewährleistet.

D ie von der Verfassung anerkannten Rechte und Freiräum e der Kirchen und K u lte im religiösen und organisatorischen Bereich wurden som it zum T e il in den gleichen A rtike ln , die sie postulierten, aufgehoben, eine gesetz- geberische Praxis, die sich bei den späteren Novellierungen sinngemäß und o ft w o rtw ö rtlich fortsetzte. D ie Verfassung vom 20. August 1965, die unm ittelbar nach der Berufung N IC O LA E CEAUÇESCUS zum Parteige- neralsekretär verabschiedet worden w ar, is t ein Beispiel. D er erste Absatz

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des A rt. 17 is t identisch m it A rt. 16 der alten Verfassung. D er zweite Ab- satz enthält wiederum die folgende Ergänzung:

Der Staat gewährleistet gleiche Rechte fü r alle Bürger. Keine Ein-