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Nach dem Ende des Kalten Krieges

Das Verhältnis von Orthodoxie und Islam im heutigen Südosteuropa

2. Nach dem Ende des Kalten Krieges

A ls Summe a lle r diesen historischen Erfahrungen über das Verhältnis zw i- sehen Christen und M uslim en in Südosteuropa können w ir konstatieren: Sie konnten frie d lic h in engem gesellschaftlichen Verkehr miteinander leben, sofern sich die P o litik in ih r Verhältnis nicht eingemischt hat; kam es an- ders, folgten sofo rt M ord und Zerstörung. Dies is t eine vielfach über fast 700 Jahre dokum aitierte Erfahrung, die niemand in Abrede stellen kann bzw. übersehen dürfte, w ie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und ih r JO HANNES GEORG R E IßM Ü LLE R und Die W elt und ih r C A R L G

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S T A V STR Ö H M m it B lic k a u f die jugoslawischen W irren le ich tfertig getan haben, und maßgeblich zur Desinform ation des deutschen Volkes über das Geschehen in Jugoslawien nach 1992 beigetragen haben.

W ashington hatte die Frage der Menschenrechte stets als M itte l seiner P o litik gegen den Ostblock eingesetzt. Um so be re itw illig er w ar es M itte der 80er Jahre, die M inderheitenpolitik Ankaras gegenüber Bulgarien zu unterstützen. Für den Massenexodus der M uslim e aus Bulgarien wurde im Westen nur das kommunistische Regime S C H IW K O W 's verantw ortlich gemacht, was nicht der W ahrheit entspricht.

Der K alte K rieg wurde vom Nahostkrieg abgelöst und dieser vom Zu- sammenbruch der Sowjetunion. Danach wäre es m öglich, daß deren mehr- h e itlich von Moslems bevölkerte zentral asiatische Republiken in islamische Strenggläubigkeit verfallen. N icht nur Am erika hat jedes Interesse, eine solche E ntw icklung zu verhindern. Sowohl der Nahostkrieg als auch die M öglichkeit, den türkischen Kemalismus als Entwicklungsm odell im isla- mischen Zentralasien zu präsentieren, haben in den Augen W ashingtons den geostrategisehen W ert, den die Türkei während des Kalten Krieges hatte, auch danach erhalten, und dies wiederum hat eine gewisse Abhän- gigkeit Amerikas von der Türkei fortgeschrieben. Ankara hat sich sofort beeilt, dies auszunützen und ihre P o litik der Türldsierung der muslimischen M inderheiten in Südosteuropa zu intensivieren. D afür traten nicht mehr allein die türkische Presse, kulturelle Vereine in Istanbul und Ankara und die türkischen Konsulate in den Ländern Südosteuropas, sondern o ffiz ie ll Ankara selbst ein. Staatspräsident TU R G U T Ö Z A L sprach öffentlich von einem ״türkischen Staat von der A dria bis zur chinesischen M auer” . Und allen is t wohl noch das Drängen Ankaras in Erinnerung, im A uftrag der UNO eine beachtliche Streitm acht nach Bosnien zu entsenden, um dort Frieden zu stiften. Dies alles mag in dem weitgehend desinfomierten W est- europa über den jugoslawischen Bürgerkrieg von geringer Bedeutung sein.

Für die südosteuropäischen V ölker w irkten sie jedoch als Alarm glocken und trugen katalytisch zur Zerstörung der Grundlage des friedlichen Zu- sammenlebens zwischen Christen und M uslim en bei.

Dazu kam, daß der K n eg der Vereinten Nationen gegen Ira k nur m it H il- fe Saudi-Arabiens geführt werden konnte, denn nur es verfügte in der Regi- on über die Landmassen, die fü r die Stationierung der UNO -Truppen erfor- derlich waren. Zu den positiven Folgen dieses Krieges gehört auch der V er- bleib einer amerikanischen m ilitärischen Präsenz in der Region. Die unge- störte Ölversorgung der westlichen W elt ist dam it sicherer geworden. Die Folge davon ist aber, daß Am erika in eine gewisse Abhängigkeit von Sau- di-A rabien geraten ist - ein exemplarisches Beispiel der unvermeidlichen Zwänge, welchen sich eine Großmacht stets gegenüber sieht. Diese Abhän-Das Verhältnis von Orthodoxie und Islam im heutigen Südosteuropa 145

D ie saudi-arabische M onarchie em pfindet sich als Beschützerin des Islam.

Außer immensen Summen fü r die islam ische M ission kann sie aber bei dieser selbsta uferlegten Aufgabe nichts ein setzen - es sei denn, sie bedient sich der H ilfe anderer Mächte. D ie Vereinigten Staaten können nicht um- hin, dieser Besonderheit saudi-arabischer P o litik Rechnung zu tragen, wenn sie die erreichte Position am Persischen G o lf erhalten wollen - im w ohlver- standenen Interesse aller, Europas, Am erikas und Saudi-Arabiens selbst.

Das Interesse Riads an den moslemischen M inderheiten a u f dem Balkan is t mehrfach bekundet worden. A uffallend is t, daß W ashington einspringt, wo das Geld nicht ausreicht, um diesem Interesse Geltung zu verschaffe!.

D eutlich w urde dieser Sachverhalt im Sommer 1991, als W ashington, nach erfolglosen Protesten aus Ankara und anderen Hauptstädten islam ischer Staaten, die bulgarische Regierung daran gehindert hat, im Wahlgesetz eine Sperrklausel von 10% vorzusehen. Zw eifellos w ar dieses Vorhaben gegen die Entstehung einer selbständigen ״türkischen” Partei gerichtet. Die W ahl von moslemischen Abgeordneten im Rahmen der bulgarischen Parteien wäre hingegen von der beabsichtigten Sperrklausel in keiner Weise behin- dert worden. Dies wäre auch der richtige W eg fü r die politische Em anizi- pátion der m oslem ische! M inderheit im Rahmen der jungen bulgarische!

Dem okratie gewesen, d e in wehe der Dem okratie in Osteuropa, w e in der S treit nationaler M inderheiten in ihre P arlam eite hineingetragen werde.

Niemand sollte besser als die Vereinigten Staaten diese Gefahr ermessen können. Beispiele solcher “ Interventionen” W ashingtons zu Gunsten der moslemischen M inderheiten g ib t es schon eine ganze Reihe in Südosteu- ropa, und gipfelten in seiner dubiosen R olle in Bosnien, eine Rolle aller- dings, die es spielen konnte, w eil die Europäische Union sich als unfähig erw iesei hat, das von ih r in der uns bekannten W eise ausgelöste jugoslaw i- sehe Drama rasch zu beenden.

Da die Q ualität des Zusammenlebens von Christen und M uslim en in Südosteuropa von politischen Fragen bestim m t w ird , die m it der Religion nichts zu tun haben, kann sie nur erhöht werden, wenn W ashington aufhört, seine m achpolitischen Interessen am Persischen G o lf durch seine P o litik in Bosnien zu sichern und wenn die Türkei die Türkisierung der m uslim ischei M inderheiten in Südosteuropa aufgibt. E rfülle n sich diese beiden Präm isse!

nicht, so befürchte ich, daß das jugoslawische Drama in einem nicht allzu fernen Tage als der Beginn eines viel grösseren Dramas im gesamten Süd- Osteuropa erkannt w ird.

Zum Schluß erlauben Sie m ir nur noch ein kurzes W ort über die Verfas- sung der beiden Religionsgemeinschaften in Südosteuropa zu sagen. M ehr oder weniger sind w ir heute gezwungen, dort alle jene als Christen oder

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M uslim e zu bezeichnen, deren E ltern oder Großeltern eben diesen R eligi- onsgemeinschaften angehörten. Das is t nicht rich tig . E in unbekannter Pro- zentsatz der Christen, insbesondere in Albanien, sind ungetauft und a u f sim ple Fragen, w ie die, w er M aria oder Joseph waren, kommen o ft ein Achselzucken oder verschwommene Antworten. Zudem fehlen den südost- europäischen orthodoxen Kirchen die M itte l, meistens sind sie, ebenso w ie die K löster, in einem miserablen Zustand und zudem außerstande, einen nenneswerten m ateriellen Beistand an ihre in A rm ut dahinvegetierenden Gemeindemitglieder zu leisten, es sei denn, sie erhalten die M itte l dafür von außen. Zudem is t die serbische K irche gespalten, nicht etwa aus dogmati- sehen, sondern aus politischen Gründen. Der E rzbischof von Skopje hat sich aus solchen Gründen vom Serbischen Patriarchat getrennt und der bulgarischen K irche droht eine vergleichbare Spaltung, wenn auch hier persönliche Interessen hoher W ürdenträger die H auptrolle spielen.

N icht viel anders is t die Situation der M uslim e in Südosteuropa, zumal außerhalb Bosniens. D ie meisten von ihnen haben den Koran nicht einmal

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in einer Übersetzung gelesen.

Dieser Zustand beider Religionsgemeinschaften is t um so schlimmer fü r Südosteuropa, w eil dadurch ihre Angehörigen offen fü r Einflüsse aller A rt werden. Das Sektenunwesen blüht in Südosteuropa auf, was das auch im - mer fü r seine Z ukunft bedeuten mag.

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