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Kirchliche Kunst in Südosteuropa1

1. Der Kirchenbau

D ie malerischen russischen Kirchen m it Zwiebelkuppeln stellen keineswegs einen orthodoxen N orm altyp dar. Selbst innerhalb der russischen O rtho- doxie ist dies nur eine Gestaltungsart unter vielen anderen. Der orthodoxe Kirchenbau in Südosteuropa geht teils a u f byzantinische V orbilder zurück, teils beruht er a u f autochthonen künstlerischen Traditionen bzw. der V er- m ischung von beidem. Von Fürsten gestiftete Repräsentationsbauten tragen einen anderen Charakter als die Kirchen in Stadt- oder Dorfgemeinden. Der jew eilige Zeitgeschmack spiegelt sich im Kirchenbau ebenso w ider w ie die wechselnden politischen Verhältnisse und Bezüge. In jedem Lande treten nationale architektonische Besonderheiten deutlich hervor.

Bei aller architektonischen V ie lfa lt kommt es vor allem darauf an, daß das Kirchengebäude seiner liturgischen Funktion gerecht w ird. Dies g ilt _ ♦ ♦ fre ilic h mehr fü r die Innengestaltung, während das Außere wesentlich va- riabler ist. Normalerweise ist die Kirche geostet - der Altarraum liegt im Osten, der Eingang zur Kirche im Westen.

Die OSTUNG bedeutete schon vor- und außerchristlich die B lic k - richtung nach Osten, d.h. in die Richtung des Aufgangs der als Grundlage allen Lebens täglich neu erscheinenden Sonne. Dies prägte die H auptrichtung der Kultbauten, ebenso Gebet, O pfer sowie die schon in der A ntike w eithin übliche B lickrichtung bei der Bestattung der Verstorbenen m it dem A n tlitz nach Osten.

Schon im frühen Christentum (T E R T U LLIA N , KLEM EN S V O N A LE X A N D R IE N ) findet sich die Ostung beim Gebet, vor allem aber - ohne strenge Bindung - beim Gotteshaus. B ibi -sym bol. w ur- de sie begründet: Christus als das L ich t der W elt (L k l,7 8 f.), als Sol salutis (M al 3,20) oder iustitiae (M al 4,2); H im m elfahrt C hristi gegen Osten (nach Ps 68 [67], 34) und W iederkunft von Osten;

Pa-1Zusammenfassung von Aussagen des die Gesamtthematik illustrierenden L ich tb ild e r voitrags.

M i l l

w ohin das L ic h t seiner Gnade dringen soll und wo einst das Letzte G ericht vollzogen w ird .“ 2

In der Regel handelt es sich um eine A ltar-O stung, so z.B. bei der Ge- burtskirche in Bethlehem, bei der Hagia Sophia und der E irene-K irche in Konstantinopel, schon seit dem 5. Jahrhundert bei den K irchen in K leinasi- en, Griechenland und N ordafrika. Bei der Portal-O stung m it dem A lta r im Westen steht der Priester hinter dem A lta r m it B lic k a u f das vom Osten kommende L ich t. H ierzu gehören u.a. in Rom die alte Peterskirche sowie S.G iovanni im Lateran. Zu allen Zeiten hing die Frage der A usrichtung o ft allein vom Baugelände ab.

F ür die Außenarchitektur haben die verschiedensten B austile Verwen- dung gefunden, die z.T. schon vor- und außerchristlich bekannt waren.

Dazu gehört der Z E N T R A L B A U : W ohl schon aus der Z eit von K A IS E R T R A JA N (98-117) stammt die seit dem 6. Jahrhundert ch ristlich genutzte K irche des H L . G E O R G in Sofia: Über dem quadratischen zentralen T e il eihebt sich eine m it kegelförm igem Dach bedeckte

Rotunde

(Rundbau).3

Große V erbreitung fand in Ost und W est die B A S IL IK A , die

״kaiserliche“ H alle, der langgezogene Bau m it horizontaler B lickrich tu n g a u f die Apsis, einst Stelle fü r den Thron, in der K irche fü r den A lta r. V er- breitet findet sich die drei- oder m ehrschiffige B asilika, deren überhöhtes M itte ls c h iff m it Fenstern das Gesamtgebäude erhellt.

D ie bereits erwähnte G e b u rtskirch e in Bethlehem ließ schon K A IS E R K O N S T A N T IN (f3 3 7 ) 325 als B asilika errichten. Nach ih re r Zerstörung von K A IS E R JU S T IN IA N I. (527-65) w iedererrichtet, wurde sie a u f fü n f S chiffe erw eitert.

A ls eine V ariante entstand die K U P P E L B A S IL IK A . Markantestes Bei- spiel is t die H agia Sophia in Konstantinopel, die fast 1000 Jahre lang das geistliche Zentrum des oströmischen Reiches gewesen ist. K O N S T A N T IN d. GR. veranlaßte 326 die E rrichtung einer B asilika, die erst ״ M egali E k- k lis ia “ und dann Hagia Sophia genannt wurde. Nach dem Brand von 404 wurde der Neubau unter JU S T IN IA N I. (527-65) 537 vollendet. Nach einem Erdbeben erfolgte 563 die Neueinweihung. Diese K uppelbasilika besteht aus einem M itte ls c h iff m it je zwei Seitenschiffen. Sie is t über 100 m lang, der Durchmesser der Hauptkuppel beträgt 31 m, die Kuppelhöhe 55,6 m. Ihre L ic h tfü lle verdankt die K irche den 40 Fenstern am Unterrand der M ittelkuppel, die sich gleichsam als Himmel über der Erde w ölbt. Laut altrussischer N estorchronik veranlaßten die im 10. Jahrhundert vom K ie- w er G ROßFÜRSTEN V L A D IM IR entsandten Boten nach dem Erlebnis

2LT hK 2 7,1293f.

3R -D . Döpmann, Das alte Bulgarien, Leipzig, 1973, S. 15.

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festlicher Gottesdienste in dieser K irche ihren H errn zur Annahme des or- thodoxen Christentum s, indem sie berichten, was grundsätzlich orthodoxem Kirchenverständnis entspricht: w ir wußten nicht mehr, ob w ir im Himmel oder a u f Erden waren, solche H e rrlich ke it kann man nicht wieder verges- sen, w ir spürten: m it jenen Menschen dort is t G ott. Der noch heute jeden Besucher beeindruckende Kirchenbau erhielt 1317 unter K A IS E R A N - D R O N IK O S PALAIO LO G O S die unförm igen S tützpfeiler, in osmanischer Z e it vie r M inarette, is t seit 1935 Museum.

Eine andere Variante is t die Q U E R B A S ILIK A m it einer den T reffpunkt von Längs- und Q uerschiff überwölbenden Kuppel. A ls Beispiel diene die K irche des H L . D E M E T R IO S in Thessaloniki, der 303 den M ärtyrertod e rlitt. In der K rypta m it den Dem etrios-Reliquien erkennt man die einschif- fig e Anlage aus dem 4. Jahrhundert, die 412-413 d reischiffig erw eitert und nach dem Brand um 630 als fü n fsch iffig e Q uerbasilika m it dem Pantokra- to rb ild in der Kuppel und m it umlaufenden Emporen wieder aufgebaut wurde.

Des weiteren sei als ein verbreiteter Bautyp die K R E U ZK U P P E LK IR - CHE angeführt. M an könnte in ih r eine W eiterentw icklung beziehungswei- se Verkürzung der Q uerbasilika sehen. Dabei ergibt sich ein annähernd quadratischer G rundriß. V ie r P feiler oder Säulen tragen die Zentralkuppel.

Die a u f die Kuppel zulaufenden, häufig m it Tonnengewölben überdachten Felder gleichen dem sogenannten Griechischen Kreuz m it vier gleich langen Balken. A ls ein Beispiel sei aus Athen die Kleine M etropolis (Panagbia G orgoepikoos-Kirche) genannt, ein zierliches Bauwerk (11x7 m ) aus dem 12. Jahrhundert am Rande des heutigen M itropoleos-Platzes. Gerade diese K irche kn ü p ft wiederum an antike V orstellung«! an. Das in seinen Anfan- gen a u f das 7. Jahrhundert zurückgehende Gebäude erhebt sich über einem antiken K u ltp la tz. In seiner ursprünglichen W eihung an den

HL.

ELEUTHERIUS

w ird die A bsicht deutlich, die Schutzfunktion der hier verehrten Gottheiten über Frauen, Gebärende und Kinder a u f den c h ris tli- chen H eiligen zu übertragen.4 Bedenkenlos wurden dabei G estaltungsprin- zipien der A ntike, bis hin zu den Tierkreiszeichen etc., übernommen.

Die V o rb ild e r Ostroms wurden von den jungen Staaten, die von dort das orthodoxe Christentum übernahmen, nachgeahmt. So hat schon der Bulga- renherrscher SIM EO N (893-929), der in Konstantinopel erzogen worden w ar und das byzantinische Hofzerem oniell übernahm, auch architektonisch in seiner neuen Hauptstadt Preslav etwas den byzantnisehen V orbildern Entsprechendes zu schaffen gesucht.

O rthodoxer Kirchenbau hat sich stets offen fü r die verschiedensten E in- flüsse gezeigt. Auch h ie rfü r nur zwei Beispiele.

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4 G.W achm eier, Athen, Z ürich/ München, 1976, S.63.

D ie M auern sind m it in Stein gehauenen Arabeska! und geometrischen M otiven bedeckt; die im russischen S til des 16. Jahrhunderts gehaltenen Innenmalereien wurden von Moskauer M eistern ausgeführt. Bei anderen rumänischen K irchen in der M oldau sind deuüich gotische Einflüsse zu erkennen.

Erw ähnt sei ferner die G roße M e tro p o lis in Athen. Nachdem G riechai- land seine Unabhängigkeit von der Türkei erkäm pft hatte, wurde sie 1840 als Kathedrale des Oberhaupts der vom Patriarchat Konstantinopel unab- hängigen orthodoxen K irche von Griechenland unter K Ö N IG O TTO I.

(1833-62), dem Sohn LU D W IG s I. von Bayern, vom deutschen A rchitek- ten S C H A U B E R T begonnen und bis 1855 mehrfach verändert. Das Innere erinnert in seinen historisierenden Formen an S.M arco in Venedig.

Andererseits zeigten sich die Folgen politischer und religiöser Bedrük- kung. A u f dem Balkan entstanden während der Türkenherrschaft häufig kleine, einschiffige K irchen m it Satteldach. Auch wenn sie im Inneren der Kreuzkuppelkirche entsprechen, is t das im Außenbau o ft nicht erkennbar.

Noch heute benutzt man z.B. in Sofia Kirchen, die ־ um bei den Türken keinen Anstoß zu erregen - so tie f in die Erde hineingebaut wurden, daß man über die Empore eintreten muß. Als markante Beispiele seien aus dem Stadtzentrum angeführt: die K irche der H L . P E T K A S A M A R D Ž IJS K A aus dem 15.Jahrhundert, die K irche des H L. N IK O ŁA J neben dem Hotel R ila sowie die K irche der H L . P E TK A , heute im Kellergeschoß des gegen- überliegenden Wohngebäudes.

Im Gegensatz dazu blieb es nicht aus, daß sich in d a i im A u ftra g der Osmanen von einheimischen Baumeistern errichteten Moscheen lokale E in- flüsse widerspiegelten.

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß viele orthodoxe Kirchenbauten seit dem Ende des 19.Jahrhunderts sich äußerlich nur w a iig von Kirchen- gebäuden anderer Konfessionen unterscheiden.

2. Ikonenm alerei

A u d i bei der G estaltung des IKO N O S TAS , der Bilderwand, die zeichai- h a ft Verbindende sowie das Trennende der irdischen und der himmlischen W elt darstellt, zeigt sich eine wesentlich größere Gestaltungs vi e lfa lt als hä u fig angenommen. Im Unterschied von den vielfach als norm ativ heraus- gestellten mehrreihigen Ikonostasen russischer Kathedralen, gelten als er- ford e rlich lediglich die C hristus- und die Gottesmutterikone sowie die den G ehalt der A ltarw eihe kennzeichnende Ikone, während alles andere fre i gestaltet werden kann. A ls ein Beispiel sei der ganz schlichte Ikonostas der

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K irche des finnischen Priesterseminars in K uopio aus der Z e it nach dem 2.

W eltkrieg angeführt. In Südosteuropa herrschen selbst in Kathedralen die m it wenig mehr als einer Bildreihe versehenen Ikonostasen vor. A ls ein Beispiel diene die zu einem Wahrzeichen von Sofia gewordene, 1904-13 errichtete Alexander-N evskij-Kirche, die seit der Erneuerung des bulgari- sehen Patriarchats 1953 Kathedrale des bulgarischen Patriarchen ist. Gera- de die Ikonostasen sind in Gestaltung und M alerei stark von lokalen M eistern geprägt. Markantes Beispiel is t das bulgarische R ila-K loster, dessen Anfänge a u f den bulgarischen N ationalheiligen JOHANNES VO N R IL A (ca. 876-946) zurückgehen. In der bulgarischen W iedergeburtsepo- che entstand beim W iederaufbau der nach einem Brand zerstörten M utter- gotteskirche von M eistern aus Samokov um 1842 Bulgariens größter und prachtvollster Ikonostas, dessen barocke, in zwei Etagen unterteilte Fassa- de m it reicher vergoldeter Holzschnitzerei versehen is t.5

Als Besonderheit einer orthodoxen N ationalkirche sei schließlich der Iko- nostas der K irche des Klosters des H L . N IK O L A U S nahe der rum äni- sehen Stadt C lu j/K la u se n b u rg m it Skulpturen a u f H olz des transilvanischen Meisters S. KER ESZTEI von 1938 erwähnt. H ier a it- spricht nur die unterste Ikonenreihe den üblichen Normen. D ie darüber befindlichen Teile ermöglichen durch ihre A jourtechnik (durchbrochene A rb e it) D urchblicke in den Altarraum . Über der m ittleren ״K önigstür“ ist ein Kreuz gestaltet, im Kreuzpunkt der Balken über der Abendmahl szene die Gottesm utter m it dem Christuskind, über dem Kreuz eine D re ifä ltig - keitsdarstellung, zu deren Seiten sich, der M auerrundung angepaßt, B ilder der z w ö lf Apostel bis zur unteren Ikonenreihe herabziehen.6

щ

3. Freskenm alerei

W ährend die Gestaltung des Gottesdienstraumes und dam it der liturgisch vorgegebenen Tafelikonen tro tz unterschiedlicher M alerschulen und M ei- ster von der E inheitlichkeit ihrer Glaubensaussage geprägt ist, zeigte sich besonders in der Fresken-Malerei das lokale, nationale, sogar das politische Anliegen der jew eiligen Epoche. Fresken finden sich nicht nur als Wandma- lerei innerhalb des Kirchengebäudes, sondern in Südosteuropa vielfach auch an den Außenwänden, im Außennarthex, und tragen in ihrer B ildhaf- tig ke it zugleich verkündigaiden, unterweisenden Charakter fü r das zur K irche gekommene, o ft des Lesens und Schreibais unkundige V olk. N ich t selten wurden biblische Ereignisse inm itten der dem M aler bekannten Ge- gend seiner Heim at, die Menschen in der K leidung oder auch den W

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5H.-D . Döpmann, a.a.O., S.205.

6R -D . Döpmann, D ie orthodoxen Kirchen, B erlin, 1991, S. 126.

bildhafte D arstellung größerer Festlichkeiten w ie der Übertragung von Reliquien. In der 1259 erweiterten N ikolauskirche vom nahe Sofia gelege- nen Bojana zeichnen sich die Bildnisse der S tifte r, des Sebastokrators K A L О JA N und seiner Frau D ESSISLAVA, sowie vom damaligen Zaren ASSEN und seiner Frau IR IN A , nicht nur durch die anmutige In d ivid u a li- sierung der Gestalten aus, sondern verm itteln zugleich in Kleidung und Schmuck das Aussehen der damaligen Herrenschicht. Erwähnt sei ferner der um 1840 von M eistern der Samokov-Schule, insbesondere von D I- M IT Ä R ZO G RAF, bemalte Außen-Narthex der M uttergotteskirche des R ila-K losters. D ie Darstellung vom ERZENG EL M IC H A E L , der die Seele des Reichen peinigt, trägt eindeutig soziales Gepräge. Hervorzuheben ist ferner die D arstellung des Gleichnisses vom Reichen und dem armen L A - ZARUS (L u k 16,19ff.); hier is t der seiner Verdammnis entgegengehende Reiche als Türke beziehungsweise tu rld fizie rte r Tschorbadshi dargestellt, n o d i unter der Türkenherrschaft erweist sich dies als Ausdruck der bulga- rischen Wiedergeburtsepoche und des bevorstehenden Befreiungskampfes.

Von der kirchlichen Teilhabe an den Kämpfen im 19. Jahrhundert zeugen Kirchenfahnen als Feldzeichen, finden sich von Bajonetten zerstochene Ikonen. Schließlich sei ein griechisches Ehrenmal in der Nähe von Thessa- lo n iki erwähnt, das der Befreiung von der deutschen Besetzung im 2. W elt- krieg dient: die bildhafte Darstellung sym bolisiert, w ie sich in der Gestalt eines fürbittend-segnenden Priesters die K irche im Dienste zum W ohle ihres Volkes versteht.

Abschließend sollen Beispiele vereinzelter neuester kirchlicher M alerei gezeigt werden, in denen versucht w ird , die Probleme und Bedrohungen heutiger menschlicher Existenz einzubeziehen, Darstellungen, die sich al- lerdings n o d i nicht in Kirchenräumen, sondern z.B. in Gängen des V lata- don-KJosters in Thessaloniki finden.

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