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Antisemitismus und aktuelle Situation der Juden

Zum Judentum in Südosteuropa

2. Antisemitismus und aktuelle Situation der Juden

Antisem itism us bzw. Judenfeindlichkeit gehört allgemein in das Feld der

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Xenophobie. M an versteht darunter Äußerungen aller A rt, die sich gegen Juden aufgrund ih re r Religions- und Volkszugehörigkeit wenden. F ür A n ti- semitismus g ib t es die verschiedensten Gründe: w irtschaftliche, soziale, religiöse, Dum m heit und nationalistische Selbstüberschätzung oder eine Kom bination dieser M otive, auch verbunden m it dem Bewußtsein, daß man sich über antisem itische Aktionen w ie Grabschändungen das ungeteilte Interesse der öffentlichen Aufm erksam keit sichern kann. D ie These, daß nach dem Ende der kommunistischen Systeme in Ost- und Südosteuropa nun verstärkt wieder eine antijüdische Strömung a u ftritt, is t theoretisch le ich t nachvollziehbar, da sich mancherorts das K lim a derart verändert hat, daß die Bedingungen fü r Antisem itism us günstig stehen: die soziale Situa-tio n is t allgemein schw ierig, ein ideologisches Vakuum w ird m it einem

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gendem Nationalism us und feindlichen Äußerungen gegen Anders־

N ationale (oder verm eintlich Anders־ N ationale) ge fü llt. Dennoch is t davon auszugehen, daß es Antisem itism us zu allen Zeiten, also nicht erst ab der Wende Ende der achtziger Jahre, gegeben hat und gibt. Allerdings tauchte dieser unter der kommunistischen H errschaft in Zeitungen und anderen Medien nicht auf, w eil er nicht existieren durfte. D am it is t er fü r diese Z e it quellenmäßig schwer greifbar, wenn man von Zeugenberichten absieht ־ und vom staatlich durchgefiührten Antisem itism us w ie beispielsweise die A n ti Zionismus-Kampagne in Rumänien in d a i fünfziger Jahren, die parallel zur Stalinschen ״Kosm opoliten“ -V erfolgung stattfand20 M ittle rw e ile is t in

11 Jacob Abadi, Israel and the Balkan States, in: M iddle Eastern Studies 32 (O ctober 1996) No. 4, S. 296320־ .

19Aus der F ülle der L ite ra tu r zur Erscheinung des Antisem itism us sei genannt: Yehuda Bauer, A H istory o f the Holocaust, N ew Y o rk [u.s.w .], 1982; Bernard Lew is, ״T reibt sie ins M eer!“ D ie Geschichte des Antisem itism us, Frankfurt/M ., 1987; Herbert A.

Strauss, N orbert Kampe (H rsg.), Antisem itism us. Von der Judenfeindschaft zum H olo- caust, Frankfurt. N ew Y o rk 1988; Der Umgang m it dem Holocaust. Europa - U SA ־ Israel. Hrsg. von R o lf Steininger unter M ita rb e it von Ingrid Böhler. W ien, K ö ln , W ei- m ar, 1994. W eitere L ite ra tu r s.v. A nti-S em itism , in: Encyclopaedia Judaica, Jerusalem

1971 Bd.3, Sp. 87160־ .

20 Antisem itische Erscheinungen in der kommunistischen Z e it erwähnt beispielsweise M ichael Shafir, A nti-S em itism w ithout Jews in Romania, in: Report on Eastern Europe (28. Juni 1991) S.20-32, hie r S.24; vgl. auch Paul Lendvai, Antisem itism us ohne Ju- den. Entwicklungen und Tendenzen in Osteuropa, W ien, 1972 (dies in bezug a u f Süd- Osteuropa vor allem zu Rumänien und Ungarn).

Südosteuropa eine freie Berichterstattung über antisemitische Umtriebe m öglich - allerdings is t auch der negative E ffekt zu bemerken, näm lich daß Zeitungen selbst zum O rt antisemitischer Äußerungen werden. Antisem i- tism us w ird demnach unter den jetzigen Verhältnissen offenkundiger als früher, dazu kommt aber noch, daß in einer aufgeheizten nationalistischen Atmosphäre der D ruck a u f Minderheiten - z.B. Juden ־ steigt. D ie Situation der Juden is t also abhängig von den allgemeinen politischen Bedingungen des Landes, in dem sie leben. So ist ihre Lage von Staat zu Staat unter- schiedlich, und es sind auch je nach Land verschiedene antisemitische Äu- ßerungen und Ausprägungen bemerkbar.

D ie jüdischen Gemeinden im ehemaligen Jugoslawiensind vom derzeit im m er noch nicht beendeten K rieg unterschiedlich stark betroffen. Am unm ittelbarsten leiden sicherlich die jüdischen Gemeinden in Bosnien und in der größten bosnischen Gemeinde, in Sarajevo. Der Grad der Zerstörung is t beträchtlich, nicht nur in baulicher H insicht, sondern auch, was die M itg lie d er angeht. Während ihre Anzahl vor dem K rieg 1200 betrug, gab es 1994 nur mehr 400 Juden in der Stadt. Ein T eil w ar nach Kroatien ge- flohen, darunter auch der Präsident der Gemeinde, daneben gab es auch Auswanderer nach Israel, wo im Zuge des Balkankrieges insgesamt 1500 Juden aus dem ehemaligen Jugoslawien , vor allem aus Bosnien- Hercegovina, einwanderten.21 Jüngere Juden durften Sarajevo nicht verlas- sen, da sie fu r den M ilitärdienst zur Verfügung stehen mußten.22 Während der Kriegshandlungen wurden die Gebete weiter in Privaträumen abgehal- ten, in der Synagoge bestand die Gefahr von Artilleriebeschuß - 1992 er- h ie lt eine Synagoge einen G ranatentreffer.23 Unter der allgemeinen M isere traten jedoch wieder traditionelle Einrichtungen in Erscheinung. So setzt sich die bereits 1892 gegründete jüdische H ilfsorganisation

״Benevolencija“ verstärkt fü r die Unterstützung notleidender Menschen jeder Konfession, also nicht nur fü r Juden, ein. Sie unterhält unter anderem eine E rste -H ilfe -K lin ik, Apotheken und eine Volksküche, verm ittelt W oh- nungen fü r Flüchtlinge und stellte Rettungskonvois zusammen.24

D er Bedrohung ihrer K ulturgüter w ar die jüdische Bevölkerung in Bosni- en genauso ausgesetzt w ie die muslimische und die christlichen Religions- gemein schäften. 5 Eine symbolhafte Bedeutung w ird der Tatsache

zuge-21 Auskunft des Leiters des Archives ,Ja. Eventov“ an der Jüdischen U niversität Jerusa- lern, С v i Loker, Anfang 1997.

22 Sarajevos Juden, in: Glaube in der 2. W eh 22 (1994) Nr. 5, S. 3.

23Greta Ferušic, Nach 50 Jahren wieder im K Z ! D ie jüdische Gemeinschaft und der K rieg in der Republik Bosnien-Hercegovina, in: Glaube in der 2. W elt 23 (1995) N r.

10, S.30-31.

24Peter K o j, La Benevolencija, in: Tranvia. Revue der Iberischen Halbinsel, H e ll 39 (Dezember 1995), S. 48-49.

2) M evlida Serdarevič, Uništavanje spomenika kulturę Jevreja danas, in: Sefarad. Z bom ik rado va, Sarajevo, 1992, S. 333-338.

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messen, daß die berühmte Haggada von Sarajevo (eine S chrift, die einen T e il der Thora-Auslegung beinhaltet, erbauliche L ite ra tu r, im Gegensatz zur H al acha, dem Religionsgesetz) den K rieg über in Bosnien blieb und n i d it zerstört wurde. Diese Haggada w ar um die M itte des 14. Jahrhun- derts von einer jüdischen Fam ilie in Spanien in A uftrag gegeben worden und hatte m it der Vertreibung der Juden aus Spanien das Land verlassen.

Ende des 19. Jahrhunderts w ar sie von einer verarmten jüdischen Fam ilie an das Nationalm useum in Sarajevo verkauft worden. Österreichische E x- perten hatten sie dann nach W ien gebracht und dort untersucht. Im Zweiten W eltkrieg konnte sie versteckt gehalten werden.26 Bei Ausbruch des K rie - ges 1992 w urde sie in einem Tresor gerettet und verblieb während des gan- zen Krieges in der Stadt. A ls sie anläßlich des ökumenisch begangenen Passah-Festes 1995 vom Staatspräsidenten IZETBEG O VIC den verbliebe- nen Juden der Stadt zurückgegeben wurde, bat er sie darum, das Land nicht zu verlassen, dam it die in Bosnien seit Jahrhunderten verankerte tolerante Gesellschaft von Religionen und Völkern bestdien bleiben könne. 27 In Sa- rajevo w urde so ein jüdischer Kultgegenstand zum Symbol fü r das Uberle- ben überhaupt.

Anders is t die Situation in Serbien, wo keine Kriegshandlungen stattfan- den, sowie in Kroatien, das regional von m ilitärischen Handlungen betrof- fen w ar. In Serbien sind im Zuge des derzeitigen Krieges einige hundert Juden ausgewandert (exakte Zahlen g ib t es nicht, die Angaben schwanken zwischen 200 und 1800). W ie der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Belgrad B R A N E POPOVIČ in der Belgrader Presse erklärte, könne man von keinem ״organisierten Antisem itism us“ in der Bundesrepublik Jugo- slawien sprechen 28 E r beklagte allerdings, daß in Buchhandlungen P ubli- kationen m it antisemitischem Inhalt verkauft würden und daß in den M edi- en zuweilen antisem itische Aussagen verbreitet würden. Im Zuge des von Belgrad begonnenen Krieges im ehemaligen Jugoslawienkam es ebenfalls zu einigen antijüdischen Bezugnahmen. So wurde die Forderung einiger führender Intellektueller in den USA, der K rieg in Bosnien solle auch m it begrenzter Anwendung von Gewalt gestoppt werden, in Serbien interpre- tie rt als ״ Forderung nach einem A n g riff a u f Belgrad“ , der von jüdischen Kreisen getragen würde. Die Juden seien som it die Organisatoren der w eit- weiten anti serbi sehen Kampagne.29 D er serbische Korrespondent von

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26 Kemal Bakaršič, Gdje se nalazila Sarajevska Haggada u toku Drugog Svjetskog Rata, ebenda, S. 285-303.

27 Ökumenisches Passah-Fest, in: Glaube in der 2. W elt (1995) N r. 7/8, S.3.

2*R G . [H orst G ünther], Eine schwindende Gemeinde. Z ur Lage der Juden im heutigen Jugoslawien, in: Osteuropa-Archiv (1995) A 544-A 546.

2,F ilip D avid, Antisem itism us in Serbien, in: Europäische Rundschau (1994) H .4, S.87- 89; Ders., Eine Frage von Leben und Tod. Antisem itism us in Serbien, in: Schreibheft.

Z e itsch rift fü r Literatur, Nr. 46 (1995) S. 112-113.

״Tanjug“ in M oskau meldete, daß ״die jüdische Lobby im russischen Au- ßenm inisterium den Kroaten und Slovenen bei der diplom atischen Aner- kennung ih re r Länder durch Rußland geholfen“ habe.30 Ferner sind Ansät- ze zu einem religiös m otivierten Antisem itism us festzustellen, da sich in von der serbischen orthodoxen K irche finanzierten Flugblättern neben Ver- balangriffen a u f die katholische K irche auch antijüdische Passagen fan- den.31

Ferner w ird das fu r die Juden traum atische Ereignis des Holocaust im V erhältnis zu K roatien ge л eit m ißbraucht. Dabei werden die Zahlen der ermordeten Juden ständig m anipuliert und in die Höhe geschraubt. Das dam it verfolgte Z ie l besteht darin, zu belegen, daß die Kroaten von sich aus ein ״genozidierendes V o lk“ seien und nun ־ nach den Juden - im Sinn hat- ten, das serbische V o lk auszurotten. So werden auch die Opferzahlen der im Konzentrationslager von Jasenovac umgebrachten Ustaša-Gegner (dazu zählten Serben, Juden, aber auch regim efeindliche Kroaten) a u f über eine M illio n b e ziffe rt, bei einer realistischen Einschätzung von 60-80000.

In K roatien selbst gehörten die Juden zu den ersten Opfern der Auseinan- dersetzung zwischen Serben und Kroaten, da im August 1991 ein Bomben- anschlag a u f die jüdische Gemeinde in Zagreb und a u f jüdische G räber au f dem F riedhof M iro g o j verübt wurde. W ie sich später heraus stei Ite, waren die Drahtzieher Angehörige der Jugoslavischen Volksarmee, die die Atten- tate zur Provokation unternommen hatten. Es sollte bewußt ein K eil in das zwischen Kroaten und kroatischen Juden bestehende Einvernehmen get ne- ben und die kroatische Gesellschaft als antisem itisch diskreditiert werden.

Antijudaism us w urde hier zum M itte l, einen politischen K o n flik t zwischen nicht-jüdischen V ölkern anzuheizen. Während diese antisem itische A ktion nicht eigentlich darauf abzielte, die Juden in Kroatien zu schädigen - letzt- lieh ta t sie dies fre ilic h - , scheinen Äußerungen des Staatspräsidenten T U D JM A N eindeutiger bewertbar zu sein. E r hatte 1990 - anläßlich der ersten freien W ahlen in Kroatien 1990 - bei nicht mehr zu klärender Gele- genheit geäußert, er sei froh, daß er weder m it einer Serbin noch einer Jüdin verheiratet sei. 1992 betonte er in einem Interview m it Le Figaro, diese Aussage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, er habe weiterhin jüdische Freunde; dennoch w ird das Z ita t imm er wieder als Beleg fü r die antisem itische G rundeinstellung TU D JM A N s und schlimmer noch, der Kroaten insgesamt herangezogen. W ährend man sicherlich darüber erstaunt sein kann, w ie ein solcher Satz, wenn er überhaupt gefallen w ar,

zustande-30Leon V olovyč, Antysem ityzm и postkom unistyčnij Schidnij Jevropi: m arginarne f y central’ne pytannja?, in: Chadašot Novosti N r. 7 (59) (August 1996), S. 5.

31 Anne Herbst, G eistliche M inen gegen Andersgläubige. Hetzbroschüren der Serbisch- Orthodoxen K irche, in: Glaube in der 2. W elt 23 (1995) Nr. 10. S.26-27.

32 Von kroatischer Seite w ird dies fre ilic h abgelehnt: Tom islav Vukovič, Edo Bojovič, Pregled srpskog antisem itizm a, Zagreb, 1992, S. 183.

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kam, is t n ich t die gesamte kroatische Bevölkerung dam it zu belasten.

T U D JM A N selbst hat sich durch seine Äußerungen des V orw urfs seines angeblichen A n ti s a n iti smus entledigt, da er schon im ersten Jahr seiner Regierung Pläne vorbrachte, eine neue Synagoge und ein Zentrum fü r Ju- d a istik in Zagreb errichten zu lassen. Zudem entschuldigte er sich anläßlich

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eines Empfanges zu Ehren des Holocaust-Überlebenden und Cop roduzen- ten des Film s ״ Schindlers L iste “ fü r die Geschehnisse der Judenverfolgung während des Zweiten W eltkrieges 33

Ansonsten haben die Juden in K roatien keine Schwierigkeiten dam it, sich als Angehörige der kroatischen N ation zu fühlen. Sie haben keine staatli- chen D iskrim inierungen zu gewärtigen, in gehobenen Positionen, z.B. an der U niversität, sind sie re la tiv stark vertreten; das Gemeindeleben is t fü r sie ohne Behinderung m öglich. A u ffä llig ist, daß die Juden in K roatien auch und vor allem als religiöse M inderheit rezipiert werden. D eutlich w ird dies bei vielen ökumenischen Veranstaltungen, wo jüdische Repräsentanten neben V ertretern der M uslim e sowie neben orthodoxen und katholischen W ürdenträgern ganz selbstverständlich auftreten. Der interreligiöse D ialog w ird insbesondere von der katholischen K irche in K roatien gefordert; die Juden nehmen in K roatien sogar eine gewisse Sonderrolle ein, da sie - an- ders als die orthodoxen Serben und die bosnischen M uslim e - eben Kroaten sind w ie die fast ausschließlich kroatischen Katholiken. Diese Verbindung bewährt sich auch in der Praxis. A ls 1994 in der Tagespresse antijüdisch geprägte A rtik e l erschienen, wandten sich insbesondere V ertreter der ka- tholischen K irche dagegen, was wiederum von jüdischer Seite w ohlw ollend aufgenommen wurde.34

An Kriegsschäden, die während des Jugoslawien -Krieges in Bosnien w ie in der K ra jin a und in Ostslavonien bewußt gerade an Gebäuden w ie K ir- chen und Moscheen verursacht wurden, um dam it die K u ltu r der betroffe- nen V ölker zu schädigen, sind fü r die jüdische Seite Zerstörungen an der Synagoge von D ubrovnik zu beklagen, die während der serbischen A n g riffe a u f die Stadt in M itleidenschaft gezogen wurde.

F ür eine E rklärung antijüdischer Äußerungen in Rumänien sind andere Voraussetzungen und Erscheinungen zu beleuchten.35 Dazu gehört die T at- sache, daß die kommunistische Partei Rumäniens nach dem Zweiten W

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33Tudjm an entschuldigt sich fü r Holocaust, in: Frankfurter Allgem eine Zeitung (30.

M ärz 1994). - M it den Vorgängen während des Holocaust in Kroatien setzt sich ein von der jüdischen Gemeinde in Zagreb herausgegebener und m it H ilfe des W issenschafts- m inisterium s finanzierter Sammelband auseinander: Antisem itizam . Holokaust, A n ti- fašizam, Zagreb, 1996 ( = Studia Iudaico-Croatica 1).

34 Antisem itische Presse, in: Glaube in der 2. W eh 22 (1994) N r. 2, S. 6.

33 A usführlicher zur gegenwärtigen Lage: Hausleitner, Antisem itism us in Rumänien und seine Leugnung durch die rumänische Ö ffentlichkeit; M ichael Shafir, Reactions against A nti-S em itism , in: Report on Eastern Europe (23. August 1991) S. 26-29; ders., A n ti- Semitism w ithou t Jews in Romania.

tierung auch noch nach Moskau wandten - schon deshalb g ib t es in der rumänischen Bevölkerung immer noch Vorbehalte gegenüber Juden. Das hier anzutreffende Problem besteht darin, daß in Rumänien antisemitische

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Äußerungen von unten her kommen, die von parteipolitischer Seite her nicht unterbunden werden. Sichtbar ist dies an den extremistischen Parteien (dazu gehört ״V atra Románeascä“ ), die wieder entstanden sind und die sich als N achfolger der ״Eisernen Garde“ sehen, einer faschistischen Partei, die während des Zweiten W eltkrieges an die M acht kam. In deren Presse w er- den Stimmen laut, die, w ie in der ״Gazeta de Vest“ und in der Zeitung

״Europa“ , offen von einer Rehabilitierung des Faschismus sprechen und sich dabei des Judenhasses bedienen, ohne daß von staatlicher Seite her Einspruch kam .36 C O R N E LIU V A D IM TUDO R, K o p f der nationalisti- sehen Partei ״ Romania M are“ und berüchtigter A utor antisem itischer Texte, e rklä rt die Weltpresse fü r 80% in zionistischer Hand und beziffert in maßloser U ntertreibung öffentlich und verharmlosend die jüdischen O pfer des Holocaust in Rumänien a u f 120037 (bei einer realistischen Schätzung

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von rund 211000). Protest gegen antisemitisches Gedankengut, das sich in Publikationen breitmachte, kam von rumänischen Intellektuellen und Journalisten.39 E in Nährboden fü r rechtsextremistische und nationalistische Gruppen is t die schwierige soziale Lage der Bevölkerung, die in der Ö f- fe n tlich ke it das Bedürfnis entstehen läßt, Schuldige dafür zu suchen, und sie in einer exponierten M inderheit findet. Dennoch sind in Rumänien ernsthafte Versuche zu verzeichnen, sich m it der Geschichte des Judentums im eigenen Land auseinanderzusetzen. So erscheint seit 1996 in Ia§i, her- ausgegeben von der dortigen F ilia le der rumänischen Akademie der W is- senschaften und der Föderation der jüdischen Gemeinden Rumäniens, die wissenschaftlich ausgerichtete Z eitschrift ״ Studia et Acta H istoriae lu - daeorum Romániáé“ , die sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte und Vergangenheit der Juden in Rumänien in den M ittelpunkt zu stellen und zu würdigen.

Abschließend soll darauf hingewiesen werden, daß es ein Problem insbe- sondere der Antisem itism us-Forschung darstellt, schnell in ein

Schwarz-34 Judenhaß, in: Glaube in der 2. W elt 22 (1994) N r.l, S.8; Aba Alexander, In Rumänien blüht der Judenhaß, in: Illu strie rte Neue W elt (November/Dezember 1993) S.6; Zeev Barth, Rumänen hören erstmals die W ahrheit, ebenda (August/September 1991) S. 13.

Im Unterschied zu den rumänischen Rechtsextremisten wurde in Ungarn eine Nachfol- georganisation der ,,P feilkreuzlef“ , die ebenfalls unter anderem m it antijüdischen Slo-gans agiert, gesetzlich verboten.

37Leon Volovyč, Antysem ityzm u postkomunisty čnij Schidnij Jevropi: m arginarne čy centrarne pytannja?, in: Chadašot Novosti Nr. 6 (58) (Juni 1996), S. 4.

31 W olfgang Benz, Einleitung, in: Dimension des Völkerm ords, S. 1*20, hier S. 16.

39 Gegen Fremdenhaß und Antisem itism us, in: Neue W elt (25.7.1991) S. 1.

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W eiß-Raster zu verfallen. Grundsätzlich is t es schwierig, Formen und E r- scheinungen des Antisem itism us zu qualifizieren, da es nicht genügt, alleine ein antijüdisches Ereignis nach dem anderen aufzulisten und an der Q uanti- ta t den Grad des in einer Gesellschaft verbreiteten Antisem itism us zu er- messen. An einem Umstand is t jedoch erkennbar, w ie sich ein Staat seiner jüdischen M inderheit gegenüber allgemein verhält, näm lich an der gesetzli- chen Lage. Unternim m t eine Regierung keine Anstalten, gegen antijüdische Um triebe gesetzlich vorzugehen oder bestehende Gesetze anzuwenden, so is t sie offenbar bereit, diese hinzunehmen und die Täter in Schutz zu neh- men. Letztlich läßt dieser Aspekt auch Rückschlüsse über d a i Grad der Dem okratisierung eines Gemeinwesens zu.

Durch die vorangehenden Ausführungen soll jedenfalls nicht der E in- druck entstehen, die Bevölkerung in Südosteuropa neige generell zum A n ti- semitismus; dies is t vielm ehr ein in allen Staaten, selbst dort, w o keine oder nu r mehr s d ir wenige Juden leben, anzutreffendes Phänomen. Es sei betont, daß fü r Juden auch hier ein normales Leben in freundschaftlicher V erbin- dung m it der Umgebung m öglich und die Regel ist. Das Problem is t nur, daß dieses jüdisch-christliche (bzw. jüdisch- nicht jüdische) M iteinander quellenmäßig nicht erfaßt werden kann, da es den Medien kaum eine M el- dung w ert ist. Ausnahmen g ib t es aber beispielsweise dann, wenn es um größere Ereignisse geht w ie die Einweihung einer Synagoge - w ie im Sep- tember 1996 in Sofia, wo die alte Synagoge restauriert worden w ar.40 Die Tatsache, daß das religiöse Leben fü r die Juden - w ie fü r die anderen R eli- gionsgemeinschaften - wieder unbehindert m öglich is t, deutet darauf hin, daß das Ende des Kommunismus in dieser H insicht dem jüdischen Leben eine neue Perspektive brachte. Es bleibt letztlich zu hoffen, daß dieser An- stoß nicht zu spät kommt, da sich die jüdischen Gemeinden in Südosteuro- pa vom B lu tzo ll des Holocaust nicht wieder erholen haben können; die

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kularisierung unter den kommunistischen Herrschaften ta t ein Übriges.

Was die einzelnen südosteuropäischen Staaten angeht, so wäre es sicher begrüßenswert, wenn sie sich in politischer H insicht ih re r jüdischen Bevöl- kerung noch stärker annehmen würden, in dem Bewußtsein, gerade fü r die- se immer kleiner werdende M inderheit eine besondere Verantw ortung zu besitzen. Um diese in das öffentliche Bewußtsein zu heben, is t daher vor allem darauf zu drängen, die Geschichte des Judentums, seine besondere Situation und auch den Genozid an den Juden verstärkt in den Schulunter- rieht aufzunehmen. Allgem ein is t in Südosteuropa zu beobachten, daß es hier anders als in Deutschland zu keiner Nostalgie des jüdischen Lebens gekommen ist, wo Ausstellungen, Konzerte und L ite ra tu r jüdischer Prove- nienz begeistert angenommen werden. Diese Begeisterung ist jedoch manchmal zu oberflächlich und zu sehr aufgehängt an den äußeren E

Was die einzelnen südosteuropäischen Staaten angeht, so wäre es sicher begrüßenswert, wenn sie sich in politischer H insicht ih re r jüdischen Bevöl- kerung noch stärker annehmen würden, in dem Bewußtsein, gerade fü r die- se immer kleiner werdende M inderheit eine besondere Verantw ortung zu besitzen. Um diese in das öffentliche Bewußtsein zu heben, is t daher vor allem darauf zu drängen, die Geschichte des Judentums, seine besondere Situation und auch den Genozid an den Juden verstärkt in den Schulunter- rieht aufzunehmen. Allgem ein is t in Südosteuropa zu beobachten, daß es hier anders als in Deutschland zu keiner Nostalgie des jüdischen Lebens gekommen ist, wo Ausstellungen, Konzerte und L ite ra tu r jüdischer Prove- nienz begeistert angenommen werden. Diese Begeisterung ist jedoch manchmal zu oberflächlich und zu sehr aufgehängt an den äußeren E