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Zum sozialen Prestige des Amtes

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 31-38)

Das Amt des bischöfl ichen bzw. erzbischöfl ichen Vogts war im 13. und 14. Jahrhundert das wichtigste weltliche Amt in der landesherrschaftli-chen Verwaltung. Die Vogtei wurde wie ein Lehen mit weitreilandesherrschaftli-chenden Vollmachten verwaltet. Obwohl der Landesherr über die Macht verfügte, gegebenenfalls den Vogt seiner Dienste zu entheben, entstanden in die-sem Zeitraum einige Lehnsgüter, die auch als erbliche Vogteien galten.

Zu diesen Gütern gehörten wohl die des Vasallengeschlechts von Rosen und zum Teil auch die der Familie Tiesenhausen.

Die Verwaltungsbezirke des Erzbistums verfestigten sich im 15. Jahr-hundert; im 16. Jahrhundert entstanden aber die beiden wichtigsten

149 Herzog Albrecht 1525–1534, Nr. 29.

150 Ebenda, Nr. 161, Beilage, [Lemsal], 28.12.1530.

151 Herzog Albrecht 1534–1540, Nr. 684. 1534 traf der Vogt von Kokenhusen den Grafen von Hoya in Wenden, während der Vogt von Treiden, Georg Krüdener, ei-nen Arzt in Leipzig aufsuchte.

152 Herzog Albrecht 1540–1551, Nr. 1286/3, hier über Georg von Rosen zur Nabbe.

153 VTVA, Nr. 271, S. 421, hier über Johann von der Pale.

154 Herzog Albrecht 1540–1551, Nr. 1487.

Zuständigkeitsbezirke in Treiden und Kokenhusen. Zu dieser Zeit ent-wickelten sich auch andere wichtige Verwaltungsämter, die von Laien besetzt wurden, wie z.B. die Ämter des erzbischöfl ichen Finanzverwalters oder Ökonomen und seines Gehilfen: 1424 war der Gehilfe ein Vasall,155 1484 bekleidete der Vogt von Treiden das Amt des Ökonomen.156 Im 15.

und 16. Jahrhundert waren die Vögte somit weiterhin die einfl ussreichsten weltlichen Amtspersonen. Edgars D u n s dor f s zufolge waren die mäch-tigsten unter ihnen die Vasallen des Rigaer Erzbischofs, die quasi gleich hinter dem Landesherrn standen und denen geringere Amtsleute unter-stellt waren.157 Doch seit Ende des 15. Jahrhunderts spielten auch andere weltliche Berater des Erzbischofs eine wichtige Rolle bei der Verwaltung des Landes, die wie Domherren behandelt wurden. Dazu gehörten z.B. der Vorsitzende der Ritterschaft, der Hofverwalter oder der Leiter der Kanzlei.

Das Amt des Vogts stellte einen Weg zur Beförderung und Befestigung des sozialen Status eines Vasallen dar. Es war ein wichtiges Instrument, um materielle Sicherheit für sich selbst und für seine Nachkommen zu erreichen. Bei der Verwaltung erzbischöfl icher Domänen kam dem Vogt als Entlohnung ein Teil des Einkommens der erzbischöfl ichen Güter zu.

Die amtlichen Funktionen waren sehr eng mit den ehelichen und ver-wandtschaftlichen Beziehungen vernetzt, was nicht untypisch war für die Geschichte des (Erz-)Bistums Riga. In der Frühzeit Livlands hatte Bischof Albert bekanntlich seine Schwester und seine Brüder nach Riga gerufen. Seine Schwester und der Vogt von Treiden, Ritter Engelbert (1210/11) wurden zu den Ahnen des Vasallengeschlechts von Tiesenhau-sen.158 Teoderich, einer seiner Brüder, wurde zum Vogt von Ydumea und heiratete die Tochter Vladimirs, des Fürsten von Pleskau. In der Chronik Heinrichs heißt es, die Pleskauer hätten sich gerade wegen dieser Hochzeit 1212 gegen ihren Fürsten aufgelehnt und ihn samt seiner Verwandtschaft aus der Stadt gejagt.159 Im 14. Jahrhundert, als die Erzbischöfe von Riga dauernd mit dem livländischen Zweig des Deutschen Ordens im Konfl ikt lagen und sich daher überwiegend außerhalb des Erzbistums aufhielten, war die materielle Sicherheit, die Macht und das soziale Ansehen der Vögte besonders hoch. Damals war der Vogt von Treiden, Bartholomaeus von Tiesenhausen, in der Lage, dem Erzbischof große Geldsummen zu lei-hen. Als Pfand erhielt er dafür die Burg- bzw. Amtsbezirke (ambten) von

155 LUB I, 7, Nr. 206. Der Gehilfe des Ökonomen Hinrich von Vytinghoven, der Bruder des livländischen Ordensmeisters, wurde später wohl zum Vogt von Ko-kenhusen.

156 Herzog Albrecht 1551–1557, Nr. 3142. Im Jahr 1556 bekleidete Andreas Kosch-kull, der Vogt von Treiden, auch das Amt des erzbischöfl ichen Kämmerers.

157 Dunsdorfs, Spekke, Latvijas vēsture 1500–1600 (wie Anm. 1), S. 227.

158 HCL XIV.10, XXVIII.8.

159 Ebenda, XV, 13, XVI, 7.

Sunzel,160 Pebalg und Serben.161 Das Geld benötigte der Erzbischof für eine Klage bei der päpstlichen Kurie gegen die Eigenmächtigkeit des Deut-schen Ordens.162 Bartholomaeus bekam als Lehen den Bezirk von Bersohn, wo 1382 bereits eine Burg errichtet worden war. Über Bartholomaeus ist zudem bekannt, dass Kaiser Karl IV. (1316–1378) seiner Familie 1375 Privi-legien zusprach und dass er selbst zu Karls Tischgenossen ernannt wurde.

Seine erste Frau stammte aus der Familie von Wrangel. Es ist denkbar, dass verwandtschaftliche Beziehungen sie nicht nur mit dem ehemaligen Vogt von Kokenhusen (1340) verband, sondern auch mit den Vögten von Dor-pat und Ösel (1307).163 Die Vogtei blieb mit der Familie von Tiesenhausen verbunden. Otto von Rosen, der mit Margarethe von Tiesenhausen ver-heiratet war, wurde 1363 Vogt von Kokenhusen. Sein Enkel Otto war 1457 Vogt von Treiden und sein Urenkel Andreas 1480 Vogt von Kokenhusen.

Mindestens sieben Angehörige des Geschlechts von Rosen waren Vögte von Treiden; mehrmals residierten sie in dieser Funktion in Kokenhusen und hatten dieses Amt auch in anderen Bistümern Livlands inne. Die Lehnsgüter dieses Geschlechts entstanden in der ehemaligen Vogtei Ydu-mea.164 Daher kann man fragen, inwieweit eine Vogtei auch als erbliches Lehen betrachtet werden konnte, wie es in den deutschen Territorien des Spätmittelalters oft der Fall war. Auf den Lehnsgütern der von Rosen standen mehrere Steinburgen.165 Diesem Geschlecht war 1428 ein beson-deres Privileg erteilt worden, das besagte, wie die Lehen vererbt werden:

Erbberechtigt waren nicht nur die direkten Erben, sondern auch die Ver-wandten der männlichen Linie innerhalb des ganzen Geschlechts.166 Doch den höchsten Adel nach deutschem Maß besaß dieses Geschlecht nicht.167

Mehrere Vögte begründeten somit Vasallengeschlechter im Erzbistum Riga, deren Nachkommen zuweilen höhere Ziele anstrebten. Sie wurden

160 Diese wurden 1372 verpfändet. LGU I, Nr. 100.

161 Heinrich von Tiesenhausen: Gewisse und Wahrhaff te Beschreibung, wenn und zu welcher Zeit die Lande Liiffl and angefangen durch teutsche Kaufl eute aufzuse-gelen, etc., [o.O. 1575] in einer Abschrift von Hermann Hildebrandt (19. Jh.), so-wie in einer Abschrift von Johann Witte, des Rigaer Ratsmannes, im 17. Jahrhun-dert, in: Historisches Staatsarchiv Lettlands (Latvijas Valsts vēstures arhīvs, Riga), Bestand 4038, Findbuch 2, Akte 401, Bl. 203; LGU I, Nr. 88.

162 Šterns, Latvijas vēsture 1290–1500 (wie Anm. 1), S. 354.

163 LGU I, Nr. 559; Arbusow, Livlands Geistlichkeit (wie Anm. 1), S. 317, 334.

164 Šterns, Latvijas vēsture 1180–1290 (wie Anm. 63), S. 314.

165 Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften. Teil Livland (künf-tig GH Livland), hrsg. von Astaf von Transehe-Roseneck, Görlitz 1929–1930, S. 1049-1089.

166 Vija Stikāne: Lēņu mantošanas tiesības Livonijā 13.–15. gs. [Das Erbschafts-recht von Lehen in Livland im 13.–15. Jh.], in: Latvijas Vēsture 1997, Nr. 3, S. 3-22, hier S. 17. Im Erzbistum Riga gab es sehr wenige Vasallengeschlechter der „gemein-samen Hand“. Der Landesherr verlieh dieses Privileg 1417 den Tiesenhausens, 1455 den Ungerns und 1477 den Üxkülls.

167 GH Livland, S. 511f. Es gab in Livland mehr Vasallengeschlechter, die das Recht, nach der „gemeinsamen Hand“ erben zu dürfen, für sich beanspruchten.

nicht selten zu Domherren und Bischöfen, wie z.B. Johann, der Sohn des Vogts Odert Orges von Kokenhusen (im Amt 1424–1444): Nachdem er an den Universitäten Bologna und Rostock studiert und den Doktortitel für kanonisches Recht erlangt hatte, nahm er seit 1464 verschiedene Ämter im Erzbistum Riga wahr. Im Zeitraum von 1492 bis 1515 wurde er dann schließlich Bischof Johann III. von Ösel-Wiek.168

Im 16. Jahrhundert hatte sich eine Regel im Erzbistum Riga herausge-bildet, auf deren Einhaltung die Ritterschaft achtete: Sie forderte 1544 vom Erzbischof bei dessen Amtsantritt die Bestätigung eines Privilegs, dem zufolge der Vogt von Treiden ein adeliger Vasall und im Erzbistum Riga geboren sein müsse.169 Diese Tradition gab es off enbar bereits am Ende des 15. Jahrhunderts. Die örtlichen Vasallen waren bemüht, ihre Rolle bei der Verwaltung des Landes zu bewahren. Denn es war im 15. und 16. Jahr-hundert üblich, dass die Landesherren beim Amtsantritt stets eine Schar von Dienstleuten und Verwandten mit sich brachten, die ihren Lebens-unterhalt und Lehnsgüter in Livland erhielten.170

Dienstlehen konnte man zum Teil auch durch eine Eheschließung mit Frauen aus der Verwandtschaft des Landesherrn erlangen. Der Erzbischof Silvester Stodewescher von Riga z.B. förderte die Eheschließungen der Frauen aus seiner Familie – allesamt Bürgerstöchter aus Th orn171 – mit angesehenen Amtsträgern in Livland. Eine von ihnen war sogar zweimal verheiratet und beide Male mit erzbischöfl ichen Vögten – zuerst mit Peter von der Borch, dem Vogt von Treiden (im Amt 1454–1460), und nach des-sen Tod mit dem Nachfolger Woldemar Üxküll (bis 1468), der auch von der Borchs Lehnsgüter samt den Burgen, Gutshöfen und Gutshäusern übernahm.172 Die Töchter von Gert Linde, dem Vogt von Kokenhusen (im Amt 1491–1506), wurden an die Vögte von Treiden und Kokenhusen verheiratet, die gleichfalls die Dienstlehen mit allen Gutshöfen und Guts-häusern erbten. Linde stammte aus Kamen in Westfalen173 und war Bruder

168 Arbusow, Livlands Geistlichkeit (wie Anm. 1), S. 154f.; Geneologisches Hand-buch der baltischen Ritterschaften. Teil Kurland, Bd. 2, hrsg. von Oscar Staven-hagen, Wedig Baron von den Osten-Sacken und Heinrich von zur Müh-len, Görlitz [1937], S. 669.

169 Herzog Albrecht 1540–1551, Nr. 1233/6.

170 Aus den Zeugenaussagen in einem in Erwahlen (Ārlava) 1550 abgehaltenen Prozess geht hervor, dass die meisten der Verwalter von Burgbezirken in der Vog-tei Kokenhusen von außerhalb Livlands stammten. VTVA, Nr. 295, S. 442-454.

171 Liv-, Est- und Curländisches Urkundenbuch, Abt. I, Bd. 12, hrsg. von Philipp Schwartz und August von Bulmerincq, Riga und Moskau 1910, Nr. 559.

172 GH Livland, S. 510-512. Liv-, Est- und Curländisches Urkundenbuch, Abt.

I, Bd. 11, hrsg. von Philipp Schwartz und August von Bulmerincq, Riga und Moskau 1905, Nr. 758, 806. Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaf-ten. Teil Estland, Bd. 1, hrsg. von Oskar Reinhold von Stackelberg, Görlitz [1930], S. 440.

173 Arbusow, Livlands Geistlichkeit (wie Anm. 1), S. 123f.; Wilhelm Lenz: Jas-per Linde, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Berlin 1974, S. 360f. Siehe auch

Jasper Lindes, des Domherren und späteren Erzbischofs von Riga.174 Auf die Dienstlehen Gert Lindes und auf diejenigen Lehnsgüter, die er gekauft hatte, wurde in den 1540er Jahren das erweiterte Erbrecht bezogen, das laut der sogenannten Silvesterschen Gnade von 1457 auch die Frauen und Verwandten bis zum fünften Verwandtschaftsgrad einbezog.175 Zahlrei-che andere erzbischöfl iZahlrei-che Lehnsgüter samt den Gutshöfen und -häusern wurden mehreren Vögten zur Verfügung gestellt, doch wurden einige von ihnen Mitte des 16. Jahrhunderts zu sogenannten Gnadenlehen mit erweitertem Erbrecht.

Die Burg und das Lehnsgut von Rosenbeck sind ein markantes Beispiel dafür, wie der Status und die Ressourcen des Vogtamtes zum Instrument der Statuserhöhung der jeweiligen Familie dienten. 1477 verkaufte die Witwe des Vogts Rolow Persewall von Kokenhusen die Hälfte der Burg an den Vogt von Treiden, Woldemar Üxküll.176 1493 wurde die Burg vom Erzbischof zurückgekauft, doch ging sie 1518 gegen eine beträchtliche Geld-summe an Georg Krüdener, den späteren Vogt von Treiden. Als 1535 das Wappen der Familie Krüdener aus Rosenbeck in Wien bestätigt wurde,177 spielte der Lehnsbesitz eine bedeutende Rolle, mit dem die Erhebung in den Adelsstand legitimiert werden konnte.

Auch wenn das Amt dem Vogt die Möglichkeit bot, seine materielle Lage wesentlich zu verbessern, dürfen diese Perspektiven für das 16. Jahrhun-dert nicht überschätzt werden. Krüdener, der langjährige Vogt von Trei-den, verwies 1538 in einem Brief an Herzog Albrecht von Preußen darauf, dass seiner Erfahrung nach die Vögte in anderen livländischen Bistümern und in den Ländern des Deutschen Ordens sowie bei deutschen Königen, Kurfürsten und Fürsten materiell besser abgesichert seien; speziell nannte er das Bistum Dorpat, in dem die Vögte angeblich sehr reiche Dienstle-hen erhielten.178

unter dem URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd136270557.html (letzter Zugriff 20.8.2013).

174 LGU II, Nr. 413, 470, 771, 779.

175 VTVA, Nr. 129: Erzbischof Wilhelm von Riga erneuerte das Recht auf die Be-nutzung des Lehens am 9.3.1542. LGU II, Nr. 880. Vasilij Dorošenko betrachtete den Gutsbesitz von Gert Linde im Burgebezirk Laudon als ein typisches Beispiel für einen frühen Gutshof in Livland, der auf der Arbeit von Leibeigenen basiert ha-be. Dorošenko, Očerki agrarnoj istorii (wie Anm. 46), S. 132.

176 LGU I, Nr. 522. Rolow Persewall kaufte das Gut Rosenbeck 1437. LGU I, Nr.

289. Als Vogt von Kokenhusen wird er unter den Jahren 1451 und 1460/61 erwähnt.

177 Auch Georg von Ungern, der Vasall des Rigaer Erzbischofs und Vogt der Wiek (1517–1518), wurde 7.2.1534 vom Reichverweser Ferdinand in Prag in den Reichs-freiherrenstand erhoben; bereits am 16.5.1533 hatte er einen Wappenbrief des Papstes erhalten. Paul von Ungern-Sternberg: Einige Bemerkungen über den Ursprung und das Wappen des Geschlechts Ungern-Sternberg, in: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik für das Jahr 1907/08, Mitau 1910, S. 212f.; Paul von gern-Sternberg: Ein Wappenbrief des Papstes Clemens VII. für Georg von Un-gern, Herrn zu Purkel dd. Rom 1533 Mai 16, in: ebenda, S. 214f.

178 Herzog Albrecht 1534–1540, Nr. 989.

Schluss

Zu Beginn der Frühneuzeit war nicht nur das Amt für das soziale Pres-tige ausschlaggebend, sondern auch die verwandtschaftlichen Beziehun-gen und die Herkunft aus einer reichen Familie. Die überlieferte Korres-pondenz des Erzbischofs von Riga zeigt, dass ein von ihm berufener, nicht aus Livland stammender Beamter seine soziale Stellung weniger durch das Amt befestigen konnte, als vielmehr durch die Ehe mit einer vermögenden Frau aus bester Familie. Das Einkommen aus den erzbischöfl ichen Gütern allein brachte nicht genug Mittel ein, um den höchsten gesellschaftlichen Status zu sichern.179 Abgesehen davon, dass die Rigaer Erzbischöfe ihre Vögte zumeist unter den hochrangigen Vasallen und den vermögendsten Familien auswählten, bekleideten gelegentlich auch Zugereiste oder Ver-wandte des Landesherrn, die nicht adliger Herkunft waren, das Amt des Vogts von Kokenhusen. Mehrere der Vögte waren nur kurzfristig in der Verwaltung des Landes angestellt und trugen so zum Wohlstand ihrer Familien kaum etwas bei.

Zu der Zeit, als die erzbischöfl ichen Burgen in der Hand des Deutschen Ordens waren, wurden diese weiter von den erzbischöfl ichen Vögten ver-waltet. Zuweilen jedoch beauftragte der livländische Ordensmeister die eigenen Ritterbrüder mit der Verwaltung der erzbischöfl ichen Güter. So gehörten zu den Vögten von Treiden zwischen 1403 und 1417 die Ordens-brüder Johann Boderick, genannt Weckebrot, und Dietrich Ducker. In Kokenhusen übte 1556 dieses Amt der Ordensbruder Franz von der Lip-perheide aus.180

Zwar konnte der Erzbischof einen Vogt seines Amtes entheben, doch sind mehrere Fälle bekannt, wenn Vögte als Vertreter der Ritterschaft dem Landesherrn entgegenwirkten. Als Erzbischof Silvester Stodewescher z.B.

Schweden um militärische Unterstützung gegen den Deutschen Orden bat, unterstützten die erzbischöfl ichen Vögte seine Festnahme, indem sie ihn beschuldigten, mehrere livländische Verträge und den Frieden gebrochen zu haben. Die Vögte nahmen gemeinsam mit anderen ritterschaftlichen Delegierten an der Festnahme von Erzbischof Johannes VII. Blankenfeld (im Amt 1524–1527) teil. Im Allgemeinen waren die Vögte aktiv an der liv-ländischen Politik beteiligt, zumal wenn es um ihre Position angesichts der sich herausbildenden Dominanz des Deutschen Ordens ging. Astaf von Tr a n s ehe -R o s ene c k zufolge konnte gerade dank der einfl ussrei-chen Vasallengeschlechter, wie z.B. der von Rosen, das machtpolitische

179 Der Hofmarschall Wilhelms von Brandenburg heiratete 1535 die Tochter ei-nes vermögenden Vasallen, die eine stattliche Mitgift einschließlich mehrerer Gü-ter in die Ehe einbrachte. Herzog Albrecht 1534–1540, Nr. 840. Der Bruder des erzbischöfl ichen Hofmarschalls Wolf Schierstedt, geboren in Schwarzburg, heira-tete die reiche Margarethe von Tiesenhausen, die Witwe von Jakob von Aderkas.

LGU II, Nr. 438, 26./29.5.1526.

180 Arbusow, Livlands Geistlichkeit (wie Anm. 1), S. 276.

Gleichgewicht zwischen dem livländischen Ordensmeister und dem Rigaer Erzbischof beibehalten werden. So habe eine allzu starke Dominanz des Deutschen Ordens in Livland vermieden werden können.181

Die (erz-)bischöfl ichen Vögte waren Vertreter der Vasallen bzw. der Ritterschaft und in ihren Rechten jenen gleichgestellt. Eine Ausnahme mögen die nächsten Verwandten des Landesherrn gewesen sein, die im Laufe der Zeit besondere Privilegien erhielten. Eine weitere Ausnahme waren die Vögte aus den Familien von Rosen und von Tiesenhausen. Diese besaßen in mancher Hinsicht einen besonders hohen rechtlichen Status, wie etwa im 14. und 15. Jahrhundert, als sie das Recht der „gemeinsamen Hand“ auf ihren Lehnsgütern genossen. Die Verwandten der geistlichen Landesherren wechselten manchmal dank der erzbischöfl ichen Protektion ihren Status; als Lehnsherrn verunsicherten sie die örtlichen Vasallen in der Frage der Güterverwaltung. Dieser Umstand macht auch die Forde-rung der erzbischöfl ichen Vasallen von 1544 plausibel, dass der Vogt von Treiden ein Vasall adliger Abstammung und im Erzbistum Riga gebürtig sein müsse. Die Quellen enthalten jedoch keinen Verweis darauf, dass die städtische Herkunft der Verwandten des Erzbischofs (inklusive der Frauen) ihr soziales Prestige innerhalb des Standes der Ritterschaft gemindert hätte, ganz im Gegenteil: Man gewinnt sogar den Eindruck, dass die Vasallen daran interessiert waren, verwandtschaftliche Bindungen mit dem Lan-desherrn zu knüpfen.

Festzustellen bleibt, dass das Amt des Vogts im Laufe der Zeit seine hervorragende Bedeutung in Livland verlor: Im Vergleich zum 13. und 14.

Jahrhundert glich sich dieses Amt von seiner Bedeutung her im 15. und 16. Jahrhundert immer mehr den anderen erzbischöfl ichen Ämtern an, die von Laien besetzt waren.

Während der Zeit des letzten Erzbischofs von Riga veränderte sich der Status mancher Lehen, die von den Vögten geerbt oder ihnen aufgetra-gen worden waren. Sie wurden zu soaufgetra-genannten Gnadenlehen und unter-standen einem günstigeren Erbrecht. Eine wichtige Rolle spielten auch die verwandtschaftlichen Beziehungen mit den einfl ussreichsten Vasal-lengeschlechtern Livlands, deren Lehnsgüter oft außerhalb des Erzbis-tums Riga lagen. Off ensichtlich brachten die Domänen des Landesherrn in dieser Zeit nicht so viel ein, als dass die Vögte große materielle Vorteile im Vergleich zu anderen Vasallen hätten erwarten können.

Wie die Ritterschaft im Allgemeinen nahmen auch die Vögte an der livländischen Innenpolitik lebhaften Anteil. Sie saßen in den Versamm-lungen der ständischen Vertretungen als Repräsentanten ihres Landes-herrn und ihres Standes. Im Interesse der Ritterschaft waren sie zuweilen auch bereit, gegen ihren Landesherrn aufzutreten oder mit dem Deutschen Orden zu kooperieren.

181 GH Livland, S. 1049-1089.

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