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Der Aufbruch ins 20. Jahrhundert

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 108-111)

Vom materiellen Wohlstand der Familie zeugt ein scheinbar kleiner Vor-fall, der sich auf dem Ranckschen Damm – dem langjährigen Wohnort der Rancks – am 15. Juli 1905 ereignete. Am Nachmittag brachen bei Emma Ranck, die damals bereits 78 Jahre alt war, zwei junge Männer ein, die ihr den Mund und die Augen verbanden und aus der Kommode 700 Rubel in bar sowie eine goldene Uhr mit Kette und weitere Wertsachen aus Gold im Wert von 200 Rubel stahlen.46

1913 und 1914 verhandelte Olga Barbara, die Frau von Wilhelm Johann Ranck, mit der Stadtverwaltung, die ihr ein größeres Stück Land abkau-fen wollte. Auf diesem Boden wollte Riga einen Peter-Park (Pētera parks) einrichten – benannt nach Peter I. Olga Barbara bestand jedoch darauf, einen Teil des Grundbesitzes als Erbstück für die Kinder zu behalten.

Für sie sei es wichtig, ein Stück Land, das über Generationen ihrer Fami-lie gehört hatte, ihren Kindern zu vererben. Deshalb habe sie sich auch bislang geweigert, es an Privatpersonen zu verkaufen. Allerdings war der

das Rigaer Bauamt über den illegalen Bau auf dem Grundstück Nr. 49/136, Riga, 17.10.1888, in: LVVA, 2761/3/6086, Bl. 24ff ., 31, 34.

44 Liste der Volkszählung im Russischen Kaisererreich von 1897. Anschrift Ranck-scher Damm Nr. 8, Wohnung Nr. 3, MitauiRanck-scher Stadtbezirk, Viertel I, in Riga, in:

LVVA, 2706/1/24, Bl. 1100.

45 Ebenda.

46 Rigasche Rundschau, 16.7.1905, Nr. 153.

Stadt der von Olga Barbara geforderte Preis zu hoch. Der Krieg vereitelte das Geschäft ohnehin.47

So kam es erst 1934 zur großen Aufteilung des gesamten Grundbesitzes am Ranckschen Damm. Zehn Teile behielten die Familienangehörigen, die übrigen beiden wurden verkauft, damit die Familie ihre Schulden bezah-len konnte. Im Vertrag über die Aufteilung des Grundstücks wird James Ernst als Bürger des Deutschen Reichs bezeichnet.48 Er lebte bereits seit den 1920er Jahren in Deutschland.

1939 wurden aufgrund des Gesetzes über die Umsiedlung lettischer Staatsbürger deutscher Abstammung die lettischen Pässe der Kassiere-rin Zenta Ranck und des Kaufmanns Johann Wilhelm August Ranck annulliert.49 Im Haus am Ranckschen Damm Nr. 8 blieb Wilhelm Gus-tav Ranck wohnen. Sein Sohn Harry Woldemar aber schloss sich den Umsiedlern an.50 Heute gibt es keine Ranck’schen Grundstücke mehr.

Der frühere Wohnsitz der Familie ist jedoch leicht zu identifi zieren: Er folgt auf die Windung eines kleinen Flusses namens Mārupīte (Marien-Fluss) auf der Seite des Damms, auf der sich heute der „Park des Sieges“

(Uzvaras parks) befi ndet.

Schluss

Das Archivmaterial bietet vielfältige Informationen zur Erforschung der Geschichte von Familien, die in den so genannten lettischen Ämtern über mehrere Generationen in Riga tätig waren. Der Fall der Familie Ranck zeigt, dass gerade die Kirchenbücher eine sehr informative Quelle sind, die über Geburten und Taufen, Trauungen und Todesfälle informieren.

Schwierigkeiten kommen erst dann auf, wenn die Familienmitglieder den Wohnort gewechselt haben, denn dann ist es beinahe unmöglich, deren Lebensläufe weiter zu verfolgen.

Die Angaben aus den Kirchenbüchern können erfolgreich mit den Daten aus den Seelenrevisionslisten ergänzt werden; doch in solchen Fällen ist es nötig, zumindest den Wohnsitz der gesuchten Familie zu kennen. Im Fall der Familie Ranck ist die Recherche verhältnismäßig leicht, da die Familie über mehrere Generationen in Pārdaugava gewohnt hat. Da die

47 Brief von Olga Ranck an die Rigasche Stadtverwaltung über die Missstände auf ihrem Grundstück Riga, 1.12.1914, in: LVVA, 2724/2/2407, Bl. 20f.

48 Abschrift des Vertrags über die Teilung des Grundstücks Nr. 49/136, Riga, 12.12.1934, in: LVVA, 1615/4/7985, Bl. 2f.

49 Bericht des Innenministeriums über die Ungültigkeitserklärung des Passes von Zenta Ranks, Riga, 23.11.1939, in: LVVA, 2996/16/3258 (nicht nummeriert). Be-richt des Innenministeriums über die Ungültigkeitserklärung des Passes von Johans Vilhelms Ranks, Riga, 10.11.1939, in: ebenda, 2996/16/3202 (nicht nummeriert).

50 Gesuch von Harry Woldemar Rank an das Innenministerium über die Entlas-sung aus der lettischen Staatsbürgerschaft, Riga, 1.11.1939, in: LVVA, 3721/4/80, Bl. 182.

Familienangehörigen fast ausschließlich als Fischer und Fährleute tätig waren, gibt es Information zu ihnen auch im Bestand des Rigaer Amts- und Kämmereigerichts.51 Die Rancks übten innerhalb der Ämter verschiedene administrative Funktionen aus; dies vermehrte die Zahl von Streitfällen, in die sie verwickelt waren. Denn in den Behörden der Rigaer Stadtver-waltung erledigten sie ja nicht nur ihre eigenen Angelegenheiten, sondern vertraten auch die Interessen ihrer Ämter. Die Familienmitglieder such-ten das Gericht auch in persönlichen Fragen recht häufi g auf, zumindest im Vergleich zu ihren Amtsbrüdern. Zudem appellierten sie regelmäßig beim Rat, wenn Entscheidungen für sie ungünstig ausfi elen. Aus diesem Grund dürften sie über relativ viel Zeit und Mittel verfügt haben, um ihre Angelegenheiten auf gerichtlichem Wege zu regeln; doch ebenso deutet dies auf ihr Zielbewusstsein und ihre Motivation hin, über die sie off enbar in hohem Masse verfügten.

Zudem zeigen die Dokumente über Erbschaftsangelegenheiten im Bestand des Rigaer Waisengerichts, dass ein Teil der Familienangehö-rigen zweifelsohne zu den wohlhabenden Einwohnern der Rigaer Vor-städte gehörte. Erbteilungen führten oft zu jahrelangen Auseinander-setzungen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Familie Ranck nach den Rückschlägen der Kriegsjahre gegen Napoleon einen gewissen Wohlstand erreicht. Nun gewannen sie auch das Bürgerrecht in Riga. Auf den höheren sozialen Status der Familie verweist auch die Tatsache, dass Jacob Andreas, der Sohn von Georg David, seine Kinder im Dom oder in der St. Petri-Kirche taufen ließ. Seine Söhne besuchten ein deutsches Gymnasium und wurden zu Kaufl euten ausgebildet. Der Wechsel in den Kaufmannsstand bedeutete, dass der Familienname Ranck von nun an in Quellen anderer Institutionen zu suchen ist. So regelten die Rancks ihre Angelegenheiten, die den Handel im Sägewerk betrafen, vor dem Wettge-richt.52 Von den alltäglichen Problemen im Werk geben dagegen die Mate-rialien des Landvogteigerichts Auskunft.53 Von der Zugehörigkeit Wil-helm Johanns zu einer neuen, aufsteigenden sozialen Schicht spricht z.B.

die Verhandlung am Rigaer Landvogteigericht, bei der mehrere Arbeiter über nicht gezahlte Löhne klagten. In einem der beigefügten Dokumente berichtete ein gewisser Johan Krewin (bzw. Kreewing):

„Der Herr Rank ist mit uns überhaupt so verfahren wie in den Zeiten der Leibeigenschaft; er that mit uns wie und was er wollte, er nahm einen Arbeiter von uns heraus und setzte ihn als Podratsching [Auf-seher; A.Č.] den wir von unserem schwer verdientem Gelde bezah-len mußten. (...) Gott sei dank, der Kaiser aller Russen hat auch bei

51 LVVA, 1382/2.

52 LVVA, 1381/1.

53 LVVA, 1397/1.

Rank die Leibeigenschaft aufgehoben. Denn an Sonntagen wie an den gewöhnlichen Arbeitstagen haben wir arbeiten müßen“.54

Das überlieferte Quellenmaterial lässt uns die männliche Linie der Fami-lie sehr viel besser erkennen; von den Frauen wissen wir viel weniger. Die Erforschung der Lebensläufe der Töchter wird häufi g dadurch erschwert, dass sie nach der Eheschließung oft den Wohnort und die Gemeinde wech-selten. Schon ihre Lebensdaten bleiben daher ungewiss.

Ein Großteil dieser Quellen entstammt der damaligen offi ziellen Schrift-führung. Diese gewährt vorrangig einen Blick in das Geschäftsleben der Rancks und vermittelt einige Informationen über deren gesellschaftliche Aktivitäten. Was aber ihr privates Leben betriff t, ist den Quellen jedoch nicht viel zu entnehmen.

Summary

Th e History of the Rancks, a Family of

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 108-111)