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Die Position der Stadt Riga im Verhältnis zu Polen-Litauen

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 59-66)

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde deutlich, dass die admi-nistrativen Strukturen Livlands veraltet waren und dass sich diese nach dem Zusammenbruch der Macht des Deutschen Ordens nur noch auf alte Traditionen stützten. Bereits im 15. Jahrhundert war mit den Vasallen in Livland ein neuer Machtfaktor neben den Bischöfen und dem Orden ent-standen. Diese wurden sich ihrer Rolle als Adel des Landes bewusst und verliehen daher immer nachdrücklicher ihrer Unzufriedenheit mit dem Einfl uss ihrer geistlichen Herren Ausdruck. In der Nachbarschaft fes-tigte sich allmählich zudem die Herrschaft des Moskauer Zaren und die der Rzeczpospolita, doch zeigten auch Dänemark und Schweden verstärkt Interesse für die Ostseehäfen und für die ganze Region. Mit dem Angriff des Moskauer Heeres 1558 auf Livland begann der Livländische Krieg. Der spätere Ordensmeister Gotthard Kettler bat 1558 noch als Koadjutor die Hanse und den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, das sich damals selbst in einer schwierigen Lage befand, um Hilfe, doch blieb diese Ini-tiative ohne Ergebnis. Daraufhin wandte sich Kettler an Polen-Litauen, wo sich nach langen Debatten Nikolaus Radziwill der Schwarze (Mikołaj Czarny Radziwiłł), der seit 1551 Wojewode von Wilna war, mit der Forde-rung durchsetzte, den Krieg gegen Moskau aufzunehmen, obgleich dafür zunächst nur die Kräfte des Großfürstentums Litauen zur Verfügung standen.3 Zugleich siegte in der livländischen politischen Elite nach län-geren Meinungsverschiedenheiten Kettlers Ansicht, der sich der damalige Rigaer Erzbischof Wilhelm von Brandenburg anschloss, dass die Zukunft

2  Siehe Vilnis Pāvulāns: Satiksmes ceļi Latvijā XIII–XVII gs. [Die Verkehrs-wege in Lettland im 13.–17. Jh.], Riga 1971.

3 Zu den Beziehungen Polen-Litauens zu Livland und zu deren Bedeutung für die Innenpolitik der Rzeczpospolita siehe Hans-Jürgen Bömelburg: Kość niezgody – Infl anty w polityce wewnetrznej Rzeczypospolitej w XVI–XVII wieku [Ursache der Zwietracht – Livland in der Innenpolitik der Rzeczpospolita im 16.–17. Jahrhun-dert], in: Prusy i Infl anty. Między średniowieczem a nowożytnością. Państwo – społeczeństwo – kultura, hrsg. von Bogusław Dybaś und Dariusz Makiłła, Th orn 2003, S. 125-138; Raimonda Raugauskienė: Lietuvos didžiosios kunigaikštystės kancleris Nikolajus Radvila Rudasis [Der Kanzler des Großfürstentums Litauen Ni-kolaus Radziwill der Rote], Vilnius 2002, S. 351, passim; Jānis Straubergs: Rīgas vēsture [Geschichte Rigas], Riga [o.J., ca. 1938], S. 243-247; Stanisław Karwow-ski: Wcielenie Infl ant do Litwy i Polski 1558–1561 roku [Die Eingliederung Liv-lands in Litauen und Polen in den Jahren 1558–1561], Posen 1873, S. 40-101.

des Landes mit der Rzeczpospolita zu verbinden sei.4 Darüber hinaus fi e-len 1559 Ösel und das Bistum Kurland an Dänemark, kurz darauf über-nahm Schweden die Herrschaft im nördlichen Estland und in Reval. 1560 unterzeichnete Kettler, mittlerweile als Ordensmeister, eine Einigung mit dem Großfürstentum Litauen: Er stellte seine Länder unter den Schutz des Königs von Polen-Litauen mit dem Vorbehalt, sie später wieder frei-kaufen zu können.

Am 28. November 1561 fand die feierliche Zeremonie der Kapitulation der livländischen Länder in Wilna statt. Der letzte Ordensmeister Kett-ler entband am 5. März 1562 im Rigaer Schloss die Ritter und Vasallen ihres Eides, indem er die Regalien an Kanzler Radziwill übergab.5 Liv-land wurde zu einer Provinz des Königs von Polen, die später in Herzog-tum Livland umbenannt wurde. Kettler selbst wurde Vasall des Königs, indem er Kurland und Semgallen als Lehnsherzogtum erhielt. Außerdem wurde er einstweilen auch als Administrator des polnischen Teils von Liv-land eingesetzt. Nur Riga verweigerte die Ergebenheitsgeste und blieb, da es nur „einen verklausulierten Eid“ leistete, zwanzig Jahre lang so gut wie unabhängig.6

Dennoch war Riga von 1560 bis 1562 in die Verhandlungen mit der Rzecz-pospolita einbezogen. Angesichts des verstärkten Einfl usses Schwedens im nördlichen Estland verkündeten die polnischen Vertreter im Sommer 1561, dass der von Kettler abgeschlossene Vertrag über das Protektorat seine Bedeutung faktisch verloren habe. Falls die livländischen Territo-rien realen Schutz gegen die Bedrohung aus Moskau erwarteten, müssten sie sich vollständig dem polnisch-litauischen König unterwerfen. Dessen Bevollmächtigter Nikolaus Radziwill kam Ende August 1561 mit einem beeindruckenden Gefolge nach Riga und erklärte die Bedingungen der Unterwerfung: Riga solle direkt dem König unterstehen, während Livland zu dessen Provinz erklärt wird. Kettler war enttäuscht, denn er wollte in einem Herzogtum Livland mit Riga als Zentrum die Rolle des Herzogs übernehmen. Die Stadt Riga war sich aber der Schwäche der Königsmacht in der Rzeczpospolita durchaus bewusst und verließ sich daher nicht auf das vom König gegebene Versprechen, dass er im Falle einer realen Bedrohung Riga zur Seite stehen würde. Radziwill wiederum, der daran interessiert

4  Anna Grabowska-Sucheni: Zygmunt August. Król polski i wielki księże litew-ski 1520–1562 [Sigismund August. König von Polen und Großfürst von Litauen 1520–1562], Warschau 1996, S. 374-391; Edward Kuntze: Organizacja Infl ant w czasach polskich [Die Organisation Livlands zur polnischen Zeit], in: Polska a In-fl anty, hrsg. von Józef Borowik, Gdynia 1939, S. 1-53, hier S. 6.

5  Ein zeitgenössischer Bericht über den Einmarsch der von Nikolaus Radziwill geführten multinationalen Truppen in Riga bei Balthasar Russow: Chronica der Prouintz Lyffl andt, in: Scriptores rerum Livonicarum, Bd. 2, Riga und Leip-zig 1848, S. 1-157, hier S. 67.

6 Arnolds Spekke: Ķēniņa Stefana ienākšana Rīgā un cīņas par Doma baznīcu [Die Ankunft des Königs Stefan in Riga und der Kampf um die Domkirche], Ri-ga 1932, S. 6.

war, dass Riga im Krieg gegen Moskau ihn unterstützt, sah sich gezwun-gen, am 8. September alle Privilegien der Stadt zu bestätigen. Er musste ihr auch versichern, dass sie künftig direkt dem König untersteht, und versprechen, dass dieser ihre Privilegien bestätigt. Daraufhin leisteten die Bürger der Stadt dem König einen provisorischen Eid, der jedoch erst nach der Konfi rmation der Rigaer Rechte durch den Sejm in Kraft treten sollte.

Da dies nicht erfolgte, erklärte Riga seinen vorläufi gen Eid für ungültig.

Im November 1561 leisteten dann, wie erwähnt, der Ordensmeister, der Erzbischof, die Ritter und die livländischen Städte dem König von Polen in Wilna den Treueeid; die entsprechenden Verträge wurden im Februar und März 1562 unterzeichnet.7 Allerdings waren die polnischen Vertreter bei den Verhandlungen nicht anwesend. Ohne deren Zustimmung konnte der König Livland keine militärische Unterstützung zusagen. Die Rigaer Gesandten verweigerten den Eid, indem sie als Vorwand den Lehnseid vorbrachten, den sie einst dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches geleistet hätten. In Wahrheit gab es jedoch kein Subordinationsverhält-nis zwischen Riga und dem Kaiser, an den nur die livländischen Landes-herren lehnsrechtlich gebunden waren. Mit der Unterwerfung unter die Rzecz pospolita wurde der polnische König zu ihrem Lehnsherrn. Riga berief sich auf die der Stadt von Gotthard Kettler erteilte Befreiung von allen Lehnsbindungen zum Deutschen Orden. Verhandlungen der Stadt um eine direkte Unterstellung unter den Kaiser waren erfolglos geblieben.8

Mit Recht verweist Jānis St r aub er g s darauf, dass Riga und die livlän-dischen politischen Eliten bezüglich der Figur eines starken Herrschers verschiedene Ansichten vertraten. Der Adel wollte von einem starken Herrscher in Schutz genommen werden, während es die Stadt, die bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts eine Art „Staat im Staat“ gewesen war, genau andersherum sah. Straubergs zufolge hätten die Rigaer Bürger dem Stadtrat ihren Willen diktiert und dabei aufmerksam verfolgt, ob Letzte-rer ihnen nicht „einen hohen Herren auf den Hals“ setzt. Die Bürger blie-ben höchst wachsam, wenn es darum ging, unter fremde Herrschaft zu geraten.9 Zudem war die Frage der direkten militärischen Unterstützung für Riga nicht so wichtig, da es über starke Festungsanlagen verfügte, die auch im Fall eines Angriff s des Moskauer Heeres Schutz bieten würden.10

7  Siehe die Pacta subiectionis und die Kommentare in: Kurland. Vom polnisch-litauischen Lehnsherzogtum zur russischen Provinz. Dokumente zur Vefassungsge-schichte 1561–1795, hrsg. von Erwin Oberländer und Volker Keller, Pader-born u.a. 2008, S. 54-93.

8  Edgars Dunsdorfs, Arnolds Spekke: Latvijas vēsture 1500–1600 [Geschich-te Lettlands 1500–1600], Stockholm 1964, S. 154; Straubergs, Rīgas vēsture (wie Anm. 3), S. 248, 277; Karwowski, Wcielenie Infl ant (wie Anm. 3), S. 92; Niko-lajs Ķaune: Leišu un poļu laikmets Livonijā [Das litauische und polnische Zeital-ter in Livland], Riga 1936, S. 25.

9 Straubergs, Rīgas vēsture (wie Anm. 3), S. 249, 277.

10 Kuntze, Organizacja Infl ant (wie Anm. 4), S. 12.

So konnte Riga seine Selbständigkeit für eine Zeitlang sowohl in politi-scher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht bewahren. Für die politischen Eliten in der Rzeczpospolita und für deren offi zielle Repräsentanten in Liv-land stellte dies jedoch eine ungünstige Situation dar. Bis 1582 gab es eine Reihe von Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen zwischen der Stadt und der Rzeczpospolita. So kam es z.B. zur Einberufung von Kommissionen zur gegenseitigen Kontrolle oder zur Abfassung von gegenseitigen Ankla-geschriften für den polnischen König. Als 1563 Erzbischof Wilhelm starb, befahl Sigismund II. August seinem Herzog Kettler, den Besitz der Rigaer Kirche zu übernehmen. Zugleich wurde der Rigaer Rat gewarnt, keinen Versuch zu unternehmen, auf diesen Besitz zuzugreifen.11 Riga fügte sich.

Sigismund führte zu dieser Zeit bereits Krieg mit Ivan IV. Daher durfte er nicht zulassen, dass die Moskauer Truppen sich Rigas und des Schlosses bemächtigten. Allerdings stand er in dieser Hinsicht schon seit 1562 vor einer kaum lösbaren Aufgabe. Auch die briefl ichen Gesuche von Gott-hard Kettler nach Soldaten und Munition für das Rigaer Schloss hatte er zurückweisen müssen.12

Im August 1566 wurde Jan Chodkiewicz zum Provinzverweser im Her-zogtum Livland ernannt, doch übernahm er das Amt von Gotthard Kett-ler erst im November, als der erste Landtag nach der Aufl ösung Livlands in Kokenhusen abgehalten wurde. Dabei wurde ihm vom König Sigis-mund II. als erste Aufgabe aufgetragen, die Stadt Riga zu unterwerfen.13 Ausführlichere Verhandlungen fanden 1570 statt, als Chodkiewicz durch Vermittlung Kettlers, der nunmehr Herzog von Kurland und Semgallen war, Riga – wiederum erfolglos – zum Nachgeben zu bewegen suchte.14

Dabei war die Stadt in den 1560er Jahren gewissermaßen durchaus in den polnisch-litauischen Kampf gegen Moskau einbezogen – z.B. im Fall des Grafen Johann von Arzt, dessen Verrat im Sommer 1563 aufgedeckt wurde. Dieser war von Herzog Johann von Finnland zum Bevollmächtig-ten in dessen vom polnischen König als „Brautschatz“ erhalBevollmächtig-tenen livländi-schen und südestländilivländi-schen Gütern ernannt worden.15 Allerdings

verbün-11 Spekke, Ķēniņa Stefana ienākšana (wie Anm. 6), S. 7.

12 Sigismund II., König von Polen, an Nikolaus Radziwill, o.O., 16.11.1562, 11.12.1562 und 2.2.1563, in: Listy Króla Zygmunta Augusta do Radziwiłłów [Briefe König Sigismund Augusts an Radziwill], hrsg. von Irena Kaniewska, Krakau 1998, S. 402, 417 und 437.

13 Ķaune, Leišu un poļu laikmets (wie Anm. 8), S. 27.

14 Näheres zu den Ereignissen im Brief von Sigismund II. August an Nikolaus Radziwill, den Kanzler des Großfürstentums Litauen und Wojewoden von Wilna, o.O., 27.4.1567, in: Listy (wie Anm. 12), S. 526; Anna Ziemlewska: Ryga w Rzeczy-pospolitej Polsko-litewskiej (1581–1621) [Riga in der polnisch-litauischen Rzeczpos-polita 1581–1621], Th orn 2008, S. 56.

15  Russow, Chronica (wie Anm. 5), S. 68, 70f.; siehe vor allem Herzog Albrecht von Preußen und Livland (1565–1570). Regesten aus dem Herzoglichen Briefarchiv (künftig Herzog Albrecht 1560–1564), bearb. von Stefan Hartmann, Köln, Wei-mar und Wien 2008 (Veröff entlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 61), Nr. 3150/1: Carl de Mora, Schwedischer Befehlshaber in Livland, an Aleksander

dete sich der „vermeintliche Graf “ heimlich mit Ivan IV., dem er die ihm überantworteten Güter versprach. Nachdem man seiner habhaft gewor-den war, wurde er im Herbst 1563 nach Riga gebracht, wo er „des Midde-wekens vor Wynachten, mit heten Tangen thoreten, vnde vp verr Rade ys gelecht“ worden sei.16 Zudem war Riga auch am polnisch-kurländischen Feldzug in Estland gegen Schweden indirekt beteiligt, da die polnischen Truppen inoffi ziell in Riga stationiert waren.17

Die Lage in Riga stabilisierte sich für einige Zeit, nachdem Sigismund II.

August 1572 gestorben war, waren damals doch die Aktivitäten der Magna-ten und des Hofs verstärkt auf die Suche nach einem neuen König gerich-tet. Im Jahr darauf schrieb der polnisch-litauische Diplomat Micelski, man müsse dringend einen König wählen, der sich in militärischen Ange-legenheiten auskennt. Nach Edward Kuntze hätte sonst „Polen die Stadt Riga für immer verlieren“ können.18 Der 1576 zum König gewählte Ste-phan Báthory war ein Adliger ungarischer Herkunft aus Transsylvanien.

In militärischer Hinsicht zahlte sich seine Wahl durch die Einnahme von Polock 1579 und die von Vel’iž im Jahr darauf aus, wodurch Báthory ent-scheidende Erfolge im Krieg gegen Moskau für sich verbuchen konnte.

1582 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet. Stephan Báthory fes-tigte allmählich seinen Einfl uss in der ganzen Region.19 Für Riga war das insoweit von besonderer Bedeutung, weil Polen damals auch die Kontrolle über den Handelsweg der Düna gewann.20

Unter dem Einfl uss der Schreckensmeldungen vom Kriegsschauplatz dürfte sich in Riga die Haltung gegenüber dem Krieg gewandelt haben.

Denn ein öff entlich stark refl ektierter Aspekt dieses Krieges war eine bis dahin unbekannte russische Grausamkeit gegenüber der livländischen Polubienski, polnischer Hauptmann in Wolmar, Pernau, 17.6.1563 (S. 380f.); Nr.

3152: Wenceslaus Schack, Gesandter von Herzog Albrecht, Riga, 29.6.1563 (S.

382f.); Nr. 3233/1: Gotthard Kettler an Herzog Albrecht, Riga, 6.12.1563 (S. 456), Nr. 3249: Gotthard Kettler an Herzog Albrecht, Riga, 17.1.1564 (S. 468f.).

16 Russow, Chronica (wie Anm. 5), S. 70f.

17 Siehe ausführlich Russow, Chronica (wie Anm. 5), S. 71f.

18 Kuntze, Organizacja Infl ant (wie Anm. 4), S. 14.

19 Näheres zur Kriegsführung auf dem Gebiet des heutigen Lettlands bei Jan Na-tanson-Leski: Epoka Stefana Batorego w dziejach Wschodniej Rzeczypospo-litej [Die Epoche Stefan Báthorys in der Geschichte der östlichen Rzeczpospolita], Warschau 1930, S. 12-34, 68-78, 104-147; Jan Hylzen: Infl anty (...) zebrane y pol-skiemu światu do wiadomości w oyczystym języku podane [Livland (…) gesammelt und der polnischen Welt zur Kenntnis in der Sprache der Väter vorgestellt], Wilna 1750, S. 200; Gustaw Manteuffel: Zarysy z dziejów krain dawnych Infl ant czy-li Infl ant właściwych (tak szwedzkich jako i polskich), Estonii z Ozyczy-lią, Kurland-ii i Ziemi Piltyńskiej [Darstellungen der Geschichte der Gebiete Alt-Livlands oder des beherrschten Livlands (sowohl des schwedischen als auch des polnischen), Es-tlands mit Ösel, Kurlands und des Piltenschen Landes], hrsg. von Krzysztof Za-jas, Krakau 2007, S. 121-128; Andrej M. Januškevič: Vjalikae Knjastva Litoǔskae i Infl janckaja vajna 1558–1570 hh. [Das Großfürstentum Litauen und der Livländi-sche Krieg 1558–1570], Minsk 2007, S. 21-212.

20 Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 52.

Bevölkerung. Riga erlebte mehrfach, wie sich Einwohner aller Stände in Scharen, von Angst und Schrecken gepackt, vor dem Stadttor dräng-ten. Zuletzt war dies im Januar 1575 geschehen, als die Menschen wieder einmal vor den Russen und Tataren fl ohen.21 Riga unterstützte Báthory bereits vor seiner Unterwerfung im Krieg gegen Moskau. 1581 gewährte nicht nur Kettler, sondern auch Riga dem König für den Feldzug nach Pleskau fi nanzielle Unterstützung. Und im Dezember 1581, als Riga sich bereits formal unterworfen hatte, gab Báthory, der sich gerade verzweifelt bemühte, seine in Russland stationierten Truppen mit Lebensmitteln und Waff en zu versorgen, Riga den Auftrag, eine Ladung von 100 Zentnern Schießpulver an sein Heer nach Russland zu senden.22

Die Verhandlungen zwischen Riga und Báthory fanden im Mai 1580 und im Januar 1581 in Grodno und Drohiczyn statt.23 Beide Seiten ließen sich dabei auf Kompromisse ein: Der König versprach Riga Handelsvor-rechte, während die Rigaer Gesandten ihm in Drohiczyn einen proviso-rischen Treueid leisteten. Báthory sicherte Riga seinerseits die Glaubens-freiheit zu, doch behielt er sich das Entscheidungsrecht in Bezug auf das kirchliche und klösterliche Eigentum vor. Schließlich traf am 7. April 1581 der königliche Sekretär Jan Dymitr Solikowski in Riga ein, vor dem die Stadt ihren Treueid auf den König schwor.24

Dabei erwarb Riga tatsächlich ein Recht auf freien Handel mit Litauen und Kurland, das auch für die Düna galt.25 Dieses vom König bestätigte Privileg enthielt auch das alleinige Handelsvorrecht bezüglich Smolensks.

Zudem führte Báthory 1581 nach Danziger Beispiel den Zoll, d.h. das soge-nannte portorium in Riga ein – ein Drittel der Zolleinnahmen behielt die Stadt, während die übrigen zwei Drittel an den polnischen Staat abzu-führen waren.26 Doch blieb Riga zum größten Teil wirtschaftlich unab-hängig, was indes auf Kosten seiner politischen Selbständigkeit ging. Im

21 Natanson-Leski, Epoka Stefana Batorego (wie Anm. 19), S. 13.

22 Karol Olejnik: Stefan Batory 1533–1586, Warschau 1988, S. 218, 244.

23 Spekke, Ķēniņa Stefana ienākšana Rīgā (wie Anm. 6), S. 8.

24 Kuntze, Organizacja Infl ant (wie Anm. 4), S. 65f.

25  Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 52. Die Dokumente, wie z.B. das von Stephan Báthory am 14. Januar 1581 unterzeichnete Privileg für die Stadt und die Bürger Rigas oder die von König Sigismund III. am 17. April 1589 unterzeich-nete Bestätigung des Rigaer Privilegs, werden im Historischen Staatsarchiv Lett-lands aufbewahrt. Siehe Latvija – Polija 1447–1940. Piecus gadsimtus ilgas divu tautu kaimiņattiecības. Katalogs [Lettland – Polen 1447–1940. Fünf Jahrhunderte lange Nachbarschaft zweier Völker. Katalog der Ausstellung], hrsg. von Jarosław Sozański und Māra Ņikitina, Riga 1993, S. 23ff .; Handels- und Zollprivileg Ste-phan Báthorys für Riga, 14.1.1581, in: Historisches Staatsarchiv Lettlands (Latvi-jas Valsts vēstures arhīvs, Riga, künftig LVVA), Bestand 8, Findbuch 3e, Akte 9; sie-he auch Proclamation by King and Grand Duke Stefan Batory on customs duties, 1581, einsehbar unter dem URL: http://www.balticconnections.net/views/exhibition/

detail.cfm?mode=theme&ID=CD5C7B6B-C233-3821-42C467DCCCDD0D05 (letzter Zugriff 5.4.2015).

26 Handels- und Zollprivileg des Königs Stephan Báthorys (wie Anm. 25).

Allgemeinen hatte der Livländische Krieg den Handelsumfang auf der Düna nicht besonders beeinträchtigt, ausgenommen nur die Jahre, als sich die Kampfhandlungen in unmittelbarer Nähe der Stadt abspielten.

Während bis zum Kriegsausbruch jährlich durchschnittlich 125 Schiff e von Riga aus durch den Sund segelten, waren es von 1557 bis 1583 sogar 135. Als die Rzecz pospolita nach Kriegsende die Kontrolle über die Düna gewann, steigerte das den Handelsumfang noch weiter. Bis zum Ende des Jahrhun-derts setzte sich Riga z.B. beim Ascheexport unter den Ostseehäfen durch.

Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Neustadt und Jakobstadt am Ufer der Düna zu erkennen. Die Anzahl der Schiff e aus Riga, die in den 1590er Jahren durch den Sund segelten, stieg auf 230 im Jahr.27

Am 12. März 1582 traf Stephan Báthory höchstpersönlich in Riga ein.

Nachdem er die zugefrorene Düna überquert hatte, residierte er zunächst im Rigaer Schloss. Hier stellte er der Stadt die ultimative Forderung, einige Kirchen sofort unter seinen Schutz zu stellen. Erst nach Erfüllung dieser Bedingung wollte er die Stadt betreten. Der Rigaer Rat gab sofort nach, wodurch diese Kirchen rekatholisiert wurden. Báthory war der erste König in der Geschichte Rigas, der die Stadt betrat.28 Damit setzte die Gegenre-formation ein, die durch den Jesuitenorden und die Kalenderunruhen von 1584 bis 1589 gekennzeichnet ist. Man könnte sagen, dass Rigas Konfl ikt mit Báthory erst zu dem Zeitpunkt begann, als die Stadt sich der Anord-nung des Königs bezüglich der Einführung des Gregorianischen Kalen-ders ab 1582 wiKalen-dersetzte.

Meinungsverschiedenheiten zwischen dem polnischen Staat und Riga gab es in erster Linie bezüglich der Frage der Abgaben. Polnischerseits wurde schon 1599 beklagt, dass die Schwierigkeiten beim Einzug der Abga-ben in Polnisch-Livland viel mit der Widerspenstigkeit Rigas zu tun hätten.

Dies äußerte sich z.B. darin, dass die Stadt eigentlich berechtigt war, eine direkte Einziehung von Abgaben auf ihrem Gebiet nicht zuzulassen. Es gab in der Stadt damals auch kein Zollamt. Eine Ausnahme stellte nur das portorium dar. Darüber hinaus sollte Riga im Falle eines Krieges aber auch 300 Soldaten sowie Kanonen, Waff en und Munition bereitstellen. Deshalb

27  Wasilij Doroszenko: Eksport Rygi na Zachód w okresie przynależności do Rzeczypospolitej (1562–1620) [Exporthandel Rigas nach Westen zur Zeit der Rzeczpospolita (1562–1620)], in: Zapiski Historyczne 31 (1966), Nr. 1, S. 7-44;

Vasilij Dorošenko: Torgovlja i kupečestvo Rigi v XVII veke [Der Handel und die Kaufmannschaft Rigas im 17. Jahrhundert], Riga 1985, S. 49-108; Vilnis V. Pavu-lan: Razvitie vnutrennych i tranzitnych putej soobščenija Latvii v XIII–XVII vv.

Avtoreferat diss. na soisk. uč. st. kand. ist. nauk [Die Entwicklung der inneren und Transitverkehrswege Lettlands vom 13.–17. Jh. Autoreferat einer geschichtswiss.

Kandidatendiss.], Riga 1965, S. 13.

28  Siehe auch Arnolds Spekke: Latvieši un Livonija 16. gs. [Die Letten und

28  Siehe auch Arnolds Spekke: Latvieši un Livonija 16. gs. [Die Letten und

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