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Der Konfl ikt zwischen Riga und der Festung Dünamünde

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 66-76)

Während der ganzen untersuchten Zeit kam es nicht selten zu bewaff neten Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und polnisch-litauischen Sol-daten, die in der Nähe von Riga in Schlössern und Festungen stationiert waren. Am schwierigsten waren die Beziehungen zwischen Riga und der Festung Dünamünde. Sie war vom König mitsamt den dazu gehörigen Ländern zunächst Bartosz Levoń als Lehen aufgetragen worden, später ging sie an Jan Ostrowski und im März 1600 an Krzysztof Mikołaj Doro-hostajski, dem Marschall des Großfürstentums Litauen.31

Ursprünglich hatte Chodkiewicz die Unterstellung Rigas auf friedli-chem Wege erreichen wollen, doch griff die Stadt zu einer Provokation:

Gemeinsam mit Pernau lieferte sie Lebensmittel an den dänischen Prin-zen Magnus, der aus taktischen Überlegungen mit Ivan IV. zusammenar-beitete.32 Als Riga unnachgiebig blieb, brachte Chodkiewicz Dünamünde

29 Bericht eines anonymen Amtsträgers der Rzeczpospolita über die Steuereinzie-hung in Livland, o.O., 1599, in: LVVA, 673/1/1220, Bl. 105.

30 Jan Firley an den Rigaer Rat über die Begleichung der städtischen Schulden ge-genüber Jan Ungier, Lublin, 28.6.1601, in: LVVA, 673/1/1245, Bl. 181.

31  Stanisław Herbst: Wojna infl ancka 1600–1602 [Der Livländische Krieg 1600–1602], Zabrze 2006, S. 25.

32 Andres Adamson: Magnus in Moscow, in: Acta Historica Tallinensia 16 (2011), S. 67-85; Andris Zeļenkovs: Dānijas prinča Magnusa (1540–1583) darbība Livonijā [Das Wirken des Prinzen Magnus von Dänemark (1540–1583) in Livland], in: Lat-vijas kara muzeja gadagrāmata, Riga 2000, S. 15-30. Siehe dazu auch Marina B.

Bessudnova: „Apologija“ Magnusa Golštinskogo iz Švedskogo gosudarstvennogo arhiva [Die „Apologie“ von Magnus von Holstein aus dem Schwedischen Staatsar-chiv], in: Peterburgskie slavjanskie i balkanskie issledovanija 2013, Nr. 2, S. 120-136.

gegen es in Stellung. Im Mai/Juni 1567 stationierte er in dieser strategisch äußerst günstig gelegenen Festung eine erhebliche Anzahl von Soldaten, welche dort mit dem Ausbau der Befestigungsanlagen begannen. Damit wollte Chodkiewicz den Rigaer Handel beeinträchtigen, d.h. Einnahmen gewinnen und so die Stadt fügsamer machen. Die Stadt protestierte heftig.

Am 7. Juli ging Riga in Dünamünde sogar gegen die Soldaten Chodkie-wiczs zum Angriff über. Schließlich griff Gotthard Kettler in den Streit ein, worauf der Ausbau der Festung eine Zeitlang stillgelegt wurde.33 Der kurländische Herzog trat auch 1570 als Vermittler in den Verhandlungen zwischen beiden Seiten auf, doch blieben diese weitgehend ergebnislos.34 Der Revaler Chronist Balthasar Russow, der im Allgemeinen die polni-schen Bestrebungen eher negativ sah, resümierte das Geschehen zu Pfi ngs-ten 1567 folgendermaßen: „Th om lesten alse he [Chodkiewicz; Ē.J.] an den Rigesschen nichts hebben könde, ys he daruan getagen, vnde heff t nichts mehr vthgerichtet, alse dat he arme Lüde binnen Landes makede“.35

Auf diese Spannungen verweist auch ein Schreiben von Ende Dezember 1568, mit dem sich der polnische Offi zier Marcin Wierzbołowicz, der Ver-walter des Schlosses Neuermühlen und der Festung Dünamünde, an den Rigaer Rat wandte. Off ensichtlich handelte es sich dabei um eine Antwort auf ein ähnlich gelagertes, früheres Schreiben des Stadtrats. Wierzbołovicz behauptete, dass das Schloss Neuermühlen viel mehr unter den Rigaern leide als umgekehrt. So seien seinen Leuten Getreide und ihm selbst vier Kühe gestohlen worden. Er bat Riga um die Rückerstattung der Kühe, denn „jeder hat doch sein Hab und Gut lieb“.36 Tatsächlich befl eißigte sich die Korrespondenz zwischen den polnischen Amtspersonen und dem Rigaer Stadtrat stets eines sehr höfl ichen Tons – als ob es gar keinen Kon-fl ikt gegeben hätte.

Die größten Meinungsverschiedenheiten hatte Riga aber mit der Fes-tung Dünamünde. Mit Recht sah die Stadt im Versuch der FesFes-tung, von den städtischen Einkünften zu profi tieren, ein wesentliches Hindernis für ihr eigenes wirtschaftliches Leben. Vor allem betraf das die Einkünfte, die der Schiff sverkehr auf der Düna generierte. In einem Schreiben von 23 Juni 1572 teilte der Starost37 von Dünamünde, Piotr Gradowski, dem Rigaer Rat mit, dass er sich beim König über Riga beschweren werde, da die Rigaer Schiff e der Festung keine Lebensmittel verkauften, die Bürger der Stadt sich überhaupt frech auff ührten und den Festungsbewohnern

33 Russow, Chronica (wie Anm. 5), S. 75.

34 Ķaune, Leišu un poļu laikmets (wie Anm. 8), S. 30f.

35 Russow, Chronica (wie Anm. 5), S. 75.

36 Marcin Wierbołowicz an den Rigaer Rat über die Verluste, welche die Rigenser dem Schloss von Neuermühlen zugerichtet haben, Neuermühlen, Ende Dezember 1568, in: LVVA, 673/1/97, Bl. 4.

37 Die Amtspersonen der Rzeczpospolita und die Starosten der Festungen und Schlösser werden in der lettischen Fachliteratur zuweilen auf Lettisch als „Komman-danten“ bezeichnet, was nicht immer korrekt ist: „Starost“ konnte die Bezeichnung für ein militärisches Amt oder für einen höheren Vorgesetzten der Garnisonen sein.

bei jeder Gelegenheit noch „das Kleinste von der Nahrung“ wegnähmen.38 Solche Beschwerden und Anschuldigungen waren von Beginn an jedoch beidseitig. So schrieb Chodkiewicz am 28. Dezember 1575 Gradowski, dass er als Administrator der Provinz für die Ruhe im Landesinneren verant-wortlich sei. In dieser Funktion habe er aus Riga Beschwerden über die Eigenmächtigkeiten der polnischen Soldaten in Dünamünde erhalten, die schiff sbrüchigen Einwohnern Rigas, die sich im Sturm von gestrandeten Schiff en retten konnten, keine Hilfe geleistet hätten – schlimmer noch, diese seien sogar ins „Gefängnis geworfen“ worden. Chodkiewicz gab zu bedenken, dass wenn dieser Vorwurf berechtigt sei, seine eigene Lage äußerst misslich sei. Er verpfl ichtete den Starost dafür zu sorgen, dass sich solche Zwischenfälle nicht mehr wiederholten.39

Interessanterweise verbesserten sich die Beziehungen zwischen Riga und den polnisch-litauischen Garnisonen in der Umgebung keineswegs, nachdem sich die Stadt der Rzeczpospolita unterworfen hatte. Die Lage wurde im Gegenteil nur noch komplizierter. Beide Seiten wurden immer angriff slustiger und es kam zu off enen Aggressionen. Die Stimmung war bald so angespannt, dass die Verbindung zwischen Riga und dem übrigen Livland völlig abzubrechen drohte.40

Den Anlass zum Streit gab die Leuchtturmfrage. An der Mündung der Düna gab es wandernde Sandbänke, weshalb dort spezielle Leuchttürme standen, welche leicht und beweglich waren – so z.B. ein einfacher Bal-ken mit einem oben angebrachten, mit Brennstoff gefüllten Gefäß. Riga war im Besitz eines königlichen Privilegs, diese Leuchttürme aufstellen zu dürfen. Diese Verbesserung der Navigation wurde jedoch durch die Gar-nisonen in der Festung Dünamünde behindert. Bereits 1581 hatten der Sta-rost von Dünamünde, Bartosz Levoń (oder Jan Ostrowski, der damalige Vorsteher der Festungsgarnison), Riga das Aufstellen von Leuchttürmen verboten. Später wurde sogar befohlen, die Leuchtfeuer zu zerstören – was im klaren Widerspruch zum königlichen Privileg stand.41 Ostrowski behauptete in einem Schreiben an den Rat vom 6. August 1581, dass ein von der Stadt angelegter Bau mit einem größeren steinernen Fundament wohl einen Leuchtturm darstellen solle. Seiner Ansicht nach wolle Riga diesen dort aufstellen, wo es das Privileg verbietet. Daher bat er den Stadt-rat, die Bauarbeiten bis zur Ankunft des Königs stillzulegen, der gerecht

38  Piotr Gradowski an den Rigaer Rat über das feindselige Verhältnis der Rigenser der Festung Dünamünde gegenüber, o.O., 23.6.1572, in: LVVA, 673/1/97, Bl. 131.

39 Jan Chodkiewicz an Piotr Gradowski über die Beschwerden der Rigenser, o.O., 28.12.1575, in: LVVA, 673/1/98, Bl. 13.

40 Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 163.

41  Ebenda, S. 186f. Der Autor gibt an, Jan Ostrowski sei 1581 Kommandant bzw.

Starost von Dünamünde gewesen, obwohl dieser erst im März 1583 das Amt über-nahm. Vor ihm hatte Bartosz Levoń dieses Amt inne. Siehe Urzędnicy infl anccy XVI–XVIII wieku. Spisy [Amtspersonal in Livland im 16.–18. Jahrhundert. Eine Aufl istung], hrsg. von Krzysztof Mikulski und Andrzej Rachuba, Kórnik 1994, S. 178.

entscheiden werde. Er mahnte zugleich, dass er die Fortsetzung der Bau-arbeiten unter keinen Umständen zulassen werde. Solche Vorhaben sollten mit ihm in Zukunft vorher geklärt werden.42 Angesichts dieser Einwände Ostrow skis dürfte das Privileg vermutlich keine direkten Hinweise auf die Standorte der Leuchttürme enthalten haben. Anscheinend sollte die gege-bene Situation dafür ausgenutzt werden, um den für die Garnison ungüns-tigen Bau zu verhindern. Die Nachricht über diesen Streitfall erreichte auch Báthory, der jedoch damals Riga gewogen war. Der König wies den Vorstehenden des Bezirks Wenden, Georg Farensbach, an, mäßigend auf Ostrowski einzuwirken. Folgen hatte diese Intervention jedoch nicht.43 Im Sommer desselben Jahres schrieb Ostrowski, der sich nun „Herr auf Schloss Dünamünde“44 nannte, den „hochwürdigen Ratsherren von Riga und meinen lieben Nachbarn“, sie mögen ihm dringend die an die Küste von Dünamünde angespülten Gegenstände zurückzugeben, die sich die Rigaer allem Anschein nach angeeignet hätten.45

Aus den Materialien der vom Sejm 1590 angeordneten Revision erfahren wir Genaueres darüber, wo Riga mit Verweis auf das königliche Privileg einen Leuchtturm „für diejenigen, die über die See nach Riga fahren“

errichten wollte. Daraus sollte off enbar zugleich ein Ort werden, an dem von jedem ankommenden Schiff eine Gebühr kassiert wird. An derselben Stelle hatte sich die alte Festung von Dünamünde bzw. das sogenannte Blockhaus an der Mündung der Alt-Düna in die Düna befunden. Laut der Urkunde sollte der Bau „auf der Schloss-Insel“ geschehen.46 In der Revision wurde festgehalten, dass der Bau des Leuchtturms gerade an dieser Stelle für die Rzeczpospolita „eine große Gefahr“ bedeuten könne, denn dann würde „das Schloss von Dünamünde nicht mehr dem Gesetz [des polni-schen Königs; Ē.J.] unterliegen, sondern der Macht der Rigaer Stadt“.47 Dieses Dokument liefert auch eine Erklärung für den wahren Grund der Unzufriedenheit Ostrowskis, denn es handelte sich bei der Stelle um den Ort, wo sich die Lotsen der Festung Dünamünde niedergelassen hatten.

Hätte Riga an diesem umstrittenen Ort einen Leuchtturm errichtet, hätten die Lotsen höchstwahrscheinlich ihre Siedlung aufgeben und wegziehen müssen. Deshalb war die Stadt so bemüht, diese Konkurrenz der Festung

42 Jan Ostrowski an den Rigaer Rat über den Bau des Leuchtturms, Dünamünde, 6.8.1581, in: LVVA, 673/1/94, Bl. 9, 11.

43 Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 186.

44  In den polnischsprachigen Quellen dieser Zeit wird die Festung Dünamünde als zamek (Schloss) bezeichnet.

45  Jan Ostrowski an den Rigaer Rat über das an der Küste ausgespülte Handels-gut, Dünamünde, Sommer 1581, in: LVVA, 673/1/98, Bl. 23; zu einer ähnlichen Korrespondenz zwischen der Festung Dünamünde und dem Rigaer Rat siehe Jan Ostrowski an den Rigaer Rat über die Frage der Bauern, Dünamünde, 4.6.1584, in: ebenda, Bl. 8.

46 Bericht über die vom Sejm angeordnete Revision, Dünamünde, 1590, in: LVVA, 673/1/93, Bl. 41.

47 Ebenda.

auszuschalten. Tatsächlich war es sogar dazu gekommen, dass Rigaer Bür-ger im Schutze der Nacht versucht hatten, mit dem Bau des Leuchtturms zu beginnen. Sie hatten schon das steinerne Fundament gelegt, als sie von Ostrowskis Leuten vertrieben wurden.48 Der Besuch Báthorys trug somit nur wenig zur Beilegung des Konfl ikts bei, wie die Revisionsmaterialien von 1590 zeigen. Der Streit ging mit gleicher Intensität weiter.

Am 17. November 1591 wandte sich Ostrowski erneut an den Rigaer Rat.

Er sprach darin von Privilegien, die seinerzeit Ordensmeister Wolter von Plettenberg, andere namhafte Landesherren und der frühere Rigaer Rat der Festung verliehen hätten. Der Starost schrieb, dass dies der Festung

„eine solche Freiheit“ gegeben hätte, „dass sich alle Seefahrer aus fernen Gegenden vor ihm tief verneigen mussten“, was sie „bis zum heutigen Tage getan“ hätten.49 Doch indem der Stadtrat jetzt die Plünderung des Fes-tungsbesitzes durch seine „Knechte“ zulässt oder gar inspiriert, ziehe er diese Privilegien bewusst in Zweifel. Angesichts dieser Umstände habe er, Ostrowski, sich beim König über die Bürger der Stadt Riga beschwert.

Im Schlussprotokoll des Briefes hing er seiner Titulatur die Worte „der wohlwollende Nachbar“ an.50

Selbst die 1589 erfolgte Bestätigung des Rigaer Privilegs über die Auf-stellung von Leuchttürmen und Bojen durch Sigismund III. Wasa, der im August 1587 zum König gewählt worden war,51 zeigte keine Wirkung auf Ostrowski. 1592 musste der König diesem sogar explizit verbieten, die Errichtung von Bojen und Leuchttürmen durch Riga zu behindern – und dieses Verbot im folgenden Jahr wiederholen. Doch änderte Ostrowski trotz aller königlichen Mahnungen seine Haltung Riga gegenüber nicht. Er blieb bis März 1600 im Amt,52 kurz bevor im August der Krieg zwischen Polen und Schweden begann. Nach Auskunft von Zeitgenossen ging Ostrowski sogar so weit, die Pfähle entfernen zu lassen, an denen die Rigaer Schiff e

48 Ebenda.

49 Jan Ostrowski an den Rigaer Rat wegen der Verletzung der Privilegien der Fes-tung Dünamünde, Dünamünde, 17.11.1591, in: LVVA, 673/1/101, Bl. 22.

50 Ebenda.

51  Über die Machübernahme von Sigismund III. und die Diskussion über die Rol-le Livlands in der Innenpolitik der Rzeczpospolita zu dieser Zeit siehe Henryk Wis-ner: Zygmunt III Wasa, Breslau, Warschau und Krakau 1991, S. 32-75.

52 Urzędnicy infl anccy (wie Anm. 41), S. 178, 193. Vilnis Pāvulāns schreibt in sei-ner Arbeit über die Verkehrswege, Ostrowski sei 1596 von [Gabriel] Bjałłozar abge-löst worden (S. 164). Mit diesem hätten sich die Rigaer besser verstanden. Zugleich verweist er (S. 187) fälschlicherweise darauf, dass Ostrowski noch zu Beginn des polnisch-schwedischen Krieges in diesem Amt gewirkt hätte. Nach Auskunft der polnischen Quellen führte Ostrowski das Amt des Starosten von Dünamünde und Neuermühlen bis zum 28.3.1600, als er von Krzysztof Mikołaj Dorohostajski ab-gelöst wurde. Bjałłozar, der während des polnisch-schwedischen Krieges eine ak-tive Korrespondenz mit Riga führte, war höchstwahrscheinlich nur Vorsteher der Festungsgarnison und vertrat Dorohostajski als Starost. Es ist jedoch nicht ausge-schlossen, dass Bjalozar schon unter Ostrowski im Dienst war, was Pāvulāns’ Be-hauptung erklären würde.

und Lastkähne angebunden werden konnten.53 Da für diesen Konfl ikt keine Lösung in Sicht war, erlitt die Staatskasse der Rzeczpospolita große Verluste. Bei den Bürgern der Stadt wiederum rief der Streit eine starke Opposition gegenüber Polen-Litauen hervor, was die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit zwischen Stadt und Staat schwächte.

Spannungen zwischen Riga und der Festung Dünamünde gab darüber hinaus auch wegen der Lotsen sowie wegen der Einfahrtsrechte in die Düna und in den Rigaer Hafen. Da es in der Düna viele Sandbänke gab und die Fahrrinne schmal war, benötigte man die Erfahrung der Lotsen.

Schon während der Zeit des Deutschen Ordens hatte es zwei Gruppen von Lotsen gegeben, die Rigaer und die Dünamünder. Sowohl die einen als auch die anderen waren örtliche Bauern und Fischer, die vom Ordens-komtur die Erlaubnis erhalten hatten, das „unteutsche“ Amt des Lotsen zu betreiben. Nach der politischen Aufl ösung Livlands setzte eine starke Konkurrenz zwischen diesen beiden Gruppen ein; nicht selten kam es sogar zu Gewaltanwendung, wobei Riga seine Lotsen in seine Obhut nahm.54 Der Konfl ikt kam auch in gegenseitigen schriftlichen Anschuldigungen und in langen Listen, auf denen die jeweiligen Verluste verzeichnet waren, zum Ausdruck. Die Lotsen beider Gruppen strebten das gleiche Ziel an:

Sie wollten auf die Handelsschiff e kommen, die in Riga ein- und aus-liefen. Dieser Konfl ikt dauerte mehrere Jahrzehnte. Noch 1612, als Riga und Düna münde während des polnisch-schwedischen Krieges zeitweise gezwungen waren, angesichts der schwedischen Bedrohung zusammenzu-halten, hielt er an. Der Stellvertreter des Starosten von Dünamünde, Kra-sowizki, beschwerte sich damals beim Rat über die Schäden, die Rigaer Lotsen den Einwohnern von Dünamünde zugefügt hätten. Er verlangte eine Bestrafung derjenigen, die auf frischer Tat ertappt werden.55

In einem 1612 angefertigten Register, welches die Taten aufl istete, durch die „Untergebenen von Dünamünde durch die Untergebenen der Stadt Riga“ Schaden zugefügt worden sei, fi nden sich Informationen über die Methoden, mit denen der Konkurrenzkampf der Lotsen geführt wurde.

So hätten z.B. etliche Rigaer Lotsen Tag und Nacht an der Küste Wache gehalten und die Konkurrenten sogar mit Gewalt vertrieben, um die Ein-nahmen für sich zu behalten. Ein Kapitän namens Kristof habe den Düna-münder Lotsen Simon Veikopust angeblich schon im Rigaer Hafen „grau-sam“ zusammengeschlagen und das Schiff , das dieser begleiten sollte, einem Rigaer Lotsen namens Lydak übergeben. Bei Lydak wiederum habe es sich um einen ehemaligen Dünamünder Lotsen gehandelt, der jedoch vor einigen Jahren nach Riga gefl ohen sei. Noch im Hause des Kapitäns sei Simon weiter mit der Knute geschlagen worden; dort habe man ihn

53 Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 186f.

54 Ebenda, S. 187f.

55  Krasowicki an den Rigaer Rat wegen der durch die städtischen Lotsen verur-sachten Verluste, Dünamünde, 1612, in: LVVA, 673/1/94, Bl. 94.

auch eingesperrt. In demselben Dokument wird noch von weiteren Fällen berichtet: Zwei Rigaer Lotsen, Hermen Bryder und Eymbret Ceyrys, sollen zwei Dünamünder Knechte vor Augen von Zeugen in der Düna ertränkt haben.56 Die Verwaltung der Festung Dünamünde behauptete sogar, diese von Rigaer Lotsen ausgeübten Gewaltakte stünden vermutlich in engster Verbindung mit den Anweisungen des Rates, der sich dadurch gewisse Vorteile erhoff t haben soll.57

Mit der Zeit wurde diese Lage auch für die polnische Verwaltung beun-ruhigend. Daher wurde versucht, die Aufgaben der beiden miteinander konkurrierenden Gruppen strikt aufzuteilen. Doch änderte dies nichts an der gespannten Lage.58 Die zunächst noch verhältnismäßig harmlo-sen Konfrontationen drohten bald zu eskalieren. Am 17. November 1591 erklärte Ostrowski dem Rigaer Rat, dass er bereits eine Beschwerde an den König und an den Sejm über die „Rigaer Kriegsknechte“, die regel-mäßig die Festung bedrohten, eingereicht habe. Er betonte dabei, er sei auch künftig bereit, für das eigene und das staatliche Eigentum mit der Waff e in der Hand zu kämpfen.59

1592 wurde dem Landtag (bzw. im Seimik) von Wenden eine Klage-schrift vorgelegt, die beim König eingereicht werden sollte: Es handelte sich dabei um ein Schreiben von Ostrowskis Stellvertreter, Sebastian Gatowski.

Dieser beschwerte sich darin über die Verletzung von Eigentumsrechen:

Am 1. Juli sei ein Rigaer Trupp, „vom Rat bewogen“, sogar mit Kanonen, in zwei Schiff en über die Düna nahe an die Festung gesegelt. Unterwegs hätten die Besatzungen zwei polnische Knechte aus der Festung, die in jener Nacht „friedlich“ angelten, angegriff en. Der eine sei „auf der Stelle totgeschlagen und die Leiche ins Wasser versenkt“, der andere verletzt worden. Weiter heißt es, die Rigaer hätten zwei Fischnetze der Festung aus der Düna gezogen und in Besitz genommen. Nachdem sie ans Ufer gelangt seien, hätten sie die Festung umzingelt. Nur mit einem Angriff aus der Festung sei diese Gefahr abzuwenden gewesen. Vor ihrem Abzug hätten die Rigaer Pferde aus den festungseigenen Weiden und die Mägde an sich genommen und nach Riga gebracht. Auf ihrem Weg hätten sie an der Schloss-Insel Halt gemacht, auf der die 55 Dünamünder Lotsen lebten, die seit alters her die Schiff e von der Ostsee nach Riga und zurück gelei-tet hätten. Vierzehn von diesen Lotsen seien gefangengenommen worden.

Auf Befehl des Rats seien sie in Riga grausam gefoltert worden. All dies

56 Verzeichnis der Schäden, welche die Untergebenen Rigas den Dienern von Dü-namünde zugerichtet haben, DüDü-namünde, 5.8.1612, in: LVVA, 673/1/94, Bl. 99f.

57 Kurzes Verzeichnis der Schäden, welche der Festung Dünamünde und dem Schloss Neuermühlen angerichtet wurden, Dünamünde, 1612, in: LVVA, 673/1/93, Bl. 58.

58 Jan Ostrowski an den Rigaer Rat über die gegenseitigen Konfl ikte, Dünamünde, 17.11.1591, in: LVVA, 673/1/101, Bl. 22.

59 Pāvulāns, Satiksmes ceļi (wie Anm. 2), S. 188.

habe nur dem Zweck gedient, die Lotsen so einzuschüchtern, dass sie ihrer Arbeit nicht mehr nachgingen.60

Starost Ostrowski hatte bereits um 1585 das Recht erworben, von denjeni-gen Zoll zu verlandenjeni-gen, die Neuermühlen per Schiff passierten, dabei diente ihm die Aufrechterhaltung der Brücke über die Jägel als Vorwand. Zwar wurde der Zoll einkassiert, doch blieb die Brücke wohl in einem äußerst schlechten Zustand und behinderte den Rigaer Handel: Pferde sanken in den Damm ein, Wagen gingen kaputt. Allerdings hätte der Zoll wohl angehoben werden müssen, wenn die Brücke ordentlich repariert worden

Starost Ostrowski hatte bereits um 1585 das Recht erworben, von denjeni-gen Zoll zu verlandenjeni-gen, die Neuermühlen per Schiff passierten, dabei diente ihm die Aufrechterhaltung der Brücke über die Jägel als Vorwand. Zwar wurde der Zoll einkassiert, doch blieb die Brücke wohl in einem äußerst schlechten Zustand und behinderte den Rigaer Handel: Pferde sanken in den Damm ein, Wagen gingen kaputt. Allerdings hätte der Zoll wohl angehoben werden müssen, wenn die Brücke ordentlich repariert worden

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 66-76)