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Aufstieg in die Bürgerschaft von Riga

Im Dokument FORSCHUNGEN ZUR BALTISCHEN GESCHICHTE (Seite 105-108)

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts endet die lange Geschichte der Familie Ranck als Fährleute. Nachdem Fürst Aleksandr A. Suvorov, der Gene-ralgouverneur der Ostseeprovinzen, die Privilegien der Fährleute auf die Beförderung von Waren auf dem Wasser 1851 aufgehoben hatte, verkün-deten der Ältermann des Fährmannsamtes Christian Eduard Koslowsky sowie die Beisitzer Johann David Ranck32 und Alexander Bludau die Liqui-dierung des Amtes. Sie verstanden nur allzu gut, dass unter den neuen Umständen der uneingeschränkten Konkurrenz das Amt nicht mehr nach den alten Regeln funktionieren würde.33 Zu der Zeit waren viele Rancks bereits im Handel tätig. Obwohl ihr Wohlstand im Laufe der Zeit gelit-ten zu haben scheint, war ihr sozialer Status bereits um ein Vielfaches gewachsen.

Der Tod von Jacob Andreas 1850 und der seines Bruders Johann David (wohl 1859) markierte auch das Ende der langen berufl ichen Traditionsli-nie des Fährmannsamtes in der Familie. Eine Erklärung dafür ist wohl in der gewandelten Einstellung der Familienmitglieder zum Amt zu erken-nen – und der durch die berufl ichen Veränderungen gesicherten sozialen Existenz. Denn ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besuchten die

29 Eintrag über die Erben des Jacob Rack in das Register der vom Rigaer Rat ver-öff entlichten Testamente, Riga, 11.12.1825, in: LVVA, 749/6/661, Bl. 296; Eintrag über die Erben des Georg David Ranck in das Register der vom Rigaer Rat veröf-fentlichten Testamente, Riga, 9.4.1826, in: LVVA, 749/6/666, Bl. 39; Rigische An-zeigen, 16.3.1825, Nr. 11; ebenda, 13.9.1826, Nr. 37.

30 Rigasche Zeitung, 4.11.1836, Nr. 131.

31 Eintrag in das Protokollbuch des Rigaer Kämmereigerichts über den Bericht vom Fährmannamt wegen der Neuwahl des Ältermanns, Riga, 5.3.1840, in: LVVA, 1382/2/114, Bl. 39.

32 1835 leistete Johann David Ranck einen Eid vor dem Kämmerei- und Ämter-gericht und wurde in das Amt als vollberechtigter Fährmann aufgenommen. Ein-trag in das Protokollbuch des Rigaer Kämmereigerichts über die Aufnahme Johann David Rancks in die Zahl der vollberechtigten Fährleute und über den geleisteten Eid, Riga, 23.10.1835, in: LVVA, 1382/2/109, Bl. 158.

33 Rigasche Rundschau, 14.12.1899, Nr. 820.

Söhne des Fährmanns Jacob Andreas das Livländische Gouvernements-gymnasium, das früher als Rigaer Lyzeum bekannt war.34 Beide Brüder – Jacob Andreas und Georg August – stiegen bald in den Handel ein und in den Bürgerstand auf, was ihrem Großvater Georg David Ranck noch nicht gelungen war.35

1854 verlieh der Rat der Stadt Riga Georg August Ranck das Bürgerrecht der Stadt. Bald darauf wechselte dieser von der dritten Kaufmannsgilde in die zweite.36 1863 gründete er eine Holzhandelsfi rma. Das Unternehmen war am Ranckschen Damm Nr. 6 registriert, und außer Georg August selbst arbeiteten dort noch zwei Handelsgehilfen. Ende 1864 heiratete er die aus Ronneburg (Rauna) stammende Christine Emma Fanny Schmidt, die jedoch bereits 1882 im Alter von 37 Jahren starb. 1867 übernahm Wilhelm Johann Ranck die Leitung der Firma. 1873 arbeiteten dort fünf Gehilfen, von denen einer Jacob hieß – womöglich handelt es sich bei ihm um Wil-helm Johanns Bruder Jacob Andreas.37 1869 reichte auch Wilhelm Johann Ranck beim Kämmereigericht seine Dokumente ein, um das Bürgerrecht zu erwerben. Der Antrag war erfolgreich.38

1871 richtete Wilhelm Johann am Ranckschen Damm in der Nr. 6a (spä-ter Nr. 10) ein Sägewerk ein. Georg August bestellte beim Architekten

34 Das Register der Leistungen und Versäumnisse der Schüler am Rigaer Gouver-nements-Gymnasium für das Jahr 1856, Riga, in: LVVA, 244/1/255 (nicht num-meriert).

35 Eintrag in das Protokollbuch des Rigaer Kämmereigerichts über den Antrag Georg August Rancks mit dem Gesuch der Aufnahme in die Bürgerschaft, Riga, 18.1.1863, in: LVVA, 1382/2/153, Bl. 80f.; Einträge in das Protokollbuch des Ri-gaer Rats für das Jahr 1863 über Georg August Rancks Erwerb des Bürgerrechts, Riga, o.D., in: LVVA, 749/6/332, Bl. 112, 162, 848. Um Mitglied der Großen Gil-de zu werGil-den, musste Georg August 1863 folgenGil-de Unterlagen im Kämmereigericht einreichen: seine von der Domkirche ausgestellte Geburtsurkunde, eine Bestätigung über seine Handelsaktivitäten und über seine Mitgliedschaft in der dritten Kauf-mannsgilde, ein Protokoll des Rigaer Handelsgerichts, dass er seit 1854 als Lehr-ling bei mehreren Kaufl euten tätig gewesen war, ein weiteres Protokoll des Rigaer Rats, dass kein Ermittlungsverfahren gegen ihn laufe, und schließlich ein Zeugnis der Polizeiverwaltung Rigas, dass er das Gesetz nicht verletzt habe.

36 Eintrag in das Protokollbuch des Rigaer Kämmereigerichts über die von Ge-org August Ranck an die Kaufmannsgilden bezahlten Steuern, Riga, 26.6.1863, in:

LVVA, 1382/2/153, Bl. 1001.

37 Eintrag in das Protokollbuch des Rigaer Wettgerichts über den Antrag Ge-org August Rancks in Bezug des Aufbaus eines Unternehmens für Holzverarbei-tung, Riga, 24.12.1862, in: LVVA, 1381/1/420, Bl. 620f.; Georg August und Wil-helm Ranck. Handelsangaben pro 1864, 1865, 1867, 1869, 1870, 1873, in: LVVA, 1381/1/1131, Bl. 497f.; 1381/1/1134, Bl. 205f.; 1381/1/1141, Bl. 485f.; 1381/1/1149, Bl. 637f.; 1381/1/1153, Bl. 481f.; 1381/1/1160, Bl. 70f.

38 Eintrag in das Protokollbuch des Rigaer Kämmereigerichts über den Gesuch Wil-helm Johannes Rancks wegen der Zuerkennung des Bürgerrechts, Riga, 21.1.1868, und Eintrag über den Beschluss der Zuerkennung des Bürgerrechts für Wilhelm Johannes Ranck, Riga, 1.2.1869, und Eintrag über die Personen, die den Bürgereid geleistet haben, mit Nennung von Wilhelm Johannes Ranck, Riga, 27.2.1869, in:

LVVA, 1382/2/165, Bl. 115f., 161f., 254.

Hermann Geygenmüller ein Projekt.39 Das Ergebnis war ein zweistöckiges Holzgebäude mit einem gemauerten Anbau, in dem eine Dampfmaschine und ein kleines Kontor untergebracht waren. Die ärmeren Anwohner durf-ten sich dort mit Holzresdurf-ten eindecken, was während der Wintermonate von großer Bedeutung für sie war.40 1879 bat Wilhelm Johann die Stadt, eine Eisenbahnstrecke quer über den Ranckschen Damm führen und so das Sägewerk mit dem Ladeplatz an der Brücke bei der Hagensberger Bucht (Āgenskalna līcis) verbinden zu dürfen. Er verwies darauf, dass wäh-rend der Saison täglich mehrere Tausend von Planken und Brettern zum Sägewerk transportiert würden. Off enbar war sein Unternehmen recht groß. Die Stadt sah diese Idee jedoch recht kritisch, da ihrer Ansicht nach das linke Ufer der Düna von Ranck unzugänglich gemacht worden war, um den Zugang zu seinem Sägewerk zu sichern. Eine Eisenbahnstrecke behindere den Verkehr noch mehr und diene nicht dem öff entlichen Inte-resse, erklärte die Stadt.41

Am 13. Juni 1882 brach auf dem Stapelplatz ein Feuer aus, das den Groß-teil der Gebäude in Brand setzte. Kurz darauf reichte Wilhelm Johann, der damals schon Mitglied der ersten Kaufmannsgilde war, bei der Rigaer Bauaufsichtsbehörde ein Projekt für den Bau eines neuen Pferdestalls und einer neuen Remise anstelle der abgebrannten Häuser ein. Im Januar 1883 wollte er auch das im vorigen Sommer abgebrannte Sägewerk erneuen, doch war es damals verboten, in der Nähe der Kobronschanze neue Häu-ser zu errichten. Da sich das von Wilhelm eingereichte Projekt vom zer-störten Gebäude unterschied, wollte die städtische Baukommission ohne Zustimmung der Militäringenieure das Projekt nicht bewilligen. Es ent-spann sich eine lange bürokratische Diskussion darüber, ob das Projekt eine Erneuerung des alten Gebäudes vorsah, einen Neubau plante oder nur als Beseitigung von Schäden zu betrachten sei. Die Ingenieure wil-ligten schließlich ein, das Sägewerk nach dem alten Plan zu erneuern, und Ranck erhielt im August die gewünschte Erlaubnis.42 Geleitet wurde der Bau vom Architekten Gustav Rudolf Winkler. 1884 wurden neben dem Sägewerk auch zwei Scheunen errichtet, doch stellte es sich vier Jahre spä-ter heraus, dass deren Bau nicht ganz nach den Vorschriften durchgeführt worden war, waren doch die Scheunen anstelle von Teerpappe mit Bret-tern beschlagen worden.43 Ein neuer Brand traf das Sägewerk im

Septem-39 Kopie vom Bauplan der Sägerei der Firma „G.A. Ranck“, Riga, 26.1.1871, in:

LVVA, 2761/3/6086, Bl. 2f.

40 Rigasche Zeitung, 22.12.1875, Nr. 297.

41 Bauplan der Firma „G.A. Ranck“ für die Legung der Eisenbahnlinie über den Ranckschen Damm, Riga, 15.5.1879, in: LVVA, 2724/1/1454, Bl. 6f.

42 Bauplan der Rekonstruktion von Gebäuden der Firma „G.A. Ranck“ und der Briefwechsel mit dem Rigaer Bauamt über die Baugenehmigung auf dem Grund-stück Nr. 49/136, Riga, 25.6.1882–23.7.1883, in: LVVA, 2761/3/6086, Bl. 5-20; Ri-gasche Stadtblätter, 30.9.1882, Nr. 39.

43 Baupläne der Rekonstruktion des Sägewerks und anderer Gebäude der Firma

„G.A. Ranck“, Riga, 17.6.1883, und Bericht des Bauaufsehers M. Gernsdorff an

ber 1886, doch richtete das Feuer diesmal keine allzu großen Schäden an.

Schließlich erfahren wir, dass Wilhelm Johann 1895 für zahlungsunfähig erklärt wurde. Seit 1896 war er nicht mehr Besitzer des Sägewerks, das wiederum bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb blieb.

Auch Wilhelm Johann schickte seine Söhne auf das Gymnasium. Die Töchter besuchten eine Privatschule für Mädchen. Der älteste Sohn Johann Wilhelm übernahm den Beruf des Vaters und wurde Kaufmann; Wilhelm Gustav wiederum wurde Forstwirt. Der dritte Sohn James Ernest wurde Bierbrauer und übte eine Zeit lang auch den Beruf eines Bankangestell-ten aus.44

Laut der Volkszählung von 1895 wohnten die Nachkommen der Fami-lie Ranck am Ranckschen Damm Nr. 8, wo vier Wohnhäuser standen.

Insgesamt gab es in allen vier Häusern elf Wohnungen, die ihrerseits als fester Wohnsitz für 21 Männer und 26 Frauen dienten. Zwei Wohnungen wurden von Mitgliedern der Familie Ranck bewohnt. Laut der Angaben dieser Volkszählung nannten die Rancks bei dieser Gelegenheit übrigens das Deutsche als ihre Muttersprache.45

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