• Keine Ergebnisse gefunden

3. Rindermast

3.8. Diskussion Rindermast

3.8.2. Sensitivitätsanalysen

Die Resultate der hier berechneten Ökobilanzen resultieren aus den in Kapitel 3.1 und 3.2 beschriebenen Systemen. Da sich gewisse Parameter stark auf die berechneten Werte auswirkten, es zum Teil Unsicherheiten in den Annahmen gab und sich Produktionsparameter wie Futterverwertung oder erzieltes Endgewicht mit der Zeit auch entwickeln, wurden für besonders wichtige Punkte Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Dies betrifft die Wahl der Allokationsmethode für Milch- und Fleischproduktion, die Annahmen bezüglich Landnutzungsänderungen in Brasilien sowie das Endgewicht der Masttiere in der Mutterkuhhaltung Schweiz.

a. Wahl der Allokationsmethode

Die Tatsache, ob ein System nur Fleisch oder Fleisch und Milch produziert, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Umweltwirkungen der Fleischprodukte. Dies bedeutet, dass die Art der Allokation zwischen Milch- und Fleischproduktion einen wichtigen Parameter darstellt. Cederberg und Stadig (2003) betonen, dass die Wahl der Allokationsmethode einen entscheidenden Einfluss auf die Resultate von Ökobilanzstudien der Milchproduktion hat. Dies könnte auch für die Fleischproduktion der Fall sein. Dabei wird laut Cederberg und Stadig (2003) das Produkt Fleisch durch die ökonomische Allokation zwischen Milch und Fleisch bevorzugt, insbesondere was die biogenen Emissionen wie Methan, Ammoniak und Lachgas betrifft. Zu beachten ist aber, dass in der Studie von Cederberg und Stadig (2003) mit einem ökonomischen Allokationsfaktor von zwei Prozent für das Kalb gerechnet wurde, was bedeutend tiefer ist als die in dieser Studie verwendeten acht Prozent.

Die für Ökobilanzierung relevanten ISO-Norm 14040 und 14044 empfiehlt, wo immer möglich eine Allokation zu vermeiden. Dies liesse sich in Milch/Fleisch-Systemen nur durch Systemerweiterung erzielen, indem überall die gleichen Produkte produziert werden. Gemäss Cederberg und Stadig (2003) sind mit dieser Methode insbesondere bezüglich biogener Emissionen höhere Umweltwirkungen für die Fleischproduktion zu erwarten. Eine Systemexpansion lag aber ausserhalb des Rahmens dieser Studie und wurde nicht weiter untersucht. Um jedoch den Einfluss der Allokation zwischen Milch und Fleisch auf

die Resultate dieser Studie abzuschätzen, wurden die Berechnungen mit verschiedenen Allokationsmethoden wiederholt. Dabei wurden folgende Varianten untersucht:

i) Keine Allokation. Die gesamte Umweltwirkung wird der Milchproduktion zugeschrieben, das Kalb ist quasi ein „Abfallprodukt“.

ii) „Biologische“ bzw. „physiologische“ Allokation. Die Grundlage für diese Allokationsmethode bildet die Beziehung zwischen der Futteraufnahme der Milchkuh und ihrer Milch- bzw.

Fleischproduktion. Die Aufteilung der Umweltwirkungen wird gemäss den physiologischen Bedürfnissen der Milchkuh für die Milch- bzw. Fleischproduktion vorgenommen. Dabei wurde die von der International Dairy Federation (IDF, 2010) vorgeschlagene Formel verwendet, wonach der Allokationsfaktor (AF) für die verkauften Kälber AF = 5,7717 x Mmeat/Mmilk beträgt, wobei Mmeat die Summe des Lebendgewichts an verkauften Kälbern darstellt und Mmilk die Menge an verkaufter fett- und proteinkorrigierter Milch.

Diese beiden Varianten wurden mit der in dieser Studie verwendeten ökonomischen Allokation verglichen.

Tabelle 20 zeigt eine Übersicht über die Allokationsfaktoren, welche aus den verschiedenen Allokationsmethoden resultieren.

Tabelle 20: Übersicht über die Allokationsfaktoren für Milch, abgehende Kühe und Kälber gemäss drei verschiedenen Allokationsmethoden.

Allokationsmethode AF Milch AF abgehende Kuh AF Kalb

Keine Allokation 100 % 0 % 0 %

Ökonomische Allokation 83 % 9 % 8 %

Physiologische Allokation 76 % 18 % 6 %

Der Vergleich der Allokationsfaktoren zeigt, dass mit der in dieser Studie verwendeten ökonomischen Allokation das Kalb relativ zu anderen Allokationsmethoden die höchste Umweltlast zugeteilt bekommt.

Dies im Gegensatz zu anderen Studien wie z.B. Cederberg und Stadig (2003), wo dem Kalb bei der ökonomischen Allokation deutlich weniger Umweltlast angerechnet wird als bei der physikalischen Allokation. Grund dafür sind die unterschiedlichen Preisniveaus für Milch bzw. Fleisch je nach betrachtetem Land. Bei der Verwendung anderer Allokationsmethoden als die ökonomische Allokation sind in der Schweiz für die Grossviehmastsysteme also niedrigere Umweltwirkungen zu erwarten. Um die maximale Reduktion abzuschätzen, wurden die Berechnungen unter Anwendung der ersten Allokationsmethode (keine Allokation, d. h. 100 % der Umweltlast geht auf die Milchproduktion) wiederholt. Die Umweltwirkungen der Grossviehmast reduzierten sich dabei um drei bis knapp vierzig Prozent (Ergebnisse siehe Anhang 8.5). Die grössten Reduktionen wurden beim Flächen- und Wasserbedarf (blue), im Bereich Nährstoffmanagement und bei den mit Methanemissionen verbundenen Umweltwirkungen Treibhauspotenzial und Ozonbildung erzielt. Die in dieser Studie gemachten Aussagen bleiben somit auch unter Verwendung von anderen Allokationsmethoden für die Aufteilung der Umweltlast zwischen Milch und Fleisch gültig bzw. akzentuieren sich noch.

b. Landnutzungsänderung für Weidefläche in Brasilien

Die Annahmen zur Gewinnung von Weideflächen durch Abholzung von Regenwald in Brasilien haben eine zentrale Bedeutung für einige Umweltwirkungen. Durch die Brandrodung werden erhebliche Mengen an Treibhausgasen und auch an Schadstoffen als direkte Emissionen freigesetzt. Daher sind neben der Kategorie Abholzung selbst vor allem das Treibhausgaspotenzial und die Humantoxizität betroffen. Die genaue Schätzung des Ausmasses des Waldverlusts sowie der kausale Zusammenhang mit einer bestimmten Produktion sind jedoch mit grossen Unsicherheiten behaftet. Mit einer Sensitivitätsanalyse wurde deshalb der Einfluss von verschiedenen Anteilen an kürzlich, d. h. während der letzten 20 Jahre, gerodeten Regenwaldflächen für die Weidenutzung zur Rindfleischproduktion auf dem Modellbetrieb abgeschätzt. In der Standardvariante, die den Ergebnissen in Kapitel 3.6 und 3.7 zu Grunde liegt, wurde die gesamte brasilianische Rodungsfläche für die Rindfleischproduktion gleichmässig auf die

gesamtbrasilianische Rindfleischproduktion aufgeteilt (siehe dazu Cederberg et al., 2011) und der entsprechende Anteil auf den modellierten Betrieb übertragen. Zusätzlich dazu wurde eine Aufteilung der gesamten neugewonnen Flächen nur auf die Rindfleischproduktion in der Region Amazônia Legal2 bezogen und dieser Anteil ebenfalls auf den modellierten Betrieb übertragen. Als Extremvarianten wurden ausserdem einerseits die Annahme keiner Abholzung für die Weidefläche und andererseits die Annahme, dass die gesamte Produktion auf kürzlich gerodeten Flächen stattfindet, verwendet. Somit ergaben sich für den Modellbetrieb vier Varianten mit unterschiedlichen Weideflächenanteilen auf kürzlich gerodeter Boden (Tabelle 21).

Tabelle 21: Varianten für die Landnutzungsänderung für Weideflächen.

Varianten Anteil an kürzlich gerodeter Fläche

[% der gesamten Betriebsfläche]

Rodung für Weideland auf dem modellierten Betrieb [ha/a]1

keine Rodungsflächen 0 0

Bezugsbasis

Rinderproduktion Brasiliens 6 4

Bezugsbasis

Rinderproduktion Amazônia Legal 25 17

100 % Rodungsfläche 100 67

kursiv: Standardvariante für die Ergebnisdarstellung in Kapitel 3.6 und 3.7

1 Rodungsfläche wird gleichmässig auf 20 Jahre verteilt

Es zeigte sich, dass die direkten Emissionen aus der Landumwandlung die Umweltwirkungen Treibhaus- und Ozonbildungspotenzial und Humantoxizität stark beeinflussen (Abbildung 27) und die Annahmen zu Landnutzungsänderung einen entscheidenden Unterschied machen können. Die in dieser Studie getroffene Annahme mit Bezug der Abholzung auf die gesamte brasilianische Rindfleischproduktion ist für ein Produkt ohne detailliertere Herkunftsinformationen am sinnvollsten. Sind für ein Produkt die genaue Herkunft bzw.

Informationen zu den Produktionsflächen bekannt, ist mit den hier dargestellten Varianten eine Abschätzung der Grössenordnung der Umweltwirkungen für dieses Produkt möglich.

2 Amazônia Legal ist eine soziogeographische Einheit Brasiliens und besteht aus den Staaten Acre, Amapá, Amazonas, Pará, Rondônia, Roraima, Tocantins sowie Mato Grosso und grossen Teilen von Maranhão. Sie befindet sich im Amazonasbecken. In dieser Region ist die Problematik der Landumwandlung in Brasilien von grosser Bedeutung.

Abbildung 27: Varianten für verschiedene Anteile an Abholzungsflächen an der Weidefläche im System BR (Umweltwirkungen der Variante mit Bezug auf die gesamte Rinderproduktion in Brasilien = 100 %).

c. Verbessertes Endgewicht in der Mutterkuhhaltung

Gemäss Mutterkuh Schweiz (2011) betrug das mittlere Endgewicht der schlachtreifen Mutterkuhrinder 2011 rund 388 kg LG statt der im Deckungsbeitragskatalog 2006 angegebenen 366 kg (Agridea, 2006). Dies bedeutet eine Verbesserung der Mastleistung um rund 6 %. Die Erhöhung ist auf eine Änderung im Produktionsreglement von Mutterkuh Schweiz bezüglich der Abstammung der Tiere im Jahr 2007 zurückzuführen (Mutterkuh Schweiz, 2011). Um die Mastleistung zu verbessern, wurde ein bestimmter Fleischrassenanteil vorgeschrieben.

Um den Effekt dieser verbesserten Mastleistung auf die Umweltwirkungen der Mutterkuhhaltung zu beurteilen, wurden die Berechnungen unter Verwendung eines Endgewichtes von 388 kg LG wiederholt, ohne Änderung der übrigen Parameter wie Futteraufnahme etc. Insgesamt führte das verbesserte Endgewicht zu einer Reduktion der Umweltwirkungen um rund sechs Prozent (Resultate siehe Anhang 8.5), analog zur Steigerung des Endgewichtes um dieselbe Prozentzahl. Diese Reduktion ist aber geringer als die Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen. Die in dieser Studie gemachten Aussagen bleiben somit auch unter Verwendung des aktuellen, höheren Endgewichtes gültig. In der Realität dürfte die Reduktion der Umweltwirkung noch kleiner ausfallen als hier berechnet, da bei diesen Berechnungen nur das Endgewicht, nicht aber die übrigen Parameter angepasst wurden: Mit einer höheren Mastleistung ist jedoch eine höhere Futteraufnahme wahrscheinlich.

d. Auswirkungen der Sojaproduktion in Brasilien auf die Biodiversitätsergebnisse

Für die von SALCA-Biodiversität nicht berücksichtigte Wirkung von in Brasilien angebautem Soja auf die Biodiversität wurde mithilfe einer Sensitivitätsanalyse der potenzielle Einfluss auf die Ergebnisse ermittelt.

Der Flächenbedarf von Soja in Brasilien, der dem Betriebstyp GVM ÖLN über den Zukauf von Kraftfutter und Remonten zugeordnet ist, entspricht 35 090 m2 und 10 125 m2a. Wird diese Fläche mit dem GAV-Wert bewertet, den Schweizer Soja erreicht (5,3), so sinkt die GAV der GVM ÖLN um einen Wert von 0,07.

Diese entspricht einer Reduktion um 0,88 %. Geht man von einer sehr konservativen Annahme aus, dass die GAV des Sojaanbaus in Brasilien 0 beträgt, reduziert sich das Gesamtergebnis der GVM ÖLN um ungefähr 3 % bzw. die GAV verringert sich von 7,5 auf einen Wert von 7,3. Diese Sensitivitätsanalyse zeigt, dass sich der Unterschied zwischen Grossviehmast und Mutterkuhhaltung nur leicht vergrössern würde, hätte man den Sojaanbau in Brasilien in die Bewertung aufgenommen.

0 % 200 % 400 % 600 % 800 % 1000 % 1200 % 1400 % 1600 % 1800 %

Treibhauspotenzial Abholzung Humatoxizität

keine Rodungsfläche

ges. Rinderproduktion in Brasilien Rinderproduktion in Amazônia Legal 100 % Rodungsfläche

Annahme Bezugsbasis Bezugsbasis Annahme

3.8.3. Vergleich mit anderen Studien