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Narrationsanalyse nach Fritz Schütze:

Kategorie 2.1. Schule – Kooperative Mittelschule

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„Nachdem ich schlechter wurde in der Schule halt, (...) kam ich in eine komplett andere Schule so KMS, da hab ich gleich mal so andere Leute kennengelernt“

Beschreibt die neue Situation in der neuen Schule und wie er „andere“ Jugendliche kennen lernt.

„viele von uns hatten gerade die vierte Klasse Hauptschule halt hinter uns, keiner wusste, was er machen soll. Zum Beispiel mir ging‘s so, ich hatte kein Beruf“

Pedro beschreibt die Aussichtslosigkeit vieler Jugendlicher, die nach der Schule nicht wissen was sie machen sollen und keinen Beruf haben.

„Und dann ich kam xxx 22. Bezirk. Aber erwähn das nicht okay? Sonst kennt mich gleich jeder (lacht).

Ich komm rein, klar Schule Türken, Kurden, Afghanen, alles Mögliche, Serben, komplett anders, wie im Urwald. Du kommst rein, denkst dir, bam, was ist das für eine Klasse? Aber ich konnte mich gut halten, ich war zwar schlimm im Gymnasium aber nicht so schlimm wie dort. Aber ich konnte mich halt gleich in der Gruppe integrieren und so“

Pedro erzählt von neuen MitschülerInnen die zum großen Teil einen Migrationshintergrund haben. Er ist nun in einer multikulturellen Klasse, in der er sich jedoch gut integrieren kann.

Er erzählt, dass er auf der neuen Schule „schlimmer“ war als auf dem Gymnasium.

„Viele Freunde kennengelernt, die etwas anders getickt haben. Eher so mehr auf Drogen, so Gras, Ganja und so Zigaretten und so, das kannte ich nicht“

Die neuen MitschülerInnen haben andere Themen als auf dem Gymnasium. Drogen werden mehr zum Thema. Pedro kannte diese Themen bisher nicht.

„Vierte [Klasse] war schwer, da hab ich dann viel Kontakt gehabt mit meinen Landsmännern, viel Kontakt mit tschetschenischen Leuten gehabt. Eher so nur noch aufs „Gangsta-Sein“.

Ich wollte ein Gangsta sein, „cool sein, auf hart sein. Ich hab viel Scheiße gebaut und ja, in der Vierten [Klasse], nach der Vierten [Klasse] bin ich wieder sitzengeblieben. Xxx, da war ich der Älteste auf der Schule dort und jeder hatte Respekt vor mir und jeder kannte mich und so. Nach diesem Jahr, in den Sommerferien, hat sich dann alles verändert“

Die vierte Klasse auf der KMS ist Pedro schwer gefallen. Er erzählt von häufigerem Kontakt zu anderen Jugendlichen mit afghanischem oder tschetschenischem Migrationshintergrund.

Er lebte den „Gangsta-Lifestyle“ bei dem das Wichtigste ist, cool zu sein. Dazu hat er viel

„Scheiße“ gebaut. Die vierte Klasse musste er dann auch wiederholen und erzählt, dass er ab jetzt, der älteste Schüler der Schule ist. Zwischen den Schuljahren, in den Sommerferien, änderte sich alles.

„Von der Schule aus, hab ich Leute kennengelernt, die wiederrum andere Leute kennengelernt haben und ich war halt mit denen draußen und die haben mich halt alle gefeiert. Die haben halt alle gesagt „Man, der ist ur [sehr] krass, der Junge. Der ist so cool und so, mit dem will man öfters was zu tun haben“. Ich war witzig, hab jeden zum Lachen gebracht“

Pedro lernte in der Schule Leute kennen, über die er andere Leute kennenlernte. Er verbrachte viel Zeit mit diesen Leuten draußen auf der Straße. Pedro erzählt, dass er ein angesehener Jugendlicher war, der witzig war und mit dem die anderen Jugendlichen gerne abhängen wollten.

87 Nach dem Schulwechsel vom Gymnasium kommt Pedro auf eine kooperative

Mittelschule im 22. Bezirk. Das Umfeld ändert sich schlagartig. Die kulturelle Vielfalt ist deutlich zu spüren und Pedro hängt von nun an mehr mit Kindern und

Jugendlichen ab, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben. Auf und durch die Schule hat Pedro viele neue Leute kennengelernt. Leute die schon Kontakt zu

Marihuana und Zigaretten haben. In der neuen Schule geht es viel um Anerkennung und jeder möchte gerne „cool“ sein. Pedro kann sich gut einfügen und ist schnell ein beliebter Jugendlicher. Pedro schafft die dritte Klasse, die vierte muss er allerdings wiederholen. In dieser Zeit hat Pedro viel „Scheiße gebaut“. Nach der Schule hatten viele Jugendliche keinen Beruf oder Ausbildungsplatz.

Kategorie 3 Familie

„weil ich bin Afghane und in afghanischen Familien ist es typisch, dass man so religiös erzogen wird und so war‘s auch immer und bei mir ist es gar nicht der Fall. Ich bin

nachhause gegangen und hab gefragt und so, mein Vater hat gesagt brauchst dich nicht zu interessieren, kannst später auch irgendwann einmal religiös werden, so ist mein Vater. Und (...) meine Mutter hat’s mir halt so bissl langsam beigebracht“

Pedro erzählt von der traditionellen, religiösen Erziehung in afghanischen Familien. Bei ihm war dies allerdings nicht der Fall. Pedro zeigte Interesse für Religion aber sein Vater sagte, er müsse sich dafür nicht interessieren. Seine Mutter hingegen brachte ihm langsam religiöse Praxen bei.

„Und mein Vater, also mein Vater ist kein religiöser Mensch. Er hat, in Afghanistan war er schon sehr an der Politik interessiert“

Pedro’s Vater ist kein religiöser Mensch, er war auch in Afghanistan schon sehr politikinteressiert.

„Er war Staatsanwalt. Mein Opa ist sehr religiös hingegen. Und mein Vater hat sich nie dafür interessiert. Er war eher „haas“ [heiß] als er gesehen hat ich komm mit einem Bart

nachhause, langen Haaren und so. „Schneid den Bart ab, das passt nicht zu dir, das ist grindig. Mach das, wenn du mal älter bist...“

Pedro’s Vater war Staatsanwalt und nicht sonderlich religiös. Sein Opa hingegen war sehr religiös. Sein Vater war fast schon „sauer“ als er die äußerliche Veränderung Pedro’s gesehen hat. Er sagt ihm, er solle den Bart und die Haare abschneiden.

„es ist keiner mehr auf meiner Seite. Familie, Mutter, Vater. Mit denen hatte ich keine Bindung mehr, also die Bindung war schon zerschnitte zu der Zeit. Es kamen viele familiäre Probleme. Also ich hatte Streit mit meinem älteren Bruder“

Beschreibt ein Gefühl der Einsamkeit. Das Vertrauen zu seiner Familie ist gebrochen und es kamen viele familiäre Probleme dazu. Es gab einen Streit mit seinem älteren Bruder.

„Mein Vater ist geflohen wegen Fundamentalisten“

Fundamentalisten waren die Fluchtursache des Vaters aus Afghanistan.

„keine gute Bindung gehabt. Sehr schlecht, was auch traurig ist. So guter Tipp an Eltern, wie gesagt, nicht zu schnell das Vertrauen brechen. Man muss genau so bleiben mit dem Kind, wie man am Anfang ist. Auch wenn es schwer fällt, man muss einfach so bleiben, weil wenn, weißt du bei uns in unseren Kreisen ist es so, wenn ich Probleme hatte mit der Familie sind sie immer gekommen und haben gesagt „Ja, der Prophet hatte auch Probleme mit seiner

88 Familie. Dies das, egal wer dich haltet bleib einfach auf deinem Weg und so. Diese Sachen waren das“

Erzählt von einer schlechten Bindung zu seiner Familie. Als Tipp sagt Pedro, es seie ein Fehler, seinen Kindern nicht mehr zu vertrauen. Er berichtet davon, dass die salafistische Szene einen bei familiären Problemen auffängt. Es wird Mut zugesprochen und die Entkoppelung zur Familie vorangetrieben.

„Mit seiner Familie, mit seinen Kindern, mit seinem Tagesablauf, mit alles. Das war so und ja. Dieses Familie fällt mir noch immer ur [schwer], also jetzt Gott sei Dank ist die Bindung wieder gut geworden, aber musst dir vorstellen, ich vergebe aber ich vergesse das nicht.“

Erzählt davon, dass Gott denjenigen, der auf dem richtigen Weg ist, am meisten prüft. Er erzählt, dass es ihm immernoch schwer fällt über seine Familie und die Vergangenheit zu reden. Obwohl die Bindung nun wieder besser ist. Er sagt auch „ich vergebe aber ich vergesse das nicht“

„Ich sag meiner Mutter noch immer so, es macht mich trotzdem noch immer wütend Mama, es ist so“

Ist immer noch wütend auf seine Mutter und kommuniziert dies auch ihr gegenüber.

„meine Mutter hat mich mal die Polizei gerufen, ich hatte Streit mit meinem Bruder, das erzähl ich weil das auch ein ausschlaggebendes...Ich hatte ein, ich hatte mit meiner Familie niemals so einen hohen Streit“

Auf Grund des Streits mit seinem Bruder, hatte die Mutter die Polizei gerufen. Es gab noch nie so einen großen Streit in der Familie wie diesen.

„Hab mein Vater angerufen, hab gesagt „Papa, Mutter hat Polizei auf mich gerufen“. Mein Vater ist nachhause gesprintet und hat gesagt, „Wie könnt ihr eigentlich Polizei auf ihn rufen?“ Weißt eh, mein Vater war klug genug um zu Wissen, dass wenn jemand die Polizei auf mich ruft, dass ich dann noch weiter in diesen Kreis reinfalle“

Pedro ruft nach dem Streit seinen Vater an und erzählt ihm, dass seine Mutter die Polizei gerufen hat. Der Vater war klug und wusste, dass wenn jemand die Polizei wegen Pedro ruft, würde er nur noch tiefer in die radikalen Kreise fallen.

„für Mutter war es sehr schlimm als ich das gesagt habe. Ich hab gesagt „Mama, du hast jetzt Vertrauensbruch vom Feinsten gegeben.“ Also wenn ich noch immer drüber denke, das macht einen kaputt. Und mein Bruder, mein Bruder ich weiß nicht, ich hab gar nicht mehr mit ihm geredet, ich hab ihn nicht einmal mehr angeschaut.“

Beschreibt den Vertrauensbruch seiner Mutter. Für die Mutter sei dies extrem schlimm zu hören. Auch Pedro lässt es nicht ganz unberührt. Die Beziehung zu seinem Bruder war zu der Zeit am Tiefpunkt. Pedro hat ihn nicht einmal mehr angeschaut.

„Ich hab dann jahrelang, Monate, jahrelang besser gesagt meine Mutter ignoriert. Nur wenn es Essen gab. Hier Essen. Sie hat versucht zwar mit mir zu reden aber ich wollte nicht.“

Ignoriert seine Mutter jahrelang. Die Mutter wurde nur noch als Versogerin gesehen. Obwohl sie das Gespräch zu Pedro suchte, wollte er nicht.

„Dann bin ich zur Tante gegangen und hab bei der, ja so zwei drei Wochen gepennt, bei ihr und so. Meine Tante war neutral, sie ist neu aus Afghanistan. Sie kennt sich aus halt mit den radikalen Jugendlichen. Sie war ur [sehr] lieb und so. Ich hatte ehrlich meine Ruhe dort es war wirklich so nice [schön]. Ich hab mein Teil da abgegeben. Ich hab geputzt, ich hab

89 eingekauft, das alles gemacht und so. Ganz normal, als Dank dafür dass ich aufgenommen wurde“

Pedro konnte nach dem Streit mit seinem Bruder nicht mehr zuhause wohnen und ging zu seiner Tante. Dort verbrachte er zwei bis drei Wochen. Die Tante kam frisch aus Afghanistan und kannte sich mit radikalen Jugendlichen aus. Pedro lieferte seinen Teil als Dank für die Aufnahme. Er spricht von einer Zeit in der er Ruhe hatte.

„es war halt so schwer für mich so ohne Familie und so und dann dacht ich mir nur meine Brüder sind da für mich und ja, das waren sie auch“

Beschreibt eine schwere Zeit in der er keinen Rückhalt der Familie spürte. Er spürte nur den Rückhalt seiner „Brüder“ die für ihn da waren.

„Wenn sie den Kontakt zwischen ihren Eltern verlieren, dann scheißen sie drauf, sie sagen dann „es ist eh jeder gegen mich, warum sollte ich mich noch hier aufhalten, warum sollt ich noch auf denen hören, verstehst du? Ich geh lieber raus Scheiße bauen, dann hab ich wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit von jemand“

Pedro beschreibt die Wichtigkeit der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Ist diese Beziehung geschädigt, so baut sich schnell ein Bild auf „es ist eh jeder gegen mich“. Die Suche nach Aufmerksamkeit wird dann auf der Straße fortgeführt, in dem man viel „Scheiße baut“.

„ja, dann hat mir mein Vater vor Kurzem erst erzählt, das ging alles nur über mich, also über ihn. Er hat gesagt, genau wo du geflogen bist, hab ich Verfassungsschutz angerufen. Hab den gesagt du fliegst weg und ich hab den Verdacht, dass du nach Syrien willst. Halt wo mein Vater wieder den Vertrauen zu mir hatte. Ich hab dann nur gelacht. Ich wusste, seine kluge Art und Weise, also klug gemacht halt“

Vor Kurzem erst, erzählte Pedro’s Vater, dass er es war, der den Verfassungsschutz informierte, die ihn dann letztendlich festnahmen. Obwohl der Vater den Verdacht hatte, dass Pedro nach Syrien ausreisen will, informierte er erst den Verfassungsschutz, als Pedro bereits im Flugzeug sahs. Pedro schmunzelt über die kluge Art und Weise seines Vaters.

„weil ich hatte den Vertrauen zu meinem Bruder gar nicht“

Hatte kein Vertrauen mehr zu seinem Bruder.

„Und dann ist mein Bruder gekommen, weil er hat immer gesagt „ich bin der der auf die Familie aufpasst“ und ich hab gesagt „wo warst du? Wo warst du?“

Pedros Bruder behauptete immer er sei derjenige, der auf die Familie aufpasst. Als die Familie angegriffen und der Vater geschlagen wird, war Pedro da. Danach fragt Pedro den Bruder „Wo warst du, wo warst du?“

„hab ich wieder gechillt mit ihm und er hat wieder mit mir geredet und diese Bindung wurde stärker. Wir haben was unternommen, wir unternehmen heute noch öfters was“

Die beiden Brüder fangen wieder an Sachen miteinander zu unternehemen. Die Bindung zwischen den Beiden ist stärker geworden und sie unternehmen auch heute noch öfters was zusammen.

„Aber trotzdem war für mich so, ur [sehr] geil, so leiwand [genial] schwimmen. Ich war der ur [sehr] gute Schwimmer und dann noch bekifft. Dann noch mit Schwager und so, es war einfach komplett witzig. So ich hab wieder dann leben gefunden. Durch meinen älteren

90 Bruder, die ganzen Freunde die hier leben, die kannte ich auch schon sehr lange und so, sehr viele auch die Dame die umhergeht (zeigt auf Frau in Park) sie ist von einem Freund von mir, weißt eh? Die Mama. Ich hab wieder Kontakt zur Außenwelt gefunden, zur Welt hab ich wieder gefunden besser gesagt“

Pedro erzählt von einem Mal, als er mit seinem Bruder schwimmer war. Pedro ist ein guter Schwimmer und zu diesem Zeitpunkt auch noch bekifft. Es war die erste gemeinsame Unternehmung wieder mit dem Bruder und noch anderen Teilen der Familie. Er erzählt von einem neuen Umfeld in das er gefunden hat und neue Freunde (von seinem Bruder). Pedro sagt „ich hab wieder Kontakt zur Außenwelt gefunden, zur Welt hab ich wieder gefunden besser gesagt.

Pedro wächst in einer afghanischen Familie auf. Die Familie ist wegen Problemen mit der Taliban nach Österreich geflohen. Der Vater ist Staatsanwalt gewesen, die

Beschäftigung der Mutter ist nicht bekannt. Pedro hat noch einen älteren Bruder und eine Schwester. Zudem wohnt eine Tante von ihm in Wien, die erst kürzlich nach Österreich gekommen ist. Pedros Vater ist kein religiöser Mensch und ist sehr Politik interessiert. Er ist empört, als Pedro mit langem Bart und Haar nachhause kommt. In der Familie kommt es zu vielen Konflikten und es herrscht kein richtiges Vertrauen untereinander. Höhepunkt dieser Konflikte ist ein Streit zwischen Pedro und seinem Bruder, bei dem die Mutter die Polizei ruft und Pedro von der Polizei abgeführt wird.

Nach diesem Streit zieht Pedro zu seiner Tante. Das Vertrauen zu seiner Familie ist komplett gebrochen und es besteht keine Bindung mehr. Pedro und sein Bruder beachten sich nicht mehr und haben keinen Kontakt. Auch die Mutter ignoriert Pedro jahrelang. Pedro beschreibt ein Gefühl der Einsamkeit und erzählt, dass der Kontakt, in dieser Zeit, zur islamistisch radikalen Szene stärker wurde. Bei Pedro kommt ein Gefühl auf, dass nur seine „Brüder“ [Kontakte zur islamistisch radikalen Szene] für ihn da sind, was in der Tat auch so ist. Der Bruch mit der Familie führte zu einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit gekoppelt mit dem Gefühl der Einsamkeit. Diese Kombination machte Pedro empfänglicher für islamistisch radikale Propaganda.

Nachdem sein Vater zuhause von einem fremden Mann verprügelt wird, geht Pedro dazwischen und setzt sich für den Vater/die Familie ein. Nach diesem Vorfall wird der Kontakt auch zu seiner Mutter und zu seinem Bruder wieder besser. Pedro unternimmt wieder etwas mit seinem Bruder und das Vertrauen wird in Teilen wiederaufgebaut.

Die Bindung ist mittlerweile wieder gut auch wenn Pedro sagt: „ich vergebe, aber ich vergesse das nicht“.