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Islamistische Radikalisierung am Beispiel von Pedro Sozialräumliche Faktoren die zu einer islamistischen Radikalisierung beitragen können

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Academic year: 2022

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Islamistische Radikalisierung am Beispiel von Pedro

Sozialräumliche Faktoren die zu einer islamistischen Radikalisierung beitragen können

Islamist radicalization using the example of Pedro

Sociospatial factors that can lead to islamist radicalization

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts in Social Sciences der Fachhochschule FH Campus Wien

Vorgelegt von:

Nicolas Großmann

Personenkennzeichen:

1610534052

Erstbegutachterin:

Mag.a DSA Gabriele Wild

Zweitbegutachter:

FH-Prof. Mag. Dr. Johannes Vorlaufer

Eingereicht am:

03.05.2019

(2)

Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Bachelorarbeit / Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe.

Ich versichere, dass ich diese Bachelorarbeit / Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Datum: ... Unterschrift: ...

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i

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich gerne bei einigen Menschen bedanken, die mich sowohl aktiv als auch passiv dabei unterstützt haben dieses Forschungsvorhaben umzusetzen.

Ohne euch wäre diese Arbeit in dieser Form nicht zustande gekommen - vielen Dank.

Ein ganz besonderer Dank gilt Pedro, meinem ersten Interviewpartner, der mit seiner Lebensgeschichte den Grundstein für diese Masterarbeit legte. Ich danke dir ganz herzlich für deine Offenheit und Ehrlichkeit, diese, teilweise sehr belastenden Erlebnisse mit mir zu teilen. Ich weiß dies sehr zu schätzen und hoffe, dir in dieser Masterarbeit zeigen zu können, wie bereichernd und spannend ich den Austausch mit dir fand.

Riesen Dank gilt auch Fabian Reicher, über den der Kontakt zu Pedro hergestellt werden konnte und der sich selbst als Experte zur Verfügung stellte und mit seinem Interview einen großen Anteil am Forschungsvorhaben leistete – vielen Dank lieber Fabian.

Desweiteren möchte ich mich bei Thomas Schmidinger, Felix Lippe und Ramazan Demir bedanken, die mit ihren Interviews einen wichtigen Teil zur Realisierung dieses Forschungsvorhaben beigetragen haben. Eure unterschiedlichen Perspektiven habe ich als sehr spannend und vielseitig empfunden und sind eine sehr bereichernde Komponente dieser Masterarbeit. Umfassende Expertise eurerseits und jahrelange Auseinandersetzung mit islamistischen Radikalisierungsprozessen führte dazu, dass die Forschungsfrage umfassend beantwortet werden konnte – herzlichen Dank euch allen.

Ebenso möchte ich mich bei Mag.a DSA Gabriele Wild für die Betreuung dieser Masterarbeit bedanken. Dein offenes Ohr für meine Fragen und Anliegen und das regelmäßige Feedback haben mir im Erstellungsprozess dieser Masterarbeit sehr weitergeholfen. Ohne deine unterstützende Betreuung wäre diese Masterarbeit in dieser Form wohl nicht zustande gekommen – vielen Dank dafür.

Ebenso möchte ich mich bei meinem sozialen Umfeld und meiner Familie bedanken.

Danke für die unzähligen Gespräche, konstruktiven Kommentare und Diskussionen. Eure motivierende Art und Weise mich im Forschungsprozess zu begleiten, habe ich als unglaubliche Unterstützung und Motivation wahrgenommen. Insbesondere möchte ich mich bei Lici, Lea und Lea bedanken, die meine Masterarbeit Korrekturgelesen haben und mir umfassendes und bereicherndes Feedback gaben – vielen Dank ihr Drei.

Ich danke euch allen von ganzen Herzen!

(4)

ii

Kurzfassung

Die vorliegende Masterarbeit setzt sich mit islamistischen Radikalisierungsprozessen in westlichen Gesellschaften und insbesondere in Österreich auseinander. Dabei wurde untersucht welchen Einflussgrad eine sozialräumliche Dimension auf den islamistischen Radikalisierungsprozess haben kann. Ziel war es, anhand eines Fallbeispiels sozialräumliche Kategorien zu gewinnen, die im islamistischen Radikalisierungsprozess eine beeinflussende Rolle spielen können. Für die theoretische Einbettung des Begriffs Sozialraum, wurde an die sozialraumtheoretischen Überlegungen von Wolfgang Budde und Frank Früchtel angeknüpft und die These verfolgt, dass Sozialraum als Produkt sozialer Prozesse gesehen werden muss.

Ausgehend von diesen theoretischen Vorüberlegungen wurde ein qualitatives

Forschungsdesign gewählt, welches sich aus einer Kombination zweier

Erhebungsmethoden der qualitativen Sozialforschung zusammensetzt. Um

sozialräumliche Kategorien anhand einer Lebensgeschichte festzumachen, wurde

Pedro, ein Aussteiger der salafistisch-djihadistischen Szene in Wien mittels

narrativen Interviews interviewt. Darauf aufbauend wurden vier Experten

herangezogen, die mit unterschiedlichen Perspektiven die gewonnenen

Kategorien, in Form von leitfadengestützten Expert*inneninterviews, analysiert und

bewertet haben. Die Einschätzungen der Experten stellen die Grundlage der

Beantwortung der Forschungsfrage dar und werden im Anschluss mit den

theoretischen Vorüberlegungen verknüpft und unter sozialräumlichen Blickwinkel

vorgestellt. Handlungsmöglichkeiten und bereits bestehende sozialraumorientierte

Konzepte zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierung werden abschließend

vorgestellt.

(5)

iii

Abstract

The present master's thesis deals with Islamist radicalization processes in Western societies and especially in the austrian society. It was examined what degree of influence a socio-spatial dimension can have on the Islamist radicalization process.

The aim was to use a case study to gain socio-spatial categories that could play an influential role in the Islamist radicalization process. For the theoretical embedding of the term social space, the social-room-theoretical considerations of Wolfgang Budde and Frank Früchtel were followed up and the thesis pursued that social space must be seen as a product of social processes.

On the basis of these theoretical considerations, a qualitative research design was selected, which consists of a combination of two survey methods of qualitative social research. Pedro, a dropout from the Salafist jihadist scene in Vienna, was interviewed by means of narrative interviews in order to capture socio-spatial categories based on a life story. Building on this, four experts were consulted, who analyzed and evaluated the gained categories with different perspectives in the form of guideline-based expert interviews. The assessments of the experts provide the basis for answering the research question and are linked with the theoretical considerations and presented from a socio-spatial point of view. Opportunities for action and existing social space-oriented concepts to combat Islamist radicalization will be presented in the end.

(6)

iv

Abkürzungsverzeichnis

IS Islamischer Staat

FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs

bzw. beziehungsweise

et al. und andere

vgl. vergleiche

zit. n. zitiert nach

BVT Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

ebd. ebenda

StGB Strafgesetzbuch

ÖVP Österreichische Volkspartei

etc. et cetera

OKJA Offene Kinder- und Jugendarbeit

bOJA bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit IGGÖ Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich WNO Wiener Netzwerk Demokratiekultur und Präventation LEEZA Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit KPH Kirchlich Pädagogische Hochschule

OiiP Österreichisches Institut für internationale Politik

(7)

Schlüsselbegriffe

Islamistische Radikalisierung Salafismus

Aussteiger Islam

Sozialraumorientierung Radikalisierungsprävention

(8)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ______________________________________________________ 1 2. Theorieteil _____________________________________________________ 5 2.1. Islamistische Radikalisierung ____________________________________ 5

2.1.1. Radikalisierung als soziales Phänomen – Die Ideologie und das Denken politisch und religiös motivierter Bewegungen __________________________ 5

2.1.1.1. Die Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen – der Weg zur

Religion ______________________________________________________ 6

2.1.1.2. Der Salafismus als eine Strömung des Islams _________________ 8

2.1.2. Ursachen islamistischer Radikalisierung _________________________ 11

2.1.3. Radikalisierungsverlauf und -tendenzen in Wien __________________ 13

2.1.3.1. Identität und Zugehörigkeit ________________________________ 14

2.1.3.2. Protest und Provokation __________________________________ 14

2.1.3.3. Desintegration __________________________________________ 15

2.1.3.4. Neubeginn und Konvertierung _____________________________ 15

2.1.3.5. Radikalisierungstendenzen in Österreich _____________________ 16

2.2. Sozialräumliches Verständnis __________________________________ 18

2.2.1. Sozialraumorientierte Soziale Arbeit ____________________________ 20

2.2.2. Sozialraumorientierte Soziale Arbeit und Radikalisierungsprävention __ 22

2.2.2.1. Universelle Ebene – primäre Prävention _____________________ 24

2.2.2.2. Selektive Ebene – sekundäre Prävention _____________________ 25

2.2.2.3. Indizierte Ebene – tertiäre Prävention ________________________ 26

2.2.3. Raumaneignung und radikalisierte Menschen ____________________ 28

2.2.3.1. Ursprünge des Aneignungskonzepts ________________________ 28

2.2.3.2. Dimensionen der Aneignung ______________________________ 30

2.2.3.3. Raumaneignung radikalisierter Menschen ____________________ 32

3. Empirischer Teil _________________________________________________ 36 3.1. Entwicklung der Forschungsfrage _______________________________ 36 3.2. Forschungsdesign ____________________________________________ 38 3.3. Methodenwahl und -begründung ________________________________ 38 3.4. Erhebungsmethode I __________________________________________ 39

3.4.1. Das narrative Interview ______________________________________ 39

3.4.1.1. Entwicklung des narrativen Interviews _______________________ 39

3.4.1.2. Merkmale des narrativen Interviews _________________________ 41

3.4.1.3. Ablauf des narrativen Interviews ____________________________ 42

3.4.1.4. Beschreibung des Interviewpartners und -situation _____________ 44

3.4.2. Ergebnisse narratives Interview _______________________________ 45

3.4.2.1. Biographie Pedro _______________________________________ 45

3.4.2.2. Auswertung des narrativen Interviews mittels Narrationsanalyse nach

Fritz Schütze _________________________________________________ 48

3.4.2.3. Sozialräumliche Kategorien _______________________________ 48

(9)

3.5. Erhebungsmethode II _________________________________________ 49

3.5.1. Leitfadengestützte Expert*inneninterviews _______________________ 49 3.5.1.1. Beschreibung des/r Interviewpartner*in und -situation ___________ 50 3.5.1.2. Datenauswertung der Expert*inneninterviews mittels qualitativer

Inhaltsanalyse nach Mayring _____________________________________ 51

3.5.1.3. Ablaufmodell leitfadengestützte Expert*inneninterviews _________ 53

3.5.2. Ergebnisse leitfadengestütztes Interview ________________________ 58

3.5.2.1. Beschreibung der Ergebnisse ______________________________ 58

3.5.2.2. Ergebnisse unter sozialräumlichem Blickwinkel ________________ 65

3.5.2.3. Beantwortung der Forschungsfrage _________________________ 66

4. Diskussion _____________________________________________________ 69 4.1. Handlungsmöglichkeiten für die sozialraumorientierte Soziale Arbeit _ 69 4.2. Das Aarhus-Projekt ___________________________________________ 72 4.3. LIAISE – Kommunen gegen Extremismus _________________________ 75 5. Resümee _______________________________________________________ 76 6. Ausblicke _______________________________________________________ 78 7. Literaturverzeichnis ______________________________________________ 80 8. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis _______________________________ 84 9. Anhang ________________________________________________________ 84

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1 1. Einleitung

Im Februar 2019 sorgte der US-amerikanische Präsident Donald Trump erneut für einen medialen Wirbelsturm und übt mit seiner Forderung, dass europäische Länder, gefangengenommene Anhänger*innen1 des sogenannten Islamischen Staates2 zurücknehmen sollen, politischen Druck auf die hiesigen Regierungen aus. Defacto, geht es um europäische Staatsbürger*innen die von kurdischen Einheiten im Kampf gegen den IS festgenommen wurden. Trump fordert europäische Staaten auf, diese Menschen nach Europa zurückzuführen, um sie dort vor Gericht zu stellen und zu verurteilen. Regierungsmitglieder aus unterschiedlichen Ländern der europäischen Union zeigen sich verhalten und es scheint, als ob kein großes Interesse an einer Rücknahme europäischer IS Anhänger*innen besteht.

Die Debatte zeigt, dass der Umgang mit islamistisch radikalisierten Menschen kein leichter ist und zu globalen Interessenskonflikten führt. Die islamistische Radikalisierung und deren Folgen werden einmal mehr zum medialen Spielball und zeigen die gespaltenen weltpolitischen Sichtweisen (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 2019). Menschen, die sich islamistisch radikalisiert haben, sind jedoch nicht nur auf globaler politischer Ebene zum Thema geworden, sondern stellen auch auf lokaler Ebene Herausforderungen und Problematiken dar. Mittlerweile werden in fast allen europäischen Ländern lokale Lösungsstrategien entwickelt, um dem Phänomen der islamistischen Radikalisierung vorzubeugen. Doch um wirksame Lösungsstrategien entwickeln zu können, bedarf es vorab einer tiefgreifenden Ursachenforschung, um sich dem sozialen Phänomen der islamistischen Radikalisierung und wirksamen Lösungsstrategien anzunähern (vgl. Aslan 2017: 268ff).

Obwohl die islamistische Radikalisierung im medialen und politischen Diskurs häufig auf eine reine Sicherheitsproblematik restringiert wird, so wird außer Acht gelassen, dass es sich um ein komplexes, vielschichtiges und soziales Phänomen handelt, vor allem dann, wenn es Jugendliche betrifft, die in westlichen Gesellschaften sozialisiert wurden (vgl. ebd.: 11).

Ebendiese Problematik steht im Zentrum vorliegender Masterarbeit und dabei wird untersucht, inwieweit sozialräumliche Faktoren unterstützend auf einen islamistischen Radikalisierungsprozess wirken können. Insbesondere Menschen, die sich in Österreich bzw.

Europa sozialisiert haben, stehen im Mittelpunkt. Außerdem werden Erklärungsansätze erarbeitet, warum sich Menschen von westlichen Gesellschaften abwenden und sich islamistisch radikale Ideologien aneignen. Auf einer theoretischen Ebene wird zu Beginn dieser Masterarbeit das Phänomen der islamistischen Radikalisierung allgemein diskutiert.

Dabei werden insbesondere das Denken und die Ideologien islamistisch radikaler Gruppierungen unter die Lupe genommen. Eine historische Herleitung sowie der aktuelle wissenschaftliche Status Quo bilden eine Basis, um sich dem Phänomen theoretisch anzunähern und werden im ersten Teil erarbeitet. Aufbauend auf dieser theoretischen Hinführung an das gewählte Thema, wird die Meinung renommierter Forscher*innen, dass die Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen sowohl eine Ursache als auch eine Folgeerscheinung islamistischer Radikalisierung darstellt, behandelt. Menschen, die sich von

1 In dieser Masterarbeit wird eine gendersensible Schreibweise mittels (*) verwendet. In manchen Fällen wird auf die sprachliche Kennzeichnung verzichtet, sollten eindeutig CIS-Personen gemeint sein.

2 In weiterer Folge auch als „IS“ abgekürzt

(11)

2 der Mehrheitsgesellschaft abwenden, finden oftmals in radikalen Gruppierungen ihren Platz und werden freundlich in Empfang genommen (vgl. Kaddor 2015: 59). Daran anknüpfend wird die derzeitige salafistische Szene vorgestellt und in ihrer Vielschichtigkeit beschrieben. In einem weiteren Schritt wird theoretische Ursachenforschung betrieben und Radikalisierungsverläufe und -tendenzen in Wien thematisiert. Um einen umfassenden Überblick zum Thema bekommen zu können, müssen Ursachen und Radikalisierungsverläufe skizziert und aufgearbeitet werden. Dabei ist zu bedenken, dass die islamistische Radikalisierung als ein komplexes soziales Phänomen verstanden werden muss, dass nicht einheitlich beschrieben werden kann. Dennoch können in vielen Fällen Gemeinsamkeiten festgemacht werden, die typisch für Radikalisierungsprozesse sind und das Vorgehen islamistisch radikaler Gruppierungen charakterisieren. Auf Grundlage des Verfassungsschutzberichtes 2017 des Bundesministeriums für Inneres, werden anschließend Radikalisierungstendenzen und aktuelle Zahlen zum Thema vorgestellt.

Trotz unzähliger Disziplinen, die sich die islamistische Radikalisierung zum Forschungsgegenstand gemacht haben, fehlt bis heute ein einheitliches Verständnis. Im Rahmen dieser Masterarbeit werden sozialräumliche Faktoren untersucht, die zu einer islamistischen Radikalisierung beitragen können. Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es einem tiefen Einblick in ein sozialräumliches Verständnis. Folglich wird im zweiten Abschnitt des theoretischen Teils dieser Masterarbeit der Begriff des Sozialraums fokussiert und ein sozialräumliches Verständnis erarbeitet, das sich an die Theorien von Frank Früchtel und Wolfgang Budde anlehnt. Ausgehend von der Annahme das Raum als soziales Produkt gesehen werden muss, müssen soziale Interaktionen, Beziehungen und Zuschreibungen mitgedacht werden (vgl. Früchtel et al. 2007: 15). Das Konzept der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit knüpft an diese Überlegungen an und kann möglicherweise als Konzept gesehen werden, um Menschen vor Radikalisierung zu schützen. Insbesondere die Radikalisierungsprävention wird als wichtiges Werkzeug der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit gesehen, um Radikalisierungsprozessen vorzubeugen. Präventive Maßnahmen werden deswegen besonders beleuchtet und unter anderem als Handlungsmöglichkeiten dargestellt.

Um den abstrakten Begriff des Sozialraums weiter zu vertiefen wird anschließend auf die Raumaneignung und das Aneignungskonzept von Deinet und Reutlinger eingegangen. Denn um eine umfassende sozialräumliche Perspektive zu erhalten, müssen Möglichkeiten und Ungleichheiten der Raumaneignung miteinbezogen werden (vgl. Coelen, Otto 2008, zit. n.

Deinet 2008: 727f).

Setzt man sich mit dem Phänomen der islamistischen Radikalisierung empirisch auseinander, so kann man zwischen Makro-, Meso- und Mikroebene unterscheiden. In dieser Masterarbeit stehen sozialräumliche Faktoren, die zu einer islamistischen Radikalisierung beitragen im Mittelpunkt. Somit wird insbesondere Bezug zur Mikro- und Mesoebene genommen.

Betrachtet man das Phänomen analytisch auf der Mikroebene, blickt man auf einen Forschungsstand zurück, der bis in die 1970er Jahre noch auf psychopathologische Erklärungsmuster zurückgreift und islamistisch radikales Verhalten als psychisch abnormal begreift. In den letzten Jahrzehnten konnten Wissenschaftler*innen immer häufiger feststellen, dass sozialpsychologische Umstände einen ausschlaggebenden Einfluss auf einen eventuellen Radikalisierungsprozess haben (vgl. Srowig et al. 2018: 10). Ein sozialpsychologisches Verständnis, dem nach, der Mensch von seiner Umwelt beeinflusst und geprägt wird und daraus Handlungsoptionen entstehen können oder eben auch nicht, findet

(12)

3 auch in der Forschung zur islamistischen Radikalisierung Zuspruch. Heute ist bekannt, dass sowohl das soziale als auch das sozialräumliche Umfeld beeinflussend auf den individuellen Entwicklungsprozess von Menschen wirken können (vgl. Ceylan, Kiefer 2013: 162).

Ebendeshalb muss auch die Mesoebene in den Blick genommen und thematisiert werden.

Vernetzung und Organisation islamistisch radikaler Gruppierungen werden aufgegriffen und das Zugehörigkeitsgefühl von radikalisierten Menschen besonders beleuchtet. Im Rahmen dieser Masterarbeit werden deshalb soziale Netzwerke, Organisationen und Gruppenzugehörigkeiten diskutiert, die eine wichtige Rolle im Radikalisierungsprozess einnehmen (vgl. Aslan 2017: 29). Damit das Forschungsvorhaben umfassend erforscht und einen Bezug zu den angesprochenen Analyseebenen hergestellt werden kann, wurde ein Aussteiger der islamistisch radikalen Szene in Wien interviewt. Um diese Biographie in Form von konstruierten Sinnzusammenhängen aufzugreifen, wurde ein narratives Interview gewählt, welches in Form von einer Erzählung stattfindet und die subjektive Perspektive hervorhebt. Diese Methode der qualitativen Sozialforschung eignet sich besonders, wenn Erlebtes wiedergegeben und interpretiert werden soll (vgl. Glinka 1998: 9f).

Wichtig für die Beantwortung der Forschungsfrage ist die Bildung von sozialräumlichen Kategorien, die Pedros Radikalisierungsprozess beeinflussten. Damit alle sozialräumlichen Aspekte berücksichtigt werden können, wurde eine deduktiv-induktive Vorgehensweise gewählt, um die Kategorien zu bilden. Pedros Lebensgeschichte wurde somit vorerst deduktiv auf zehn sozialräumliche Kategorien ausgewertet. Im Anschluss daran wurden induktiv Subkategorien gebildet, auf die im weiteren Verlauf eingegangen wird. In einem weiteren Schritt wurde eine Biographie von Pedro angefertigt, die der/m Leser*in das Eintauchen in Pedros Lebenswelt erleichtern bzw. ermöglichen soll. Aufbauend auf den bisherigen deduktiv gewonnen Kategorien, wurden diese anhand von leitfadengestützten Experteninterviews weiter beleuchtet. Für die qualitative Erhebungsmethode mittels leitfadengestützter Interviews, konnten vier fachspezifische Experten gewonnen werden, die den Forschungsgegenstand aus vier unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Mit Hilfe dieser Methode konnten weitere Subkategorien induktiv gebildet werden, um alle relevanten sozialräumlichen Faktoren miteinzubeziehen und die Vollständigkeit des Forschungsvorhabens zu sichern. Die professionelle Expertise der Experten und der jahrelange Umgang mit islamistisch radikalisierten Menschen, sind ausschlaggebend für das Forschungsvorhaben und stellen die Grundlage für die Beantwortung der Forschungsfrage dar.

Den Abschluss findet diese Arbeit mit der Darstellung von Möglichkeiten der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit. Hierbei wird erneut Bezug zur Präventionsarbeit genommen, die durch eine sozialraumorientierte Perspektive ein wirksames Werkzeug sein kann. Gewonnene Ergebnisse und Handlungsmöglichkeiten der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit werden mit den theoretischen Vorüberlegungen verknüpft und diskutiert. Auf diesen theoretischen Überlegungen aufbauend werden schon existierende Projekte vorgestellt, die mit Hilfe eines sozialraumorientierten Ansatzes das Phänomen der Radikalisierung bearbeiten. Insbesondere das Aarhus-Projekt aus Dänemark verfolgt seit Jahren einen sozialraumorientierten Ansatz und kann als eine Lösungsstrategie genannt werden, um die Zahl von islamistischen Radikalisierungsprozessen zu reduzieren. Im anschließenden Ausblick werden gewonnene theoretische als auch empirische Erkenntnisse reflektiert und zusammengefasst. Sowohl sozialraumorientierte Handlungsperspektiven als

(13)

4 auch gesamtgesellschaftliche Aufgabenfelder werden formuliert, um Menschen vor islamistischer Radikalisierung zu schützen und demokratisches Gedankengut zu verbreiten.

(14)

5 2. Theorieteil

2.1. Islamistische Radikalisierung

„Längst sind Bilder der Folgen von Radikalisierung und von Terroranschlägen mit dem Ziel, maximalen Schaden anzurichten und Verunsicherung in der Bevölkerung auszulösen, nicht mehr beschränkt auf die Medienberichterstattung über ‚ferne Weltgegenden‘. Es sind vielfach

europäische Metropolen, aus denen solche Bilder die Öffentlichkeit heute regelmäßig erreichen.

Sie lösen Trauer, Angst und Wut bei den Menschen aus und bringen eindringlich zum Ausdruck, welches Ausmaß diese Phänomene und die mit ihnen einhergehenden Herausforderungen in Europa erreicht haben“ (Aslan 2017: 11).

Islamistische Radikalisierung ist mittlerweile kein Phänomen mehr, welches es gilt, im Nahen Osten oder in anderen muslimischen Regionen dieser Welt zu verhindern. Extremismus, islamistischer Fundamentalismus und islamistische Radikalisierung finden auch in westlichen Gesellschaften statt und sind somit zu einer großen Herausforderung für europäische Länder geworden. Besonders die Soziale Arbeit ist mit Menschen konfrontiert, die zu Radikalisierung und Aneignung anderer Ideologien neigen. Da die Soziale Arbeit ein wichtiges Instrument ist, um Prävention und andere Unterstützungsmaßnahmen im Kampf gegen die islamistische Radikalisierung zu leisten, müssen Radikalisierungsprozesse erforscht und Lösungsansätze gefunden werden.

2.1.1. Radikalisierung als soziales Phänomen – Die Ideologie und das Denken politisch und religiös motivierter Bewegungen

Um Radikalisierung als soziales Phänomen beschreiben zu können, bedarf es vorab einer Definition des Begriffs Radikalisierung. Der Begriff „radikal“ findet seinen Ursprung in der lateinischen Sprache und stammt vom Wort „radix“ ab, was so viel bedeutet wie „Wurzel“.

Radikalisierung beschreibt einen sozialen Prozess, der schon früher in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wurde. Das Adjektiv „radikal“ wurde im Laufe der Geschichte von unterschiedlichen Gruppierungen angenommen. Betrachtet man beispielsweise das 19.

Jahrhundert, so wurde die Radikalisierung noch als Motto von liberalen Reformer*innen3 verwendet. Ein Jahrhundert später wurde der Begriff marxistisch revolutionären Gruppen4 zugeschrieben (vgl. Mandel 2009, zit. n. Neumann 2013: 3f).

Roland Eckert beschreibt die Radikalisierung als einen Prozess, bei dem sich die Diskrepanz zwischen ideologischen Positionen und sozialen Gruppen vergrößert. Eine oder beide Seiten beziehen sich zunehmend auf die unterstellte Ursache des Konflikts, was zu „Gräben“

zwischen den ideologischen Lagern führt (vgl. Eckert 2012: 7). Eine bedeutende Gemeinsamkeit zwischen den beiden „ideologischen Lagern“ besteht jedoch darin, dass es zu einer drastischen Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen und dem Drang zur Errichtung eines eigenen politischen Systems kommt (vgl. Neumann 2013: 3).

3 Vertreter*innen im deutschsprachigen Raum unter anderem Hegel, Fichte, Schelling.

4 Als wichtigster Vertreter marxistisch revolutionärer Gruppen im 20. Jahrhundert kann Wladimir Iljitsch Lenin genannt werden

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6 Nicht nur Roland Eckert vertritt diese Meinung. Unter Wissenschaftler*innen gilt es als unumstritten, dass es sich bei der Radikalisierung um einen Prozess handelt. Was diesen Prozess ausmacht und wo er endet, bleibt in der Wissenschaft jedoch umstritten. Der Direktor des International Center for the Study of Radicalization am King’s College in London beschreibt Radikalisierung als einen Prozess bei dem „[...] es deshalb nicht ausschließlich um das Vorhandensein bestimmter Faktoren und Einflüsse, sondern auch – und gerade – um deren Zusammenspiel, Entwicklung und Verlauf“ (Neumann 2013: 3) geht. Zusammenfassend kann man sagen, dass Radikalisierung ein sozialer Prozess ist, der auf die Errichtung eines neuen politischen Systems abzielt, dessen Ursprung die Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen und Strukturen ist (vgl. ebd.: 3). Um verstehen zu können, was es heißt ein neues politisches System zu errichten, bedarf es einer intensiven Betrachtung der Ideologie und der Gedanken von radikalen Gruppierungen. Der Fokus beschränkt sich zu Beginn des Theorieteils auf die islamistische Radikalisierung und wird Einblicke geben, was hinter einer politisch und/ oder religiös motivierten Bewegung steht.

Islamistische Radikalisierung sieht ihren Ursprung in Reformbewegungen des Islam5 der letzten Jahrhunderte. Hierzu zählt unter anderem eine Strömung, die sich auf as-Salaf as- Salih besinnt. Gemeint ist die Zeit der ersten drei Generationen der Muslim*innen.

Vertreter*innen dieser sogenannten salafistischen Strömung des Islams betonen „[...] die Unfehlbarkeit der heiligen Texte, die für sie nichts anderes sind, als Gottes eigenes Wort das um keinen Preis verfälscht oder verändert werden darf“ (Toprak, Weitzel 2017, zit. n. van Ess 1996: 149). In den folgenden Kapiteln soll

„[...] die Herleitung der Ideologie jener Vordenker und Ideologen beschrieben werden, welche die Etablierung einer bestimmten politischen Ordnung durch den Kampf gegen Regenten und Staaten erreichen wollen und dies als göttlich legitimiert betrachten“ (Rupp 2016, zit. n. al-Hassan Diaw 2016: 45).

Wie bereits erwähnt, ist Peter Neumann der Ansicht, dass die Loslösung von gesellschaftlichen Verhältnissen und der Drang zur Errichtung eines eigenen politischen Systems charakteristisch für den Radikalisierungsprozess ist (vgl. Neumann 2013: 3).

Ausgehend von Neumanns Annahme werden im Theorieteil dieser Masterarbeit besonders der Zusammenhang zwischen der Abwendung von bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und dem „[...] Verständnis eines Eingottglaubens und die davon abgeleiteten politischen Konzepte“ (ebd.: 45) im Zentrum stehen.

2.1.1.1. Die Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen – der Weg zur Religion Islamistische Anschläge erschüttern Europa in den letzten Jahren immer häufiger. Es vergeht kein Jahr, in dem keine islamistischen Terroranschläge (vor allem) in den großen europäischen Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Deutschland ausgeübt werden.

Djihadistische Ideologien wurden in den letzten Jahren zum Forschungsgegenstand vieler Wissenschaftler*innen weltweit. Dennoch bleibt die Frage offen, was Menschen zu solch

5 Dschamal ad-Din al-Afghani zählt unter anderem zu den wichtigsten Reformdenkern im 19. Jahrhundert.

(16)

7 grausamen Taten bringt. Was geht in ihren Köpfen vor und woher kommt die Besessenheit, mit der sie andere Menschen auf bestialische Art und Weise töten?

Menschen, die sich dem radikalen Islam bzw. dem Salafismus anschließen, haben Eins gemeinsam: „den Hass auf die Gesellschaft. Sie leiden an einem tiefen Gefühl sozialer Ungerechtigkeit“ (Khosrokhavar 2016: 14f).

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor betont, dass es keine allgemeine Erklärung oder kein Grundmuster für Radikalisierung und die Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen gibt. Jeder Einzelfall muss separat analysiert und bewertet werden. Um Ursachen für die Abwendung gesellschaftlicher Verhältnisse zu ermitteln, ist eine individuelle Anamnese notwendig. Diese zeigt, dass es Faktoren gibt, die bei vielen Menschen auftreten und Gemeinsamkeiten in unterschiedlichen Fällen. Wie oben erwähnt, schreibt Farhad Khosrokhavar, dass eine bedeutende Gemeinsamkeit das Gefühl sozialer Ungleichheit ist (vgl.

ebd.: 14f). Für Kaddor sind zwei Faktoren von besonderer Bedeutung, die dieses Gefühl auslösen können: Frust und Wut. Sie beschreibt das Gefühl von Frust und Wut auf die Gesellschaft, die Familie und den Sozialraum, in dem sich Individuen befinden. Diese Emotionen gekoppelt an die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung können dazu beitragen, dass sich Menschen sich von gesellschaftlichen Verhältnissen abwenden und auf die Suche nach neuen Ideologien machen. Kaddor berichtet von Aspekten, die in vielen Fällen der islamistischen Radikalisierung immer wieder bei der Ursachenforschung auftreten. Mangelnde Zukunftschancen, Ablehnung und Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft werden als Faktoren gesehen, die Menschen frustrieren und wütend machen (vgl. Toprak, Weitzel 2017, zit. n. Kaddor 2016: 96).

Auch Jürgen Manemann sieht die aktuelle Ungleichheit in der Gesellschaft als einen ausschlaggebenden Faktor, warum sich junge Menschen auf die Suche nach neuen Ideologien und Lebensweisen machen. „[...] Frustration, die sich breit macht, wenn Individuen nicht den Wohlstand, den Einfluss oder den Status halten oder erreichen können, der ihnen ihrer Ansicht nach zusteht [...]“ (Manemann 2015: 89), kann zum Gefühl des gesellschaftlichen Ausschlusses, der Enttäuschung und der inneren Leere führen. Dies muss aber nicht zwingend zur Abwendung von gesellschaftlichen Verhältnissen führen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die Teilhabe und Gestaltungsmöglichkeit an unserer „modernen“

Gesellschaft (vgl. ebd.: 89).

Unsere heutige Gesellschaft wandelt sich so schnell wie nie eine Gesellschaft zuvor.

Wachstum, Beschleunigung und neoliberale Ökonomisierung sind Faktoren, die unsere Gesellschaft bestimmen und sich direkt auf Menschen und gesellschaftliche Verhältnisse auswirken. Viele Menschen nehmen diesen Wandel wahr, haben jedoch den Eindruck nicht mitgestalten zu können. Menschen, die sich von der modernen Gesellschaft abwenden, haben vor allem das Gefühl, keinen Einfluss auf die Veränderungsprozesse der Gesellschaft nehmen zu können. Säkularisierung, Entwurzelung und eine tendenzielle Rast- und Heimatlosigkeit sind weitere Faktoren, die unsere heutige moderne Gesellschaft charakterisieren. Traditionelle Werte und Strukturen verlieren immer mehr an Bedeutung und gehen in „modernen“

Gesellschaften unter. Das Zusammenspiel von Verlust traditioneller Vorstellungen und dem Wachstum neoliberaler Werte, verursacht ein Vakuum, das zu Orientierungslosigkeit, Beliebigkeit und Entfremdung führen kann (vgl. Lutz 2016: 16f).

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8 Das Subjekt und seine Freiheit sind zum Zentrum dieser modernen Gesellschaften geworden.

Das Subjekt genießt in unserer heutigen Gesellschaft mehr Flexibilität, Freiheit und Sicherheit denn je - Werte, die unzählige Möglichkeiten und Chancen eröffnen. Möglichkeiten und Chancen, die genutzt werden können wenn man Teil dieser Gesellschaft ist. Unzählige Möglichkeiten sind jedoch nicht von Grund auf etwas Positives, sondern können zu Überforderung, Orientierungslosigkeit und Identitätsstörungen führen. Faktoren, die in weiterer Folge zur Abwendung bzw. zum Ausschluss von gesellschaftlichen Verhältnissen führen können (vgl. ebd.:16ff). Gesellschaften verändern sich und werden vielfältiger, pluralistischer und komplexer. Veränderungen, die sich nicht alle Menschen wünschen und begrüßen. Denn

„in der modernen Welt hat Komplexität keinen Gegenbegriff mehr. Und gerade deshalb wächst die Sehnsucht nach Einfachheit“ (Lutz 2016, zit. n. Bolz 2008:11).

Die Hoffnung auf ein Leben, in dem es noch eine Ordnung gibt und Beständigkeit herrscht, wird von vielen Menschen sehnsüchtig gewünscht. Die Religion stellt ein alternatives Glaubenssystem dar, dass zwar in Wechselwirkung zur modernen Gesellschaft agiert, jedoch Halt und Struktur bietet.

„Mit der Hoffnung auf Sinn, auf einen Anker, der dem Leben wieder dauerhaften Halt geben soll, das versprochene Heil realisiert, werden alternative Pfade aktualisiert, zu denen Traditionen, Religiosität und andere Sinn gebende Wissenssysteme gehören. Neben der Betonung sozialer Utopien, war der Glaube schon immer eine Quelle der Hoffnung [...]“ (Lutz 2016, zit. n. Riesebrodt 2007: 132).

Auf der Suche nach Hoffnung, Ordnung, Struktur und Halt machen sich viele Menschen auf die Suche nach einfachen Antworten für komplexe Problemlagen. Menschen fangen an Systemen zu trauen, die vermeintlich Verantwortliche für das eigene Leid aufzeigen und einfache Lösungswege anbieten. Der Salafismus als eine Strömung des islamistischen Fundamentalismus kennzeichnet sich durch extreme Regeln und Ansichten. Menschen, die nicht von der modernen Gesellschaft profitieren und sich nach Einfachheit und einem vorgegebenem Grundgerüst sehnen, finden im Salafismus eine Glaubensrichtung, die genau diese Sehnsüchte erfüllt (vgl. Mansour 2015: 19ff).

2.1.1.2. Der Salafismus als eine Strömung des Islams

Der Begriff des Salafismus ist in der öffentlichen Debatte noch nicht lange ein Thema und erst seit Kurzem sehr präsent. Bisher wurde ausschließlich der politische Islam, der Islamismus und der islamistische Fundamentalismus thematisiert, wenn es um religiös motivierte Gewalt islamistischer Gruppierungen ging. „Salafismus bezeichnet eine moderne Strömung im Islam, die sich im Spannungsfeld von religiösem Fundamentalismus und politischem Machtstreben bewegt(vgl. Toprak, Weitzel 2017, zit. n. Schneiders 2017: 3).

Die Strömung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an und hat zum Ziel eine Gesellschaft zu errichten, die sich auf die Zeit der ersten drei muslimischen Generationen bezieht und der muslimischen Urgemeinde entspricht (vgl. Schmidinger 2013: 94).

Gesellschaften sollen neu geordnet werden und Gott und Gemeinschaft haben Vorrang vor dem Subjekt. Der Alltag soll nach den Überlieferungen des Propheten Muhammad6 und dem

6 Religionsstifter des Islams

(18)

9 Wortlaut des Korans ausgerichtet werden. Hinzu kommt die Ablehnung von westlichen Werten und Normen, die mit sehr hohen Freiheitsgraden einhergehen. Streng konservativ islamische Werte und die Betonung der Gemeinschaft sollen nach dem salafistischen Verständnis wieder in den Vordergrund rücken (vgl. Lutz 2016: 23). Unterschiedliche Auffassungen des Islam führen dazu, dass es, wie in anderen Religionen auch, mehrere Strömungen gibt. Die überwiegende Mehrheit der Muslim*innen gehört der konservativen oder liberalen Strömung des Islams an. Weiters gibt es aber auch fundamentalistische Strömungen des Islams die ihren Anhänger*innen versprechen, durch „Glauben“ alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme lösen zu können (vgl. Scheiders 2014: 11).

Diese Strömungen unterscheiden sich durch ihr Verständnis religiöser Quellen und der Bewertung der Religionsgeschichte.

„Der Salafismus, wie man ihn heute in wissenschaftlichen Kreisen versteht, gehört zum fundamentalistischen Spektrum des Islams. Das heißt, seine Auffassungen sind rückwärtsgewandt, streng, wenig kompromissbereit. [...] Sie lehnen jeden Versuch ab, die Kluft zwischen dem historischen Moment des Eintretens dieser Schriften in die Geschichte und den späteren zeitlichen Kontexten in ihren Überlegungen zu beachten“ (Toprak, Weitzel 2017, zit. n.

Schneiders 2017: 3f).

Im Gegensatz zu den meisten Muslim*innen weltweit, wollen Anhänger*innen der salafistischen Strömung ein politisches System umsetzen, in dem es keine Trennung zwischen Religion und Staat gibt. Die Demokratie wird nicht als die richtige Herrschaftsform gesehen und andere Religionen neben dem Islam werden nicht geduldet. Zudem werden Grund- und Menschenrechte missachtet und die Freiheit des Subjekts nicht anerkannt (vgl. Lutz 2016: 23).

Zum salafistischen Verständnis des Islams zählt auch die klassisch islamische Gesetzgebung – die Scharia. Diskriminierende Strafen, eine radikale Geschlechtertrennung sowie das Verbot von Spiel, Musik und Tanz werden von Salafist*innen angestrebt (vgl. Schneiders 2014: 12).

Neues Wissen wird grundsätzlich skeptisch aufgefasst, da unter Salafist*innen die Angst besteht, dass „Neuerungen“ von Gott „wegführen“ können. Dabei wird jedoch zwischen technischen und geisteswissenschaftlich-philosophischen Erkenntnissen differenziert.

Während technische Neuerungen, wie Kühlschränke, Mobiltelefone oder Ähnliches (unter Umständen) genutzt werden dürfen, werden neue Erkenntnisse bezüglich des menschlichen Daseins strikt abgelehnt. Fortschritte in Bezug auf Pädagogik, Gender-Mainstreaming oder der Morallehre werden missbilligt. Lediglich religiöse Schriften werden als vertrauenswürdige Quellen von Erkenntnis anerkannt (vgl. ebd.: 12).

In den letzten Jahren ist die salafistische Szene auch in europäischen Ländern präsent geworden. Junge Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen finden diese Szene attraktiv und schließen sich ihr an. Glaubt man den Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017, so konnten bis Ende des Jahres 2017 313 Menschen identifiziert werden die der salafistischen Szene angehör(t)en und nach Syrien oder in den Irak ausreisen wollten, um sich dort am Djihad zu beteiligen. 55 dieser Menschen sind laut Verfassungsschutz bereits ums Leben gekommen, 94 sind mittlerweile wieder nach Österreich zurückgekehrt und weitere 59 Personen konnten an der Ausreise gehindert werden (vgl. BVT 2017: 12).

Verfassungsschützer*innen sprechen von einem Rücklauf der Menschen, die sich in

(19)

10 Österreich radikalisieren, um in den Djihad7 nach Syrien oder den Irak auszureisen. Dies sei aber in erster Linie auf die militärische Niederlage und die territoriale Verdrängung des sogenannten Islamischen Staates zurückzuführen. Trotz Rücklauf geht man davon aus, dass sich die salafistische Szene verlagert und sich neuerdings im Untergrund oder gar virtuell organisieren könnte (vgl. ebd.: 12).

Ronald Lutz beschreibt genau diese Verlagerung in den virtuellen Raum. Im Internet kursieren immer mehr persönliche Reden oder Videos von Kundgebungen sogenannter „Salafisten- Prediger“. Lutz thematisiert die Anschaulichkeit dieser Videos, die auf den ersten Blick sogar für Nicht-Salafist*innen und Nicht-Muslim*innen wie eine positive Botschaft klingen. Oftmals werden zuversichtliche Weltansichten und beruhigende Botschaften gepredigt. Wirft man einen genaueren Blick auf diese Predigten, so zeigt sich vor allem eins: Gewalt, Frauenfeindlichkeit und Hass gegen „Ungläubige“ (vgl. Lutz 2016: 23f). Besonders durch das Internet erreichen Salafist*innen ein breites Publikum. Informationen zu Islamseminaren, Ratschlägen zum „rechten“ Leben, religiösen Publikationen und Anleitungen zur Konvertierung lassen sich leicht im Netz finden und stoßen auf das Interesse vieler junger Menschen in Europa. Denn der Salafismus ist vor allem attraktiv für Jugendliche, da er klare Orientierung bietet. Viele junge Menschen fühlen sich in der Unübersichtlichkeit der Moderne verloren. Die Abwertung als Mensch mit Migrationshintergrund, alltägliche Diskriminierung und das vermeintliche Scheitern der Eltern in einem neuen Land führen dazu, dass sich junge Menschen nach Struktur und Sicherheit sehnen. Diese erlebte Unsicherheit führt dazu, dass sich junge Menschen nicht mehr zumuten ein eigenes Urteil zu bilden und macht sie empfänglich für leichte Antworten. Eine Ideologie, die auf einer „Schwarz-Weiß-Sicht“ basiert und vorschreibt, was zu tun und was zu lassen ist, kann gut angenommen werden (vgl. ebd.:

24).

Doch wie in fast allen Strömungen einer Glaubensrichtung, gibt es auch im Salafismus viele Streitigkeiten und Unklarheiten untereinander. Die salafistische Szene kann als eine sehr heterogene Strömung mit unterschiedlichen theologischen und religionsrechtlichen Konzepten bezeichnet werden. Wird der Salafismus aus der Perspektive eines Staates oder einer Zivilgesellschaft betrachtet, so kann man ihn in drei Hauptströmungen unterteilen. Anhand dieser Einteilung lassen sich Antiradikalisierungsansätze anwenden. Der puristische Salafismus ist die erste Hauptströmung des Salafismus. Die Anhänger*innen dieser Strömung halten sich im Privatleben am strengsten an theologische und theoretische Überlegungen. Unter Muslim*innen gelten sie als die Frommsten und sie legen enormen Wert darauf, ihr Leben nach den Vorgaben des Propheten Muhammads zu gestalten. Mittelpunkt ihres Lebens ist der Glaube und alles andere wird diesem untergeordnet. Sie versuchen die Anfangszeit des Islams möglichst exakt nachzuahmen, was man auch an ihrer Kleidung und ihrem Auftreten sieht. Sie tragen oft lange Gewänder und einen langen Bart. Einflüsse der modernen Welt werden (weitgehend) ausgeblendet um authentisch zu wirken. Die zweite Hauptströmung ist der politische oder aktivistische Salafismus. Die politischen oder aktivistischen Salafist*innen vertreten grundsätzlich dieselben Vorstellungen wie die puristischen Salafist*innen, allerdings mit dem Zusatz der Idee, Staat und Gesellschaft umgestalten zu wollen. Ein weiteres Ziel dieser Strömung ist die Missionierung. Sie versuchen Nichtmuslim*innen zum Islam einzuladen und Muslim*innen von ihrem Glaubensverständnis

7 In einem salafistischen Verständnis bedeutet Djihad soviel wie der kämpferische Einsatz zur Verteidigung und Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets.

(20)

11 zu überzeugen. Es wird gegen das herrschende politische System gearbeitet. Da mit dem politischen Kampf auch Kompromissbereitschaft einhergeht, sind sie meist nicht so prinzipientreu wie die puristischen Salafist*innen. Bestimmte Vorstellung werden zurückgestellt und es wird auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um sie umzusetzen. Sie sind pragmatischer und wachsen im Schatten der Demokratie. Die letzte Strömung des Salafismus ist die Gruppe der djihadistischen Salafist*innen. Sie orientieren sich an den politischen und aktivistischen Salafist*innen, sehen aber die Gewalt als ein Mittel, um sich durchzusetzen. Um soziale und politische Verhältnisse zu ändern, nehmen sie nicht nur getötete Menschen in Kauf, sondern rufen aktiv zu Mord und Tod auf. Anschläge und Morde werten sie als religiöse Pflicht. Der Djihad – also „heilige Krieg“ - ist aber nicht an den Salafismus gekoppelt, sondern kann auch in Kombination mit anderen Strömungen des islamistischen Fundamentalismus auftreten. Weltweit gibt es zahlreiche islamistisch fundamentalistische Gruppierungen, die zum Djihad aufrufen, hierzu zählen unter anderem die Taliban in Afghanistan und Pakistan, das weltweit operierende al-Qaida Netzwerk oder die Boko Haram in Teilen Afrikas.

Djihadistische Salafist*innen führen ihr radikales Vorgehen auf völkerrechtliche und menschenrechtliche Verfehlungen „des Westens“ zurück (vgl. Toprak, Weitzel 2017, zit. n.

Schneiders 2017: 21). Der Irak-Krieg im Jahr 2003 oder die geführten Drohnenkriege in Pakistan, Afghanistan und dem Jemen werden als politische Katastrophen gewertet, die „der Westen“ zu verantworten hat. Unschuldig getötete Menschen und die ungerechte Behandlung von Muslim*innen in vor allem westlichen Ländern werden für islamistische Propaganda genutzt, um radikales und terroristisches Handeln zu legitimieren (vgl. Schneiders 2014: 15).

In der Realität verschwimmen die Grenzen der drei Strömungen sehr stark. Die heutige salafistische Szene besteht in erster Linie aus Mischformen. In der puristischen Strömung werden immer wieder Methoden der politischen und aktivistischen Strömung wahrgenommen und auch die politische aktivistische Strömung bedient sich an djihadistischen Elementen.

Denn auch logistische, emotionale und finanzielle Unterstützung sind djihadistische Elemente, auch wenn sie nicht direkt in Verbindung mit Waffengewalt stehen (vgl. ebd.: 15f).

2.1.2. Ursachen islamistischer Radikalisierung

Die Ursachenforschung bei islamistischen Radikalisierungsprozessen erweist sich als schwierig, da, wie bereits erwähnt, alle Fälle islamistischer Radikalisierung immer individuell zu betrachten und zu analysieren sind. Lamya Kaddor und Ahmad Mansour sind sich jedoch einig, dass es bei den Ursachen einer derartigen Radikalisierung auch oft Gemeinsamkeiten auftauchen. Gründe hierfür sind in vielen Fällen multifaktoriell und können oftmals nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden. Laut Mansour können der Ursprung und die Entwicklung einer Radikalisierung nicht auf einzelne soziale Phänomene zurückgeführt werden. Der Islamismus-Experte geht davon aus, dass ein Zusammenspiel unterschiedlicher Umstände die Basis für islamistische Radikalisierung bilden. Diese Faktoren können zum Beispiel Jugendkulturen oder rassistische Erfahrungen sein. Ausschlaggebend ist jedoch nicht der Einzelfall, sondern immer wiederkehrende und miteinander verknüpfte Faktoren (vgl. Mansour 2015: 99f).

(21)

12 Die Soziologin Eva-Maria Heinke beschäftigt sich mit Terrorismus und dem Thema der modernen Kriegsführung. Ihrer Meinung nach sind die Gründe für eine islamistische Radikalisierung ebenfalls multifaktoriell. Sie macht ein Zusammenspiel aus der eigenen Lebenssituation, der erfahrenen Sozialisation sowie der persönlichen Entwicklung als Ursache fest, die zu einer islamistischen Radikalisierung und gewalttätigem Verhalten führen kann (vgl.

Heinke 2014: 117).

Auch Ceylan und Kiefer schließen sich dieser Meinung an und beschreiben islamistische Radikalisierung als einen komplexen Prozess, der von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst wird. Diese Faktoren reichen von gesellschaftlichen Phänomenen über sozialräumliche Umstände bis hin zu persönlichen Entwicklungen. So können beispielsweise problematische Familiensituationen und radikale Orientierungen der Peergroup ausschlaggebend für eine Radikalisierung sein. Weiters können aber auch persönliche Krisensituationen, die mit schwierigen Selbstfindungsprozessen einhergehen, Auslöser für islamistische Radikalisierung sein (vgl. Ceylan, Kiefer 2013: 162).

Soziale Problemlagen nehmen laut Ceylan und Kiefer eine nicht unerhebliche Rolle im Radikalisierungsprozess ein. Islamistisch radikale Gruppierungen können oftmals mit einem umfassenden Identitätsangebot das Interesse vieler Jugendlicher wecken. Dies hängt zum einen mit spezifischen biografischen Ursachen zusammen, zum anderen mit fehlender religiöser Grundbildung vieler Menschen. Ein Identitätsangebot, dass auf Jugendliche eingeht und einfache Lösungen für persönliche Krisen und soziale Problemlagen bietet, gekoppelt mit religiös legitimierter Gewalt, die dem Rachewunsch auf die Mehrheitsgesellschaft Raum gibt.

Mansour hielt zu Beginn des Jahres 2016 in einem Interview fest, dass Salafist*innen die besseren Sozialarbeiter*innen sind und beschreibt damit die Effektivität, mit der islamistisch radikale Gruppierungen Jugendliche erreichen und abholen können (vgl. Merkur 2016).

Ein weiterer Aspekt, dem weitaus mehr Wichtigkeit zugeschrieben werden sollte, ist allerdings die komplexe Situation des eigenen Migrationshintergrunds vieler Jugendlicher. Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind in Europa kollektiver Abwertung, Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt. Menschen, die in Europa mit Migrationshintergrund geboren werden, sehen sich oft mit enormen Entfremdungserfahrungen konfrontiert, da sie sich weder dem Aufenthaltsland noch dem ursprünglichen Herkunftsland der Eltern bzw. Großeltern zugehörig fühlen. Mangelnde Integration in die Mehrheitsgesellschaft sowie eine völlig vernachlässigte staatliche Integrationspolitik sind Ursachen dieser Entwicklung (vgl. Zara 2014, zit. n. Reif 2015: 89).

Der österreichische Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger sieht Diskriminierungserfahrungen und das empfundene Gefühl, niemals zur Mehrheitsgesellschaft dazugehören zu können ebenfalls als mögliche Ursache für islamistische Radikalisierungsprozesse. Zudem macht er den offenen, antimuslimischen Wahlkampf der FPÖ (Freiheitliche Partei Österreich) dafür verantwortlich und sieht ihn als Auslöser dafür, warum viele Jugendliche in die „Pop-Djihadistische“ Jugendkultur getrieben werden (vgl.

Schmidinger 2013: 40).

Schmidinger berichtet aber auch von österreichischen Jugendlichen, bei denen das Gemeinschafts- und Identitätsangebot auf fruchtbaren Boden fällt. Jugendliche, die auf der Suche nach Orientierung und sozialer Bindung sind, jedoch von problembelasteten

(22)

13 sozialräumlichen Faktoren umgeben sind, neigen dazu sich islamistisch radikalen Gruppierungen anzuschließen. Schmidinger spricht vom Neo-Salafismus, der im Unterschied zum Salafismus kein importiertes Phänomen aus muslimischen Ländern ist, sondern sich im Schatten gesellschaftlicher Verhältnisse westlicher Länder entwickelt hat (vgl. Nordbruch et al. 2014: 363ff).

Die Entwicklung des Neo-Salafismus steht auch in engem Zusammenhang mit sozialen Netzwerken bzw. dem Internet allgemein. Neo-salafistische Gruppierungen werben im Internet mit Videos, Websites und Foren sehr offensiv und in jugendgerechter Sprache. Junge Erwachsene, die sich auf die Suche nach islamischen Inhalten machen, stoßen im Internet sehr schnell auf Propaganda-Material der neo-salafistischen Szene, die ihre Inhalte in einfachen Worten vermittelt (vgl. Schmidinger 2013: 40).

Mit welcher Gewichtung die unterschiedlichen Faktoren Einfluss auf einen Radikalisierungsprozess nehmen, ist nicht geklärt. Dennoch gibt es einen wissenschaftlichen Konsens zum Thema. Islamistische Radikalisierung ist ein Prozess, der durch immer wiederkehrende miteinander verknüpfte sozialräumliche Faktoren charakterisiert werden kann (vgl. Ceylan, Kiefer 2013: 162) und (vgl. Mansour 2015: 99f).

2.1.3. Radikalisierungsverlauf und -tendenzen in Wien

Nicht nur die Ursachen für eine Radikalisierung, sondern auch der Verlauf dieser muss von Einzelfall zu Einzelfall betrachtet werden. Es gibt kein Muster, das eine klare Struktur für den Ablauf einer Radikalisierung vorgibt. Radikalisierung ist individuell und verläuft immer different.

Die Dauer ist variabel und kann über einen längeren oder auch einen kürzeren Zeitraum anhalten. Der Prozess kann phasenweise unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder fortgesetzt werden. Ursprung von Ideologisierung und späterer Radikalisierung ist laut ufug, dem Träger der freien Jugendhilfe in Deutschland, meist die Suche nach Anerkennung oder Zugehörigkeit (vgl. Ufuq 2015: 30).

Dennoch gibt es Elemente und Ähnlichkeiten, die in unterschiedlichen Radikalisierungsprozessen beobachtet werden können (vgl. Neumann 2013: 7). Menschen, die sich von gesellschaftlichen Verhältnissen abwenden und sich ungerecht behandelt fühlen, sehnen sich oft nach Identität und Zugehörigkeit. Radikale Gruppierungen bieten dieses Zugehörigkeitsgefühl und geben vielen Menschen die Möglichkeit einer neuen Identität. Das Individuum will seine Unzufriedenheit äußern und zeigen. Das Annehmen neuer Ideologien ist oftmals eine Form von Protest und Provokation. Der Protest soll den gesellschaftlichen Ausschluss und den persönlichen Frust ausdrücken. Ursachen dieser Exklusion sollen beim Namen genannt werden und so sehen Toprak und Weitzel die Desintegration als einen Ursprung islamistischer Radikalisierung. Der letztendliche Neubeginn und die Konvertierung bilden ein weiteres Element im Verlauf einer islamistischen Radikalisierung (vgl. Kaddor 2015: 60).

(23)

14 2.1.3.1. Identität und Zugehörigkeit

Besonders im jugendlichen Alter sind viele Menschen auf der Suche nach Orientierung und Freundschaften. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ist wichtig für den Menschen und ihr wird eine zentrale Bedeutung zugesprochen. Der Peer-Group oder dem Freundeskreis wird vor allem eine besondere Rolle in Bezug auf Sozialisations- und Bildungsprozesse zugeschrieben, da es innerhalb dieser Gruppe in den meisten Fällen Gemeinsamkeiten bezüglich Wahrnehmungen, Bewertungen und Deutungen gibt. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe schafft auch emotionalen Rückhalt, der es ermöglicht, Distanz zu Institutionen aufzubauen (vgl. Toprak, Weitzel 2017, zit. n. Scherr 2010: 82). Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund tritt das Verlangen nach Zugehörigkeit und der Prozess der Gruppenbildung ebenso auf und dabei kommt neben der gesellschaftlichen Umorientierung eine kulturelle hinzu. Persönliche Erfahrungen wie Diskriminierung tragen dazu bei, dass die eigene Situation im Spannungsfeld zwischen mehrheitsgesellschaftlichen Verhältnissen und eigenem kulturellen Erbe, er- und gelebt wird. Oftmals fehlen Ressourcen, die eigene Identität zu entwickeln und Zukunftsorientierung angemessen entfalten zu können. Menschen, die sich in dieser Phase der Orientierungslosigkeit befinden und sich nach Zugehörigkeit und Identität sehnen, sind besonders gefährdet, sich radikale Ideologien anzueignen. Der Salafismus stellt eine Gemeinschaft dar, in der jedes neue Mitglied freundlich aufgenommen wird und schon zu Beginn das Gefühl der Zugehörigkeit erlebt (vgl. Kaddor 2015: 61f).

2.1.3.2. Protest und Provokation

Wer sich die Geschichte von Protestbewegungen anschaut dem/der fällt auf, dass die meisten Protestbewegungen stattfanden, um bestehende gesellschaftliche Verhältnisse aufzubrechen und neue (meist liberale) Forderungen durchzusetzen. So kann man beispielsweise die Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eine Protestbewegung sehen, die 1918 das Wahlrecht für Frauen erringen konnte. Die Forderung nach sexueller Freiheit war in der 1968er-Studentenbewegung ein zentrales Thema. Durch Protest konnten konservative gesellschaftliche Verhältnisse liberalisiert und enttabuisiert werden (vgl. Wien Geschichte Wiki 2018).

Der Salafismus kann als ein Phänomen wahrgenommen werden, das nicht ausreichend viele Menschen bewegt und deswegen nicht als soziale Protestbewegung gesehen werden kann.

Innerhalb der Subkultur jedoch hat der Salafismus das Potential, eine Protestbewegung sein zu können. Der Salafismus stellt eine Bewegung gegen Kommerz und Konsum dar. Er provoziert mit der Ablehnung aller modernen Errungenschaften und versucht den Islam aus dem 7. und 8. Jahrhundert in eine moderne, zivilisierte Gesellschaft zu übertragen. Besonders in westlichen Ländern funktioniert der Salafismus als Provokation besonders gut, da er sich gegen zwei wesentliche Errungenschaften westlicher Gesellschaften stellt: Aufklärung und Zivilisation sowie Geschlechterbilder.

Wie bereits beschrieben, versuchen Salafist*innen den Islam aus dem 7. und 8. Jahrhundert in die heutige Zeit zu übertragen. Die enge und strenge Auslegung des Islam stellt nicht nur eine Provokation für die Mehrheitsgesellschaft in westlichen Ländern dar, sondern provoziert auch moderne und progressive Muslim*innen weltweit, da sie von Salafist*innen nicht als

„wahre Muslim*innen“ anerkannt werden. Andersdenkende werden von Salafist*innen nicht wertgeschätzt und verachtet. Ihr äußerliches Erscheinungsbild mit langen Gewändern und

(24)

15 langem Haar ähnelt dem der Ur-Anhänger*innen des Islam und wird von vielen auch im öffentlichen Raum als Provokation wahrgenommen. Die stereotypen Geschlechterrollen scheinen sowohl in großen Teilen der Mehrheitsgesellschaft als auch unter vielen modernen Muslim*innen als (fast) abgeschafft. Gesellschaftliche Errungenschaften, die dazu geführt haben, dass Frauen mehr Rechte haben und ein selbstbestimmtes Leben führen können werden von Salafist*innen jedoch nicht anerkannt. Dass vor allem junge Mädchen und Frauen überholte, veraltete Geschlechterrollen wieder einnehmen und attraktiv finden, stellt für viele moderne und progressive Frauen eine besondere Provokation dar (vgl. Toprak, Weitzel 2017:

53ff).

2.1.3.3. Desintegration

Viele Studien zu Diskriminierung und Benachteiligung legen dar, dass vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund von ebendieser betroffen sind (vgl. Toprak, Weitzel 2017, zit. n. El-Mafaalani 2017: 78ff). Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund werden oft als Gruppe stigmatisiert und als homogen wahrgenommen. Häufig fehlt ein klares Zugehörigkeitsgehfühl zu einer der verwurzelten Kulturen. Dies kann zu einem Identitätsdilemma führen, indem Menschen in keiner der verankerten Kulturen Anerkennung erfahren.

„Als Konsequenz daraus kann ein Assimilierungsdruck entstehen, welcher einerseits die Normen, Werte und kulturellen Orientierungen der Elterngeneration in den Hintergrund rückt und auf der anderen Seite nicht die Anerkennung als in der Mehrheitsgesellschaft angekommen garantiert. Aus diesem Spannungsverhältnis heraus kann Bildung einer negativen Identität kommen:

Minderwertigkeitsgefühle werden zu einem negativen Selbstbild verinnerlicht und abweichendes Verhalten wird zur Lösungsstrategie eines bewussten und unbewussten Identitätskonflikts“

(Toprak, Weitzel 2017: 55).

Dieser Identitätskonflikt kann zur Abwertung der vermeintlich „Schuldigen“ führen und bezieht sich in diesen Fällen meist auf die Mehrheitsgesellschaft. Man kann jedoch nicht verallgemeinernd sagen, dass der Zulauf zu salafistischen Gruppierungen nur aus Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund besteht. Ganz im Gegenteil, auch Menschen ohne Migrationshintergrund sind auf Grund von sozialer Herkunft und anderen Faktoren immer wieder Diskriminierung ausgesetzt. Auch hier kann sich ein negatives Selbstbild entwickeln und die Ablehnung der Mehrheitsgesellschaft entstehen. Auf der Suche nach Orientierung und Identität finden sich in der salafistischen Szene Gleichgesinnte (vgl. ebd.: 55f).

2.1.3.4. Neubeginn und Konvertierung

Sich von gesellschaftlichen Verhältnissen abzuwenden und neue Ideologien anzunehmen bedeutet immer auch eine Art Neuanfang, neue Denkweisen, ein neues gesellschaftliches Umfeld und neue Überzeugungen. Der Salafismus bietet die Möglichkeit eines radikalen Neustarts. Im Salafismus spielt Vergangenes keine Rolle mehr und es ist jederzeit möglich, diesen (richtigen) Weg zu gehen. In muslimischer Tradition bietet die Umma8 Platz für jeden

8 Gemeinde

(25)

16 und jede. „[...] sie [die Umma] kennt keine Herkunft, kein Geschlecht, sie ist global strukturiert und findet für jeden einen Platz und eine Rolle“ (Toprak, Weitzel 2017: 56).

Die Eintrittskarte für ein neues Leben setzt lediglich eine Konvertierung voraus. Diese kann jedoch unbürokratisch und schnell an Infoständen oder öffentlichen Veranstaltungen vollzogen werden. Eine durchschnittliche Konvertierung dauert etwa 35 Sekunden. Einzig das Nachsprechen einer Formel ist dafür notwendig. Die Konvertierung und die damit verbundene Aufnahme in die Umma negieren alle bisherigen Probleme. Herkunftsbedingte, geschlechtsspezifische, sozialstrukturelle oder gesellschaftliche Benachteiligung sind in der Gemeinde nicht mehr aktuell. Zugehörigkeit und Orientierung werden von der Gemeinde geboten und von vielen Menschen dankend angenommen. In westlichen Ländern, darunter auch Österreich, kann die salafistische Szene als eine Art Sammelbecken beschrieben werden, in dem sich „Bildungsverlierer*innen“, aber auch Menschen mit guter Schulbildung, deren Anerkennung aber ausblieb, sammeln (vgl. ebd.: 56).

„Wenn Bildungsaufsteiger durch unterschiedliche Formen sozialer Ungleichheit nicht die notwendige Anerkennung und gleichberechtigte Partizipation an Ressourcen erlangen, sind sie ebenso anfällig für salafistische Ansprache. Gute Bildung scheint nicht das Allheilmittel zu sein, wenn die politische und gesellschaftliche Anerkennung fehlt (ebd.: 56).

2.1.3.5. Radikalisierungstendenzen in Österreich

In Österreich agierte bis 2017 die salafistische „Lies!“-Kampagne, die an öffentlichen Plätzen durch Koranverteilungsaktionen Aufsehen erregte. Ziel dieser Kampagne ist nicht nur die Verteilung des Korans, sondern auch, den Islam zugänglich zu machen und durch gezielte Propaganda neue Anhänger*innen zu gewinnen. Organisationen wie die „Lies!“-Kampagne zeigen in der Öffentlichkeit ein gesetzeskonformes Verhalten und vertreten eine gesellschafts- und demokratiekonforme Haltung. Ein Rückgang dieser Koranverteilungsaktionen ist derzeit zu verzeichnen. Dennoch gibt es andere „Missionierungsgruppen“, die sich in den letzten Jahren in Österreich entwickelt haben. Besonders die „Iman“ und die „Fitrah“-Gruppen stehen der salafistischen Szene nahe und agieren momentan in Österreich. Die „Iman“-Gruppe ist in Wien vertreten, während die „Fitrah“-Gruppe in Graz heimisch ist. Beide Gruppen verbreiten ihre Propaganda zunehmend über soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube und agieren somit auch bundesweit. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2017 werden diese Gruppen als gesellschafts- und sicherheitspolitisch bedenklich eingestuft, da sie „[...]

spaltende Tendenzen in der österreichischen Gesellschaft insgesamt und innerhalb der muslimischen im Besonderen fördern“ (BVT 2017: 45). Weiters werden diese Arten von Aktivitäten laut Verfassungsschutz als potentielles Einstiegsmodell für Radikalisierung gesehen (vgl. ebd.: 45).

Desweiteren können Justizanstalten als Räume gesehen werden, in denen Radikalisierung stattfinden kann. Die erlebte ungerechte Behandlung und soziale Dynamiken, die in Strafvollzuganstalten9 herrschen, können zu Radikalisierung bzw. zu erhöhtem Interesse am Radikalisierungsprozess beitragen (vgl. ebd.: 45).

9 Der Sozialraum „Strafvollzug“ wird im Rahmen dieser Masterarbeit ausgeklammert.

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17 Im Jahr 2017 kam es in Österreich zu mehreren Gerichtsverfahren nach § 278b StGB Teilnahme an terroristischen Vereinigungen und kriminellen Organisationen sowie § 92 StGB Quälen oder Vernachlässigung von Unmündigen. Drei Erwachsene konnten im Jahr 2017 am Straflandesgericht Graz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden. 313 Menschen aus Österreich konnten bis Jahresende 2017 als Djihad-Reisende identifiziert werden. Dennoch ist ein Rücklauf der Menschen zu verzeichnen, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen, um sich dem Djihad anzuschließen. Dies ist auf verstärkte repressive und präventive Maßnahmen sowie die konsequente Strafverfolgung zurückzuführen (vgl. ebd.: 45ff).

Obwohl die Zahlen islamistisch extremistischer Straftaten in Österreich zurückgingen, stellt der islamistische Extremismus ein besonders hohes Sicherheitsrisiko für staatliche Behörden und die ÖVP-FPÖ geführte Regierung dar. Restriktivere Gesetze sowie schärferes Vorgehen gegen die radikale salafistische Szene führten dazu, dass die salafistische Infrastruktur in Österreich geschwächt werden konnte. Dennoch lässt sich nicht abschätzen, ob das bisherige Vorgehen österreichischer Behörden einen nachhaltigen Effekt hat, oder ob es zu einer Verlagerung der salafistischen Szene kam (vgl. BVT 2017: 12ff).

Die Zahlen des Bundesinnenministerium belegen den Bestand einer salafistischen Szene in Österreich. Trotz rückläufiger Zahlen gibt es immer noch viele Menschen, die sich einer der benannten Szene anschließen und sich radikales Gedankengut aneignen. Wie ein möglicher Radikalisierungsverlauf aussehen kann wurde bereits skizziert. Welchen Einfluss sozialräumliche Faktoren auf diesen Radikalisierungsprozess haben können, gilt es im Rahmen dieser Masterarbeit zu erforschen. Um das Forschungsvorhaben erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer theoretischen Einbettung eines sozialräumlichen Verständnisses und einer kurzen Einführung in die sozialraumorientierte Soziale Arbeit.

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