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Elementarpädagogik und Ausbildung des pädagogischen Personals

IV. Musikpädagogische Konzeptionen bedeutender Pädagogen und die Rolle traditioneller Musikformen im Elementarbereich Rolle traditioneller Musikformen im Elementarbereich

1. Musikpädagogische Konzeptionen bedeutender Pädagogen 1 Èmile Jaques-Dalcroze (1865-1950) 1 Èmile Jaques-Dalcroze (1865-1950)

1.1.2 Musikpädagogische Elemente des Jaques-Dalcroze

1.1.2.1 Rhythmisch-musikalische Erziehung (kurz: Rhythmik)

Rhythmik im Sinne Jaques-Dalcrozes ist musikalischer Ausdruck durch den Körper und wird verstanden als Wechselwirkung bzw. „verbindendes Element zwischen Musik und Bewegung“ (Tervooren 2006, S. 90). Dabei können musikalische Qualitäten wie z. B. Tempo und Dynamik in Bewegung umgesetzt werden:

[Rhythmus] hängt, ebenso wie die Dynamik, ganz und gar von der Bewegung ab und findet sein vollendetes Vorbild in unserm Muskelsystem. Alle Abstufungen des Zeitmaßes (allegro, andante, accelerando, ritenuto) sowie sämtliche Stärkegrade (forte, piano, crescendo, diminuendo) können wir mit unserm Körper ausdrücken, und die Kraft und Feinheit unseres musikalischen Fühlens hängt ab von der Kraft und Feinheit unserer Körperempfindungen.

(Jaques-Dalcroze 1921, S. 72)

138 Die allgemeine Körperschulung dient als Grundlage der Rhythmik und umfasst Atmung, Muskelspannung, Koordinations- und Reaktionsfähigkeit. Die Atemübungen zielen sowohl auf die allgemeine Körperschulung als auch auf den musikalischen Ausdruck (vgl. Kugler 2000, S. 103). In ähnlicher Weise sind in den körperlichen Muskelfunktionen bereits musikalische Spannungsverläufe vorgebildet. Die Koordinationsfähigkeit sowie die Reaktionsfähigkeit werden jeweils durch Übungen für die Unabhängigkeit der Gliedmaßen und Übungen für die Entwicklung der spontanen Willenstätigkeit erreicht (vgl. Kugler 2000, S. 105). Die Übungen für die Unabhängigkeit der Gliedmaßen bestehen aus den drei Bereichen Kopf, Arme und Beine:

Kopf:

- Beugebewegung abwärts und aufwärts - Drehbewegung nach links und rechts - Neigung nach links und rechts Arme:

- Taktierbewegung mit dem ganzen Arm - Taktierbewegung mit der Hand

- Kreisbewegung und Halbkreisbewegung des ganzen Arms Beine:

- Der freie Fuß (Kniegelenk angehoben) führt im Fußgelenk eine Kreisbewegung aus - Hacke-Spitze-Bewegung im Stehen

- Ein Bein führt (im Liegen) eine Beuge- und Streckbewegung sowie eine Kreisbewegung aus. (Kugler 2000, S. 106)

In fortgeschrittenen Übungen werden die einzelnen Bewegungselemente auf vielfache Weise kombiniert. Als Beispiel für Reaktionsübungen sei der plötzliche Moduswechsel bei Taktier- und Gehübungen auf Zuruf („Hop“) angeführt (vgl. Kugler 2000, S. 110).

Die Übungen des Anhaltens oder Unterbrechens von Bewegungen unterstützen die

139 Gestaltung von Pausen in der Musik. Die äußere körperliche Bewegung wird dabei angehalten und in eine innerliche, mentale Bewegung verlagert (vgl. Kugler 2000, S. 115).

Die Gehörübungen sollen zur Umsetzung von klingender Musik in Bewegung beitragen. Der Lehrer spielt instrumental eine zweitaktige Folge vor, die Schüler hören zu und geben diese anschließend als Geh- und Taktierbewegung wieder (vgl. Kugler 2000, S. 117).

1.1.2.2 Solfège

Das Solfège-System kann durch Gehör- und Leseübungen vermittelt werden. Es ist eine Methode des Blattsingens, bei der die Töne mit den Solmisationssilben (do re mi fa sol la si) und nach bestimmten rhythmischen Schemata gesungen werden (vgl. Tervooren 1984, S.

213). Die verschiedenen Tonarten und ihre Skalen werden jeweils vom Ausgangston c aus erarbeitet. Bei G-Dur beispielsweise wird im Skalengang das f zu fis erhöht, bei F-Dur wird h zu b etc. (vgl. Kugler 2000, S. 128f.).

Jaques-Dalcroze hebt die Bedeutung des musikalischen Hörens und stimmlichen Ausdrucks hervor:

Nach einem Jahre rhythmischer Übungen tritt das Kind in die Gehörbildungs-Klassen, wobei es aber die oben beschriebenen Übungen auch weiterhin pflegt. Der Lehrer wendet sie jetzt auf Stimme und musikalisches Gehör an. Nachdem er den Schüler dazu gebracht hat, die Rhythmen innerlich zu hören und auszuführen, sucht er ihn auch zum innern Hören, zum Realisieren und selbständigen Erfinden rhythmisch gereihter Töne zu befähigen.

(Jaques-Dalcroze 1921, S. 84)

Diesen Gehör- und Leseübungen sowie den rhythmischen Anwendungen hat Jaques-Dalcroze hauptsächlich den zweiten und dritten Teil seiner Methode gewidmet (vgl. Tervooren 1984, S.

213). Der zweite Teil, „Studium des Notenplanes“ (1907) behandelt das Erlernen und sichere Anwenden der Notenschrift (G-, F-, C-Notenschlüssel, Tonhöhe, Tondauer, Tempo, Lautstärke, Ausdruck und Artikulation usw.; vgl. Tervooren 1984, S. 215). Der dritte Teil,

„Tonleitern und Tonarten, Phrasierung und Nuancierung“ (1907) ist eine Weiterführung des zweiten Teils und umfasst Skalen, Skalenausschnitte, rhythmische Schemata und Übungsmelodien (vgl. Kugler 2000, S. 127).

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1.1.2.3 Improvisation

Improvisation im Sinne von Jaques-Dalcroze findet ihre Anwendung einerseits beim Instrumentalspiel, insbesondere auf dem Klavier, andererseits bei rhythmisch-musikalischer Körperbewegung (vgl. Tervooren 1984, S. 219).

Jaques-Dalcroze stellt einige Regeln für den Aufbau der instrumentalen Improvisation auf:

Vermieden werden sollen beispielsweise Eintönigkeit, Sprunghaftigkeit, zu häufige Wiederholungen und bestimmte Folgen von großen Intervallen. Bei Taktgruppen gilt das Symmetrieprinzip. Sie sollen geradzahlig sein, Viertakter bestehen aus zwei Zweitaktern, Achttakter aus zwei Viertaktern. Perioden werden häufig als Frage und Antwort gebildet (vgl.

Tervooren 1984, S. 220-225).

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1.2 Zoltán Kodály (1882-1967)

1.2.1 Leben

Zoltán Kodály war ein ungarischer Komponist, Musikpädagoge und Volksmusikforscher. Er wurde am 16. Dezember 1882 in Kecskemét geboren und starb am 6. März 1967 in Budapest.

Kodály erwarb grundlegende Musikkenntnisse als Kind in einem musikliebenden Elternhaus.

Er lernte autodidaktisch Klavier, Violine, Violoncello und Harmonielehre. Seine erste Komposition (Ouvertüre d-Moll) brachte er 1897 als Schüler zur Aufführung. Ab 1900 studierte er unter anderem an der Péter-Pázmány-Universität in Budapest und erwarb eine umfassende höhere Bildung. Sein besonderes Interesse galt den Sprachen und der Literatur.

Außerdem besuchte er die Franz-Liszt-Musikakademie, wo er bei Hans Koessler Komposition studierte. 1906 schloss er sein Universitätsstudium mit der Promotion über „die Strophenstruktur der ungarischen Volkslieder“ ab (vgl. Eösze 1964, S. 10-16; Dalos 2003, Sp.

389).

Kodály beschäftigte sich viel mit der ungarischen Folklore. Folklorismus bedeutet für Kodály in diesem Zusammenhang: zurück zu den eigenen Wurzeln. Es ist eine Gegenreaktion auf die romantische Ästhetik. So umfassten die Volksliedsammlungen zur damaligen Zeit keine authentischen Volkslieder, sondern Kunstlieder aus dem 19. Jahrhundert. Im beginnenden 20.

Jahrhundert nahm jedoch das Interesse an den Liedern und Tänzen der Völker allgemein zu.

Kodálys musikpädagogische Konzeption basiert dementsprechend auf der ungarischen Volksmusik und Volksliedern, die er gemeinsam mit dem befreundeten Komponisten Béla Bartók (1881-1945) sammelte und im Jahre 1906 publizierte. Bereits 1907 unterrichtete er als Professor Musiktheorie und Komposition an der Budapester Musikakademie. Außerdem war er als Musikkritiker tätig, der über das Budapester Musikleben für ungarische und ausländische Zeitschriften schrieb (vgl. Dalos 2003, Sp. 389f.). Kodály entwickelte auch die musikalische Bildung an den Schulen weiter. Gemeinsam mit seinem Schüler Jenö Ádám (1896-1982) veröffentlichte er als grundlegendes Schulmaterial die Liedersammlung „Szó-Mi“ (So-mi). 1956 publizierte er ein Buch mit dem Titel „Die ungarische Volksmusik“ (vgl.

Dalos 2003, Sp. 392f./397).

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1.2.2 Musikalische Werke und Schriften

Im musikalischen Werk Zoltán Kodálys lassen sich verschiedene Entwicklungsphasen unterscheiden. Die erste Schaffensperiode (1906-1922) orientierte sich an der klassisch-romantischen Tradition. In der zweiten Periode (1923-1945) wandelte sich sein Stil hin zu Elementen der Barockmusik und zu Volksliedern. Er strebte eine größere Einfachheit an (Pentatonik und schlichtere Harmonien). Um bereits Kindern die Tradition des Volkes nahezubringen, komponierte Kodály Werke für Kinderchöre. Die dritte Periode (1945-1967) wurde geprägt von Kodálys pädagogischer Arbeit, wie z. B. Singübungen (vgl. Dalos 2003, Sp. 398-401). Kodály komponierte Vokalmusik, Bühnenwerke, Instrumentalmusik sowie Bearbeitungen fremder Werke. Die Vokalmusik umfasst Messen, Psalmen, Oratorien, Chorwerke und Lieder (vgl. Dalos 2003, Sp. 394-396):

• Ènekszó (Sang und Klang; Lieder auf ungarische Volkstexte, 1907-1909);

• Psalmus hungaricus (Oratorium, 1923);

• Budavári Te Deum (Oratorium, 1936);

• Missa brevis (Messe, 1944);

• Laudes organi (Lobgesang der Orgel; Chorwerk mit Instrumentalbegleitung, 1966).

Zu den Bühnenwerken gehören hauptsächlich Singspiele (vgl. Dalos 2003, Sp. 396):

• Notre Dame de Paris (Schauspielmusik, 1902);

• A nagybácsi (Der Onkel; 1904);

• Pacsirtaszó (Lerchenlied; 1917);

• Háry János (Singspiel, 1926);

• Székely fonó (Die Spinnstube; lyrisches Spiel, 1932);

• Czinka Panna (Singspiel, 1948).

Die Instrumentalmusik umfasst neben Kammer- und Klaviermusik auch Orchesterwerke (vgl.

143 Dalos 2003, Sp. 396f.):

• Háry János Suite (Orchesterfassung, 1927);

• Galántai táncok (Tänze aus Galánta; 1933).

Eine besondere Bedeutung haben die musikpädagogischen Werke wie Sing- und Leseübungen, die von 1937 bis 1942 unter dem Titel „Bicinia Hungarica“ erschienen. 1943 wurde die Liedersammlung „Szó-Mi“ (So-mi) und 1943/1944 die Gesangssammlung für die Grundschulen veröffentlicht. Diese Übungen und Liedersammlungen basieren auf ungarischer und europäischer Volksmusik sowie auf der Musik vergangener Epochen (vgl.

Dalos 2003, Sp. 401).