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Musikpädagogische Elemente Rudolf Steiners .1 Rhythmuserfahrung und Eurythmie .1 Rhythmuserfahrung und Eurythmie

Elementare Bewegungserziehung

1.5.1 Musikpädagogische Elemente Rudolf Steiners .1 Rhythmuserfahrung und Eurythmie .1 Rhythmuserfahrung und Eurythmie

Das musikalische Element nimmt bei Steiner eine wichtige Stellung ein, insbesondere für die Kinder im Vorschulbereich. Die Musik trägt zur Entwicklung der menschlichen Natur bei.

Dabei legt Steiner außerdem großen Wert auf rhythmische Erfahrung durch Bewegung und Tanz:

Im frühen Kindesalter ist insbesondere wichtig, dass solche Erziehungsmittel wie z. B.

Kinderlieder möglichst einen schönen rhythmischen Eindruck auf die Sinne machen.

Weniger auf den Sinn als vielmehr auf den schönen Klang ist der Wert zu legen. Je erfrischender etwas auf Auge und Ohr wirkt, desto besser ist es. Man sollte nicht unterschätzen, was tanzende Bewegungen nach musikalischem Rhythmus für eine organbildende Kraft haben. (Steiner 1918, S. 35)

‚Eurythmie‘ kann als „schöne und harmonische Bewegung“ übersetzt werden und bezeichnet eine rhythmische Bewegungs- und Bühnenkunst. Sie wird von speziell ausgebildeten EurythmistInnen ausgeübt bzw. pädagogisch angeleitet. Bei der Eurythmie werden nicht nur Körperbewegungen und Gebärden sondern auch Bühneninszenierung, Raumgestaltung,

28 Zu Rudolf Steiners Leben und Werk siehe oben Kapitel III. 1.3.1.

158 farbiges Licht und Kostüme in Form von Gewändern eingesetzt (vgl. Ullrich 2011, S. 64f.).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs das Interesse an neuen, freieren Ausdrucksformen des Tanzes. Rudolf Steiners Eurythmie kann auch als Reflex auf dieses Bedürfnis angesehen werden (vgl. Ullrich 2011, S. 66). So schildert die russische Malerin und Schriftstellerin Margarita Woloschin (1882-1973) eine aufschlussreiche Begebenheit anlässlich eines Vortrags Steiners am 18. Mai 1908 in Hamburg. Nach dem Vortrag, der vom Prolog des Johannes-Evangeliums handelte, fragte Steiner demnach die Künstlerin: „Könnten Sie das tanzen?“ Offenbar wollte er ihre Meinung dazu hören, ob poetische Texte durch Körperbewegungen und Gesten tänzerisch ausgedrückt werden könnten. Woloschin antwortete ihm: „Ich glaube, man könnte alles tanzen, was man fühlt.“ (vgl. Steiner 1965, S.

9f.).

Steiner beschäftigte sich nun intensiver mit der Entwicklung gestisch-tänzerischer Ausdrucksformen, die als Verbindung von Sprache, Musik und Bewegung die seelisch-geistige Welt sinnlich erfahrbar machen sollten. Auf diese Weise entstand schließlich die Eurythmie. Erstmals kamen eurythmische Darstellungselemente 1912 bei der Aufführung seines dritten Mysteriendramas „Der Hüter der Schwelle“ in München zum Einsatz. Die erste reine Eurythmie-Darbietung im öffentlichen Rahmen fand dann 1919 statt. Vier Jahre später wurde in Stuttgart eine eigene Ausbildungsstätte, das Eurythmeum gegründet (vgl. Ullrich 2011, S. 63-66).

Nach Steiners Auffassung unterscheidet sich Eurythmie grundsätzlich von herkömmlichen Tanzformen wie dem klassischen Ballet. Bei der Eurythmie habe „man es nicht zu tun mit etwas bloß Mimischem oder etwas Tanzartigem. Diese beiden Künste sollen für sich durchaus selbstverständlich gewürdigt werden. Aber Eurythmie will eben noch etwas anderes sein; sie will sichtbare Sprache oder Gesang sein, die ebenso wie die menschliche Lautsprache oder der Ton, der Gesang, aus dem menschlichen Organismus in einer gesetzmäßigen Weise hervorgehen können“ (Steiner 1985, S.169).

Steiner unterscheidet demnach zwei Grundformen der Eurythmie: ‚Lauteurythmie‘ und

‚Toneurythmie‘. Lauteurythmie wird als „sichtbare Sprache“ zusammen mit Rezitation oder Deklamation dargeboten. Toneurythmie, „sichtbarer Gesang“, wird dementsprechend mit

159 Musik begleitet:

Da haben wir, so wie wir die Laute der Lauteurythmie, in welcher der Mensch oder Menschengruppen sich bewegen, begleitet haben von der Rezitation oder Deklamation, auf der anderen Seite den sichtbaren Gesang, die Toneurythmie, begleitet von der Instrumentalmusik. Und ebenso wie jeder Laut, jede Lautverbindung, jede Ausgestaltung des Satzes, jede Form des Satzes, so daß der Satz ein Ausdruck des Seelischen ist, wie all das in der Lautsprache zum Ausdruck kommt, so kann wiederum jeder Ton, jede Musikphrase, jede Melodie, der Rhythmus in der Musik, die Harmonie, alles das kann als ein sichtbarer Gesang zum Ausdruck kommen. (Steiner 1985, S.178)

Bei der Eurythmie werden nach bestimmten choreographischen Regeln Wörter der Sprache oder musikalische Klänge in Bewegungen und Gebärden übersetzt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Bewegungen von Händen, Armen und Oberkörper unter Mitwirkung der Füße, während demgegenüber beim klassischen oder modernen Ballett der Beckenbereich stärker gefordert wird. Drei verschiedene Anwendungsbereiche der Eurythmie lassen sich unterscheiden: dramatische Eurythmie, pädagogische Eurythmie und Heileurythmie (vgl.

Ullrich 2011, S. 64-66).

Die pädagogische Eurythmie leistet einen wichtigen Beitrag zur anthroposophischen Lehre und beschränkt sich nicht nur auf die körperlich-motorische Förderung, sondern dient der gesamten seelischen und geistigen Entwicklung des Kindes, vor allem im ersten Jahrsiebt (vgl. Barz 1990, S. 83).

1.5.1.2 Reigen

Der Reigen besteht aus zusammengestellten Versen und Liedern, die in rhythmischen Spielen mit bildhaften Bewegungen und Handgesten begleitet werden. Das Lied- und Versgut orientiert sich inhaltlich am alltäglichen Leben, wie z. B. an Jahreszeiten, christlichen Festen, Tieren und Pflanzen sowie handwerklichen und lebenspraktischen Tätigkeiten (vgl. Jaffke 1991, S. 11f.). Im Gegensatz zur einmal wöchentlich stattfindenden Eurythmie wird das Reigenspiel täglich durchgeführt.

Die Kinder stehen mit der Erzieherin im Kreis und ahmen die von ihr vorgemachten Gesten nach. Ziel ist es, durch den spielerischen Nachvollzug alltäglicher Verrichtungen den

160 praktischen Lebenszusammenhang bei den Kindern zu verankern. So gibt es Reigentexte zu Tätigkeiten von Schmied, Waschfrau, Schäfer, Schreiner und Bäcker (vgl. Jaffke 1991, S. 11).

Eine besondere Rolle spielen außerdem landwirtschaftliche Arbeiten (z. B. Erntereigen). Die in den Liedern verwendeten Melodien sind überwiegend pentatonisch oder dreiklangsbestimmt, vermeiden also Halbtonschritte (vgl. Jaffke 1991, S. 7).

Das wichtigste musikalische Instrument in der Waldorfpädagogik ist die menschliche Stimme als Verbindungsorgan von physischer und geistiger Welt. Daneben wird außerdem eine spezielle Kinderharfe verwendet, die pentatonisch gestimmt ist (ähnlich den schwarzen Tasten des Klaviers) und über einen kleinen Tonumfang sowie einen zarten Klang verfügt (vgl. Barz 1990, S. 83). Sonstige Musikinstrumente, insbesondere das als zu mechanisch empfundene Klavier, werden in der Waldorfpädagogik weniger verwendet.