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II. Einkommen und Vermögen, Mindestsicherung und

II.1 Einkommen und Vermögen

II.1.5 Reichtumsaspekte

Die Verteilung des Reichtums in einer Gesellschaft, ins-besondere von Einkommen und Vermögen, hat Einfluss auf ihren Zusammenhalt. Werden die Unterschiede zwi-schen arm und reich vom ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung als relativ groß und schwer überwindbar wahrgenommen, kann dies die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft in Frage stellen. Das gilt insbesondere dann, wenn große Bevölkerungsteile nicht an den Ein-kommenszuwächsen der Gesellschaft insgesamt teilha-ben.

Auf den amerikanischen Philosophen John Rawls geht der Vorschlag zurück, Ungleichheit zu tolerieren, so-lange auch die Schwächeren im Zuge der gesellschaftli-chen Entwicklung besser gestellt werden. Entscheidend ist danach, ob eine Wirtschafts- und Sozialordnung den Schwächeren erlaubt, sich besser zu stellen, unabhängig von der Position Reicher. Wachsender gesellschaftlicher Wohlstand kommt jedoch nicht zwangsläufig auch den Ärmeren zugute. Es ist zu fragen, inwiefern ein verant-wortungsvoller Umgang mit Reichtum erreicht wird, der sich nicht zuletzt an sozial sinnvollen, dem Gemein-wohl verpflichteten Maßstäben orientiert. Die auf die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Gutachten ge-stützte Untersuchung von Reichtum war deshalb ein

33 DIW/ZEW/Hauser, R./Becker, I.: Integrierte Analyse der Einkom-mens- und Vermögensverteilung 2008, im Erscheinen, a. a. O.

34 Wiedergegeben werden hier die Jahreszahlen, die den Bezugszeit-raum des erfragten Einkommens wiedergeben.

35 Siehe Kapitel V Familien und Kinder, Abschnitt V.3.1 Einkommen von Familienhaushalten.

36 Trotz deutlicher Erfolge bei der Bekämpfung der Dunkelziffer kann nicht ausgeschlossen werden, dass es weiterhin Personen gibt, die Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, diesen aber nicht geltend machen.

37 Goebel, J./Richter, M.: Nach der Einführung von Arbeitslosen-geld II: Deutlich mehr Verlierer als Gewinner unter den Hilfeemp-fängern, in: DIW-Wochenbericht 50/2007, Berlin 2007. Die Analyse beschränkt sich auf die Einkommenssituation in Haushalten mit Transferleistungsempfängern und leistet ausdrücklich keinen Beitrag zur Evaluation des mit den Arbeitsmarktreformen verbundenen Ziels, Transferempfänger verstärkt in die Erwerbstätigkeit zu inte-grieren. Dazu siehe ausführlich das Kapitel IV Erwerbstätigkeit, Ab-schnitt IV.3.2 Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II.

38 Brenke, K./Zimmermann, K.: Reformagenda 2010 – Strukturre-formen für Wachstum und Beschäftigung, DIW-Wochenbericht 11/2008.

Forschungsschwerpunkt für den 3. Armuts- und Reich-tumsbericht.39

II.1.5.1 Wahrnehmung von Reichtum in der Bevölkerung40 und Rekrutierung und Entlohnung von Spitzenmanagern41 Reichtum besitzt ohne Zweifel eine hohe Attraktivität. In Deutschland wird mehrheitlich eine Gesellschaft favori-siert, in der es die Möglichkeit gibt, selbst einmal in ir-gendeiner Form reich werden zu können. Die Meinungen gehen allerdings bei der Frage auseinander, was als Reichtum wahrgenommen wird. Die Erhebung zu den Einstellungen in der Bevölkerung basiert auf der Befra-gung einer Stichprobe. Damit sind gewisse Zufalls-schwankungen der Ergebnisse verbunden. Um die Be-fragten nicht zu überfordern, muss sich eine solche Befragung auf einfache, kurze und allgemein verständli-che Fragen beschränken. Auch wird das

Antwortverhal-ten durch tagespolitische Diskussionen beeinflusst. Die Untersuchung der Einstellungen der Bevölkerung zum Reichtum in Deutschland vermag lediglich Anhalts-punkte dafür zu geben, wie Strukturen und Probleme wahrgenommen werden.

Danach wird Reichtum nicht nur mit finanziellen Poten-zialen in Zusammenhang gebracht. Vielmehr wird an die-ser Stelle Gesundheit am häufigsten genannt. Bil-dungschancen spielen ebenfalls eine große Rolle.

Bei der Auswertung der Befragungsergebnisse weisen die Vorstellungen zum Reichtum nur wenige soziostruktu-relle Differenzierungen auf. Allein das Alter und das Geschlecht haben einen gewissen Einfluss. Überdurch-schnittlich häufig interpretieren junge Menschen Reich-tum als Luxuskonsum, während Ältere vermehrt die Be-deutung nichtfinanzieller Aspekte wie Gesundheit betonen. Frauen verbinden Reichtum eher mit einem Ge-fühl der materiellen Sicherheit gegenüber Lebensrisiken als Männer, nennen aber auch Aspekte wie Gesundheit, Bildung und politische Partizipation häufiger.

Befragt nach der Höhe des persönlichen Nettomonatsein-kommens, ab der von Reichtum gesprochen werden kann, ergeben sich sehr unterschiedliche Einschätzungen. Je-weils die Hälfte der Befragten nennt einen höheren bzw.

niedrigeren Betrag als 5 000 netto Euro/Monat (Median).

Im Durchschnitt wird ein Betrag von rund 27 000 Euro/

Monat genannt. Für den Vermögensreichtum ergeben sich noch unterschiedlichere Einschätzungen, was sich an der großen Diskrepanz zwischen dem Median (500 000 Euro) und dem Mittelwert (rund. 34 Mio. Euro) ablesen lässt.

39 Bereits auf dem Expertenworkshop „Weiterentwicklung der Reich-tumsberichterstattung der Bundesregierung“ (2006) wurden Überle-gungen zur Erweiterung der Reichtumsberichterstattung der Bundes-regierung angestellt, um die methodischen und begrifflichen Kriterien rund um die diffuse begriffliche Fassung von Reichtum besser zu bestimmen, siehe Dokumentation zum Expertenworkshop, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), Bonn 2007, a. a. O.

40 Glatzer, W./Becker, J./Bieräugel, R./Hallein-Benze, G./Nüchter, O./

Schmid, A.: Einstellungen zum Reichtum, Wahrnehmung und Beur-teilung sozio-oekonomischer Ungleichheit und ihre gesellschaftli-chen Konsequenzen in Deutschland, 2008 im Erscheinen, a. a. O.

41 Die Ausführungen zur Rekrutierung und Entlohnung von Spitzenma-nagern basieren auf dem Gutachten von Noll, B./Volkert, J./Zuber, N.

2008, im Erscheinen, a. a. O.

S c h a u b i l d I I . 2

Reichtumsvorstellungen in Deutschland

1 Angaben für „Ja“ in Prozent Quelle: Sozialstaatssurvey 2007

Empfinden Sie sich als reich, wenn Sie ...

50 53

70 72

75 76

87 91

0 20 40 60 80 100

... jederzeit über eigenes Hauspersonal verfügen können ... politische Einstellungen beeinflussen können ... ausschließlich von Vermögenserträgen leben können, ohne zu arbeiten ... die best mögliche Bildung erlangt haben ... sich jederzeit alles leisten können, was Sie wollen ... vollkommen unabhängig von staatlicher Absicherung sind ... sich im Alter keine finanziellen Sorgen mehr machen müssen ... gesund sind

Ein großer Teil der Bevölkerung ist der Auffassung, dass man nur dann reich wird, wenn man über günstige Bezie-hungen und Ausgangsbedingungen verfügt. Fasst man die Antwortkategorien „sehr oft“ und „oft“ zusammen, ergibt sich für beide Gründe jeweils ein Anteil von etwa 80 Pro-zent der Befragten, die dieser Aussage zustimmen.

Die Idee der Chancengleichheit birgt in sich die Idealvor-stellung, dass ausschließlich individuelle Fähigkeiten und Begabungen oder harte Arbeit Reichtum begründen soll-ten. Ersteres nennen auch zwei Drittel der Befragten, und mehr als die Hälfte der Befragten nennen harte Arbeit als Ursache für Reichtum. Allerdings nehmen große Teile der Bevölkerung keinen oder einen nur geringen Zusam-menhang zwischen Reichtum und persönlicher Leistung an. Die Hälfte der Befragten sehen Reichtum auf unehrli-ches Verhalten und das Wirtschaftssystem zurückgeführt.

Die Höhe der Abfindungen für eine Reihe von ausschei-denden Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften und ein Anstieg der Vorstandsvergütungen sind Gegen-stand heftiger öffentlicher Diskussion geworden. Empiri-sche Untersuchungen zeigen, dass sich die durchschnittli-chen Vorstandsvergütungen – insbesondere deren variable Vergütungsbestandteile – zwischen 2001 und 2005 unabhängig von den Aktienkursen stark erhöht ha-ben („Pay without Performance“).

Die Entgeltfindung bei Vorstandsmitgliedern lässt sich bei Publikumsaktiengesellschaften am ehesten als einen sich selbst verstärkenden Prozess der Referenzgruppen-entlohnung charakterisieren. Die Aufsichtsräte legen da-nach die Einkommen ihrer Manager in Orientierung an einer Referenzgruppe aus anderen Managern in ver-gleichbaren Unternehmen fest.

Diese Entwicklungen sind von unternehmens- wie gesell-schaftspolitischer Relevanz, da sie Einfluss auf die Ar-beitsmotivation der Arbeitnehmer, den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Akzeptanz der Bevölkerung bei Leistungseinschränkungen haben können. Dies umso mehr, als die ausgewerteten empirischen Studien der jün-geren Zeit zu dem Ergebnis kommen, dass sich die nach wie vor feststellbare Chancenungleichheit eines selekti-ven Bildungssystems in Deutschland auch bei der Rekru-tierung des Spitzenmanagements fortsetzt.42 Darüber hi-naus hat die soziale Herkunft auch bei gleicher Qualifikation erheblichen Einfluss auf die Auswahl eines Kandidaten für eine Führungsposition.

42 Siehe dazu auch Kapitel III Bildungschancen, Abschnitt III.5 Bil-dungserfolg, Bildungsbeteiligung und sozioökonomischer Hinter-grund.

S c h a u b i l d I I . 3 Wahrgenommene Gründe für Reichtum

in Deutschland

1 Wie häufig sind die nachfolgend genannten Gründe Ursache dafür, dass jemand reich ist?

Quelle: Sozialstaatssurvey 2006

35 28

18 18 16 15

7

47 52

50

36 36 38

22

13 14

22

26 27 24

33

5 6

11

21 21 24

39

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Beziehungen

Ausg angsb

edingungen

Fähigkeiten Wirtsch

aftssyste m

Unehrlichke it

Harte Arbeit

Gck

Sehr oft Oft Manchmal Selten / nie

Frauen haben eine um ein Zehnfaches niedrigere Chance eine Spitzenposition zu erlangen als vergleichbar ausge-bildete Männer. Dies erscheint insofern paradox, als mehr Frauen als Männer studieren und beispielsweise das Fach Wirtschaftswissenschaften wählen. Wesentliche Gründe dafür liegen vor allem bei mangelnden Aufstiegschancen in den Unternehmen. Hierzu tragen unternehmensstruktu-relle Faktoren bei, etwa die seltenere Einbeziehung von Frauen in Karriere entscheidende Netzwerke, aber auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie die unzurei-chende Kinderbetreuungsinfrastruktur sowie das gesell-schaftliche Rollenverständnis von Frauen und Männern.

II.1.5.2 Integrierte Analyse von Einkommen und Vermögen43

Daten über das Geld- und Immobilienvermögen privater Haushalte werden sowohl in der amtlichen Statistik als auch in anderen Quellen in der Regel nur im mehrjähri-gen Turnus erhoben. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 können vom Statistischen Bundesamt voraussichtlich erst Mitte 2010 zur Verfügung gestellt werden. Aus der Vermögensbilanz des Sozio-oekonomischen Panels 2007 stehen nur vorläufige Ergeb-nisse der ersten drei Erhebungsmonate zur Verfügung, de-ren Vergleichbarkeit mit den Daten des Jahres 2002 noch unklar ist. Die bisherige Form der Vermögensanalyse (Kernindikator Q.1.) in den vorhergehenden Armuts- und Reichtumsberichten kann aus diesen Gründen hier nicht fortgesetzt werden.44

Daher wurde die gemeinsame Analyse von Einkommen und Vermögen auf Basis der Einkommens- und Ver-brauchsstichprobe 2003 als ein wichtiger Schritt zum

weiteren Aufbau der Reichtumsforschung beauftragt. Un-ter Berücksichtigung der für Arbeitnehmer und Selbstän-dige unterschiedlichen Regelungen der Alters- und Krankheitsvorsorge wurde im Rahmen einer Studie ein modifizierter Ressourcenbegriff entwickelt. So wurde u. a. berücksichtigt, dass Selbständige ihre Altersvorsorge in der Regel privat betreiben müssen und dadurch bei ih-nen Teile des Einkommens und Vermögens gebunden sind. Im Ergebnis wurden damit die in Abhängigkeit vom sozialen Status nach Abzug von angemessenen Vorsorge-beträgen frei verfügbaren Einkommen und Vermögen un-tersucht. Durch Verrentung der Vermögensbestände unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenserwartung wur-den die Ergebnisse zwischen wur-den Altersgruppen ver-gleichbar gemacht. Während Einkommensarmut ganz überwiegend auch mit Vermögensarmut verbunden ist, zeigt sich ein umfassendes Bild von finanziellem Reich-tum erst durch die gemeinsame Betrachtung von Einkom-men und Vermögen.

Grundsätzlich weist die integrierte Einkommens- und Vermögensverteilung höhere Anteile an Reichen an der Gesamtbevölkerung aus als die konventionelle Einkom-mensverteilung (Kernindikator R.1.). Ab wann eine Person oder ein Haushalt aufgrund des Einkommens als reich gelten soll, ist nach wie vor Gegenstand reger Diskussionen. Am gebräuchlichsten in der Wissen-schaft ist die Einkommensgrenze von 200 Prozent des mittleren äquivalenzgewichteten Nettoeinkommens.45

43 DIW/ZEW/Hauser, R./Becker, I., 2008, a. a. O.

44 DIW/ZEW/Hauser, R./Becker, I., 2008, a. a. O.

45 Vgl. Arndt, Ch./Dann, S./Kleimann, R./Strotmann, H./Volkert, J.:

Das Konzept der Verwirklichungschancen (A. Sen) – Empirische Operationalisierung im Rahmen der Armuts- und Reichtumsmes-sung, in: Endbericht zur Machbarkeitsstudie, Tübingen 2006, S. 139 und S. 140. Die Mediangrenze wurde von den Wissenschaftlern in Analogie zur Armutsrisikodefinition gewählt. Eine EU-Konvention wie bei der Armutsrisikogrenze existiert im Bereich Reichtum nicht.

S c h a u b i l d I I . 4

Durchschnittliche Entwicklung der Vorstandsbezüge und der Aktienkurse in 17 Dax-Unternehmen

Quelle: Schmidt, R./Schwalbach, J.: Zur Höhe und Dynamik der Vorstandsvergütung in Deutschland, ZfB Special Issue 1/2007, S. 111–122, Abbil-dung 1, S. 119.

Das waren nach den Berechnungen basierend auf der EVS 2003 3 268 Euro netto/Monat. Da es sich um ein auf Personen bezogenes und äquivalenzgewichtetes Ein-kommen handelt, gilt dieser Wert für Alleinlebende. Die Reichtumsschwelle größerer Haushalte kann durch Multi-plikation mit den entsprechenden Äquivalenzgewichten ermittelt werden. Für einen Paarhaushalt mit zwei Kin-dern unter 14 Jahren liegt das Haushaltseinkommen, ab dem hier von Reichtum ausgegangen wird, zum Beispiel bei 6 863 Euro netto/Monat (siehe Abschnitt II.1.3 Ein-kommensentwicklung der Haushalte).

Die Reichtumsgrenze ist damit wie die Armutsrisiko-schwelle ein normativ gesetzter Wert. So entspricht der Wert von 3 268 Euro netto/Monat nicht den allgemeinen Vorstellungen der Bürger in Deutschland von Reichtum, die im Jahr 2007 im Mittel ein persönliches Einkommen von rund 5 000 Euro netto/Monat angaben (siehe vorheri-ger Abschnitt).

In der einfachen Einkommensverteilung beträgt die Reichtumsquote 6,4 Prozent46. In der umfassenderen inte-grierten Einkommens- und Vermögensperspektive beträgt dieser Wert 8,8 Prozent (Anteil der Personen mit mehr als 3 418 Euro/Monat). Dies ist gleichbedeutend mit einer Zunahme der Anzahl reicher Personen von fünf Millionen auf 6,8 Millionen Personen. Damit gelten 38 Prozent der Personen, die in der integrierten Perspektive die Reich-tumsgrenze überschreiten, in der einfachen

Einkommens-46 Dieses Ergebnis weicht vom Indikator R.1. für das Jahr 2003 auf Ba-sis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) geringfügig ab. Der Indikator R.1. beträgt rund 7 Prozent und nicht wie hier aus-gewiesen rund 6 Prozent. Diese Abweichung ergibt sich, weil für die integrierte Analyse von Einkommen und Vermögen eine gesonderte 80%-Teilstichprobe mit kombinierten Einkommens- und Vermögens-daten herangezogen wurde. Zur Berechnung des Indikators R.1. wur-de dagegen ein anwur-deres, lediglich auf Einkommensauswertungen zu-geschnittenes Datenfile der EVS verwendet.

Ta b e l l e I I . 5 Einkommens- und Vermögensreichtum in Deutschland

1 Notwendige Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigt und gerundet.

2 Bezogen auf den Haushaltsvorstand.

3 Haushalte von selbständigen Landwirten unter „Sonstige“.

Quelle: EVS 2003

Einfache

Einkommensverteilung Integrierte Einkommens- und Vermögensverteilung Reichtumsgrenze

(Nettoäquivalenzeinkommen in Euro

je Monat)1 3.268 netto/Monat 3.418 netto/Monat

Anzahl (Mio. Personen) 5,0 6,8

Reichtumsquoten (%)

Insgesamt 6,4 8,8

Altersklassen2

>34 3,3 3,3

35–44 5,0 5,1

45–54 7,9 8,5

55–64 10,6 13,7

65 und älter 5,9 14,6

Sozialstatus2

Selbständige3 25,5 25,5

Beamte 12,1 12,6

Angestellte 7,9 8,4

Arbeiter 0,7 1,0

Arbeitslose 0,8 1,2

Rentner 3,6 10,0

Pensionäre 15,6 28,5

Sonstige3 3,5 10,0

verteilung nicht als reich. Die Betrachtung der reinen Ein-kommensverteilung lässt also vergleichsweise viele Personen außer Acht, die unter Einbeziehung ihres Ver-mögens als reich gelten können. Dieser Effekt ist in West-deutschland deutlich stärker ausgeprägt als in Ostdeutsch-land.

Ein Vergleich der Reichtumsquoten der einfachen und der integrierten Vermögensverteilungen verdeutlicht, dass sie sich vor allem bei älteren Personen unterscheiden. Wäh-rend in der einfachen Einkommensverteilung nur 5,9 Pro-zent der Personen in einem Haushalt mit einer Bezugsper-son über 65 Jahre als reich gelten, sind dies in der integrierten Betrachtung 14,6 Prozent. Dieser Unter-schied hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen ha-ben Ältere im Durchschnitt schon deshalb höhere Geld-und Immobilienvermögen als Jüngere, da sie mehr Zeit zum Vermögensaufbau hatten. Zum anderen ist ihre Rest-lebenserwartung geringer, die der rechnerischen Verren-tung der Vermögensbestände im Rahmen der hier durch-geführten Analyse zugrunde gelegt wird. In der Folge errechnen sich aus den Vermögen auch höhere (fiktive) Einkünfte als bei jüngeren Haushalten. Es handelt sich um ein theoretisches Konzept, das vollständige, sofortige Liquidierbarkeit aller Vermögensbestände unterstellt und von Transaktionskosten absieht, jedoch die Sicherungs-funktion des privaten Vermögens anschaulicher verdeutli-chen kann, als die getrennte Betrachtung von Einkommen und Vermögen.

Die stärksten Änderungen bei der integrierten Betrach-tung von Einkommen und Vermögen ergeben sich für Rentner und Pensionäre.47 Während der Anteil reicher Rentner in der einfachen Einkommensverteilung 3,6 Pro-zent beträgt, sind dies in der integrierten Betrachtung 10,0 Prozent. Auch der Anteil reicher Pensionäre steigt von 15,6 Prozent auf 28,5 Prozent. Nach dem Dritten Ver-sorgungsbericht der Bundesregierung erzielten am 1. Ja-nuar 2003 rund 17,8 Prozent aller Pensionäre in Bund, Ländern und Gemeinden ein Bruttoruhegehalt von mehr als 3 250 Euro. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich damit, dass für die integrierte Einkommens- und Ver-mögensbetrachtung das gesamte Nettoeinkommen eines Haushaltes und damit das Einkommen aller Haushalts-mitglieder berücksichtigt wurde, etwa auch aus Lebens-versicherungen und dem Mietwert selbstgenutzten Wohneigentums. Dieses wurde dann äquivalenzgewichtet den Haushaltsmitgliedern zugewiesen.

Daneben haben in der einfachen wie in der integrierten Verteilung Selbständige und Beamte die höchsten Reich-tumsquoten, wobei die Spitzenpositionen insbesondere von Selbständigen erreicht werden. So liegt der durch-schnittliche Wert für das integrierte Einkommen und Ver-mögen der Teilgruppe der Selbständigen oberhalb der 200 Prozent-Schwelle mit 6 351 Euro wesentlich über

dem Wert der entsprechenden Teilgruppe der Beamten (4 399 Euro) oder Pensionäre (5 256 Euro).

Betrachtet man die Unterschiede zwischen den Landestei-len, so wird deutlich, dass der Anteil der Personen, die mindestens das Doppelte des gesamtdeutschen Äquiva-lenzeinkommens zur Verfügung haben, in Westdeutsch-land in der integrierten Betrachtung mit 10,2 Prozent fast fünfmal so hoch ist wie in Ostdeutschland (mit Berlin, 2,1 Prozent). Angesichts des vielschichtigen Bildes der Ressourcenverteilung in Deutschland sind verallgemei-nernde Aussagen über einzelne soziodemografische Gruppen von sehr begrenzter Aussagekraft. Zurücklie-gende Lebensverläufe, Erbschaften und Schenkungen, die aktuelle Lebensphase, die Verteilungsposition hinsicht-lich der Markteinkommen und der Haushaltskontext tre-ten in allen Teilgruppen mit heterogenen Ausprägungen und in diversen Konstellationen auf mit dem Ergebnis ho-her gruppeninterner Ungleichheiten der verfügbaren Ein-kommen und Vermögen.48

II.1.6 Zukünftige Einkommens- und