• Keine Ergebnisse gefunden

Eine Reform des Unterrichts muss von der Schule ausgehen

Im Dokument Umgang mit Heterogenität (Seite 44-47)

von Moritz von Schmeling, LandesschülerInnenvertretung NRW Überall steht es, alle sagen es: die PISA-Ergebnisse sind ein Schock!

Naja, eigentlich sagen das nicht alle, – eine Gruppe fehlt.Die SchülerInnen. Was sagen die dazu? Wenn man ehrlich ist: sie sagen fast nichts! Einige wenige schon, wenn sie von der Presse ausgewrungen wurden.

Warum ist das so? Entweder haben die SchülerInnen noch nicht bemerkt, was da los ist (weniger wahrscheinlich), oder sie wollen es nicht wissen (schon eher und man kann es ihnen irgendwie kaum verübeln).

Die SchülerInnen sind dumm, hören sie im Radio, das „kollektive Nichtswissen“ unserer Jugend gefährdet die Gesellschaft von morgen, erfahren sie aus dem TV. Die LehrerInnen halten seit dem 4. Dezember zum Stundenbeginn Impulsreferate über die bildungspolitische Lage der Nation und warum die armen

LehrerInnen nichts dafür können. Der eine heult hier, die andere da und sie können es schon langsam nicht mehr hören. Da quält man sich Tag für Tag in die Schule und was ist das Ergebnis? – Es nützt nichts!

Das wahrlich Erschütternde an den Ergebnissen von PISA ist, dass sie genau das widerspiegeln, was viele SchülerInnen schon seit langem empfinden. Da waren Sätze zu hören wie: „Die Schule bringt mir doch nichts!“ „Hier ist es sau-langweilig!“ „Ich glaube, wenn ich das zu Hause lerne, brauche ich nur die Hälfte der Zeit.“ „Hoffentlich ist es bald ein Uhr, ich muss zur Arbeit, die macht wenigstens Spaß und außerdem brauche ich Geld für die Nachhilfe!“ Man könnte den Eindruck gewinnen, dass da eine Masse von Menschen nur in der Schule sitzt, weil sie muss und nicht weil sie will. Damit sind nicht ausschließlich die SchülerInnen gemeint, sondern auch die LehrerInnen. Die nämlich leben nicht gerade das vor, was man Begeisterung für den Job nennen könnte.

„Die Schule nervt und das von acht bis eins“, danach fängt das Leben an. So ist also derzeit die nüchterne Einstellung der meisten

Artikel drucken

Artikel senden Artikel kommentieren

Weitere Infos zu diesem Artikel

SchülerInnen. Dass genau das nicht nur eine Folge der Gestaltung von Schule, sondern vielleicht auch die Ursache ist, das fällt in der Regel unter den Tisch. Damit sind wir bei der „Huhn-oder-Ei-Frage“: War die Schule erst schlecht und dann haben alle Beteiligten aufgehört, sich mit ihr zu identifizieren, oder ging erst die Identifikation verloren und dann die Schule den Bach hinunter. Doch anstatt sich jetzt in die Schuldfrage zu verbeißen, sollte lieber geklärt werden, was nun passieren muss.

Wird in den Schulen eine kritische, selbstreflektierende Diskussion oder sogar ein Erneuerungsprozess anlaufen oder nicht? Die Antwort auf diese Frage wird darüber Auskunft geben, ob die PISA-Message angekommen ist.

Ideologische Grabenkämpfe bringen keine Verbesserung des Unterrichts

Auf die Anfangsbetrachtung zurückkommend stellt sich die Frage, an welcher Stelle die SchülerInnen in diesem Prozess stehen werden. Man kann nur hoffen, dass es das Zentrum ist und dass endlich begriffen wird, dass es nicht die Lehrerarbeitszeit, nicht die Klassengröße, nicht die Exaktheit der Lehrpläne, die Beschaffenheit der Räume, nicht die Frage nach 12 oder 13 Jahren bis zum Abitur oder sonst so eine

„Grabenkampffrage“ ist, die über den Erfolg des Unterrichts

entscheidet. Entscheidend wird allein die Frage sein, wie der Unterricht der Zukunft aussehen wird. Denn das haben all die anderen Themen gemein: Sie eignen sich für ideologische Schlagabtausche, ohne sich mit dem Unterricht zu beschäftigen.

Man wird den Unterricht reformieren müssen. Nicht vom Staat aus, sondern in der Schule. So sagt es auch die PISA-Studie: Unterricht muss sich mehr nach den Bedürfnissen der einzelnen SchülerInnen richten. Das ist schnell gesagt. Doch welches sind diese individuellen Bedürfnisse? Und wer soll das herausfinden? An dieser Stelle kommen die SchülerInnen ins Spiel, die – was für die meisten LehrerInnen wohl eine Überraschung sein dürfte – durchaus sagen können, was sie interessiert und was nicht.

Wie jetzt? Allein den SchülerInnen die Entscheidung übertragen, was unterrichtet wird? Nein, sicher nicht, aber ihr Feedback einholen, den Unterricht von ihnen bewerten lassen, sich Tipps von ihnen holen, all das schon, ja! Denn wer sonst soll artikulieren, was die SchülerInnen anspricht, wenn nicht die SchülerInnen selbst. Es gibt einige Projekte, z.B. im Rahmen von GÖS (Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule), die in diese Richtung schon einige Erfolge vorzuweisen haben.

Doch was bei uns nur an einigen Schulen erprobt wird, ist in anderen Ländern – z.B. in Skandinavien – schon normal. Es bedarf also eigentlich keines Versuchs mehr, zu erproben, ob deutsche SchülerInnen in der Lage und willens sind, ihre Interessen zu formulieren. Auch deutsche SchülerInnen haben Interessen, die sie unter Garantie auch artikulieren – wenn Aussicht darauf besteht, dass sie ernst genommen und umgesetzt werden.

Weitere Informationen zum Artikel

Info & Kontakt:

LandesSchülerInnenVertretung NRW Färberstraße 136

40223 Düsseldorf Tel.: (0211) 330703 E-Mail: info@lsvnw.de Internet: www.lsvnw.de

Die Ergebnisse der PISA-Studie haben wir unter thematischen Gesichtspunkten zusammengestellt:

Aspekt Lernen (PDF-Datei, 7 Seiten, 178 KB)

Aspekt Geschlechterunterschiede in Basiskompetenzen (PDF-Datei, 2 Seiten, 99 KB)

Aspekt Lebens- und Lernbedingungen von Jugendlichen (PDF-Datei, 6 Seiten, 156 KB)

Aspekte familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb (PDF-Datei, 5 Seiten, 129 KB)

Aspekt Migration (PDF-Datei, 2 Seiten, 99 KB)

Artikel drucken

Artikel senden Artikel kommentieren © forum schule, Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, Soest

Heft 1/2002

Im Dokument Umgang mit Heterogenität (Seite 44-47)