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5.4 Auswirkungen der Schadsilagen auf den ruminalen Stoffwechsel von Aminen, Polyaminen und Aminosäuren Aminen, Polyaminen und Aminosäuren

5.4.2 Putrescin, Spermidin und Spermin sowie L-Arginin, L-Methionin und L-Orntihin L-Orntihin

Die Polyamine Putrescin, Spermidin und Spermin werden vornehmlich aus den drei Aminosäuren L-Arginin, L-Methionin und L-Ornithin gebildet (s. Abb. 2.2).

Im Folgenden werden die Ergebnisse der drei Polyamine und ihrer korrespon-dierenden Aminosäuren zuerst in den Grassilagen betrachtet. Danach erfolgt die Begutachtung im flüssigen und festen Fermenterinhalt des RUSITECS und anschließend werden die möglichen Einflüsse evaluiert. Zur Orientierung dient Abbildung 5.1.

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In den Schadsilagen S-31 und S-33 wurden für Putrescin und Spermidin höhere Werte gemessen als in den Kontrollsilagen K-30 und K-32, während sich bei Spermin eine umgekehrte Situation darstellte (s. Tab. 4.3). Die höheren Gehalte von Putrescin und Spermidin entstehen vermutlich in erster Linie bei der Proteolyse während der Grasernte (s. Kap. 5.4.1).

Die geringeren Gehalte von Spermin hingegen sind möglicherweise in der schnellen Aktivierung der Polyaminstoffwechselkaskade bei pflanzlichem Stress begründet (GALSTON u. SAWHNEY 1990; MOHAPATRA et al. 2010). Eine Nutzung von Spermin für die Resynthese von Spermidin ist denkbar, denn letzteres kann vielseitig weiter umgesetzt werden (s. Kap. 2.2.1 sowie Abb. 2.2 u. Abb. 2.3). Für den Stoff-wechselweg von Spermin in Nutzpflanzen stehen bisher aber nur lückenhaft Informationen in der Literatur zur Verfügung.

In verschiedenen Studien von KRÍŽEK (1993), VAN OS et al. (1996) sowie KRIZSAN und RANDBY (2007) wurden Gehalte für Amine und Polyamine in Grassilagen ermittelt (s. Tab. 2.4.). Dabei scheint der Trockensubstanzgehalt einen Einfluss auf die Aminbildung zu haben, dies konnte zumindest in Grünhafersilagen nachgewiesen werden (SCHERER et al. 2015). Die eigenen Analysen der drei Polyamine in den Grassilagen (s. Tab. 4.3) lagen teilweise unterhalb der Gehalte, die in der Literatur beschrieben sind (s. Tab. 2.4), wobei dies auch durch die Unterschiede der Probenaufbereitung und die Messanalytik bedingt sein kann.

Putrescin

Spermin Spermidin

Arginin/

Ornithin

Methionin

m/z 173 Thermospermin

Abb. 5.1: Übersicht zu den Zusammenhängen des Stoffwechsels von Putrescin, Spermidin, Spermin sowie m/z 173 bzw. Thermospermin und den korrespondierenden Aminosäuren Arginin, Ornithin und Methionin

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Die Aminosäuren L-Arginin, L-Methionin und L-Ornithin wurden zum einen durch eigene Analysen mit der LC-MS/MS Technik bestimmt und zum anderen wurden die Daten der Analyse von EVONIK Nutrition & Care GmbH mit Ausnahme von Ornithin, ausgewertet. Ornithin wurde bei EVONIK Nutrition & Care GmbH nicht bestimmt.

Ein direkter Vergleich der extern gemessenen Aminosäureanalysen in den Gras-silagen (EVONIK Nutrition & Care GmbH; s. Abb. 4.6 u. Abb. 4.8) mit den Ergebnissen der LC-MS/MS ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Aufbereitung und Messtechnik der Proben nicht möglich (s. Tab. 4.3 bzw. Tab. 9.3).

Im RUSITEC wurden für die drei Polyamine Putrescin, Spermidin und Spermin in allen Testfermentern beider Laufblöcke geringere Gehalte nachgewiesen als in den Kontrollfermentern (s. Tab. 4.1).

Die Konzentrationen von Putrescin im flüssigen Fermenterinhalt lagen im Mittel bei 24,1–64,2 µmol/l. DAWSON und MAYNE (1996) ermittelten vergleichbare Putrescin-gehalte von 46,2 µmol/l in der Pansenflüssigkeit in vivo in ihrer Kontrollgruppe. In den Untersuchungen zum Einfluss von Polyaminen auf die Entwicklung des Gastro-intestinaltraktes von heranwachsenden und adulten Ziegen und Schafen stellten ELIASSEN und SJAASTAD (2000) höhere Putrescinkonzentrationen von 50–750 µmol/l in der Pansenflüssigkeit der Ziegenlämmer fest, die sich mit zu-nehmender Pansenentwicklung steigerten. SALEEM et al. (2012) analysierten Putrescingehalte von 26,4–315 µmol/l in der Pansenflüssigkeit in vivo. Sie beobachteten, dass die Werte sich mit steigendem Konzentratanteil im Futter erhöhten. Somit waren die im RUSITEC gemessenen Gehalte von Putrescin mit diesen Versuchen in vivo vergleichbar. Entsprechende in-vitro-Untersuchungen sind bisher nicht bekannt.

Bezüglich der Sojazulage bestand kein Unterschied in den Putrescingehalten der eigenen Untersuchungen zwischen den Testfermentern. Im in-vitro-Versuch von JEONG et al. (2015) wurden jedoch höhere Putrescingehalte von 222 bzw. 863 µmol/l durch Sojazusatz gemessen. Dabei konnte Putrescin bei einer vorgenommenen Soja-Stärke Inkubation nur bei einem Verhältnis von Soja zu löslicher Soja-Stärke von 10:0 bzw.

7:3 nachgewiesen werden, nicht jedoch in den Fermentern mit einem Verhältnis von

< 5:5. An dieser Stelle sei wiederholt darauf verwiesen, dass Propionat und Butyrat in dieser Studie nicht nachgewiesen wurden, weshalb die Ergebnisse kritisch betrachtet werden müssen (s. Kap. 5.4.1). Zudem könnte die zeitlich frühere Probenentnahme in den eigenen Versuchen (nach 24 Stunden Verdau vs. 48 h bei JEONG et al. (2015)) einen möglichen Effekt der Sojazulage auf die Putrescingehalte kaschiert haben.

Putrescin wurde im festen Fermenterinhalt im Mittel mit 6,1–15,5 mg/g uS nach-gewiesen (s. Tab. 4.3). Vergleichswerte bestehen auch hier nicht in der Literatur.

Jedoch erscheinen die Gehalte im Hinblick auf die in den eingesetzten Grassilagen aus gefriergetrocknetem Material an der LC-MS/MS bestimmten Werte in einem plausiblen Bereich zu liegen (s. Tab. 4.3).

Spermidin wurde im flüssigen Fermenterinhalt des RUSITECS in mittleren Konzen-trationen zwischen 1,9 und 13,5 µmol/l gemessen (s. Abb. 4.14). Bei ELIASSEN und SJAASTAD (2000) wurden höhere Gehalte von 80–240 µmol/l in vivo bei Ziegenlämmern gemessen. Demnach produziert die Pansenflora im RUSITEC unter

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den Versuchsbedingungen vermutlich weniger Spermidin oder der Stoff wird unter den gegebenen Bedingungen in vitro schneller umgesetzt.

Im festen Fermenterinhalt wurden mittlere Spermidingehalte von 0,55–1,71 mg/g uS gemessen, die bisher nicht weiter bestätigt werden können.

Auch hier konnte ein Einfluss der Sojazulage nicht festgestellt werden. Dies ist eventuell, wie bei Cadaverin und Putrescin, durch den Zeitpunkt der Probenentnahme zu begründen.

Die Gehalte von Spermin im flüssigen Fermenterinhalt lagen im Mittel zwischen 0,5 und 1,0 µmol/l im RUSITEC (s. Abb. 4.15) und deckten sich wiederum überwiegend mit den gemessenen Werten von ELIASSEN und SJAASTAD (2000) bei Ziegenlämmern in vivo, die nur vereinzelt höhere Werte von maximal rund 100 µmol/l Spermin nachweisen konnten. Da in den eigenen Vorversuchen zur Kalibration von Spermin der Stoff bis zur Verdünnungsstufe von 1 µmol/l nachgewiesen werden konnte, wurde ein LOD von < 1 µmol/l festgelegt und die z.T. niedrigeren analysierten Werte mit einem annehmbaren Restrisiko als realistisch eingestuft (s. Tab. 9.8).

Im festen Fermenterinhalt wurden Spermingehalte von 0,1–0,2 mg/g uS gemessen, die ebenso hingenommen werden müssen, wie bei Putrescin und Spermidin.

Die Sojazulage verhielt sich analog und hatte keinen Einfluss auf die Spermingehalte.

Auch hier ist der zeitliche Aspekt der Probengewinnnung möglicherweise von Bedeutung.

Putrescin, Spermidin und Spermin werden von der Pansenflora produziert und gleichermaßen auch genutzt (GRESNER et al. 2015). So bauen Selenomonas ruminantium und Veillonella spp. auch Putrescin neben Cadaverin in die Peptidoglycanwand ein (KAMIO u. NAKAMURA 1987; LIAO et al. 2014). Megasphaera elsdenii ist am Stoffwechsel von Putrescin beteiligt, indem es Aminosäuren zu Putrescin abbaut (KAMIO u. NAKAMURA 1987). Das Bakterium nutzt zudem Aminosäuren (L-Threonin, L-Serin und L-Cystein) sowie Ammoniak als Energiequelle für sein Wachstum und ist daher gewissermaßen abhängig von der Verfügbarkeit letztgenannter Substanzen (RYCHLIK et al. 2002).

Spermidin ist ebenfalls als Teil des Peptidoglycans von Selenomonas ruminantium in nicht kovalenter Bindung nachgewiesen worden (HAMANA et al. 2002). Eventuell besteht für die Nutzung von Spermidin eine bessere Zugänglichkeit für diese Pansenbakterien. Womöglich könnte das zu den geringeren Spermidinkonzen-trationen im RUSITEC im Vergleich zur Literatur geführt haben. Ein resultierender Wachstumsvorteil für Selenomonas ruminantium müsste in weiteren Untersuchungen bestätigt werden. Darüber hinaus könnte eine Maskierung von Spermidin durch Bindung an phenolische Stoffe oder Proteine einen Einfluss auf die Verhältnisse haben (GALSTON u. SAWHNEY 1990; MARTIN-TANGUY 1997; KUSANO et al. 2008;

BASSARD et al. 2010).

Spermin konnte im Pansenlumen in vivo bei LINGAAS und TVEIT (1992) im Rind sowie ELIASSEN und SJAASTAD (2000) im Ziegenlamm in geringen Mengen nachgewiesen werden (0,01 bis 120 µmol/l). Zur Metabolisierung von Spermin durch Pansenbakterien ist bisher jedoch nichts Genaueres bekannt. Da die Biosynthese und der Katabolismus von Spermin sehr eng mit dem Stoffwechselweg von Putrescin und

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Spermidin verknüpft sind (s. Abb. 2.2 u. Abb. 2.3), ist ein Metabolismus ähnlich wie bei Selenomonas ruminantium und Megasphaera elsdenii durchaus denkbar.

Ferner kann aus den gesteigerten Gehalten der i-Valerian- und der i-Buttersäure in den Testfermentern (s. Kap. 4.1.1 u. 4.1.2) zumindest für Megasphaera elsdenii und Prevotella ssp. ein vermehrtes Wachstum unter Schadsilagezulage im RUSITEC vermutet werden (Näheres s. GÖRES 2016; ILLE 2017). Denn die i-Valerian- und i-Buttersäure stammen nachweislich aus dem N-Stoffwechsel (BLADEN et al. 1961;

CARRO u. MILLER 1999) und werden durch ruminale Bakterien wie Megasphaera elsdenii und Prevotella spp. gebildet (WEIMER u. MOEN 2013; ILLE 2017). Weiterhin können auch die HAP-Spezies diese flüchtigen i-Fettsäuren (GRESNER 2011) produzieren. Möglicherweise kommt es also durch den Schadsilageeinsatz zu einer vermehrten bakteriellen Nutzung der Polyamine, die sich in einem Wachtumsvorteil letztgenannter Spezies äußert.

Die Aminosäuren Arginin, Ornithin und Methionin sind in Pflanzen, Säugern und Bakterien die Hauptsubstrate für die Synthese von Putrescin, Spermidin und Spermin (MILLER-FLEMING et al. 2015). Im RUSITEC konnten mittlere Gehalte von 1,4–2,1 µmol/l für L-Arginin, 3,9–17,1 µmol/l für L-Methionin und 2,1–3,4 µmol/l für L-Ornithin im flüssigen Fermenterinhalt an der LC-MS/MS gemessen werden. Dabei wurden in den Testfermentern während der Zulagephase tendenziell geringgradig höhere Konzentrationen gemessen als in den Kontrollfermentern (s. Tab. 4.1). Dies lässt vermuten, dass der Stoffwechsel in den Kontrollfermentern des RUSITECS zugunsten der Polyamine ablief und weniger Aminosäuren vorlagen, während in den Testfermentern eine umgekehrte Beobachtung gemacht wurde. Dabei werden die Ergebnisse dieser drei Aminosäuren im Hinblick auf die festgestellten LODS (s. Tab. 9.8) als nachvollziehbar eingestuft.

THEERMANN (2011) konnte in ihren Versuchen am RUSITEC mit der FMOC-Chlorid-Methode ähnliche Werte von 2,5–13,8 µmol/l für Arginin im flüssigen Inhalt ermitteln.

OLTJEN et al. (1971) konnten Methionin und Arginin aus Pansenmikroorganismen isolieren und damit nachweisen, dass die Aminosäuren Bestandteil der Bakterien sind.

Bei SALEEM et al. (2013) wurden für alle drei Aminosäuren Gehalte von rund 19,0 µmol/l mit Abweichungen von +/- 10–14 % im Panseninhalt gemessen. Vor diesem Hintergrund sind die analysierten Ergebnisse der Aminosäuren im RUSITEC schlüssig, wobei der feste Panseninhalt in der Literatur bisher nicht erfasst ist. Die in letzterem bestimmten Werte von 0,25–4,15 mg/g uS liegen beim Vergleich mit dem Input unter Berücksichtigung des Probenausgangsmaterials in realistischen Bereichen.

Schließlich lässt sich ein metabolischer Zusammenhang zwischen Polyaminen und Aminosäuren im RUSITEC, analog zu den Untersuchungen von SALEEM et al. (2013), folgendermaßen unterstellen:

Die Polyamine zeigten bei Verdauung der Schadsilagen in den Testfermentern geringere Gehalte im RUSITEC als bei Verdau der Kontrollsilagen in den Kontrollfermentern. Mit einer Ausnahme waren für die korrespondierenden Aminosäuren in den Testfermentern hingegen höhere Konzentrationen zu verzeichnen als in den Kontrollfermentern (s. Tab. 4.1). Dieser Sachverhalt lässt zuerst einmal

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darauf schließen, dass ein Zusammenhang zwischen der Biosynthese von Polyaminen und Aminosäuren auch im RUSITEC besteht.

Dass Amine und Polyamine im Pansen entstehen können und ihre Bildung maßgeblich durch die Mikroorganismen bedingt ist, ist bereits vielfach untersucht worden (PHUNTSOK et al. 1998; ZHANG et al. 2014; JEONG et al. 2015). Die eigenen Ergebnisse der Aminosäuren im RUSITEC lassen daher annehmen, dass die frei zur Verfügung stehenden Aminosäuren bei Fermentation der Kontrollsilagen schneller in Polyamine umgewandelt werden und daher höhere Polyamingehalte in den Kontrollfermentern nachgewiesen werden konnten (s.o.). Das kann sowohl an der Verschiebung der mikrobiellen Flora im RUSITEC liegen (s. GÖRES 2016; ILLE 2017), als auch durch eine leichtere Verfügbarkeit der Aminosäuren in den Kontrollfermentern als Ausgangsstoffe für die Polyaminsynthese begünstigt werden.

WANG et al. (2013b) stellten bei Untersuchungen zur subakuten Pansenazidose fest, dass sich der Gehalt von Aminen innerhalb von acht Stunden (u. a. Putrescin und Tyramin) im Pansen erhöht. Diese Untersuchungen verdeutlichen die Geschwin-digkeit, mit der die Polyaminbiosynthese durch die Pansenflora an die Bedingungen im Pansen angepasst wird. Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass vor allem die Laktatbildner maßgeblich an der Steigerung der Polyamingehalte beteiligt sind, weisen aber auch darauf hin, dass andere Mikroorganismen (nicht weiter definiert) ebenfalls involviert sind, da auch bei Kontrollfütterung Polyamine nachgewiesen werden konnten.

Der Einfluss der Laktatbildner kann aufgrund der stabilen pH-Werte (ILLE 2017) in den eigenen Untersuchungen als gering eingeschätzt werden.

Zusätzlich bedacht werden sollte der Einfluss der Pansenwand in vivo auf die Polyamingehalte durch die enthaltene ODC (bewirkt die Decarboxylierung von Aminosäuren zu Polyaminen) und in geringem Umfang die mögliche Absorption von Polyaminen. Die Untersuchungen von ELIASSEN und SJAASTAD (2000) an heranwachsenden Schaflämmern zeigen, dass durch gezielt gesetzte Verletzungen die Aktivität der Decarboxylasen in der Pansenwand innerhalb von 5 Stunden etwa um das Vierfache ansteigt und vermehrt Putrescin und Spermidin und in geringerem Maße auch Spermin gebildet werden. Da jedoch die ODC-Aktivität in der Pansenflüssigkeit zeitlich nicht von dem Anstieg der Polyaminkonzentrationen in der Pansenflüssigkeit oder der ODC-Aktivität im Pansenepithel begleitet wurde, wurde in der Studie angenommen, dass die Pansenwand nur einen geringen Anteil an der Polyamin-konzentration im Pansenlumen hat (ELIASSEN u. SJAASTAD 2000). Auch PHUNTSOK et al. (1998) schlossen aus ihrer Studie, dass Amine in erster Linie durch die mikrobielle Pansenflora metabolisiert werden. Dabei stellten sie zusätzlich einen negativen Effekt der Amine auf die Futteraufnahme fest und unterstellten, dass durch die geringere Futteraufnahme eine geringere Motilität des Pansens sich negativ auf die Verdaulichkeit der Grassilagen auswirkt.

Es konnte also in den hier vorliegenden Untersuchungen festgestellt werden, dass die Polyamine im Fermenterinhalt allgemein deutlich niedriger waren als in der Ausgangssilage (s. Tab. 4.3). Dieser Sachverhalt spricht für die in der Literatur angenommene Hypothese des vorrangig mikrobiell bedingten Metabolismus, zumal durch das genutzte RUSITEC-System kein Einfluss der Pansenwand oder der Blutbahn besteht. Darüber hinaus führte der Einsatz von Schadsilage tendenziell zu

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höheren Aminosäuregehalten im RUSITEC, während die Zugabe von Kontrollsilage die Bildung von Polyaminen begünstigte.

5.4.3 m/z 173 (möglicherweise Thermospermin)

Da in der Literatur zunehmend ungewöhnliche Polyamine in Pflanzen und Bakterien beschrieben werden, lag der Verdacht nahe, dass auch in Grassilagen und damit im Pansen entsprechende Polyamine vorkommen können (s. Kap. 2.2.1). Wenn im Folgenden die Begrifflichkeit m/z 173 fällt, ist diese mit dem Stoff Thermospermin gleichzusetzen (s. Kap. 3.2.4.5.18).

Die Verhältnisse von m/z 173 in den Schad- bzw. Kontrollsilagen (Analyse aus gefriergetrocknetem Material) sind grundsätzlich mit denen von Putrescin und Spermidin vergleichbar, d.h. in den Schadsilagen wurden höhere Gehalte detektiert (s. Tab. 4.3). Dieser Umstand ergibt sich vermutlich aus der Abhängigkeit im Stoffwechselweg (s. Abb. 5.1). Dabei ist der höhere Gehalt in den Schadsilagen angesichts des Ablaufes des Polyaminkatabolismus durchaus annehmbar und funktionell eng an den Stoffwechselweg von Spermidin gekoppelt (s. Abb. 2.2 u.

Abb. 2.3). Derzeit sind jedoch keine Ergebnisse zum Vorkommen von Thermospermin in Grassilagen bekannt.

Nur im festen Fermenterinhalt des RUSITECS konnte m/z 173 nachgewiesen werden.

Die Gehalte von m/z 173 lagen im Mittel in den Kontrollfermentern bei 215 mg/g uS im ersten und bei 61,7 mg/g uS im zweiten Laufblock. In den Testfermentern wurden Gehalte 115 mg/g uS bzw. 70,6 mg/g uS detektiert (s. Tab. 4.3). Im ersten Laufblock lagen folglich die Gehalte der Kontrollfermenter über denen der Testfermenter, während sich der Sachverhalt im zweiten Laufblock umgekehrt darstellte (s. Abb. 4.29). Vergleiche zur Literatur können aufgrund der mangelnden Datenlage nicht gezogen werden.

Die unterschiedlichen Ergebnisse für m/z 173 im festen Fermenterinhalt der verschiedenen RUSITEC-Läufe könnten unter Berücksichtigung der schnellen Reaktionen des Polyaminstoffwechsels (BAGGA et al. 1997; WANG et al. 2013b), analog zu Cadaverin, Putrescin, Spermidin und Spermin durch die Momentaufnahme der Probenziehung entstanden sein (s. Abb. 5.1).

Die insgesamt im Vergleich zu den Gehalten in den Grassilagen bzw. zu den anderen Polyaminen sehr viel höheren Konzentration von m/z 173 im festen Fermenterinhalt lassen eine Akkumulation vermuten. Diese könnte einerseits durch die lange kettenartige chemische Struktur des Stoffes Thermospermin bzw. m/z 173 bedingt sein (s. Tab. 3.9), die womöglich schlechter weiter metabolisiert werden kann oder andererseits durch Bindung an phenolische Substanzen oder Proteine zu einer Maskierung geführt haben (GALSTON u. SAWHNEY 1990; MARTIN-TANGUY 1997;

KUSANO et al. 2008; BASSARD et al. 2010), die sich im Analyseprozess durch die Probenaufbereitung wieder auftrennt und zur entsprechenden Detektion geführt haben könnte.

Schließlich bleibt zu sagen, dass aufgrund der sich im Zusammenhang darstellenden Messergebnisse mit m/z 173 möglicherweise eine Masse von Thermospermin aus

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dem Polyaminstoffwechsel nachgewiesen wurde (s. Kap. 5.3.3), die jedoch in Zukunft noch weiter charakterisiert werden muss.

5.4.4 β-Alanin

Der Stoff β-Alanin ist im Polyaminstoffwechsel insofern von Bedeutung, weil er beim Abbau von Polyaminen entsteht (s. Abb. 2.3). Im Folgenden ist der Begriff β-Alanin mit Alanin aufgrund der Literatur gleichzusetzen.

Alanin wurde sowohl im RUSITEC-Inhalt als auch in den zugelegten Grassilagen nachgewiesen.

In Kontrollsilagen konnten Alaninwerte von 1,5 bzw. 1,2 mg/g uS und in den Schad-silagen höhere Werte von 4,3 bzw. 5,2 mg/g uS gemessen werden (s. Tab. 4.3). Bei den Versuchen von WINTERS et al. (2001) wurden nach 14 Tagen Silierung Gehalte von 12,5 mmol/l in Grassilagen gemessen. Beim Vergleich dieser mehr als 1000fach höheren Werte (s. Tab. 4.3) sind die unterschiedliche Durchführung der Messung, der Silierzeitpunkt und das Probenausgangsmaterial zu beachten.

WINTERS et al. (2001) erklären ihre Alaninergebnisse in den Grassilagen damit, dass Pflanzen nachweislich unter anaerobem Stress mit einem Anstieg der Alanin- und GABA-Gehalte reagieren. WHITTENBURY et al. (1967) beschrieb die Bildung von Alanin in Grassilagen als eine Folge der Desaminierung durch Clostridien durch eine Sticklandreaktion. Letztere beschreibt eine gleichzeitige gekoppelte Gärung zweier Aminosäuren durch Oxidation bzw. Reduktion selbiger mit dem Ergebnis der Desaminierung.

Die höheren Gehalte von Alanin in den eigenen Untersuchungen der Schadsilagen lassen sich also zum einen durch die nach dem Schnitt länger ablaufende Proteolyse (GAST 2010; THEERMANN 2011) und zum anderen mit dem anaeroben Silierungsprozess erklären. Dabei spiegelt sich die angenommene Proteolyse auch in den geringeren RE-Gehalten der Schadsilagen wider (s. Tab. 9.3).

Die Gehalte des flüssigen Fermenterinhaltes lagen im Mittel bei 0,2 bis 0,4 µmol/l Gesamtgehalt, wobei hier die Werte der Kontrollfermenter geringfügig über denen der Testfermenter lagen (s. Tab. 4.3). In den vorangegangenen Analysen von GRESNER (2011) und THEERMANN (2011) konnten mit den entsprechenden Derivatisierungen (FMOC-Chlorid bzw. OPA) Alaningehalte von 3,5–18,0 µmol/l in der Fermenter-flüssigkeit gemessen werden. Demnach befinden sich die eigenen analysierten Alaninergebnisse des flüssigen RUSITEC-Inhaltes unterhalb der vorherigen Ergebnisse.

Im festen Fermenterinhalt lagen die Alanin-Werte bei rund 0,1 µg/g uS in allen Fermentern. Dabei hatten die Testfermenter teilweise etwas höhere Gehalte. Die Ergebnisse des festen Fermenterinhaltes können mangels Datenlage jedoch nicht weiter bestätigt werden. Auch die Bestimmung des relativ hohen LOD von 25 µmol/l in den Vorversuchen erschwert die Bewertung der Ergebnisse (s. Tab. 9.8). Die Analyse-ergebnisse können aufgrund der geringen Gehalte in den Fermenterproben nur ungenügend bestätigt werden. Dennoch sollen die folgenden, möglichen Zusammenhänge aufgezeigt werden:

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Bei GRESNER (2011) und THEERMANN (2011) sind bereits Aspekte des Vorkom-mens von Alanin im Pansen besprochen. Danach wird der Stoff sowohl synthetisiert, als auch metabolisiert. Verschiedene Arbeitsgruppen konnten Alanin zudem als Bestandteil der Peptidoglycanwand von grampositiven und gramnegativen Pansenbakterien wie Selenomonas ruminantium, Veillonella spp. und Bacteroides spp. identifizieren (KAMIO et al. 1986; TAKATSUKA u. KAMIO 2004; AMETAJ et al.

2010). Aufgrund des Vorkommens von Alanin in der Zellwand von ruminalen Bakterien wurde der Stoff bereits für die Beurteilung einer funktionalen ruminalen Bakterienflora in Betracht gezogen, weil er bei Zelllyse (z.B. durch erhöhte Konzentratanteile in der Futterration) beträchtlich ansteigt (AMETAJ et al. 2010). In letzteren Untersuchungen konnten AMETAJ et al. (2010) bei Versuchen zu erhöhter Stärkezufuhr in einer Adaptationsphase von 11 Tagen und einer anschließenden Versuchsdauer von 10 Tagen keine negativen Effekte von Alaninkonzentrationen bis zu 415 µmol/l in der Pansenflüssigkeit auf die Tiergesundheit feststellen.

In den eigenen Untersuchungen konnten zu Beginn der Zulagephase im festen Fermenterinhalt nur sehr geringe, nicht signifikante Unterschiede von Alanin zwischen den Fermentergruppen detektiert werden, sodass hier eine solche Zelllyse (AMETAJ et al. 2010) durch den Wechsel der Grassilage nicht vermutet wird.

Bei BARKER (1981) wird der Umbau von Alanin zu GABA unter anaeroben Bedingungen durch verschiedene Clostridienspezies beschrieben. Danach ist der Stoffwechsel von Alanin unter ruminalen Bedingungen möglich. Zudem konnten RICKE et al. (1996) nachweisen, dass ruminale Mikroorganismen in der Lage sind, die Kohlenstoffgerüste der flüchtigen Fettsäuren zur Synthese von Alanin zu nutzen.

ATASOGLU et al. (1998) konnten für Selenomonas ruminantium und Streptococcus bovis eine Transaminasereaktion nachweisen, die zur Bildung von Alanin führt.

Im flüssigen Fermenterinhalt der Testfermenter wurde Alanin nur in geringeren Konzentrationen gefunden, obwohl der Input durch die Schadsilagen deutlich höher war (s. Tab. 4.3). Die Untersuchungen am RUSITEC lassen also vermuten, dass der Stoff zu einem wesentlichen Anteil von der Pansenpopulation genutzt wird (s.o.).

Zusätzlich ist bekannt, dass bei der Metabolisierung von Alanin Ammoniak und GABA entstehen können (s. Abb. 2.3). Beide Stoffe wurden im RUSITEC nachgewiesen (s. Kap. 4.2, Kap. 4.5.25 u. Kap. 4.5.13) und ergaben in den Testfermentern (exkl.

GABA des flüssigen Fermenterinhaltes im ersten Laufblock) höhere Konzentrationen, was die mögliche weitere Umsetzung von Alanin entsprechend des Inputs vermuten lässt.

Die geringen Gehalte des Stoffes im RUSITEC lassen außerdem vermuten, dass Alanin von kurzer Halbwertszeit ist und in die Synthese von Ammoniak und GABA

Die geringen Gehalte des Stoffes im RUSITEC lassen außerdem vermuten, dass Alanin von kurzer Halbwertszeit ist und in die Synthese von Ammoniak und GABA