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5.4 Auswirkungen der Schadsilagen auf den ruminalen Stoffwechsel von Aminen, Polyaminen und Aminosäuren Aminen, Polyaminen und Aminosäuren

5.4.1 Cadaverin und L-Lysin

Cadaverin wird zu einem wesentlichen Anteil aus L-Lysin decarboxyliert. Somit ist letzteres ein wichtiges Ausgangssubstrat (s. Abb. 2.2; BAGNI u. TASSONI 2001).

Beide Stoffe werden nachfolgend gemeinsam betrachtet. Sowohl Cadaverin als auch L-Lysin konnten in den eingesetzten Grassilagen und im RUSITEC detektiert werden.

In den Schadsilagen S-31 und S-33 wurden im Vergleich zu den Kontrollsilagen K-30 und K-32 höhere Cadaveringehalte an der LC-MS/MS gemessen (s. Tab. 4.3 u.

Tab. 4.4). Diese Cadaveringehalte sind vermutlich durch die Proteolyse bei der Grassilagegewinnung bedingt. Denn die Proteolyse läuft bei höherem Wassergehalt (z.B. durch Witterung und Schnittzeitpunkt) durch den für die beteiligten Enzyme wichtigen intrazellulären Wasserdruck länger ab und es entstehen vermehrt Abbauprodukte (KIRCHGESSNER et al. 1960; McDONALD et al. 1981; SEYFARTH et al. 1989; BUXTON u. MUCK 2003).

In Grassilagen kommt L-Lysin in sehr unterschiedlichen Konzentrationen vor. Die im Rahmen dieser Dissertation ausgewerteten Aminosäureanalysen von 315 Gras-silagen (Analytik durch EVONIK Nutrition & Care GmbH) bestätigen die Streuung der Lysingehalte (s. Tab. 9.71 u. Abb. 4.7). Dabei haben sowohl die Proteolyse und der

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Gehalt an Trockensubstanz während der Grasernte als auch die Bakterienflora und der pH-Wert während des eigentlichen Silierprozesses der Grassilagen einen entscheidenden Einfluss (MACPHERSON u. VIOLANTE 1966; GAST 2010).

Folglich erscheinen die in den eingesetzten Grassilagen an der LC-MS/MS ermittelten Unterschiede der Gehalte von Cadaverin und L-Lysin (s. Tab. 4.3) nachvollziehbar.

Im RUSITEC lagen die Cadaveringehalte im flüssigen Fermenterinhalt während der Zulagephase in allen Fermentern mit 31,4–53,6 µmol/l im Bereich der bei DAWSON und MAYNE (1996), AMETAJ et al. (2010) sowie SALEEM et al. (2012) beschriebenen Werte in vivo beim Rind. DAWSON und MAYNE (1996) ermittelten Cadaveringehalte von rund 25,7 µmol/l in ihrer Kontrollgruppe bei Versuchen zum Effekt von intraruminaler Amininfusion. Die Cadaveringehalte wurden hier innerhalb von 24 h in regelmäßigen (anfangs stündlichen) Abständen erfasst. Den Effekt von schiedlich konzentrierten Getreidediäten auf die Pansengesundheit in vivo unter-suchten AMETAJ et al. (2010) und SALEEM et al. (2012). Die hier bestimmten Cadaveringehalte im Pansen lagen mit 50,4 bis 124 µmol/l etwas höher als die der eigenen Untersuchungen und sie stiegen mit höherem Getreideanteil an. Als Ursache für diese etwas höheren Gehalte wurde die durch den Versuchsaufbau bedingte Verschiebung der Mikroflora der Pansenfermentation vermutet.

Im festen Fermenterinhalt wurden Cadaverinkonzentrationen von 19,9–47,1 mg/g uS gemessen (s. Abb. 4.23). Derzeit sind keine Studien in der Literatur verfügbar, die Cadaverin im festen Panseninhalt beschreiben. Im Vergleich mit dem Input durch die Grassilagen, können die erhobenen Gehalte jedoch unter Vorbehalt als realistisch angesehen werden (s. Tab. 4.3).

Die Sojazulage hatte in den eigenen Untersuchungen keinen Einfluss auf die Bildung von Cadaverin. In einem in-vitro-Kurzzeitsystem wurde von JEONG et al. (2015) Pansenflüssigkeit von Holstein Friesian Kühen für 48 Stunden mit einem Gemisch von löslicher Stärke und Soja in unterschiedlichem Verhältnis versetzt und auf Polyamine untersucht. Hier konnten Cadaveringehalte von 71,0 bis 343 µmol/l bei soja-gewichteter Inkubation mit einem Verhältnis von Soja zu Stärke von 7:3 bzw. 10:0 bestimmt werden. Demnach könnte Soja den Gehalt von Cadaverin beeinflussen. In den eigenen Untersuchungen wurde dies nicht bestätigt, wobei durch den anderen Probenentnahmezeitpunkt (nach 24 Stunden im RUSITEC vs. 48 h bei JEONG et al.

(2015)) eine Auswirkung auf die Cadaveringehalte verdeckt worden sein kann. Kritisch zu hinterfragen bleibt bei letztgenannter Studie, warum zum großen Teil keine Gehalte der flüchtigen Fettsäuren Propionat und Butyrat nachweisbar waren, denn beide Stoffe kommen physiologischer Weise immer bei einer funktionalen Pansenfermentation vor (GIESECKE 1966; VON ENGELHARDT et al. 2015).

Cadaverin ist zudem ein essentieller Baustoff für Pansenbakterien. Bei Selenomonas ruminantium und Veillonella spp. konnten KAMIO und NAKAMURA (1987) sowie KOJIMA und KAMIO (2012) nachweisen, dass Cadaverin in die Peptidoglycanwand eingebaut wird. Die Inhibition der Cadaverinbildung durch Blockade der Lysin- bzw.

Ornithindecarboxylase (LDC/ODC) mit DL-α-Diuoromethyllysin führte bei Selenomonas ruminantium zu einer deutlichen Wachstumshemmung (KAMIO et al.

1986). Weiterhin wurde Cadaverin neben Putrescin auch in den Pansenbakterien Megasphaera elsdenii und Anaerovibrio lipolytica nachgewiesen (LEWIS u. EMERY 1962; KAMIO u. NAKAMURA 1987).

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Somit lassen die geringgradigen Verschiebungen, die im ersten Laufblock zwischen Tag 11 und 15 zu höheren Gehalten in KF-30 und im zweiten Laufblock zwischen Tag 14 und 18 zu niedrigeren Gehalten in KF-32 im flüssigen Fermenterinhalt führten vermuten, dass Cadaverin von den ruminalen Mikroorganismen entsprechend unterschiedlich verwertet werden konnte oder eine Populationsverschiebung dazu führte, dass sich der Gehalt an Cadaverin in den jeweiligen Fermentern (unabhängig von der Beladung als Kontroll- oder Testfermenter) kurzfristig reduzierte.

Das Absinken der Cadaveringehalte in der Kontrollphase aller Fermenter des ersten Laufblockes spricht ebenfalls für eine Metabolisierung bzw. Populationsverschiebung.

Im zweiten Laufblock ist kein solcher Effekt in der Kontrollphase zu sehen. Das könnte unter anderem darin begründet sein, dass erst ab Tag sieben Proben gewonnen wurden (s. Kap. 3.2.4.5.6) und sich der Gehalt zu diesem Zeitpunkt möglicherweise bereits eingependelt hat.

Hinweise auf eine geringe bakterielle Verschiebung im RUSITEC konnten also beobachtet werden. Zudem lässt sich ein Wachstumsvorteil für Selenomonas ruminantium auch aufgrund der gesteigerten Propionsäuregehalte in den Testfermentern (GÖRES 2016) in beiden Laufblöcken annehmen. Dieser fiel jedoch im ersten Laufblock besser aus (GÖRES 2016). Denkbar ist aufgrund der Unter-schiede in der Propionsäureproduktion, dass auch UnterUnter-schiede bezüglich des nutzbaren Cadaverins zwischen den eingesetzten Grassilagen der beiden Laufblöcke bestehen und Cadaverin im zweiten Laufblock vermehrt verstoffwechselt wird. Zudem lag der Input von Cadaverin durch die Grassilagen (Analyse von gefriergetrocknetem Material) deutlich über den Ergebnissen des RUSITECS sowohl im festen, als auch im flüssigen Fermenterinhalt und bestätigt damit die Annahme der Nutzung von Cadaverin (s. Tab. 4.3).

Der L-Lysingehalt im RUSITEC ergibt sich im Wesentlichen aus den Gehalten in den zugefügten Grassilagen sowie Futtermitteln, dem Gehalt in der Bakterien- und Protozoenpopulation (THEERMANN 2011) und aus dem mikrobiellen Abbau bzw. der Synthese. Die Bakterien- und Protozoenpopulation unterliegt dabei den Einflüssen des Versuchsaufbaus (z.B. fehlende Pansenwand) und nutritiven Eigenschaften der zuge-setzten Futterkomponenten.

Es wurden unterschiedlich gerichtete Ergebnisse in den jeweiligen Laufblöcken L-31–L34 bzw. L35–L38 für L-Lysin festgestellt (s. Tab. 4.1). Dabei waren die Messwerte von L-Lysin im flüssigen Fermenterinhalt des ersten Laufblockes von einer Differenz zwischen KF-30 und TF-31 bzw. TF-31mS von rund -65 % gekennzeichnet, während sich selbige Messwerte im zweiten Laufblock umgekehrt darstellten (ca. +50 %). In der Literatur sind intraruminale Lysingehalte von 0 bis ca. 270 µmol/l bei den Lysinfütterungsversuchen von ROBINSON et al. (2005, 2006) in der Kontrollgruppe beschrieben. In vorherigen Versuchen von THEERMANN (2011) am RUSITEC wurden Lysingehalte von 5–70 µmol/l mittels FMOC-Chlorid-Derivatisierung im flüssigen Fermenterinhalt bestimmt, die trotz der anderen Methodik mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit (mit Ausnahme der höheren L-Lysingehalte im flüssigen Fermenterinhalt des ersten Laufblockes von im Mittel KF-30: 221 µmol/l und TF-31 bzw. TF-31mS: 82,7 µmol/l) übereinstimmten.

Die unterschiedlich ausgerichteten Ergebnisse in den eigenen Untersuchungen könnten durch die Bakterienpopulation und ihre potentielle Verschiebung verursacht

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worden sein (GÖRES 2016; LENGOWSKI et al. 2016; ILLE 2017). In den Studien von ROBINSON et al. (2005, 2006) konnte bei Zusatz von verschiedenen Lysingehalten im Futter eine schnelle Reduktion der Lysingehalte im Pansen innerhalb von drei Stunden beobachtet werden. Zusätzlich muss bedacht werden, dass die Proben im RUSITEC nur alle 24 Stunden gewonnen wurden und daher eine mögliche vorher stattgefundene L-Lysinverschiebung nicht erfasst wurde. Veränderungen der Pansen-fermentation und der Leistung der eingesetzten Tiere wurden bei ROBINSON et al.

(2005, 2006) in den Versuchsgruppen mit bis zu 85,4 g Lysinzusatz je Tier am Tag nicht beobachtet, woraus wiederum auf eine hohe Toleranz der Tiere gegenüber L-Lysin schließen lässt.

Obwohl getoastete Sojabohnen einen deutlich höheren Lysingehalt haben als Grassilagen (>20 g/kg TS vs. 1–2 g/kg TS; KAMPHUES et al. 2014), konnte in den Ergebnissen der Fermenterproben kein Einfluss der Sojazulage auf den L-Lysingehalt beobachtet werden. Daher wird eine mikrobielle Umsetzung dieses L-Lysins während der 24 stündigen Fermentationszeit im RUSITEC, wie sie auch bei ROBINSON et al.

(2005, 2006) gesehen wurde, vermutet.

So lassen die unterschiedlichen L-Lysingehalte in den Fermentern und der nicht darstellbare Einfluss der Sojazulage darauf schließen, dass L-Lysin auch in den eigenen RUSITEC-Versuchen mehr oder weniger stark verstoffwechselt wird und unterstützten die Hypothese der Entstehung von Cadaverin.

Da Cadaverin neben L-Lysin auch über einen Stoffwechselweg aus Homoarginin via Homoagmatin gebildet werden kann (BAGNI u. TASSONI 2001; s. Abb. 2.2), könnten die Gehalte beider Stoffe im RUSITEC möglicherweise auch aus diesem Stoffwechselweg resultieren (s. Abb. 4.11, Abb. 4.12, Abb. 4.23, Abb. 4.24 u. Tab. 4.2).

5.4.2 Putrescin, Spermidin und Spermin sowie L-Arginin, L-Methionin und