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Ein prozessual einheitliches Rechtsverhältnis durch den offiziell einheitlichen (Feststellungs-)Bescheid

Im Dokument Dorothea Degenhard (Seite 120-128)

B. Die steuerrechtliche Problemlage

III. Einige rechtliche Unstimmigkeiten in der derzeit

2. Ein prozessual einheitliches Rechtsverhältnis durch den offiziell einheitlichen (Feststellungs-)Bescheid

unterschied-liche Umgang mit der Notwendigkeit der Beiladung durch den BFH gerade im Bereich der Zusammenveranlagung von Ehegatten ist.

Die § 60 Abs. 3 FGO und § 360 Abs. 3 AO schreiben die Notwendigkeit der Beiladung bzw. Hinzuziehung am Sachverhalt beteiligter Dritter aus teilweise ganz unterschiedlichen Konstellationen heraus vor. Den einschlägigen Vorschrif-ten lassen sich mehrere zu erfüllende Kriterien hinsichtlich der Anwendbarkeit der genannten Rechtsinstitute entnehmen. Das Erste der im Folgenden erläuter-ten ist praktisch als unablässiges Einstiegskriterium zur Anwendbarkeit der genannten Rechtsinstitute überhaupt anzusehen. Jedes Kriterium für sich greift eine andere Facette des strittigen Sach- bzw. Streitgegenstandes heraus.

1. Mehrere untereinander verbundene Beteiligte als Gegenüber der

Wesen abgestellt. Die notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 FGO 1965388 stellt aber nur als Voraussetzungen bzw. Kriterien heraus, dass ein streitiges Rechtsver-hältnis besteht, dessen Beteiligung an durch Mehrere eine einheitliche Entschei-dung erfordert. Dennoch ist es gängig, auf den als greifbares Sinnbild einer ein-heitlichen Entscheidung vorhandenen einein-heitlichen Verwaltungsakt der Aus-gangsbehörde, vornehmlich den einen sog. einheitlichen Feststellungsbescheid laut gesetzlicher Kennzeichnung, als das Beispiel eines an mehrere gerichteten Bescheides, vgl. vormals § 219 Abs. 1 AO a. f.389 als Vorläufer des § 179 AO 1977, allein abzustellen. Anfänglich, d. h. vor der jetzigen Regelung notwendiger Beila-dung, geschah dies auch ausschließlich, da die Voraussetzungen der Beiladung sehr eng dahin gehend geregelt waren.

a) Zur angegriffenen Maßnahme in ihrer gesetzlichen Kennzeichnung als einheitlicher Bescheid

Vor dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung (FGO) am 01.01.1965, wonach sich u. a. auch die Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Steuerrechtsstreit in obiger Form änderten, war die Beteiligung Dritter dem Steuerprozess zwar schon eigen (vgl. § 239 Abs. 3 AO a. f.)390, galt aber doch als recht einge-schränkt.391 Denn in § 239 Abs. 3 RAO 1931 war ausdrücklich für die Fälle der einheitlichen Gewinn- bzw. Einkünftefeststellung (vgl. § 215 Abs. 2 RAO a. f.), deren Feststellung in einem einheitlichen Gewinn- bzw. Einkünftefeststellungsbe-scheid erfolgt (so ausdrücklich § 239 Abs. 1 S. 1 RAO 1931), bestimmt, dass zur Einlegung von Rechtsbehelfen befugte Mitberechtigte, die kein Rechtsmittel ein-gelegt hatten, zu dem Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zuzuziehen seien.392 Andere Bescheide, die sich in ihren Festsetzungsfeststellungen gegen mehrere Beteiligte richteten, wurden nicht der notwendigen Beiladung unter-stellt. Eine § 239 Abs. 3 a. f. vergleichbare Regelung für einheitliche Zusammen-veranlagungsbescheide gab es nach h. L. zu Recht nicht. Das schien in Bezug auf den einheitlichen Zusammenveranlagungsbescheid in Ordnung zu gehen, da ihm

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388 Gesetz v. 06.10.1965, BGBl. I 1965, 1477.

389 Dieser bestimmte noch ausdrücklich, dass es sich um einen Bescheid handelt, der sich gegen mehrere Personen richtet, vgl. § 219 Abs. 1 AO a. f., RAO v. 22.05.1931, RGBl. I 1931, 161.

390 RAO v. 22.05.1931, RGBl. I 1931, 161.

391 Riewald in Becker/Riewald/Koch, RAO, Bd. I, 9. Aufl. (1963), § 7 StAnpG Anm. 4 (4).

392 Ziemer-Birkholz, FGO, 3. Aufl. (1978), § 60 Tzn. 56.

trotz der früheren einheitlichen Kennzeichnung gemäß § 210 Abs. 2 AO 1936-1977 bereits die rechtliche Anerkennung fehlte.393

Handelt es sich bei der angegriffenen Maßnahme schon nach ihrer rechtlichen Kennzeichnung (wie heutzutage auch bezüglich des hinzugekommenen einheitli-chen Aufteilungsbescheides gem. § 279 Abs. 1 S. 1 AO 1977394) um eine unbestrit-ten sich an Mehrere richunbestrit-tende Maßnahme der Behörde, so ist den Voraussetzun-gen der § 360 Abs. 3 AO 1977 bzw. § 60 Abs. 3 FGO 1965 auch heute noch bereits problemlos Genüge getan. Bildet eine ausgewiesen einheitliche Maßnahme gegenüber Mehreren schon den Gegenstand des Ausgangsverfahren, so ist der hieran Beteiligte nicht Rechtsbehelfs führende Dritte im Rechtsbehelfsverfahren über diese in ihr zum Ausdruck kommende unablässig einheitliche Entscheidung notwendig hinzuziehen bzw. beizuladen.395

Im vorliegenden Zusammenhang gilt es an dieser Stelle aber zu berücksichti-gen: Ein einheitlicher Bescheid muss einerseits nicht notwendig dafür stehen, dass auch eine verfahrensmäßige Verkoppelung des Ausgangsverfahrens, sprich ein einheitliches Verwaltungsverfahren, besteht. Im Aufteilungsverfahren wird eine einheitliche Entscheidung durch schriftlichen Bescheid, den sog. Auftei-lungsbescheid, angeordnet, vgl. § 279 Abs. 1 S. 1 AO. Das Aufteilungsverfahren ist ein Verfahren, das bereits auf Antrag eines der zusammenveranlagten Ehegat-ten eröffnet wird. Die Beteiligung des anderen am Verfahren ist nicht erforder-lich. Der andere Ehegatte wird allerdings dann durch notwendige Hinzuziehung bzw. Beiladung mit in das Rechtsbehelfsverfahren hereingeholt. Er ist nach h. M.

in dem von einem Ehegatten betriebenen finanzgerichtlichen Verfahren gegen einen Aufteilungsbescheid notwendig beizuladen.396

Ein einheitlicher Bescheid muss andererseits auch nicht notwendig dafür ste-hen, dass der von Gesetzes wegen einheitlichen Entscheidung auch eine einheitli-che Entseinheitli-cheidung im sachlieinheitli-chen Sinne zugrunde liegt, wie in den Fällen der ein-heitlichen Gewinnfeststellung. Hierunter fallen dann vielmehr auch solche Entscheidungen, die untereinander nur in einem Sachzusammenhang stehen; sie sind grundsätzlich nicht geeignet, einer einheitlich ergangenen Entscheidung i. S.

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393 Siehe dazu bereits oben Teil I Kap. A.I.6, S. 24 f.

394 Zur Entstehung vgl. Müller-Eiselt in H/H/Sp, AO/FGO, § 279 AO Rz. 1 (Lfg. 222 April 2013).

395 So wurde in § 239 Abs. 3 S. 3 AO a. f. für die obigen Fälle noch ausdrücklich darauf verwiesen, dass auch im Rechtsmittelverfahren nur einheitliche Fest-stellungen getroffen werden können.

396 BFH v. 08.10.2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195, 196 m. w. Lit.-N.

der benannten Vorschriften zu genügen. Sie sind vielmehr darüber zu kennzeich-nen, dass sich die Entscheidungen ihrer Art nach nur an einen der Beteiligten richten. Dass die Sachgegenstände gegen unterschiedliche Beteiligte untereinan-der in einem Sachzusammenhang stehen (z. B. untereinan-der Zuspruch des Kinuntereinan-dergeldes oder Kinderfreibetrages kann sachlogisch nur an den einen oder anderen Eltern-teil, jedoch in der Praxis in fehlerhafter Weise an beide erfolgen), wird heutzu-tage unter dem Schlagwort des bloßen einheitlichen Sachzusammenhanges von der h. L. mehrheitlich als nicht notwendig beiladungsfähig bzw. hinzuziehungs-fähig abgelehnt.397

Diejenigen Fälle, in denen nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften schon für das (eine) Ausgangsverfahren (Erlass des ursprünglichen Verwaltungs-akts) ein einheitlicher Bescheid und damit der Umstand eines einzigen Verwal-tungsaktes gegenüber mehreren Beteiligten vorgeschrieben ist, wie in den Fällen der einheitlichen Aufteilungsbescheide gem. § 279 Abs. 1 S. 1 AO 1977 und der einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide gem. § 179 AO, gehören unzweifel-haft und manche eben seit jeher zu den Fällen, in denen eine notwendige Beila-dung erfolgen muss.398 Anders gewendet: Wem gegenüber im Zuge gesetzlicher Anordnung ein einheitlicher Bescheid bereits im Ausgangsverfahren erteilt wurde, der besitzt im Rechtsbehelfsverfahren eine ausdrückliche Verfahrensbetei-ligung über den Vorgang der notwendigen Beiladung zum Verfahren des ebenfalls durch denselben Verwaltungsakt erfassten Rechtsbehelfsführers, damit der aus-gewiesene Charakter einer einheitlichen Regelung bzw. Feststellung nicht verlo-ren geht.

Hält man also vor allem die Fälle der einheitlichen (Gewinn-)Feststellungs-bescheide gegenüber, so wird verständlich, warum die Diskussion des Erforder-nisses der notwendigen Hinzuziehung bzw. Beiladung im vorliegenden Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten sich früher stets und auch heute noch ausgiebig an der Frage des einheitlichen Zusammenveranlagungsbescheides ent-zündet. Der h. L. nach unbestritten hat der Gesetzgeber ausweislich der rechtli-chen Vorschriften keinen einheitlichen Zusammenveranlagungsbescheid einge-führt. Eine dem einheitlichen Feststellungsbescheid gem. §§ 179 Abs. 1 und 2 AO vergleichbare verfahrensrechtliche Regelung eines einheitlichen Festsetzungs- bzw. Steuerbescheides gibt es in den Fällen der Zusammenveranlagung von

Ehe-____________________________

397 BFH v. 16.12.2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934, 935; v. 16.04.2002 VIII B 171/01, BStBl. II 2002, 578; v. 04.07.2001 VI B 301/98, BStBl. II 2001, 729, 730 f.

398 Kühn in Kühn-Kutter-Hofmann, AO-FGO, 17. Aufl. (1995), § 360 AO Anm. 2b).

gatten heute zugestandenermaßen weder in der AO noch im EStG.399 Dagegen wird von der h. L. nur auf die offiziell gegenüber beiden zusammenveranlagten Ehegatten erhobenen zusammengefassten Steuerbescheide gem. § 155 Abs. 3 AO 1980 verwiesen, wonach die Diskussion um den einheitlichen Zusammenveran-lagungsbescheid zugunsten bloßer individueller Zusammenveranlagungssteuer-bescheide entschieden sei.

Hat die notwendige Einheitlichkeit des Bescheides ihren Grund also bereits im Verfahrensrecht in der Weise, dass dies gesetzlich bestimmt ist (vgl. §§ 179 Abs. 2 S. 1, 2 AO i. V. m.§ 179 Abs. 1 AO) und ist damit eine Vereinheitlichung der mate-riellen Entscheidung unabdingbar gewährleistet, so genügt die Überprüfung des-sen, dass die zu treffende Entscheidung der Behörde per Gesetz einheitlich ist.

Für die anderen Fälle, bei denen die Entscheidung über die rechtserhebliche Sache ihrer Natur nach bereits eine einheitliche Entscheidung i. S. d. §§ 360 Abs. 3 AO bzw. 60 Abs. 3 FGO erfordert, deren hierzu im Abschluss ergehende einheitliche Verwaltungsakte bzw. einheitliche (Zusammenveranlagungs-)Be-scheide als solche aber nicht gesetzlich mit einheitlicher Wirkung ausgestattet sind und ein solcher einheitlicher Festsetzungs- bzw. Steuerbescheid aus rechtli-chen Gründen möglicherweise auch unrealisierbar ist, muss sich die Frage nach der Anwendbarkeit der vorliegenden Rechtsinstitute zunächst

schwerpunktmä- i-i. S. d. §§ 360 Abs. 3 AO bzw. 60 Abs. 3 FGO bestimmen.

b) Zur Unerheblichkeit der entscheidenden Maßnahme in ihrer gesetzlichen Kennzeichnung als einheitlicher Bescheid

Nimmt man die im Wortlaut erweiterten Vorschriften der § 60 Abs. 3 FGO und

§ 360 Abs. 3 AO dahin gehend ernst, dass es sich nach gewandelter Rechtslage um keinen im Gesetz als solchen klassifizierten einheitlichen Bescheid mehr han-deln muss, so ist die überwiegende Ablehnung des Zusammenveranlagungsbe-scheides aus Gründen fehlender gesetzlicher Anordnung als ein einheitlicher Feststellungs- bzw. Festsetzungsbescheid zu kurz gegriffen.

Anderseits ist hier auch zu berücksichtigen: Im Verwaltungsrecht und das Steuerrecht ist hierunter nur eines ihrer Spezialgebiete wird auf dem Gebiet der sog. Eingriffsverwaltung400 durch die Behörden gegenüber dem Bürger im Regel-fall mittels des Verwaltungsaktes gehandelt. Entscheidungen in Form einer

Fest-____________________________

399 Vgl. hierzu noch eingehend Teil IV Kap. N.II, S. 480 f. u. Kap. O.III.1, S. 533 f.

400 Steuerfestsetzung und -erhebung sind eindeutiger Teil der Eingriffsverwaltung.

stellung oder Festsetzung, also Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalles, dür-fen die Finanzbehörden nur durch Verwaltungsakt trefdür-fen, vgl. für das Steuer-recht § 118 AO. Eine verwaltungsSteuer-rechtliche Entscheidung ist eine Entscheidung, die grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe als wirksam anzusehen ist, denn das Mittel ihrer Bekanntgabe, der Verwaltungsakt ist erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung bzw. Verfügung als existent anzusehen, vgl. § 118 S. 1 AO. Im Steuerrecht geht der Verwaltungsakt regelmäßig mit der Erteilung eines Beschei-des einher. So ist in den Fällen Beschei-des Steuer- sowie Beschei-des FeststellungsbescheiBeschei-des die Schriftform angeordnet, vgl. § 157 Abs. 1 S. 1 AO (i. V. m. § 181 Abs. 1 S. 1 AO).

Schon im Allgemeinen ist das Schriftstück bzw. der Bescheid mit der schriftli-chen Ausfertigung des (einen) Verwaltungsaktes gleichzusetzen. Im Steuerrecht ist diese Regel zusätzlich ausdrücklich gesetzlich verankert: Sowohl der Steuerbe-scheid, so ausdrücklich in § 155 Abs. 1 S. 2 AO, vgl. § 155 Abs. 1 S. 2 AO, als auch der Feststellungsbescheid über die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung nach § 181 Abs. 1 S. 1 AO, sind stets mit der Erteilung eines Verwaltungsaktes übereinzusetzen.

Eine einheitliche Entscheidung, die sich, wie gesagt, notwendig in einem ein-heitlichen Verwaltungsakt niederschlägt, und ein einheitlicher steuerrechtlicher Bescheid sind also stets miteinander unauflöslich verknüpft. Ist im vorliegenden Zusammenhang also der Umstand einer einheitlichen Entscheidung zu eruieren, kann auch der einheitliche Zusammenveranlagungs-Steuerbescheid nicht fern sein.401

Es muss demnach im Rahmen dieser Untersuchung geprüft werden, ob der sog. Zusammenveranlagungsbescheid im herrschenden Wortsinne nicht stets bei-des, sowohl unter Nachweis der einheitlichen Entscheidung und des einheitlichen Verwaltungsaktes eine einheitliche Festsetzungsfeststellung sowie einen einheitli-chen Zusammenveranlagungs-Steuerbescheid als auch mehrere zusammenge-fasste Steuerbescheide, enthält oder im gegenteiligen Fall des möglicherweise vorhandenen Einzelsteuerbescheides dieser nicht stets auch den einen einheitli-chen Zusammenveranlagungsbescheid mitumfängt. Bei richtiger Einordnung könnte dann bereits an dieser Stelle zukünftig durch Vorfinden eines (an)erkann-ten einheitlichen Zusammenveranlagungsbescheides im Steuerrecht die

Notwen-____________________________

401 Das (gesonderte) Veranlagungsverfahren wird immer durch einen Verwaltungsakt abgeschlossen. Hierzu und all den weiteren Zusammenhängen siehe noch eingehend Teil IV Kap. N, S. 473 f.

digkeit der Heranziehung des Rechtsinstituts der notwendigen Hinzuziehung bzw. Beiladung im jeweiligen Einzelfall bejaht werden.

Nachdem aber die Wichtigkeit der Natur des prozessualen Rechtsverhältnis-ses, das die zusammenveranlagten Ehegatten verknüpft, schon einigermaßen umrissen worden ist, soll nun noch die spezielle Haltung des BFH zur notwendi-gen Beiladung der Zusammenveranlagung von Ehegatten untersucht werden. Er überprüft mithilfe des nachfolgenden Kriteriums zwar nicht ohne Grund die Anwendbarkeit der notwendigen Beiladung bzw. Hinzuziehung, verlässt aber auch bisweilen wie es scheint grundlos den abgesteckten Handlungsrahmen der prozessualen Rechtsinstitute der § 60 Abs. 3 FGO bzw. § 360 Abs. 3 AO.

3. Das in den

Fällen streitiger Zusammenveranlagungen von Ehegatten

Das Erfordernis der einheitlichen Entscheidung i. S. d. §§ 60 Abs. 3 FGO und 360 Abs. 3 AO kann nach herrschender Lehre im vorliegenden Sachverhalt dann erfüllt sein, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlö-schen bringt; dies gelte insbes. für Fälle, in denen das, was den Einspruchsführer bzw. Kläger begünstigt oder benachteiligt, notwendigerweise umgekehrt den Dritten benachteiligt oder begünstigt.402 Der BFH reduziert hiermit die Frage der Anwendbarkeit der § 60 Abs. 3 FGO bzw. § 360 Abs. 3 AO in den Fällen streitiger Zusammenveranlagungen von Ehegatten dabei auf die Fälle, in denen die Ehe-gatten gegenläufige Interessen verfolgen. Er hat dabei auch offen angesprochen, dass dies über den Wortlaut des § 60 Abs. 3 FGO hinaus greife.403

Die notwendige Beiladung wird im vorliegenden Zusammenhang trotzdem allenthalben verneint, da die Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber dem rechtsbehelfsführenden Ehegatten keine rechtsgestaltende Wirkung im Hinblick auf die Steuerfestsetzung des anderen Ehegatten besitze.404 Dieses Kriterium des

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402 Vgl. u. a. BFH v. 05.02.1971 VI R 301/66, BStBl. II 1971, 331, 332.

403 Vgl. u. a. BFH a. a. O., BStBl. II 1971, 331, 332.

404 BFH v. 27.02.1969 IV R 263/66, BStBl. II 1969, 343, 344; v. 11.07.1969 VI R 230/67, BStBl. II 1969, 708; v. 19.04.1988 VII R 56/87, BStBl. II 1988, 789/90; v. 12.01.2001 VI R 49/98, BStBl. II 2001, 246; v. 04.07.2001 VI B 301/98, BStBl. II 2001, 729; v.

19.12.2007 I R 111/05 BStBl. 2008, 536. Birkenfeld/Daumke, Das neue außer-gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren, 2. Aufl. (1996), Kap. IV Rz. 17; Pahlke/Koenig, Komm. zur AO, 2. Aufl. (2009), § 360 Rz. 28 u. 22; Jesse, Einspruch und Klage im Steuerrecht, 3. Aufl. (2009), B 183, S. 115.

m-men,405 wobei dort vorwiegend die Fälle des Verwaltungsaktes mit Doppelwir-kung angesprochen sind.406 Dem Dritten gegenüber erfolgt dabei keine an ihn gerichtete Entscheidung der Behörde, sondern der Verwaltungsakt hat gleichsam als Kehrseite der einen Entscheidung einem anderen Bürger gegenüber eine auch ihn betreffende, nunmehr bindend geregelte Rechtsfolge.

Ein weiterer Bescheid gegenüber dem Dritten im Hinblick auf den rechtser-heblichen Entscheidungsgegenstand und darüber hinaus gar weitere damit unmittelbar im Zusammenhang stehende Entscheidungen als Folgeentscheidun-gen stehen dabei, anders als in den im FolFolgeentscheidun-genden zu behandelnden Fällen der Zusammenveranlagung sowie der einheitlichen Gewinnfeststellung, nicht im Raum. Auch können sich somit keine Probleme hinsichtlich der Bindungswir-kung geänderter Entscheidungen auch gegenüber einem Dritten oder der Bestandskraft eines ihm bereits gegenüber ergangenen Bescheides ergeben.407

Der BFH bringt ob seiner obigen Herangehensweise bereits mittelbar zum Ausdruck, dass nach seiner Auffassung im Falle eines gegen den Zusammenver-anlagungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes eben gerade nicht um den einen Verwaltungsakt bzw. Bescheid gestritten wird, der an mehrere Steuerpflichtige gerichtet ist, weil es schon an der einen gemeinsamen Veranlagung (sprich Zusammenveranlagung im Begriffssinne) und damit infolge an einer notwendig einheitlichen Entscheidung in Gestalt eines einheitlichen Verwaltungsaktes bzw.

Bescheides fehlt.408

Für den BFH handelt es sich in den Fällen streitiger Zusammenveranlagung von Ehegatten von vornherein lediglich um Maßnahmen, die sich schon ihrer Art nach, auch wenn sie untereinander im Zusammenhang stehen, nur an einen Beteiligten richten. Damit macht er auch deutlich, dass er insgesamt nur Einzel-schuldverhältnisse der Ehegatten an der Gesamtschuld begründet wissen will.

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405 Dies wiederum liegt nahe, weil mit den heutigen Vorschriften wie schon erwähnt seit dem 01.01.1966 dem § 65 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Regelungen auch für das Steuerverfahren eingeführt wurden. Zur Auslegung des § 65 Abs. 2 VwGO, vgl. u. a. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl.

(2012), § 65 Rz. 14 m. w. N.

406 Kopp, a. a. O., § 65 Rz. 17.

407 So spricht der BFH a. a.

auch nur davon, dass im Fall der erneuten Zusammenveranlagung auch die Einkünfte des nichtklagenden Ehegatten dem nunmehr anzuwendenden niedri-geren Steuersatz unterliegen. Wie dies geschehen soll, lässt er offen.

408 Siehe dazu bereits o. Teil I Kap. A.II.1, S. 40 f., zu den Nachweisen s. Fn. 171, S. 42.

Die Ehegatten sind also für ihn nur gemeinsame Beteiligte an der Schuld, nicht an dem Schuldverhältnis.

Der Ansatz des obigen Kriteriums durch den BFH macht den Anschein, als ob der BFH Sympathien für die Möglichkeiten der notwendigen Beiladung bzw.

Hinzuziehung besitzt, wenn es sich bei den strittigen Fällen um Konstellationen handelt, bei denen der materiell-rechtlich einheitliche Bezug der Verhältnisse unter den Ehegatten für die (eine) Veranlagung am ehesten zwingend erscheint.409 Dabei scheint er um die Notwendigkeit der prozessual einheitlichen Entscheidung zu wissen, vermittelt aber zugleich den Eindruck, dass er das alte Thema , ob sich der eigentliche Zusammenveranlagungsbescheid nicht doch an beide Ehegatten zugleich richten müsse,410 nicht erneut anfachen möchte.

Im Übrigen hat es den Anschein, als versuche er, Fragen

anderen Ehegatten mit den Kriterien der Anwendbarkeit notwendiger Beiladung zu verweben. An dieser Stelle mag das aber dahingestellt sein.

Im Dokument Dorothea Degenhard (Seite 120-128)