• Keine Ergebnisse gefunden

Zur modifizierten Zusammenveranlagung von Ehegatten mit dem EStG 1958 und zur originären Zusammenveranlagung mit dem EStG 1958 und zur originären Zusammenveranlagung mit dem

Im Dokument Dorothea Degenhard (Seite 38-49)

A. Die steuerrechtliche Ausgangslage

I. Die steuerrechtlichen Vorgaben

1. Zur modifizierten Zusammenveranlagung von Ehegatten mit dem EStG 1958 und zur originären Zusammenveranlagung mit dem EStG 1958 und zur originären Zusammenveranlagung mit dem

EStG 1920

Zur gemeinsamen Besteuerung von zusammenlebenden Ehegatten wurde mit der Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes vom 18.07.195830 das noch heute die Rechtslage bestimmende sog. Ehegattensplitting auf der Basis der Zusam-menveranlagung von Ehegatten, die schon seit Beginn des ersten bundeseinheit-lichen Einkommensteuergesetzes galt,31 eingeführt.32 Hiermit veränderte man die ursprüngliche Zusammenveranlagung (originäre Zusammenveranlagung) zum einen in der Rechtsfolge insofern, als der Steuergegenstand in der Steuerberech-nung betragsmäßig halbiert wird, um den Steuertarif in seiner Progression gerin-ger zu halten, vgl. § 32a Abs. 5 EStG.33 Außerdem galt nunmehr eine strikte

____________________________

30 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts, BGBl. I 1958, 473, BStBl. I 1958, 412.

31 § 16 EStG 1920, aus dem ersten bundesdeutschen EStG v. 29.03.1920, RGBl. I 1920, 359 Erzbergersche Finanz- und Steuerreform. Inkraftgetreten am 14.04.1920. Zu Beginn der Weimarer Republik nach dem 1. Weltkrieg waren die Steuerkompe-tenzen auf das Reich übergegangen. Vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I Allgemeiner Teil, 1991, § 1 I.6., S. 10.

32 Die Bundesregierung hat in der Begründung zum Reformgesetz 1958 vom 07.03.1958, BT-Drs. III/260, S. 33 f., sehr umfassend dargelegt, aus welchen Gründen sie dem System der erneuten (modifizierten) Zusammenveranlagung, die die Nachteile der früheren Zusammenveranlagung vermeidet, den Vorzug gibt.

33 Der hierob ermittelte Steuerbetrag wird anschließend verdoppelt und in der Summe beiden Ehegatten zur Last gelegt. Hinsichtlich ihrer unterschiedlichen tarifli

-Trennung im Ansatz der den Ehegatten eigenen Einkünfte im Zusammenveran-lagungsverfahren, vgl. § 26b EStG.34 Aufgrund eines bisher nicht gekannten Wahlrechtes der Ehegatten zwischen minimierter veranlagung gem.

§ 26a EStG a. f.35 und umfangreicher Zusammenveranlagung gem. § 26b EStG i.

V. m. § 32a Abs. 5 EStG hat man die Zusammenveranlagung von Ehegatten außerdem grundsätzlich aus ihrer früheren obligatorischen Stellung herausge-nommen, vgl. § 26 EStG. Die Zusammenveranlagung von Ehegatten (modifizierte Zusammenveranlagung) stellt trotzdem den Regelfall der Ehegattenbesteuerung zusammenlebender Ehegatten dar, wie auch die als solche gehandhabte s-trittsoption der Einzelveranlagung gem. § 26 Abs. 2 S. 1 EStG veranschaulicht, denn nur die ausgeübte Wahl der Einzelveranlagung, sprich der ausdrückliche Antrag hierauf, schließt die Zusammenveranlagung von Ehegatten aus, vgl. § 26 Abs. 2 und 3 EStG.36

In ihren Grundzügen blieb die Zusammenveranlagung von Ehegatten jedoch unverändert.37 Wie schon zuvor lauteten die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben der modifizierten Zusammenveranlagung: Bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten sind die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen, vgl. § 26b EStG S. 2 195838 (Vorläufer des heutigen § 26b EStG 1975), und Personen, die zusam-men zu veranlagen sind, sind Gesamtschuldner, vgl. § 7 Abs. 2 StAnpG 193439 (Vorläufer des heutigen § 44 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AO 1977).40 Auch die nun schon Generationen überdauernde Zusammenveranlagung in ihrer Intention, die

___________________________________________________________________

(einer einfachen Tarifanwendung wie bei einem Individuum auf das

gemein-schaft

-lagung in

doppelt-Grundtarifes auf das hälftig gesplittete gemeinschaftliche Einkommen zusammen-veranlagter Ehegatten) auseinanderhalten.

34 Gerard in Lademann, § 26 EStG Anm. 9 (Nachtrag 106, Okt. 1994).

35 Sie ist mit Wirkung v. 01.01.2013 durch die Einzelbesteuerung gem. § 26a EStG ersetzt worden. Siehe zu beiden näher unt. Teil I Kap. A.I.2.b), S. 16 f.

36 Die Nichtausübung des Antrages auf Zusammenveranlagung hat gem. § 26 Abs. 3 EStG nicht zur Folge, dass der Weg in das Zusammenveranlagungsverfahren versperrt und damit eine Steuerschuldnerschaft beider Ehegatten vermieden werden kann. Siehe hierzu noch sehr eingehend im Folgenden.

37 Vgl. hierzu ausdrücklich der BFH in Urt. v. 24.01.1963 IV 189/58 U, BStBl. III 1963, 296, 297.

38 So bereits unter § 26 EStG 1934, RGBl. I 1934, S. 1005, RStBl. I 1934, 1261.

39 RGBl. I 1934, 925, RStBl. I 1934, 1149.

40 Ausführl. zur Entwicklung der Ehegattenbesteuerung, siehe u. a. Lochte in Frotscher, EStG, § 26 Rz. 1 f. (168. Lfg. 3/2012).

ökonomisch und gesellschaftspoltisch zu verankern,41 ist trotz vielfacher Kritik42 und vielfältiger Reformbestrebungen unverdrossen beibehalten worden.43

Die Zusammenveranlagung von Ehegatten begann mit dem ersten deutschen Einkommensteuergesetz in § 16 EStG 1920 a. f.44 und § 16 EStG 1921 a. f.45. In ihrer gesetzlichen Form veränderte sich diese allerdings in den ersten beiden Jahrzehnten ihrer Geltung mehrfach.46 Das bedeutet, man hat für ein umfassen-des Verständnis umfassen-des Rechtsinstituts in konzeptioneller Hinsicht auch die früheren Regelungen und die gesetzgeberischen Motive aus den Anfangsjahren der Zusammenveranlagung von Ehegatten zu berücksichtigen.

2. Die besonderen Veranlagungen zusammenlebender Ehegatten gem. §§ 26 ff. EStG im Gegenüber zur Einzelveranlagung des Einkommensteuerpflichtigen gem. § 25 EStG

Das Rechtsinstitut der Zusammenveranlagung von Ehegatten steht heute mit Ausnahme seiner Tariffolge, den Tarifgrundsätzen des sog. Splitting-Verfahrens (§ 32a Abs. 5 EStG), im III. Teil des Einkommensteuergesetzes mit dem Titel niedergelegten Vorschriften sind auch alle Verfahren verschiedener einkommensteuerlicher Veranlagungsformen von Ehegatten gere-gelt, wobei die in ihnen enthaltenen materiellen Grundsätze auch den Umfang der jeweiligen Veranlagung im Formellen bestimmt.

____________________________

41 Das ist nicht gleichbedeutend mit dem ökonomischen Schutz der Hausfrau bzw.

haushaltsführenden Person.

42 So u. a. der 50. Deutsche Juristentag 1974, Verhandlungen des 50. Dt. Juristen-tages, Bd. II: Sitzungsberichte, Hamburg 1974, L S. 179 ff., u. Erna Scheffler, die selbst an dem Beschluss des BVerfG v. 17.01.1957 I BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, BGBl.

I 1957, 186, BStBl. I 1957, 193, mitwirkte, der die Zusammenveranlagung in alter Form zu Fall gebracht hatte. Sie hielt das vom Gesetzgeber in seiner Form realisierte Ehegattensplitting für verfassungswidrig, Scheffler in Bettermann/Nip-perdey/Scheuner, Die Grundrechte IV/1 (1960), 245, 313 f.

43 Der 57. Deutsche Juristentag 1988 sprach sich diesmal für die Zusammen-veranlagung in ihrer heutigen Form aus, vgl. die Beschlüsse des 57. Dt.

Juristentages, NJW 1988, 2998, 3007.

44 EStG v. 29.03.1920, RGBl. I 1920, 359.

45 Novelle zum EStG v. 24.03.1921, RGBl. I 1921, 313.

46 § 22 EStG 1925, RGBl. I 1925, 189; § 26 EStG 1934, RGBl. I 1934, S. 1005 RStBl. I 1934, 1261, 1269.

Die Einzelveranlagung gem. § 25 EStG erfasst überwiegend steuerpflichtige Ledige.47 § 26 Abs. 1 S. 1 EStG enthält für zusammenlebende Ehegatten ein Ver-anlagungsformwahlrecht mit Vorrang für die Zusammenveranlagung (vgl. § 26

Abs. 2 S. 1-3 EStG siehe § 26 Abs. 3

EStG48),49 und neuerdings zweier Optionen entweder für die schlichte Einzelver-anlagung (vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 25 EStG) oder einer kombinierten Einzel-veranlagung mit einer gewissen vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 26a EStG 2013.50 Nicht weiter verwunderlich ist, dass Ehepaare entspre-chend dieser gesetzlichen Gewichtung der Veranlagungsverfahren auch tatsäch-lich recht selten für die getrennte Besteuerung votieren, da die Zusammenver-anlagung in den üblichen Fällen differierender Einkommenshöhen der beiden Ehegatten untereinander zu einer niedrigeren Steuer führt (sog. Splittingvor-teil)51. Die Zusammenveranlagung gemäß §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG ist nach ständiger Praxis der Regelfall bei der Ehegattenbesteuerung, da sie die günstigere Wahl für Ehegatten darstellt.

a) Zur Einzelveranlagung des Einkommensteuerpflichtigen gem. § 25 EStG

Das Einkommensteuergesetz geht vom Individualprinzip aus, d. h. jede natürliche Person wird für sich steuerlich erfasst (Grundsatz der Individualbesteuerung).52 Dementsprechend schreibt § 25 Abs. 1 EStG vor, dass jeder Steuerpflichtige nach

____________________________

47 Außerdem gehören grundsätzlich die dauernd getrennt lebenden Ehegatten mit Ablauf des Trennungsjahres dazu. Früher rechneten auch die in eingetragener gleichge

48 Nehmen die Ehegatten ihr grundsätzlich eingeräumtes Wahlrecht nicht wahr, wird ihnen die Wahl der Zusammenveranlagung unterstellt, vgl. § 26 Abs. 3 EStG a. f. bzw. hat das Zusammenveranlagungsverfahren zu erfolgen, vgl. § 26 Abs. 3 EStG 2013.

49 A. A. BFH v. 21.06.2007 III R 59/06, BStBl. II 2007, 770, 772.

50 Die besondere Veranlagung nach § 26c EStG für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung kann im Hinblick auf die vorliegende Thematik außen vor bleiben, zumal sie ab dem VZ 2013 generell abgeschafft wird.

51 Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn ihr Einkommen die zweifache untere Proportionalzone nicht übersteigt.

52 Das kann aber nur die Grundaussage des § 1 Abs. 1 EStG sein; Individuen stehen hinsichtlich des Steuerzugriffes eindeutig im Fokus der Besteuerung nach dem EStG. Das EStG in seinen Prinzipien verschließt sich aber nicht der einkom-mensteuerlichen Berücksichtigung von Individuen in ihrem ökonomischen Zusammenschluss, wie man an den im Weiteren dargelegten Fällen

einkom-rsehen kann.

seinem eigenen Einkommen zu veranlagen ist, das er im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres bezogen hat. Wie der Ausdruck schon besagt, wird diese Veranla-gung nur in Bezug auf den jeweiligen Steuerpflichtigen als Individuum geführt und findet deshalb seinen Gebrauch in Anwendung der individualbezogenen Grundsätze des Einkommensteuerrechtes.

Im Falle von Ehegatten, die alle Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG erfüllen, ist die reine Einzelveranlagung neuerdings erstmalig standardgemäß vorgesehen, wenn mindestens einer der Ehegatten eines Ehepaares dahin gehend per Antrag votiert hat. Bis vor kurzem galt dies nicht. Es gab für Ehegatten immer eine mehr oder minder umfangreiche gemeinschaftliche Betrachtung und Behandlung ihrer Einkommenssphären im Zuge der einkommensteuerlichen Ver-anlagung.53

b) Zur getrennten Veranlagung bzw. Einzelveranlagung von Ehegatten gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 EStG a. u. n. f. i. V. m.

§ 26a EStG a. und n. f.

Die bisherige sog. getrennte Veranlagung von Ehegatten gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 EStG a. f. i. V. m. § 26a EStG a. f.54 sowie die heutige Einzelveranlagung gem. § 26 Abs. 2 S. 1 EStG 2013 i. V. m. § 26a EStG 201355 ermöglichen auf Antrag die getrennte einkommensteuerliche Besteuerung zusammenlebender Ehegatten.

Beide stellen jedoch insofern eine besondere Veranlagungsart dar, als im Zuge ihrer Anwendung die individualbezogenen Grundsätze des Einkommensteuerge-setzes wie bei der Zusammenveranlagung nur in eingeschränkter Weise auf zusammenlebende Ehegatten Anwendung finden. Bereits bei der bisherigen sog.

getrennten Veranlagung von Ehegatten56 behandelte man die Ehegatten vorwie-gend als eigenständige Steuerpflichtige. Sie unterlagen aber dennoch bis vor

kur-____________________________

53 A. A. BFH v. § 26 Abs. 2 EStG (a. f.)

regele nicht nur, wie einer der Ehegatten bei entsprechender Wahl zu veranlagen sei, sondern führe eine beiderseitige übereinstimmende Veranlagung her

54 Steueränderungsgesetz v. 18.07.1958, BGBl. I 1958, 473, BStBl. I 1958, 412, 418, u. 3.

Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) Gesetz zur Reform der Einkommen-steuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung v. 05.08.1974, BGBl. I 1974, 1545, 1569, BStBl. I 1974, 530, 537.

55 In der Fassung des Art. 1 d. Steuervereinfachungsgesetzes v. 20.12.2011 (StVereinfG), BGBl. 2011, S. 2131, erstmals anzuwenden für den VZ 2013, vgl. § 52 Abs. 68 S. 1 EStG. Vgl. u. a. zur Neuregelung Schmidt/Seeger, EStG, 33. Aufl.

(2014), § 26 Rz 1.

56 Vgl. die Überschrift des § 26a EStG a. f.

zem einer gewissen obligatorischen gemeinschaftlichen bzw. wie die h. L. es wohl eher sieht gemeinsamen Einkommensermittlung.

Im Bereich des objektiven Einkommens folgte man bereits von Beginn an (1958) dem strengen Prinzip der Individualbesteuerung. Alle Einkünfte der Ehe-gatten werden bis heute getrennt ermittelt und als solche einzeln wie in der Summe individuell erfasst.57 Im Bereich des subjektiven Einkommens galt das Prinzip der Individualbesteuerung allerdings nur eingeschränkt: Bis zum Veran-lagungszeitraum 2013 zog man u. a. die Sonderausgaben (§ 9c EStG) und die außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) bei jedem Ehegatten stets zur Hälfte ab, wenn die Ehegatten nicht gemeinsam eine andere Aufteilung bean-tragten, vgl. § 26a EStG 2009.58 Die als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Beträge wurden einheitlich wie bei der Zusammenver-anlagung ermittelt und dann entsprechend der hälftigen Aufteilungsquote auf beide Ehegatten verteilt.59

Der einzeln veranlagte Ehegatte gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 EStG n. f. i. V. m. § 26a EStG n. f. wird nunmehr zwar regelmäßig eigenständig besteuert, unterliegt aber nach Wahl in Teilen wiederum einer gewissen gemeinschaftlichen Besteuerung mit dem anderen Ehegatten: Die Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belas-tungen sowie die Steuerermäßigung nach § 35a EStG werden in Höhe des bei einer Zusammenveranlagung in Betracht kommenden Betrages bei beiden ein-zelnen Veranlagungen jeweils zur Hälfte abgezogen, soweit die Ehegatten gemeinsam diese Aufteilung beantragen, vgl. § 26a Abs. 2 S. 2 EStG n. f. Ansons-ten werden sie dem zugerechnet, der sie wirtschaftlich getragen hat, vgl. § 26a Abs. 2 S. 1 EStG n. f.

Die Einzelveranlagung gem. § 26a EStG 2013 ist der Einzelveranlagung als Grundform nun recht nahe. Aber auch hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber den Tatbestand der Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit zu berücksichti-gen gedenkt.60 Allerdings ist gerade auch hier das Bemühen ersichtlich, die

Ein-____________________________

57 Siehe dazu u. a. Gotthardt, Die Ehegattenbesteuerung, 1992, S. 78 f. u. Falk, DStZ 1957, 225, 233.

58 Gesetz v. 08.10.2009, BStBl. I 2009, 3366. § 26a EStG variierte über die Jahre im Umfang hinsichtlich der grundsätzlich hälftig anzusetzenden Abzüge, vgl. die Vorschrift des § 26a EStG in den zuvorigen Fassungen.

59 BFH v. 26.03.2009 VI R 59/08, BStBl. II 2009, 808.

60 BFH a. a. O., BStBl. II 2009, 808, 809 f. Zur speziellen Form der hierbei noch zu berücksichtigenden Gemeinschaft der Ehegatten, vgl. Teil IV Kap. B.IV.5a, S.317 f.

heits- bzw. Gemeinschaftsbesteuerung der Ehegatten in ihrer Bedeutung herun-terzuspielen. So wird stets der Gesichtspunkt der getrennten, also der der Einzel-veranlagung in den Mittelpunkt gerückt, obgleich ja auch hier die spezielle Ver-anlagungsart für zusammenlebende Ehegatten im Kern erneut ein wenn auch geringfügigeres gemeinschaftliches Veranlagungsverfahren ausmacht. Insofern war der Titel der Vorschrift, deren Inhalt ja eigentlich gerade gemeinschaftliche einkommensteuerrechtliche Grundsätze sind, niemals passend. Dies gilt insbe-sondere für den neuen Titel der geänderten Vorschrift des § 26a EStG, der von der

geht61.

Um das Verhältnis zwischen Zusammenveranlagung und Einzelveranlagung von Ehegatten speziell für den Fall des Wechsels zwischen beiden Verfahren sys-temgerecht erfassen zu können, ist die getrennte Besteuerung bzw. Einzelbesteue-rung von Ehegatten gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 EStG i. V. m. § 26a EStG nur am Rande mit in die vorliegende Untersuchung hineinzunehmen.

c) Zur Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG 1975

Mit der Neufassung des § 26b EStG 1958 durch das 3. Einkommensteuerreform-gesetz (EStRG) im Jahr 197562 ging die tarifrechtliche Regelung des § 26b S. 1 EStG 1958 in den heutigen § 32a Abs. 5 1975 über und der § 26b S. 2 EStG 1958 als Kernregelung des Besteuerungsvorganges gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten wurde einer erweiterten Regelung zugeführt.63 § 26b EStG, in der ab 1975 geltenden Fassung, lautet:

Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zuge-rechnet, und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt

____________________________

61 Vgl. die Überschriften der § 26a EStG a. u. n. f.

62 Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung v. 05.08.1974, BGBl. I 1974, 1545, BStBl. I 1974, 530. Beginn des Anwendungszeitraumes: 01.01.1975.

63 Während bisher in dieser Vorschrift nur die Zusammenrechnung der Einkünfte der gesamte Besteuerungsvorgang bei Zusammenveranlagung von Ehegatten

-v. Strandmann/Kieschke (BMF), DStZ 1974, 331, 336; nochmals Kieschke, DB 1974, 1736 (beide waren mit der Gesetzesänderung befasste Ministerialbeamte aus dem Bundesfinanzmin.); Bals/Kleinsorge/Tullius, StWa 1974, 172, 174.

Vornehmlich der BFH betrachtete die Erweiterungen des § 26b EStG (zuvor kursiv gesetzt) nur als redaktionelle Änderungen entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung zur Ermittlung der gegenüber den zusammen zu veranlagenden Ehegatten festzusetzenden Einkommensteuer.64 Andere, allen voran einige Finanzgerichte, sahen darin auch eine inhaltliche Korrektur gegenüber der zuvo-rigen Gesetzeslage.65 Der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung gaben dafür in ihrer Stellungnahme ob der gesetzlichen Erweiterungen zwar konkreten Anlass, in dem sie nur mehr von einem Gesamtbetrag der Einkünfte, von einem Ein-kommen und einer Steuer sprachen,66 wiesen in den Motiven aber zugleich darauf hin, dass es sich im Wesentlichen nur um eine Einarbeitung der zeitweilig erfolgten Rechtsprechung handele.67 Neue Erklärungsansätze des hier behandel-ten Rechtsinstitutes wurden hiermit wieder zurückgedrängt.68

3. Die gesamtschuldnerische Haftung zusammenveranlagter Ehegatten nach § 44 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AO

Ehegatten sind nach § 44 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AO 197769 Gesamtschuldner, wenn sie usammen zu einer Steuer zu veranlagen . Die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer gem. §§ 26, 26b und 32a Abs. 5 EStG bildet heutzutage den einzigen Fall des § 44 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AO.

Früher gab es zum einen noch die Zusammenveranlagung von Familienmit-gliedern (Ehegatten sowie u. U. zusammen mit ihren Kindern) zur steuer (§ 11 VStG). Sie verschwand mit der Außerkraftsetzung der Vermögen-steuer zum 01.01.1996.70 Zum anderen fand unter der Geltung des § 7 Abs. 2

____________________________

64 BFH v. 26.07.1983 VIII R 160/80, BStBl. II 1983, 674. Die h. L. gibt an, dass die Neufassung der Vorschrift ab 1975 die materielle Rechtslage unberührt lassen sollte, vgl. u. a. Schmieszek in Bordewin/Brandt, EStG, § 26b Rz. 2 (339. Aktual., Febr. 2012); HHR/Pflüger, EStG und KStG, § 26b EStG Anm. 2 (Lfg. 258 Juli 2013).

65

zusammenveranlagter Ehegatten aus steuerlichen Einzelsubjekten in ein

Einheitssu

-gungsgemeinschaft den Erlass eines einheitlichen Steuerbescheides zu for

66 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 3. Einkommensteuerreformgesetz 1975, BT-Drs. 7/1470, zu § 118, S. 299.

67 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 3. Einkommensteuerreformgesetz 1975, a. a. O., S. 6.

68 Vgl. hierzu auch Pogge-v. Strandmann/Kieschke, BMF, DStZ 1974, 331, 336.

69 V. 16.03.1976, BGBl. I 1976, 613, BStBl. I 1976, 157. Beginn des Anwendungs-zeitraumes am 01.01.1977.

70 § 14 VStG a. f.; Schwarz, AO, § 44 Rz. 16 (132. Lfg. 2/2009).

StAnpG 193471(Vorläufer des § 44 Abs. 1 S. 1 3. Alt. AO 1977) bis in das Jahr 1958 auch noch die Zusammenveranlagung auf dem Gebiet der Vermögensabgabe statt, vgl. § 38 LAG.72 Hier befürwortete der BFH bisweilen die notwendige Bei-ladung der Ehegattin unter engen Voraussetzungen.73

Es ist bereits an dieser Stelle dem Eindruck entgegenzutreten, die gesamt-schuldnerische Haftung beider Ehegatten sei als das tragende Motiv für die einstmals entstandene gemeinsame Ehegattenbesteuerung im Wege der Zusam-menveranlagung anzusehen. Wie Enno Becker schon frühzeitig formulierte, ist es Sinn und Zweck der Zusammenveranlagung, beide Ehegatten von vornherein zugleich und gemeinschaftlichfür die Einkommensteuer in Anspruch nehmen zu können .74 Daneben klingen bereits andere Gründe an, auch wenn im Regelfall beide Ehegatten zur Steuer herangezogen werden (mittels zusammengefasster Bescheide gem. § 155 Abs. 3 AO). Die daraus resultierende Meistbegünstigung für den Gläubiger wurde zwar früher des Öfteren explizit als tragendes Motiv ange-führt,75 ist aber spätestens seit sich der Ehegatte der Zwangsvollstreckung wegen der Steuerschulden des anderen Ehegatten im Wege des Aufteilungsverfahrens gemäß §§ 268 AO 1977 (früher § 7 Abs. 3 Sätze 4 ff. StAnpG 1934) erwehren kann, argumentativ unglaubwürdig.76 Diese Einschätzung bestätigt auch die Pra-xis: Die gesamtschuldnerische Haftung sei nahezu ohne jede praktische Bedeu-tung, da in der Mehrzahl der Fälle die Einkommensteuer anstandslos gezahlt werde. Die Vollstreckung werde nur in seltenen Fällen eingeleitet.77

____________________________

71 V. 16.10.1934, RGBl. I 1934, 925, RStBl. I 1934, 1149.

72 Lastenausgleichsgesetz v. 14.08.1952, BGBl. I 1952, 446.

73 Siehe näher Teil I Kap. A.II.1, S. 40 f.

74 Becker in Handkomm. Reichsteuergesetze II 2. Teil, 1929, EStG, § 22 II Bem. 8, S.

1229.

75 Preißer, Die Gesamtschuld im Steuerrecht nach der AO 1977, S. 101.

76 Ein ganz wesentlicher Moment, das Konzept der Zusammenveranlagung überhaupt begreifen zu können, ist das Wissen darum, welche Ziele man mit der Zusammenveranlagung ursprünglich und auch heute noch erreichen will. Die Möglichkeit zur Errichtung einer gesamtschuldnerischen Haftung beider umging damit die Schwierigkeiten, die sich aus dem Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Ehemannes am Vermögen der Ehegattin ergaben. Vgl.

dazu noch näher Teil IV Kap. M.IV.5.b)(2)(a), S. 352 f. Mit dem Ende der originären Zusammenveranlagung fiel dieses Bedürfnis hinweg.

77 Dürr in Frotscher, EStG, § 26b Rz. 34 (137. Lfg. 3/2007).

4. Das Aufteilungsverfahren gem. §§ 268 ff. AO

Das Aufteilungsverfahren gem. §§ 268 ff. AO 197778 hat aus einigen, im Laufe der Untersuchung noch zu vertiefenden Gründen Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang:

Neben dem einkünfteerzielenden Ehegatten haftet auch die erwerbslose Ehe-gattin bzw. der erwerbslose Ehegatte als Folge der gesamtschuldnerischen Haf-tung beider Ehegatten aufgrund Zusammenveranlagung gem. § 44 Abs. 1 S. 1 3.

Alt. AO 1977 für die Steuerschuld des anderen Ehegatten dem Finanzamt gegen-über. Dieser Ehegatte hat aber im Fall der Vollstreckung die Möglichkeit der Auf-teilung der Steuerschuld, sodass gemäß den Vorschriften der §§ 268 ff. AO 1977 (vormals § 7 Abs. 3 Sätze 4 ff. StAnpG 193479) infolge eines entsprechenden Antrages die Vollstreckung der festgestellten gemeinsamen Steuerschuld auf den-jenigen Teilbetrag begrenzt wird, für den er bei getrennter Veranlagung selbst haften würde.

Diese Möglichkeit der Vollstreckungsabwehr ist zugleich mit der Beibehaltung der Zusammenveranlagung von Ehegatten im Jahr 1958 durch das Steuerreform-gesetz geschaffen worden, auch um den Entschluss zur Beibehaltung der Zusammenveranlagung zu erleichtern.80 Man baute damit Bedenken vor, die sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe) ergaben.81 Schon früher hatte man sich gegen diese Haftung der Frau für die Schulden des Ehemannes gewandt, weil die Ehefrau ansonsten nicht für die Schulden des Mannes hafte.82 Diese steuerfreistellende Handhabung der Gesamtschuldnerschaft aus Zusam-menveranlagung widerspreche so der einzige bisherige Einwand hiergegen der Splitting-Rechtfertigung, wonach die Ehegatten eine Erwerbs- und

Ver-____________________________

78 V. 16.03.1976, BGBl. I 1976, 613, BStBl. I 1976, 157.

79 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18.07.1958, Art. 13 Ziff. 2b, BGBl. I 1958, 473, 490, BStBl. I 1958, 412, 429. Später kam die Aufteilungs-verordnung (AuftVO) vom 08.11.1963, BGBl. 1963 I, 785, hinzu. Siehe dazu ausführl. Koch, DStZ 1963, 357.

80 Görbing (BMF), DStZ 1958, 217, 219.

81 Siehe unter dem Stichwort des Verbots einer Benachteiligung von Ehegatten dann später auch hierzu Stellung nehmend BVerfG v. 21.02.1961 1 BvL 29/57, 20/60, BVerfGE 12, 151, 173 f., BStBl. I 1961, 55, 61 f.; BFH v. 18.12.2001 VII R 56/99, BStBl. II 2002, 214, 215 f.; Koch, a. a. O., 358; Müller-Eiselt in H/H/Sp, Vorbem. 4 zu § 268-280 AO (Lfg. 220 Nov. 2012).

82 Vgl. Hannes, Haftung und Gesamtschuld im Steuerrecht, 1974, S. 22 m. w. N.

brauchsgemeinschaft darstellen,83 unter deren Dach ein Ehegatte an den Einkünf-ten und LasEinkünf-ten des anderen jeweils wirtschaftlich zur Hälfte teilhat.84

Der Antrag auf Aufteilung kann frühestens nach Bekanntgabe des Leistungs-gebots bei der Finanzbehörde gestellt werden, § 269 Abs. 2 S. 1 AO,85 da erst dann die Gefahr einer Inanspruchnahme besteht.86 Die Entscheidung über die Auftei-lung ergeht mit Wirkung für und gegen alle Gesamtschuldner und wird durch schriftlichen Bescheid, den sog. Aufteilungsbescheid, angeordnet, § 279 Abs. 1 S.

1 AO. Nach gesetzlicher Anordnung handelt es sich hierbei um einen einheitli-chen Bescheid, § 279 Abs. 1 S. 1 AO; deswegen ist in diesen Fällen nach herr-schender Auffassung die notwendige Beiladung bzw. Hinzuziehung des anderen Ehegatten auch stets vorzunehmen.87

Die Beschränkung der Haftung vollzieht sich durch die Aufteilung der gemeinsamen Steuerschuld, und zwar in der Weise, dass der einzelne Ehegatte nur noch insoweit für die Steuerschuld einzustehen hat, als sie auf sein eigenes Einkommen entfällt.88 Nach § 270 S. 2 AO sind hierfür im Aufteilungsbescheid die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen der Steuerfestsetzung aus dem Zusammenveranlagungsbescheid zugrunde zu legen. Diese können mit Rechtsbe-helfen gegen den Aufteilungsbescheid nicht angefochten werden.89

Dieses Aufteilungsverfahren steht besonders dann im Mittelpunkt des Interes-ses, wenn es sich um die Fälle späterer Aufteilung des Steuerrückstandes zur Beschränkung der Vollstreckung handelt, bei denen ein Steueranteil auf beide Ehegatten entfällt, weil beide Einkünfte haben.

____________________________

83 Siehe dazu vertiefend u. Teil IV Kap. M.IV.5.c)(1)(b)(i), S. 584 f.

84 Vorwold, FR 1992, 789, 790; Tipke, Neuordnung der Familienbesteuerung, Vollstreckung die Hälfte des Einkommens zugerechnet werden. Wenn im materiellen Recht eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs angenommen wird, in der jeder an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat, und die Eheleute durch die Wahl der Zusammenveranlagung auch eine solche Gemeinschaft behaupten, ist es inkonsequent, bei der Vollstreckung wieder von der individuellen Behandlung des Einkommens der Eheleute auszugehen, m. a. W. die Gemeinschaft des Erwerbs

85 Ax/Grosse/Melchior, AO und FGO, 20. Aufl. (2010), Tz. 626; s. a. Schlücking, DStR 1985, 141, 142.

86 Dürr in Frotscher, EStG, § 26b Rz. 36 (137. Lfg. 3/2007).

87 Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl. (2012), § 360 Rz 9 m. w. N.

88 Bonsels in Klein/Flockermann/Kühr, EStG, 3. Aufl. (1981), § 26b Rz. 30.

89 BFH v. 17.05.2001 X B 69/00, BFH/NV 2001, 1521, 1522 m. w. N.

Im Dokument Dorothea Degenhard (Seite 38-49)