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1.1 Einführung in das Thema Mobbing

1.1.3 Prävalenz in Österreich und international

Im European Working Conditions Survey 2010 (Eurofound EWCSS2010, 2012) wurde u.a. er-hoben, wie viele Personen die Frage bejahten, ob sie innerhalb des letzten Jahres im Arbeits-kontext Mobbing ausgesetzt waren. Wie schon zuvor erwähnt gaben in Österreich 7.2 Prozent

der befragten Personen an, im vergangenen Jahr im Arbeitskontext von Mobbing betroffen ge-wesen zu sein. Damit findet sich Österreich in dieser Befragung im Vergleich zu anderen euro-päischen Ländern in der Spitzengruppe wieder. Angeführt wird diese Statistik in der Erhebung von Frankreich mit 10 Prozent Betroffenen. In den Ländern Bulgarien, Polen, Italien und Slo-wenien fallen die Werte in dieser Statistik mit jeweils einem Wert von 1 Prozent am geringsten aus.

Es sollte jedoch festgehalten werden, dass die Prävalenzwerte für Mobbingbetroffenheit am Arbeitsplatz im Vergleich zwischen verschiedenen Studien, bei Untersuchungen in ver-schiedenen Ländern und unter Nutzung verschiedener Erhebungsmethoden stark variieren kön-nen. Zur Veranschaulichung werden an dieser Stelle drei verschiedene Studien, aus verschie-denen Ländern und mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden als Beispiele vorgestellt.

In einer Studie aus Frankreich von Niedhammer, David und Degioanni (2007), die 7594 Arbeitnehmer/-innen der Allgemeinbevölkerung im Südosten Frankreichs umfasste, wurden mit dem LIPT (Leymann, 1996b) 12 Prozent der Befragten als von Mobbing betroffen identifi-ziert. Der LIPT geht hierbei wie oben bereits diskutiert von der Definition Leymanns aus, nach der Mobbing dann vorliegt, wenn die betroffene Person in den letzten 12 Monaten mindestens wöchentlich und für sechs Monate oder mehr den Mobbinghandlungen ausgesetzt war (Ley-mann, 1996a). Außerdem legten die Autoren den Befragten eine Definition von Mobbing vor, woraufhin diese einschätzen sollten, ob sie laut dieser Definition in den letzten 12 Monaten von Mobbing betroffen waren. Hierbei schätzten sich 25 Prozent der Befragten als von Mobbing betroffen ein.

In Einer Studie von Ortega, Høgh und Pejtersen (2009) wurden Daten untersucht, die der Second Danish Psychosocial Work Environment Study entnommen wurden. Bei 3429 zu-fällig aus dem Danish Centralized Civil Register ausgewählten Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung permanent in Dänemark wohnten, wurde hierbei ebenfalls Mobbingbetroffenheit erhoben. Dazu legte man den teilnehmenden Personen eine Definition von Mobbing vor. Im Anschluss sollten die Befragten einschätzen ob und wenn ja, wie oft sie nach der Definition in den letzten 12 Monaten von Mobbinghandlungen betroffen waren. Nur 1.6 Prozent der Befrag-ten gaben an, täglich bis wöchentlich von Mobbinghandlungen betroffen gewesen zu sein. Je-doch waren 6.2 Prozent den Angaben der Befragten nach zumindest gelegentlich in den letzten 12 Monaten von Mobbinghandlungen betroffen.

Die dritte Beispielstudie wurde in Spanien von Trijueque und Gomez (2010) durchge-führt. An der Studie nahmen 2861 der spanischen Bevölkerung zugehörigen

Arbeitnehmer/-innen teil, die aus diversen Beschäftigungssektoren im Einzugsgebiet der Region Madrids re-krutiert wurden. Auch hier wurde den teilnehmenden Arbeitnehmern/-innen eine Definition von Mobbing vorgelegt, nach der sie im Anschluss einschätzen sollten, ob sie demnach in den letz-ten sechs Monaletz-ten von Mobbing betroffen waren. Von den Befragletz-ten gaben 5.8 Prozent an, wöchentlich oder täglich betroffen zu sein und 8.2 Prozent sahen sich gelegentlichem Mobbing ausgesetzt.

Den Schwankungen bei der Erfassung von Mobbingbetroffenheit waren sich auch Niel-sen, Matthiesen und Einarsen (2010) bewusst. Sie widmeten diesem Thema eine Meta-Analyse.

Ziel ihrer Analyse war es herauszuarbeiten, inwiefern methodische Unterschiede Anteil haben an der Varianz, der in der Literatur berichteten Prävalenzraten von Mobbing am Arbeitsplatz.

Dabei differenzierten sie die in den verschiedenen Studien gewählten, unterschiedlichen Ope-rationalisierungen von Mobbing am Arbeitsplatz. Bei der Self-labelling-Methode wird Mob-bingbetroffenheit zumeist nur durch die Beantwortung einer einzelnen Frage erhoben. In man-chen Studien wurde den Befragten zusätzlich noch eine Definition vorgelegt, die dann als Aus-gangspunkt für die Beantwortung der Frage dienen sollte. Bei der Behavioral Experience-Me-thode werden den Befragten eine Reihe von verschiedenen Verhaltensweisen vorgelegt, die als Mobbing eingestuft werden können, sofern sie wiederholt vorkommen. Daraufhin müssen die Befragten einschätzen wie oft sie diesen Verhaltensweisen innerhalb einer bestimmten Zeit ausgesetzt waren. Ob bei den jeweiligen Befragten dann von Mobbingbetroffenheit auszugehen ist oder nicht, wird zumeist durch ein vordefiniertes operationalisiertes Kriterium oder einen statistischen cut-off Wert entschieden.

Insgesamt wurden im Rahmen der Meta-Analyse 102 Studien berücksichtigt, von denen 34 Mobbingbetroffenheit anhand der Behavioral Experience-Methode erhoben haben, 21 mit-tels der Self-labelling-Methode ohne Definition und 47 mit der Self-labelling-Methode inklu-sive zusätzlicher Definition. Bei Betrachtung aller untersuchten Studien, unabhängig von der Erhebungsart, wird eine Prävalenzrate für Mobbing am Arbeitsplatz von 14.6 Prozent berichtet.

Bei getrennter Betrachtung der verschiedenen Erhebungsmethoden berichten die Forscher unter Berücksichtigung der Behavioral Experience-Methode eine Prävalenzrate von 14.8 Prozent.

Bei der Self-labelling-Methode ohne Definition liegt sie bei 18.1 Prozent und bei der Self-la-belling-Methode mit Definition bei 11.3 Prozent.

Auch geographische Unterschiede wurden in der Erhebung berücksichtigt und unter-sucht, da sich die Ursprungsländer der 102 Studien auf 24 verschiedene Länder aus allen be-wohnten Kontinenten verteilten. Die Studien aus den verschiedenen Ländern wurden dann wie-derum auf die drei übergeordneten Gruppen Skandinavien, andere europäische Länder und

Nicht-europäische Länder aufgeteilt. Die Analyse ergab u.a., dass die Prävalenzrate in den skandinavischen Ländern im Vergleich zu den anderen beiden Ländergruppen in allen drei oben genannten Erhebungskategorien geringer ausfiel.

Je nach Erhebungsmethode, Stichprobe und Land, in dem die jeweilige Erhebung durch-geführt wird, lassen sich also Schwankungen hinsichtlich der Mobbingprävalenz beobachten.

Insgesamt veranschaulichen die Studien, dass verhältnismäßig viele Menschen im Arbeitskon-text von Mobbing betroffen sind. Dies stellt ein ernst zu nehmendes Problem dar, da die Folgen des Mobbings sowohl für die Betroffenen Arbeitnehmer/-innen, als auch die jeweiligen Arbeit-geber weitreichend sein können. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die potenziellen Folgen des Mobbings noch näher behandelt (s. Abschnitt 1.1.8 Mobbingfolgen).

Potenzielle Geschlechterunterschiede in der Mobbingbetroffenheit untersuchten Zapf, Einarsen, Hoel und Vartia (2003) in einer Meta-Analyse, in der sie Daten aus 28 verschiedenen Erhebungen analysierten. Sie berichten, dass in den meisten Stichproben der Studien die Mob-bingbetroffenen zu einem Drittel aus Männern und zwei Dritteln Frauen bestanden. Jedoch ver-weisen die Autoren darauf, dass in den meisten Fällen die Geschlechterverteilung innerhalb der jeweiligen Gesamtstichprobe ebenfalls zu zwei Dritteln aus Frauen und zu einem Drittel aus Männern bestand. Sie vermuten, dass dies wiederum daran liegen kann, dass Frauen innerhalb der untersuchten Populationen von vornherein überrepräsentiert waren, da die Erhebungen in Arbeitssektoren durchgeführt wurden, die von Frauen dominiert werden (z.B. Dienstleistungs- und Gesundheitssektor). Da das Verhältnis der von Mobbing betroffenen Männern zu mobbing-betroffenen Frauen jedoch dem Gesamtverhältnis von Männern und Frauen in der Gesamtstich-probe entspricht, resümieren die Autoren aus ihren Analysen, dass Frauen und Männer bezüg-lich Mobbings ähnbezüg-lich gefährdet sind. Dieser Analyse nach, scheint also das Geschlecht für Mobbingbetroffenheit keine entscheidende Rolle zu spielen, weshalb es für die Analysen der vorliegenden Arbeit nicht als unabhängige Variable berücksichtigt wird.

Diese Entscheidung wird auch durch die Daten der anfänglich des Kapitels vorgestellten Studien zur Mobbingprävalenz gestützt, da diese Studien zusammengenommen auch keine klare Aussage zulassen. So berichten Niedhammer et al. (2007) nur leichte Unterschiede in der Geschlechterverteilung der Mobbingbetroffenen (11 Porzent Männer, 12.8 Prozent Frauen).

Trijueque und Gomez (2010) beobachteten einen signifikanten Unterschied bezüglich der Mob-bingbetroffenheit (6.9 Prozent der Frauen, 4.3 Prozent der Männer. Ortega et al. (2009) wiede-rum fanden keine signifikanten Unterschiede.

Auch bezüglich des Alters zeichnet sich in der bisherigen Forschung hinsichtlich der Mobbingbetroffenheit ein heterogenes Bild. Ortega et al. (2009) konnten zum Beispiel keine

signifikanten Altersunterschiede hinsichtlich der Prävalenz von Mobbingbetroffenheit unter Arbeitnehmern/-innen beobachten. Dann wiederum gibt es Studien, die entweder nahelegen, dass eher bei jüngeren (Einarsen & Raknes, 1997), älteren (Einarsen & Skogstad, 1996) oder Arbeitnehmer/-innen mittleren Alters (Notelaers, Vermunt, Baillien, Einarsen & De Witte, 2010) von Mobbingbetroffenheit auszugehen ist. In einer Studie von Hansen, Hogh, Persson, Karlson, Garde und Ørbæk (2006), in der 437 Arbeitnehmer/-innen befragt wurden, von denen wiederum 22 (5 Prozent) von Mobbing betroffen waren, konnten ähnlich wie bei Ortega et al.

(2009) keine signifikanten Altersunterschiede zwischen Mobbingbetroffenen und nicht mob-bingbetroffenen Arbeitnehmern/-innen festgestellt werden. Das Durchschnittsalter der Mob-bingbetroffenen lag hier bei 49 Jahren. Mikkelsen und Einarsen (2010) sammelten Daten von 107 mobbingbetroffenen und 107 nicht von Mobbing betroffenen Arbeitnehmern/-innen. Im Rahmen ihrer Analysen erfassten sie bezüglich der Kontrollgruppe ein Durchschnittsalter von 41 Jahren (range: 20-66), während das Durchschnittsalter der Mobbingbetroffenen bei 47 Jah-ren (range: 20-64) lag und somit dem Durchschnittswert ähnelt, den Hansen et al. (2006) doku-mentierten. Letztendlich lässt sich an dieser Stelle keine klare Aussage darüber treffen, in wel-chen Altersgruppen Mobbingbetroffenheit eher auftritt.

Da die Daten bisheriger Studien letztlich keine klare Aussage über die Bedeutung von Geschlecht und Alter in Bezug auf Mobbingbetroffenheit zulassen, werden diese Variablen in der vorliegenden Arbeit nicht als unabhängige Variablen in die Berechnungen aufgenommen.

Klar geht hingegen aus den Daten von Erhebungen zur Prävalenz von Mobbing am Arbeitsplatz hervor, dass es ein weit verbreitetes und somit ein umso bedeutsameres gesellschaftliches Phä-nomen ist.