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3 Sozialsystem Unternehmen

3.3 Organisation

Dem Organisations-Begriff kommt in dieser Arbeit eine wichtige Bedeutung zu. Dabei han-delt es sich aber nicht um den Organisations-Begriff im Sinne einer Organisation in ihrer Ge-samtheit. Gemeint sind im allgemeinen Sprachgebrauch damit Institutionen, Unternehmen, Verbände o.ä. Vielmehr beschreibt Organisation im Kontext der konstruktivistischen Sozial-theorie einen strukturellen Aufbau, das heißt, die Relation von Einzelteilen entsprechend eines unternehmensinternen „Ordnungsmusters“, nämlich der Systemorganisation.168 Die Begriffe Unternehmen und Organisation werden in dieser Arbeit deshalb nicht synonym ver-wendet169, da die Gleichsetzung von Unternehmen und Organisation eine Analyse des Or-ganisations-Begriffs ausschließen würde.170

Während der Organisationsbegriff häufig definiert wird über rein formale Organisationskrite-rien, wie die begrenzte Anzahl von Mitgliedern,171 „Anerkennungsregeln“ oder „Mitglied-schaftsregeln“, die durch Personalrekrutierung und Rollenspezifikation festgelegt werden können172 o.ä., hat Hejl den Organisationsbegriff enger gefasst. Dabei negiert er weder die formelle noch informelle Organisation eines Unternehmens als funktionelle Voraussetzung, sondern bezieht sich auf die Interaktionsebene:

Die Organisation eines Systems ist das Interaktionsmuster zwischen ihren Komponenten173, das in einem Beobachtungsintervall stabil bleibt. Wichtig ist dabei das Muster und nicht die Handlungen, Kommunikationen, Entscheidungen usw., aus denen die Organisation be-steht.“174

Der Schwerpunkt liegt damit auf dem Interaktionsmuster und nicht auf der Interaktion selbst.

Mit Interaktionsmuster ist die strukturelle Abbildung von bestehenden Handlungsmustern gemeint, die ihrerseits natürlich auf Interaktionen beruhen. Diese, vielleicht auf den ersten Blick etwas schwer zu fassende, Differenzierung wird eingängig, sobald man Hejls Ausfüh-rungen weiter folgt. Dort bezieht er sich auf zwei Eigenschaften, welche die Organisation

168 Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung. Opladen/Wiesbaden 2000, S. 302.

169 Vgl. Schmidt, Siegrfried J.: a.a.O., S. 49.

170 Hejl, Peter M./Heinz K. Stahl: Management und Selbstregulierung. A.a.O., S. 114.

171 Vgl. Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung. A.a.O., S. 302f.

172 Ebd.

173 „Komponenten“ beschreibt an dieser Stelle Teilsysteme oder Akteure innerhalb des Systems.

174 Hejl, Peter M./Heinz K. Stahl: Management und Selbstregulierung. A.a.O., S. 113.

kennzeichnen: „Die Organisation ist [zum einen] gegenüber einzelnen Komponenten auto-nomisiert, und sie ist [zum zweiten] selektiv.“175 Mit dem Begriff der Autonomisierung ist eine Art Unabhängigkeit des Unternehmens gegenüber bestimmten Verhaltensänderungen ein-zelner Komponenten und/oder Teilsystemen gemeint. Das heißt, dass beispielsweise be-stimmte Ereignisse nicht zwangsläufig alle AkteurInnen innerhalb eines Systems einschlie-ßen oder betreffen. Folglich bringt eine Verhaltensänderung von Einzelkomponenten nicht automatisch eine Veränderung des Interaktionsmusters innerhalb des Unternehmens mit sich. Die Systemorganisation ist davon also nicht betroffen.176 Ein simples Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein Unternehmen hat bestimmte Arbeitsabläufe festgelegt und diese anhand von Prozessen für alle Mitarbeiter zugänglich beschrieben. So wird sichergestellt, dass die jeweiligen Tätigkeiten mit möglichst geringen Reibungsverlusten verrichtet werden können und jedes Systemmitglied sich auf seine direkten KollegInnen, seien diese Personen nun im Prozessschritt vorgelagert oder nachgelagert, verlassen kann. Ändert nun ein Akteur inner-halb dieser Prozesskette sein Verhalten und greift damit in den Arbeitsablauf, beispielsweise die Form seines elektronischen Ablagesystems ein, entsteht dadurch eine Ablaufstörung.

Diese kann zwar kurzfristig, beispielsweise bis zur Klärung durch eine/n Vorgesetze/n den Arbeitsablauf im Tagesgeschäft stören, es führt aber nicht dazu, dass das bestehende Inter-aktionsmuster von Kommunikation, Handlung und Entscheidung des Unternehmens geän-dert wird. So erklärt sich eine Autonomisierung des Unternehmens gegenüber Verhaltensän-derungen einzelner Komponenten oder Teilsystemen. Handelt es sich im beschriebenen Fall hingegen um eine Prozessverbesserung, welche von einer Person angestoßen wurde, ist davon auszugehen, dass eine Änderung des Interaktionsmusters, sofern gewünscht, einige Zeit in Anspruch nehmen würde, bis alle MitarbeiterInnen den neuen Prozessablauf erlernt haben. Hejl verweist in diesem Zusammenhang auf die Tendenz zum Konservatismus, da

„Veränderungen von Routinen individuelles und organisationales Lernen erfordert.“177

Der zweite Aspekt, die Selektivität, bezieht sich auf die Verarbeitung (Input/Output) von In-teraktionen. Zunächst ist davon auszugehen, wie weiter oben bereits erwähnt, dass nur in Grenzfällen alle Akteure eines Sozialsystems in Interaktionen einbezogen sind,178 wie bei offiziellen Stellungnahmen der Geschäftsleitung o.ä. In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgt die Interaktion, wie beispielsweise die Kommunikation, selektiv. Anders formuliert:

Ein/e MitarbeiterIn erhält täglich zahlreiche Informationen aus seiner/ihren direkten Umge-bung über unterschiedliche Medien, wie E-Mail, Telefon, Intranet oder im persönlichen

175 Hejl, Peter M./Heinz K. Stahl: Management und Selbstregulierung. A.a.O., S. 114.

176 Hejl, Peter M.: Das adaptionistische Missverständnis. In: Bergmann, Gustav / Meurer, Gerd (Hrsg.): Best Pat-terns Marketing. Erfolgsmuster für Innovations-, Kommunikations - und Markenmanagement. Neuwied 2003, S.

113.

177 Vgl. Hejl, Peter M.: Management und Selbstregulierung. A.a.O., S. 114.

178 Vgl. Hejl, Peter M.: Management und Selbstregulierung. A.a..O., S. 114. Vgl. auch Hejl, Peter M.: Das adapti-onistische Missverständnis. A.a.O., S. 113.

spräch. Die darin enthaltenen Informationen werden vom jeweiligen Akteur/der jeweiligen Akteurin aufgrund des Vorwissens (firmenspezifisches Wissen in Bezug auf die fachliche Tätigkeit wie auch in Bezug auf Verhaltensmuster, Werte und Normen und persönliches Wissen aufgrund früherer Erfahrungen, erlernter Handlungsmuster anderer Sozialsysteme, welchen er/sie angehört), das immer ein Art „Schnittmengenwissen“ mit anderen AkteurIn-nen bildet, verarbeitet. Der Akteur wählt bestimmte InformatioAkteurIn-nen aus und setzt diese ent-sprechend des beschriebenen Vorwissens um. Dies bedeutet, dass gewisse Interaktionen ausgelöst werden, andere Informationen hingegen einfach zur Kenntnis genommen werden, ohne dass damit eine bestimmte Handlung oder Kommunikation vollzogen wird. Oder wie Hejl es präzise formuliert: „… ‚Organisation’ bezeichnet ein selektives Netz von Input-Output-Beziehungen zwischen den Komponenten eines Systems.“179

179 Vgl. Hejl, Peter M.: Management und Selbstregulierung. A.a.O., S. 115.