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8 Ergebnispräsentation Fallstudie

8.1 Dimension 1: Das Unternehmen

8.1.3 Hierarchie

Im Unternehmen gibt es acht Hierarchiestufen, allerdings sind nicht in allen Bereichen alle Stufen anzutreffen sind und es gibt Positionen im Unternehmen, die möglicherweise außer-halb der klassischen Organisationsordnung stehen (beispielsweise im Falle von Projektlei-tungen).375 Die hierarchische Organisationsstruktur der Lufthansa Cargo AG beinhaltet fol-gende Rangpositionen: Vorstand, Hauptabteilungsleiter/Bereichsleiter, Abteilungsleiter/-in, Team- oder Gruppenleiter/-in, Schichtleiter/-in, Projektleiter/-in, Referent/-in, Fachkraft und Sachbearbeiter/-in. Dies ist keine Nennung in Bezug auf einen möglichen Karriereweg inner-halb des Unternehmens, Das heißt, eine Referentin könnte durchaus Abteilungsleiterin wer-den, ohne vorher Teamleiterin gewesen zu sein. Allerdings ist es kaum denkbar, dass ein Sachbearbeiter direkt Abteilungsleiter würde.376

Für die vorliegende Untersuchung interessiert mich, in welcher Form, das heißt, Art und Wei-se, diese Hierarchie zum Tragen kommt und wie sie empfunden wird. Die Ergebnisse hätten an dieser Stelle kaum eindeutiger sein können:

1. Hierarchie ist nicht nur eine Form der Organisation zur Aufrechterhaltung des laufen-den Betriebs. Sie beschreibt ein „Oben“ und „Unten“, das in laufen-den Denk- und Kommu-nikationsstrukturen sowie folglich in den Handlungsstrukturen von Führungskräften zu MitarbeiterInnen und umgekehrt verankert ist.

2. Hierarchie „dividiert“ die MitarbeiterInnen nicht nur organisatorisch, sondern auch im Hinblick auf das/die Unternehmensziel/e auseinander.

3. Hierarchie ist ein Machtinstrument.

Die Denkstrukturen der MitarbeiterInnen sind hierarchisch geprägt, sowohl bei den Mitarbei-tern in Führungsfunktion als auch bei den MitarbeiterInnen ohne Führungsverantwortung.

Bei Führungskräften wird es definiert über die Nähe zum Vorstand: „Ja, also man sagt, Per-sonalbereich ist auch verlängerter Arm der Geschäftsführung,“377 und „dass das an meiner Funktion liegt, da ich sehr dicht am Vorstand bin.“378 Eine andere Führungskraft äußert sich bei der Frage, was er dem Vorstand sagen würde, gleich so: „Ich habe den Eindruck, das ist für mich keine Konjunktivfrage, sondern ich habe die Gelegenheit und ich kann mit dem Vor-standvorsitzenden über diese Themen reden und über diese Themen wird auch geredet.“379

375 Beispielsweise sind im Check-in-Betrieb Schichtleiter tätig, während diese Stellenart im administrativen Be-reich nicht besteht. Quelle: Kenntnisse aus meiner Berufserfahrung bei Lufthansa.

376 Kenntnisse aus meiner Berufserfahrung bei Lufthansa.

377 Interview Nr. 12, Zeile 17ff.

378 Interview Nr. 12, Zeile 38.

379 Interview Nr. 20, Zeile 158f.

Sie betonen ihre Verantwortung über Begriffe, wie „meine Mannschaft“380 oder „Indianer und Häuptlinge.“381

Den MitarbeiterInnen ohne Führungsverantwortung ist die Form der gelebten Hierarchie be-wusst und wird von ihnen teilweise als willkürlich beschrieben:

- „Man kann es gar nicht selber bestellen. Man muss es bestellen lassen. Dann läuft das durch zwei Freigabe-Instanzen und eine Woche später ist es da.“ (Interview Nr. 1, Zeile 53)

- „Ich fand es früher wesentlich besser, als wir alle an einem Strang gezogen haben.“ (Interview Nr.

13, Zeile 79)

- „Ja, hier kriegen Sie also Vorgesetzte, gibt es hier bei der Lufthansa ziemlich viel, jeder will Vorge-setzter werden oder er hat irgendeine Funktion, die ihn vielleicht prädestiniert als „Vorgesetzten“. Es fängt hier von der Hierarchie an mit 1. Fachkraft… Nach der 1. Fachkraft gibt es Schichtleiter… Dann gibt es Gruppenleiter… und danach gibt es keine Ahnung, hau mich tot.“ (Interview Nr. 15, Zeile 37ff.) - „Auch teilweise wenig Rücksprache gehalten, sondern dann einfach von oben praktisch bestimmt und hat sich dann nach unten durchgeschlagen… Es gab so bestimmte Personen, die so nach Guts-herren Art da geschaltet und gewaltet haben.“ (Interview Nr. 17, Zeile 15ff.)

- „Man muss jetzt den offiziellen Weg gehen, um Anfragen zu stellen, die vielleicht auch über Vorge-setzte oder den jeweiligen Teamleiter gehen.“ (Interview Nr. 17, Zeile 154)

- „Es ist ein sehr hierarchisches Miteinander.“ (Interview Nr. 22, Zeile 41)

Die MitarbeiterInnen reflektieren aus ihrer subjektiven Sichtweise die Folgen von Hierarchie.

Teilweise spüren sie Hierarchie fachlich in ihrer täglichen Arbeit (Freigabeinstanzen oder Entscheidung von oben ohne vorherige fachliche Rücksprache), und teilweise geht es dabei um die Beobachtung „des Managements“ (Zielvereinbarungen oder der Vorwurf, für das ei-gene Portemonnaie zu arbeiten und dabei das Unternehmen zu vergessen). Dabei scheint es sich nicht um emotionale Themen (wie Gerüchte o.ä.) zu handeln, sondern um konkrete Punkte, welche das Fortkommen des Unternehmens als Ganzes („Manager sind keine Un-ternehmer“, „früher war es wesentlich besser, als wir alle an einem Strang gezogen ha-ben“382), das eigene Arbeitsgebiet („auch teilweise wenig Rücksprache gehalten“383) oder aber die persönliche Laufbahn betreffen („es hat auch immer viel mit den persönlichen Vor-gesetzten zu tun…inwieweit da eine Förderung stattfindet und stattfinden kann und generell ist man da ziemlich im Ungewissen“384).

380 Interview Nr. 12, Zeile 58.

381 Interview Nr. 19, Zeile 197f.

382 Interview Nr. 13, Zeile 79 und Zeile 90.

383 Interview Nr. 1, Zeile 15.

384 Interview Nr. 1, Zeile 49.

Hierarchie und die hier beschriebenen Phänomene zeigen, dass die genannten Rangstufen nicht nur die hierarchische Organisationsstruktur eines Unternehmens beschreiben, sondern ein Unterlegenen-/Überlegenen-Verhältnis schaffen. Dies entsteht bereits im Moment der Aufstellung eines Organigramms, dessen Kästchen mit Namen und Verantwortungen besetzt werden, und zieht sich durch alle Arbeitsabläufe. In diesem Sinne handelt es sich um eine Machtstruktur, die „sich reproduziert in der direkten Form des Gehorsams“385, ohne dass der Unterlegene wirklich Einfluss nehmen kann:

„Personalhoheit ist (und bleibt natürlich) ein wichtiges Herrschaftsinstrument, vor allem, wenn die Untergebenen über die Art ihrer Handhabung im Ungewissen gelassen werden kön-nen.“386

Fasse ich die wichtigsten Ergebnisse der beiden Kategorien „Hierarchie“ und „Vorbildfunktion Führungskräfte“ zusammen, ergeben sich folgende Kodes:

• Hierarchische Denk- und Handlungsstrukturen

• Hierarchie schafft Abhängigkeiten

• Zwei-Klassen-Kultur

• Unternehmensziele versus Individualziele

• Hierarchie ohne Vorbilder

Zwischenfazit: Eine hierarchische Organisationsstruktur schafft Pole.

385 Vgl. Baraldi, Claudio/Giancarlo Corsi/Elena Esposito: a.a.O., S. 114.

386 Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidungen. Opladen 2000, S. 280.