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Leitfadenorientierte ExpertInnen-Interviews

7 Methode

7.1 Leitfadenorientierte ExpertInnen-Interviews

Die Methoden der Datenerhebung sind hier insofern eingegrenzt, als dass ich das Indivi-duum als MitarbeiterIn innerhalb des Unternehmens untersuche und den Themenschwer-punkt der Identitätsbildung gesetzt habe. Mit der Entscheidung, ExpertInnen-Interviews

327 Flick, Uwe/Ernst von Kardorff/Ines Steinke: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Oktober 2005, S. 14.

328 Vgl. Flick, Uwe/Ernst von Kardorff/Ines Steinke: a.a.O., S. 17.

durchzuführen, habe ich mich gegen eine quantitative Untersuchungen wie dies beispiels-weise in einer Mitarbeiterbefragung möglich gewesen wäre, und gegen eine Beobachtung mit den bekannten Differenzierungsgraden (offen, verdeckt, unterschiedliche Grade der Teil-nahme, Ausmaß der Standardisierung der Beobachtung etc.) entschieden.329 Mein Ziel war es, mit den Individuen zu sprechen, ihre bewussten Einstellungen und Meinung zu erfahren.

Gegen eine breit angelegte Mitarbeiterbefragung sprachen, wie weiter oben erwähnt, die bereits durchgeführte Befragung im ersten Halbjahr 2005 und die mangelnde Möglichkeit, zu bestimmten Antworten der Befragten nachzuhaken oder aufkommende Themen anzuspre-chen – möglicherweise ergeben sich aus bestimmten Antworten neue, wichtige Themen. Ein Interview hingegen ermöglicht ein Nachfragen und eröffnet vielleicht Fragestellungen, die auch in anderen Interviews thematisiert und eingefügt werden könnten.

Ich benötige für eine Untersuchung folglich nur bedingt biographisches Wissen, sondern inte-ressiere mich für die Person als „Experten/Expertin in einem bestimmten Handlungsfeld“:

„Im Unterschied zu anderen Formen des offenen Interviews bildet bei ExpertInneninterviews nicht die Gesamtperson den Gegenstand der Analyse, Das heißt, die Person mit ihren Orien-tierungen und Einstellungen im Kontext des individuellen oder kollektiven Lebenszusammen-hangs. Der Kontext, um den es hier geht, ist ein organisatorischer oder institutioneller Zu-sammenhang, der mit dem Lebenszusammenhang der darin agierenden Personen gerade nicht identisch ist und in dem sie nur einen „Faktor“ darstellen.“330

Deshalb habe ich mich mit dem ExpertInneninterview als spezielle Ausprägung des Leitfa-den-Interviews beschäftigt und bin abschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Interviewform die notwendige Strukturierung der Fragen bei gleichzeitiger Offenheit für neue Themen erlaubt, welche sich im Verlauf des Interviews ergeben können.331 Weiterhin erlaubt diese Interviewform die Untersuchung der von mir gewünschten Funktion des Akteurs inner-halb des Sozialsystems.

Der Forscher oder die Forscherin verleiht den ExptertInnenstatus gewissermaßen für die Zeit der Befragung.332 Das impliziert nicht, dass die zu befragende Person nicht in jedem Fall Experte/Expertin für ein bestimmtes Arbeitsgebiet, wie Controlling, Marketing oder Personal-führung sein könnte. Diese ExptertInnenrollen können allerdings aus Sicht der Forschenden ohne Belang sein, wenn es um ein Forschungsgebiet geht, wie es die vorliegende

329 Vgl. Lüdders, Christian: Beobachten im Feld und Ethnographie. In: Flick, Uwe / Ernst von Kardorff / Ines Stein-ke: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Oktober 2005, S. 386.

330 Meuser, Michael/Ulrike Nagel: ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur quali-tativen Methodendiskussion. In: Garz, D./K. Kraimer (Hrsg): Qualitative-empirische Sozialforschung. Opladen 1991, S. 442. Vgl. dazu auch: Ders., S. 444.

331 Vgl. Flick, Uwe: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. September 2005, S. 139.

332 Meuser, Michael/Ulrike Nagel: a.a.O.

chung beschreibt: Im Rahmen der Forschungsarbeit sind die ExpertInnen aufgrund Ihrer Tä-tigkeit und dem damit im Zusammenhang stehenden „priviligierten Zugang zu Informationen oder Entscheidungsprozessen“ als InterviewpartnerInnen relevant und werden erst aufgrund letztgenannter Aspekte zu ExpertInnen.333

ExpertInneninterviews kommen in verschiedenen Forschungsfeldern zum Einsatz. Ihre An-wendung ist im Rahmen eines empirischen „Methodenmix“ oder als eigenständiges Verfah-ren denkbar.334 In der vorliegenden Untersuchung habe ich mich für einen Einsatz als eigen-ständigen Verfahrens entschieden, das heißt die ExpertInneninterviews sind alleinige Unter-suchungsmethode: Meuser und Nagel weisen explizit darauf hin, dass ExpertInneninterviews genutzt werden können, um Kontextwissen (Methodenmix) oder Betriebswissen (eigenstän-diges Verfahren) zu erforschen. Meine spezifischen Erkenntnisinteressen richten sich auf Wissens - und Handlungsstrukturen, Einstellungen und Prinzipien innerhalb des Unterneh-mens, welche im Bereich des Betriebswissens zu verorten sind. Damit kann die Entschei-dung für ein eigenständiges Verfahren, das allein auf ExptertInneninterviews ruht, begründet werden:

„Im einen Fall [Anm. d. Verf.: Betriebswissen]bilden die ExptertInnen die Zielgruppe der Unter-suchung, und die Interviews sind darauf angelegt, dass die ExpertInnen Auskunft über ihr ei-genes Handlungsfeld geben. … Im anderen Fall[Anm. d. Verf.: Kontextwissen] repräsentieren die ExptertInnen eine zur Zielgruppe komplementäre Handlungseinheit, und die Interviews haben die Aufga-be, Informationen über die Kontextbedingungen des Handelns der Zielgruppe zu liefern.“335

Der Vorteil von ExpertInneninterviews liegt in der abschließenden Vergleichbarkeit der Er-gebnisse. Diese ist mir besonders wichtig, weil die Einzelperson als RepräsentantIn einer Gruppe, in diesem Fall der MitarbeiterInnen des Unternehmens, steht. So erlaubt das Exper-tInneninterview in der abschließenden Analyse der Ergebnisse eine Beschreibung der „Her-stellung“ sozialer Wirklichkeit. Das heißt, ich bewege mich über den Zugang subjektiver Sichtweisen und deren gegenstandsbezogener Auswertung (Grounded Theory), auf die Ebene, die Ergebnisse der Interviews zusammenzufassen und deren Gemeinsamkeiten und/oder Differenzen in eine abschließende Analyse zu fassen.

333 Als weiteres Kriterium für den ExptertInnenstatus nennen Nagel und Meuser folgendes: „Als Experte wird angesprochen, wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kon-trolle einer Problemlösung. Vgl. dazu: Meuser, Michael/Ulrike Nagel: a.a.O., S. 443.

334 Ebd., S. 441.

335 Ebd., S. 445. Im weiteren Verlauf heißt es: „Kontextwissen bezieht sich auf ein überbetriebliches soziales System.“ Ebd., S. 454.