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Orale Immunisierung gegen KSPV beim Schwarzwild

2 LITERATURÜBERSICHT

2.5 Bekämpfungsstrategie der KSP bei Wildschweinen

2.5.2 Orale Immunisierung gegen KSPV beim Schwarzwild

Zur oralen Immunisierung gegen KSPV kommen nur Lebendimpfstoffe in Frage (CHENUT et al., 1999). KSPV wurde u. a. durch Passage im Kaninchen attenuiert (BAKER, 1946 zitiert nach URBANECK, 1971). Der vermutlich am besten charakterisierte Impf-Stamm ist der lapinisierte C-(“Chinese“) Stamm, dessen Ursprung nicht genau bekannt ist. Weitere Vertreter dieser Gruppe der modifizierten Lebendvakzinen sind der (guinec pig exaltation negative) GPE-negativ und der mexikanische PAV-250-Stamm, die weltweit bei der KSP-Bekämpfung zur Anwendung kommen (De SMIT et al., 2000). Attenuierte Lebendimpfstoffe auf Basis des C-Stamms waren auch Grundlage der KSP-Bekämpfung in Deutschland (BEER et al., 1977).

Im Falle des C-Stammes besteht etwa vier bis sieben Tage nach parenteraler Impfung weitgehender Schutz; der Impfstoff ist außerordentlich sicher und frei von Nebenwirkungen und induziert die Bildung hoher protektiver Antikörpertiter im Impfling (VAN OIRSCHOT, 2003). Diese Vakzine wird heute noch zur Impfung von Hausschweinbeständen in

Drittländern benutzt, darüber hinaus wird der C-Stamm seit Mitte der 1990er Jahre zur oralen Immunisierung von Schwarzwild gegen KSPV in Deutschland eingesetzt (KADEN et al., 2002, 2003a, 2003b). Experimentelle Studien an Hausschweinen zeigten, dass die Ködervakzine bei oraler Aufnahme zehn Tage post vaccinationem eine protektive Immunität induziert, die für mindestens zehn Monate bestehen bleibt. Durch Applikation des Impfstoffs entsteht keine Gefahr für andere wildlebende Tiere (CHENUT et al., 1999; KADEN u.

LANGE, 2001b).

2.5.2.2 Orale Immunisierung

Für die Mitgliedstaaten der EU gilt seit dem Jahre 1990 ein Impfverbot für KSP. Nach aktueller RL 2001/89/EG sind jedoch Notimpfungen mit Zustimmung der EU-Kommission in Ausnahmefällen und nach Vorlage und Bewilligung eines Notimpfplanes erlaubt (ANONYM, 2001).

Lebende Schweine oder frisches Schweinefleisch darf nur dann in Mitgliedsstaaten importiert werden, wenn in den exportierenden Ländern während der vorausgegangenen 12 Monate weder KSP aufgetreten ist, noch Impfungen gegen KSPV durchgeführt wurden (RL 2001/89/EG). Im Falle eines Seuchenausbruchs in Hausschweinebeständen ist gesetzlich die Keulung aller Schweine des Seuchenbetriebes und der Kontaktbetriebe vorgeschrieben.

Weitere Maßnahmen sind umfangreiche Sperr- und Beobachtungszonen sowie strikte Handelsrestriktionen für schweinehaltende Betriebe.

Die Nicht-Impfpolitik im Seuchenfall wird aus ethischen und finanziellen Gründen zunehmend hinterfragt (EDWARDS et al., 2000b; ELBERS, 2005; DEPNER et al., 2005).

Ein entscheidendes Problem beim Einsatz eines konventionellen attenuierten Lebendimpfstoffes, wie z. B. des C-Stamms, liegt in der Tatsache begründet, dass geimpfte Tiere nicht von mit Feldvirus infizierten Tieren unterschieden werden können (MOENNIG, 2000, 2005). Die Entwicklung von Impfstoffen, die eine Differenzierung der geimpften von infizierten Tieren zulassen (DIVA = differentiation of infected from vaccinated animals), eröffnet neue Möglichkeiten in der KSP-Bekämpfung (VAN OIRSCHOT, 1999b; VAN RIJN et al. 1999; De SMIT et al. 2000; GREISER-WILKE u. MOENNIG, 2004).

Eine DIVA- (= Marker-) Vakzine erlaubt die Differenzierung zwischen der Antikörper-antwort von infizierten und geimpften Tieren, da die Vakzine mindestens ein antigenes

Protein oder Epitop weniger trägt als das Feldvirus (VAN OIRSCHOT, 2003). In den letzten Jahren wurden verschiedene Entwicklungen im Bereich der KSP-Marker-Vakzinen unternommen, dazu zählen DNA-Vakzinen, Subunit-Vakzinen, homologe rekombinatne Impfviren oder protektive Peptide. Die Umsetzbarkeit ist eng verknüpft mit der Entwicklung eines diskriminatorischen Tests (GREISER-WILKE u. MOENNIG, 2004).

Gegen KSPV wurden bisher zwei Totimpstoffe als Markervakzinen zugelassen, die das virale Glykoprotein E2 des KSPV enthalten. Das Glykoprotein-E2 wird in Insektenzellen mit Hilfe eines Baculovirus-Vektors produziert, gereinigt und mit wirksamen Adjuvantien formuliert (Subunit-Vakzine) (VAN RIJN et al. 1999). Im Vergleich zu konventionellen attenuierten KSP-Lebend-Vakzinen sind die zugelassenen DIVA-Impfstoffe weniger effizient und die Sensitivität der zugehörigen diskriminatorischen ELISAs ist geringer als bei herkömmlichen ELISAs oder VNTs (MOENNIG, 2005). Ausserdem gibt es momentan keinen geeigneten Markerimpstoff für die orale Immunisierung gegen KSPV. Um in Zukunft das DIVA-Prinzip in der KSP-Bekämpfung von Schwarzwild etablieren zu können, wird aktuell im Rahmen eines EU-Projektes die Entwicklung einer neuen attenuierten Lebend-Markervakzine zur oralen Applikation an Schwarzwild betrieben („CSF Vaccine & Wild boar“, SSP1-501599).

Erste erfolgversprechende Ergebnisse liegen mit einem rekombinanten Impfstoffkanditaten CP7_E2alf vor (KOENIG et al., 2005).

Die orale Immunisierung des Schwarzwild in Kombination mit verstärkter Jagd wurde in ihren Anfängen als KSP-Bekämpfungsprogramm sehr kontrovers diskutiert (ARTOIS et al.

2002), konnte allerdings nach den Erfahrungen in den deutschen Feldversuchen als ein geeignetes Hilfsmittel in die KSP-Bekämpfungsstrategie der EU einfließen (KADEN et al.

2002, 2003a). Diese Vakzinierungen wurden als wissenschaftliche Feldversuche durch den Ständigen Veterinärrat der Kommission in Brüssel geduldet. Nach der damaligen EU-Direktive 80/217/EWG war eine Impfung gegen KSPV sowohl bei Haus- als auch Wildschweinen verboten (ANONYM, 1980). Aufgrund guter Erfahrungen aus den Feldversuchen in Deutschland ist die orale Immunisierung von Schwarzwild gegen KSPV jetzt als zusätzliche Bekämpfungsmaßnahme in Artikel 20 der RL 2001/89/EG aufgeführt.

Grundlage für spätere Impfkampagnen gegen KSPV in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,

Sachsen-Anhalt, Saarland und Rheinland-Pfalz war ein Feldversuch auf drei Truppen-übungsplätzen in Niedersachsen im Jahr 1993 (KADEN et al. 2000a, 2001a, 2002; KERN u.

LAHRMANN, 2000; TEUFFERT et al., 2004). Neben den deutschen Impfgebieten wurde zwischenzeitlich auch in Luxemburg im Jahr 2003 und im September 2004 in Frankreich (Departement Bas-Rhin), direkt an der Grenze zum Pfälzer Wald in Rheinland-Pfalz, eine orale Immunisierung der Wildschweine in die laufende Seuchenbekämpfung integriert (SCHON, 2004; TEUFFERT et al., 2004; Le POTIER et al., 2005).

Erfahrungen und Unterschiede der Feldversuche in Deutschland wurden in der Literatur umfassend beschrieben und ausgewertet (KADEN et al., 2000, 2002, 2003a, 2005b; KERN, 1999b; SCHURIG, 1999; STEYER, 2000). Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Unterschiede in den Immunisierungsstrategien gerichtet, da diese im Laufe der Zeit verändert wurde (KADEN et al., 2004b)(vergleiche Kapitel 2.4.3, Tabelle 2). Auch die Größe der Vakzinationsgebiete variierte in den einzelnen Bundesländern. In allen Feldversuchen wurde eine Impfung mittels der C-Stamm-Vakzine durchgeführt. In der Regel erfolgte die Köderauslage per Hand. In ausgewählten Gebieten Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsen-Anhalts und Brandenburgs wurde auch eine Köderausbringung per Flugzeug versucht (KADEN et al., 2002).

In den meisten Feldversuchen erwies sich jedoch die Immunisierung der Frischlinge (< 4 Monate) als ineffektiv, da sie die Köder aufgrund der Größe häufig nicht aufnehmen konnten und deshalb von der Impfung nicht erreicht wurden (KADEN et al., 2002). Erst durch eine verbesserte Impfstrategie in Form einer dreimaligen Doppelimmunisierung im Jahr (jeweils zweimalige Frühjahrs-, Sommer-, Herbstauslage der Impfköder im Abstand von 14-28 Tagen), konnte im Feldversuch von Baden-Württemberg eine höhere Seroprävalenz bei Jungtieren erreicht werden (im Mittel >45 %), obwohl sie eindeutig niedriger war als bei Überläufern und Altsauen (KADEN et al., 2003a, 2004b, 2005b). In früheren Feldversuchen wurden bei Frischlingen mittlere Seroprävalenzwerte von 20-25 % festgestellt (KADEN et al., 2002). Zur Verbesserung der Jungtierimmunisierung wird aktuell die Tauglichkeit kleinerer Impfköderformulierungen untersucht (BRAUER et al., 2005).