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5 DISKUSSION

5.2 Jagdstreckenauswertung

Mit Hilfe der Untersuchungsdaten aus Rheinland-Pfalz eröffnete sich neben der Betrachtung serologischer und virologischer KSP-Befunde die Möglichkeit einer Jagdstreckenanalyse aus Gefährdeten Bezirken unter Aufschlüsselung nach Altersklassen. Für die Untersuchung der Jagdstrecke wurden Daten aus Gemeinden der Gefährdeten Bezirke ausgewählt, weil nach geltender Rechtsprechung im gesamten Untersuchungszeitraum jedes erlegte Wildschwein in

diesem Restriktionsgebiet auf KSP untersucht werden musste. Folglich wurde postuliert, dass die Anzahl untersuchter Wildschweine des Gefährdeten Bezirkes repräsentativ für die Jagdstrecke in diesem Gebiet ist.

Die monatlichen Streckenanalysen aus den Gefährdeten Bezirken der Regionen Eifel und Pfalz zeigten eine starke Schwankungsbreite der Abschusszahlen im Jahresverlauf. MÜLLER (2001) erklärte die Streckenschwankungen vor allem mit den jahreszeitlichen Unterschieden in der Bejagbarkeit des Schwarzwildes und mit Biotopspezifitäten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Herbst-/Wintermonate (Oktober, November, Dezember und Januar) die Haupt-jagdzeit für Schwarzwild in Rheinland-Pfalz waren. Verschiebungen in der Saisonalität des Anstiegs bzw. Abfalls der Abschusszahlen waren zwischen den Monaten erkennbar. Es ist anzunehmen, dass neben Witterungsverhältnissen (z. B. geringe Schneedecke im Winter oder fehlende Vollmondnächte) auch unterschiedliche Nahrungsquellen (z. B. Baummasten) die Bejagbarkeit des Schwarzwildes erschwerten, da in diesem Fall Kirrungen schlecht angenommen werden. Zusätzlich haben die Jagdmotivation des einzelnen Revierinhabers und die Organisation und Durchführung von Drückjagden entscheidenden Einfluss auf Schwankungen der Streckenzahlen.

Ein wichtiges Kriterium für die Begutachtung der durchgeführten jagdlichen Maßnahmen war die Stratifizierung der Abschusszahlen in die drei Altersklassen 0-1 Jährige (Frischlinge), 1-2 Jährige (Überläufer) und über 2 Jährige (Adulte). Eine jährliche Strecke von mindestens 70 - 80 % Frischlingen, höchstens 10 - 20 % Überläufern und etwa 10 % älteren Sauen wurde seit einigen Jahrzehnten in geringen Abwandlungen von unterschiedlichsten Autoren empfohlen (BRIEDERMANN, 1990; HENNIG, 1998; HAPP, 2002; PETRAK, 1996, 1999; STAHL, 1996; MÜLLER, 2001). Auch in den „12-Punkte-Programmen“ von Rheinland-Pfalz wurden diese Forderungen als Bejagungsgrundlage aufgenommen. Neuere Untersuchungen verlangen ein striktes jagdliches Management mit Eingriff von mindestens 80 % in der Frischlingsklasse (SODEIKAT u. POHLMEYER, 2004; GETHÖFFER, 2005), da genau diese Altersklasse bei guten Nahrungsverhältnissen als Motor für die gesamte Populationsdynamik des Schwarzwildes angesehen wird (SODEIKAT et al., 2005b; BIEBER u. RUF, 2002).

Die Streckenanalysen zeigten, dass in allen untersuchten Regionen im Hinblick auf die Alterstruktur der Strecke eine dem angestrebten Ziel nicht angemessene Bejagung praktiziert wurde, was besonders in den Gefährdeten Bezirken der Pfalz in den Jahren 2003 und 2004

deutlich wurde. Insgesamt wurden flächendeckend zu wenige Frischlinge in den untersuchten Regionen erlegt. Der relativ geringe Streckenanteil an Frischlingen und der relativ höhere Abschuss in den anderen Altersklassen lässt zum einen den Schluss zu, dass ein weiterer Anstieg der Populationsdichte nicht verhindert werden konnte, und zum anderen dass sich die Altersstruktur zugunsten jüngerer Wildschweine, die für das KSPV besonders empfänglich sind, verschoben hat. KADEN et al. (2004a) weisen darauf hin, dass mit dem Anstieg der Wildschweinepopulation in Deutschland das Risiko für eine Seucheneinschleppung der KSP in Schwarzwildbeständen stark gestiegen ist. Wichtiger erscheint jedoch die Tatsache, dass durch einen hohen Jungtieranteil an der Population die Gefahr für das Entstehen eines endemischen Seuchengeschehens steigt, und KSP-Seuchenausbrüche aufgrund der zunehmenden Anzahl empfänglicher Tiere nicht mehr selbstlimitierend sind. Für den geringen Frischlingsabschuss können verschiedene Ursachen diskutiert werden.

Sehr junge Frischlinge sind für viele Jäger aufgrund des geringen Wildbretgewichts und fehlender Trophäen als Beute nicht attraktiv genug, weshalb gerade in den Monaten April bis August ihr Anteil an der Strecke gering ist. Bei zunehmendem Jagddruck auf Frischlinge können die Bachen versuchen, durch Anpassung des Raumnutzungsverhaltens sich und ihren Nachwuchs einer weiteren Bejagung zu entziehen. Der insgesamt niedrigere Anteil weiblicher Tiere, respektive höhere Anteil männlicher Tiere an der Gesamtstrecke, könnte ein Indiz für diesen Zusammenhang sein. Letztlich deutet das verschobene Geschlechterverhältnis der Jagdstrecke auf ein selektives Abschussverhalten der Jäger zugunsten männlicher Stücke hin.

Als weitere Ursache des Frischlingsdefizits der Jagdstrecke sollte in Betracht gezogen werden, dass aus jagdlicher Sicht der Wert eines Reviers am Wildbestand gemessen wird.

Viele Revierinhaber bringen - trotz der Seuchenproblematik - kein Verständnis für einen verstärkten Abschuss von Frischlingen auf. Gleiches gilt auch für den geringeren Abschuss von Reproduktionsträgern (Bachen). Es ist zu vermuten, dass ethische Bedenken bei vielen Jagdausübungsberechtigten dem Abschuss kleiner Frischlinge unter 10 kg entgegensprechen.

Darauf deutet u. a. der sehr geringe Gebrauch des in den „12-Punkte-Programmen“

empfohlenen „Frischlingfangs“ hin. Hierbei werden Frischlinge mit Hilfe großräumiger Kastenfallen lebend gefangen und anschließend durch Fangschuss getötet. Besonders diese Jagdmethode zeichnet sich durch hohe Effizienz aus (TISCHLEDER, 2002), die allerdings auch ein hohes Engagement und tierschutzgerechten Umgang durch den Jäger voraussetzt.

Das Prämierungssystem für Frischlingsabschüsse, die umfangreichen Marktpreisstützungen und Abnahmezusagen für Wildbret aus gemaßregelten Gebieten hatten keinen Einfluss auf eine Veränderung im Verhalten der Jägerschaft, da sich weder die Altersstruktur der Jagdstrecke im Laufe der Prämienzahlung (1999 bis 2003/2004) verändert hat, noch eine merkliche Streckenerhöhung in den Gefährdeten Bezirken nachweisbar war. Eine Prämierung für zur Untersuchung eingesandtes Fallwild oder für krank erlegte Stücke könnte sich günstig auf die Seuchen-Früherkennung auswirken.

In den untersuchten Gefährdeten Bezirken der Pfalz machten sich die Abweichungen von den Abschussrichtlinien in den Jahren nach Impfbeginn nachteilig bemerkbar. Durch den erhöhten Jungtieranteil war in diesen Gebieten eine Viruszirkulation anzunehmen, verschärft wurde diese Situation in der Schwarzwildpopulation durch das zusammenhängende Waldgebiet des Pfälzer Waldes und der angrenzenden Nord-Vogesen. Es ist zu vermuten, dass der erhöhte Abschuss von Überläufern und adulten Sauen auf jagdlichen Absprachen einschließlich einer Freigabe und Schonung einzelner Altersklassen durch die Jagdausübungsberechtigten in diesen Regionen beruhten. Insgesamt wurde in beiden Landesteilen deutlich, dass die Erlegung eines sowohl für die KSP-Bekämpfung als auch die Populationssenkung notwendigen hohen Frischlingsanteils nicht im notwendigen Umfang praktiziert wurde. Das entspricht den Beobachtungen in anderen Bundesländern mit KSP-Seuchengeschehen bei Wildschweinen (KERN u. LAHRMANN, 2000; SCHURIG, 1999; KADEN, 1999a).

Im Hinblick auf die Epidemiologie war das Alter der Tiere in den vorliegenden Untersuchungen ein wichtiger Parameter. Die Altersklasse des jeweiligen Wildschweins, die anhand des Zahnalters des Tieres durch die Jäger geschätzt wurde, wurde den Probenbegleit-scheinen des LUA entnommen. Die Zahnaltersbestimmung stellt die sicherste Methode zur Alterseinteilung von Schwarzwild dar (BRIEDERMANN, 1990; STUBBE, 2001;

WITTEMANN, 2004). Kritisch anzumerken ist, dass die Altersbestimmmung einer gewissen Unsicherheit unterliegt und von dem Wissensstand und der Motivation des einzelnen Jägers abhängt. Jagdstreckenanalysen in Mecklenburg-Vorpommern anhand von KSP-Untersuchungsdaten haben gezeigt, dass auch rückblickend eine Einbeziehung des Wildkarkassengewichts keine Überprüfung der Altersklasseneinteilung zulässt, da das Alter der Tiere in einigen Fällen nicht mit dem Gewicht der erlegten Wildschweine korrelierte (VESELY, persönliche Mitteilung).

In der Gesamtbetrachtung war ein deutlicher Anstieg der Abschusszahlen von Wildschweinen, der über den generellen bundes- und europaweiten Trend von steigenden Streckenzahlen hinausgeht (ARNOLD, 2005a, 2005b; DJV, 2005), in keinem der Untersuchungszeiträume der ausgewählten Gebiete festzustellen. Anzunehmen ist, dass sich der Jagddruck in Rheinland-Pfalz in den Seuchengebieten nicht oder nur unwesentlich erhöht hat. Dies könnte u. a. darauf zurückzuführen sein, dass gerade in der Eifel der Anteil nicht

„einheimischer“ Revierinhaber verhältnismäßig hoch war. Deren Kooperationsbereitschaft für eine flächendeckende, intensive Bejagung und Bestandsreduzierung war - möglicherweise aus Zeitmangel - als gering einzuschätzen. Zusätzlich eröffneten sich für das Schwarzwild in der zunehmenden Zahl stillgelegter Weinberge an Saar und Mosel neue, nur schwierig oder nicht bejagbare Lebensräume.

5.3 Bewertung der Entwicklung der Antigen- und Antikörperbefunde in