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2 LITERATURÜBERSICHT

2.2 Klassische Schweinepest

2.2.4 Klinik

Abhängig vom Alter des Schweines und der Virulenz des Virus kann es zu unterschiedlichen Manifestationen der Infektion kommen. MOENNIG et al. (2003) verweisen auf drei Verlaufsformen der KSP: die akute, chronische und pränatale Verlaufsform.

Die von MOENNIG et al. (2003) beschriebenen Verlaufsformen sind nur sinnvoll bei der Einzeltierbetrachtung. Unter Feldbedingungen können in Schweinebeständen alle drei Krankheitsbilder nebeneinander vorkommen, so dass es schwieriger ist, die klaren experimentellen Verlaufsformen eindeutig zu erkennen. Zudem ist der genaue Infektions-zeitpunkt unter Feldbedingungen nicht bekannt (DEPNER et al., 1996).

Nach DEPNER et al. (1996) und VAN OIRSCHOT (1999a) sind nach postnataler Infektion verschiedene Verlaufsformen möglich, dies sind die akut-letalen, die akut-transienten und die chronischen Verlaufsformen. DEPNER et al. (1997b) machen für die unterschiedlichen KSP-Formen vor allem das Alter des Tieres sowie seine Kondition und Konstitution, demnach auch Rassemerkmale, verantwortlich. Die Virulenz des Virusisolates und die Infektionsdosis sehen sie als untergeordnete Einflussfaktoren an. In einer experimentellen Studie an Wildschweinen wiesen KADEN et al. (2004a) darauf hin, dass sich bei Wildschweinen aus verschiedenen Zuchtlinien keine unterschiedlichen Verläufe der KSP manifestierten.

2.2.4.1 Postnatale Infektion 2.2.4.1.1 Akute Verlaufsformen

Vor allem bei Jungtieren ist als erstes Anzeichen einer Infektion mit KSPV ein rascher Anstieg der Körpertemperatur auf über 40 °C zu verzeichnen. Bei adulten Tieren können

durchaus auch Körperinnentemperaturen unter 39,5 °C vorgefunden werden (MOENNIG et al., 2003). Bei unter 12 Wochen alten Tieren verläuft die akut-letale Form der KSP mit hohem Fieber, Apathie, Anorexie, Konjunktivitis, vergrößerten und verfärbten Lymphknoten sowie respiratorischen Symptomen. Im Gastro-Intestinaltrakt lassen sich zunächst Obstipation, gefolgt von teils blutiger Diarrhoe feststellen. Häufige klinische Symptome sind außerdem zentralnervöse Begleiterscheinungen mit motorischen Ausfällen, deutliche Hinterhand-schwäche und vereinzelte Konvulsionen. Die als „klassisch“ bezeichneten Haut-veränderungen in Form petechialer bis flächenhafter Blutungen im Bereich der Ohren, dem Unterbauch, der inneren Seite der Gliedmaßen und im inneren Flankenbereich werden vor allem während der zweiten und dritten Phase der Erkrankung bis zum Tod festgestellt.

Desweiteren entwickelt sich eine Leukopenie mit dadurch bedingter Immunsuppression, die als Folge enterische und respiratorische Sekundärinfektionen nach sich zieht (VAN OIRSCHOT, 1999a; MOENNIG et al., 2003). Die Tiere verenden akut innerhalb von 10 bis 20 Tagen oder subakut innerhalb von 20 bis 30 Tagen nach der Infektion (DUNNE, 1970).

Eine massive Virusausscheidung erfolgt in der Virämiephase über Speichel, Urin und Kot (DEPNER et al., 1994). Nach UTTENTHAL et al. (2003) dauert die Virämie eine Woche. In einer experimentellen Studie mit einem schwach-pathogenen belgischen KSPV-Isolat wurde eine durchschnittliche Ausscheidungsperiode des Virus von 10,6 Tagen angegeben (DEWULF et al., 2002). Überleben akut erkrankte Tiere die Infektion, bildet sich nach zwei bis drei Wochen eine starke und langandauernde Immunantwort aus (LAEVENS et al., 1998).

Verläuft die Erkrankung letal, sind oft nur geringe Mengen neutralisierender Antikörper kurz vor dem Verenden der Schweine nachweisbar (RESSANG, 1973b; LIESS et al., 1977;

DEPNER et al., 1994). Neben dem akuten Verlauf mit hohen Mortalitätsraten können auch mildere Formen und transiente Infektionen mit vollständiger Genesung auftreten, die die klinische Diagnose der KSP erschweren. Bei der akut-transienten Verlaufsform kann zwar Virus bzw. Antigen im Probenmaterial nachgewiesen werden, die klinischen Untersuchungsergebnisse sind jedoch nicht aussagekräftig. Unter Umständen lässt sich Fieber nur an wenigen Tagen schwankend beobachten und das Allgemeinbefinden bessert sich rasch wieder. Typische petechiale Blutungen oder zentralnervöse Störungen fehlen, weshalb man in diesem Fall auch von einem „atypischen“ Verlauf spricht (DAHLE u. LIESS, 1992; DEPNER et al., 1996).

2.2.4.1.2 Chronische Verlaufsform

Die chronische Form der KSP ist für das infizierte Tier immer letal. Betroffene Tiere sind nicht in der Lage, eine effiziente Immunantwort auszubilden. Chronisch kranke Schweine können zwei bis drei Monate überleben, bevor sie sterben (MOENNIG et al., 2003).

Abwechselnd können Phasen klinischer Besserung und erneuter Krankheitsschübe aufeinander folgen (DEPNER et al., 1996). Die für die KSP als „klassisch“ bezeichneten Symptome fehlen meist, die Tiere zeigen z. B. intermittierendes Fieber, chronische Enteritis, Kümmern und Appetitlosigkeit (MOENNIG et al., 2003). Von Infektionsbeginn an scheiden chronisch kranke Tiere permanent Virus aus und stellen somit eine dauerhafte Infektionsquelle dar (MOENNIG et al., 2003); kennzeichnend sind vor allem deutliche Entwicklungsstörungen der Jungtiere. Bei Nichterkennen können sie eine wichtige Rolle bei der Weiterverbreitung der Infektion spielen (DEPNER et al. 1996; KADEN et al., 2004a).

Neutralisierende Antikörper lassen sich nur kurzfristig in der Phase der klinischen Besserung um die vierte Infektionswoche nachweisen. Zu diesem Zeitpunkt kann es auch zu einem vorübergehenden Verschwinden der Virämie kommen (MENGELING u. PACKER, 1969;

DEPNER et al., 1996; VAN OIRSCHOT, 1999a). Da es gerade bei chronischem KSP- Verlauf zu einer unspezifischen klinischen Symptomatik kommt, muss ein weites Feld an Differentialdiagnosen in Erwägung gezogen werden (MOENNIG et al., 2003).

2.2.4.2 Pränatale Infektion

Obwohl die Infektion mit KSPV bei Sauen oft subklinisch verläuft, kann das Virus die Plazentarschranke überschreiten und dabei in allen Stadien der Trächtigkeit die Feten infizieren (VAN OIRSCHOT u. TERPSTRA, 1977; DEPNER et al. 1995; MOENNIG et al., 2003). Die Folgen einer transplazentaren Infektion hängen im Wesentlichen vom Entwicklungsstadium der Feten zum Infektionszeitpunkt und der Virulenz des Virus ab (MOENNIG u. PLAGEMANN, 1992; MOENNIG et al., 2003). Infektionen in frühen Gestationsphasen vor dem 41. Trächtigkeitstag führen meist zu Totgeburten oder Aborten, Mumifikationen oder teratologischen Veränderungen. Erfolgt eine Infektion um den 50. bis 70. Tag der Trächtigkeit kann es zur Geburt persistent virämischer Ferkel kommen (VAN OIRSCHOT, 1988; MOENNIG et al., 2003).

Post partum können persistent-virämische Ferkel völlig gesund erscheinen, allerdings entwickeln sie dann die sogenannte Spätform der KSP („late onset“-Form) und verenden schließlich. Ein Großteil der betroffenen Ferkel fällt durch Wachstumsstörungen, Kümmern, Anorexie, Konjunktivitis, Dermatitis und gelegentlichen Tremor auf, wobei die Symptome sehr variabel sein können. Ferkel, die an der Spätform der KSP erkrankt sind, können bei Hausschweinen bis zu 11 Monate überleben. Kongenital infizierte, persistent-virämische Ferkel sind immuntolerant gegenüber dem KSPV (VAN OIRSCHOT, 1999a). Das wesentliche Problem der persistent-infizierten Tiere liegt darin begründet, dass sie konstant große Mengen Virus ausscheiden und somit ein gefährliches Virusreservoir darstellen (VAN OIRSCHOT u. TERPSTRA, 1977; KERN et al. 1999a).

2.2.4.3 Klinischer Verlauf und Besonderheiten beim Schwarzwild

Infektionsbiologie und Krankheitsverlauf der KSP bei Schwarzwild wurden bisher nur in wenigen Studien untersucht, da Wildschweine nur schwer in Isolierstallungen gehalten werden können (UTTENTHAL, 2005). Es wird angenommen, dass die Pathogenese, der Krankheitsverlauf und die klinischen Symptome der KSP beim Wildschwein mit denen beim Hausschwein vergleichbar sind (BRUGH, 1964; LEFORBAN et al., 1992; DEPNER et al., 1995; KADEN, 1998a). Der Krankheitsverlauf der KSPV-Infektion bei Schwarzwild ist abhängig von der Virulenz des Virus, vor allem aber dem Alter der Tiere und exogenen Einflussfaktoren, wie z. B. einer Primärinfektion mit anderen pathogenen Erregern (KADEN et al., 1999b, 2003a, 2004a; KERN et al., 1999a; KERN u. LAHRMANN, 2000; ARTOIS et al., 2002). Hoch virulente KSPV-Isolate rufen vornehmlich die akut-letale Verlaufsform der KSP bei Schwarzwild hervor mit besonderer Ausprägung der hämorrhagischen Krankheitsanzeichen, wohingegen schwach virulente Isolate die akut-transiente bis chronische Verlaufsform oder auch die „late onset“-Form der KSP hervorrufen (ARTOIS et al., 2002; KADEN et al., 2005a).

Die Erregerausscheidung findet vor allem in der klinischen Phase der Erkrankung statt. Der hohe Anteil an Jungtieren mit klinisch manifester KSP-Erkrankung unterstreicht ihre wichtige Rolle für die Weiterverbreitung der Infektion in einem Wildbestand (KADEN et al., 2005a).

Klinische Auffälligkeiten sind bei Wildschweinen in freier Wildbahn vor allem Kümmern (z.B. aufgekrümmter Rücken, struppiges und glanzloses Fell und Abmagerung),

ZNS-Störungen mit Bewegungsinkoordinationen und Verlust der natürlichen Scheu vor dem Menschen (LOEPELMANN u. DEDEK, 1987; ANONYM, 1999a). Bei Frischlingen konnte Kümmern als Hauptsymptom gefunden werden (DEPNER et al., 1995). Wildschweine zeigen einige Tage nach der Virusaufnahme Mattigkeit, reduzierte Futteraufnahme, verminderten Fluchtreflex und suchen vermehrt Suhlen auf (KADEN u. MÜLLER, 2001). Eine Einzeltierdiagnostik wird von Jägern oft wegen mangelnder Kenntnis nicht vorgenommen und aufgrund der „schwarzwildtypischen“ dunklen Hautpigmentation werden petechiale Unterhautblutungen auch postmortal leicht übersehen (ARTOIS et al., 2002). Erstes Verdachtsmoment für das Auftreten von KSP im Schwarzwildbestand sollte für den Revierjäger eine deutlich erhöhte Mortalitätsrate insbesondere bei Jungtieren sein (UTTENTHAL, 2005; ARTOIS et al., 2002).